Verfahrensgang

Hessisches LSG (Urteil vom 14.09.1989)

SG Gießen (Urteil vom 07.05.1987)

 

Tenor

Auf die Revisionen des Beklagten und der Beigeladenen werden die Urteile des Hessischen Landessozialgerichts vom 14. September 1989 und des Sozialgerichts Gießen vom 7. Mai 1987 geändert. Die Klage wird abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind im gesamten Rechtsstreit nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

I

Der Kläger begehrt einen höheren Berufsschadensausgleich. Er war ursprünglich Beamter im einfachen, später im mittleren Postdienst und wurde 1981 als Postbetriebsinspektor in eine Planstelle der Besoldungsgruppe A 9 mit Amtszulage nach Anlage IX Bundesbesoldungsgesetz (BBesG) eingewiesen; außerdem bezog er zuletzt eine Stellenzulage. Ende November 1982 ist er wegen der nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) anerkannten Schädigungsfolgen vorzeitig in den Ruhestand versetzt worden. Das Versorgungsamt gewährte dem Kläger ab Dezember 1982 einen Berufsschadensausgleich entsprechend einem Einkommensverlust im Verhältnis zum Durchschnittseinkommen nach § 6 Abs 2 Berufsschadensausgleichsverordnung (BSchAV), berechnet nach dem Grundgehalt der Besoldungsgruppe A 9 BBesG mit der Dienstalterstufe 13 zuzüglich Ortszuschlag der Stufe 2 und Stellenzulage, aber ohne die ruhegehaltsfähige Amtszulage, die der Kläger erhält (Bescheid vom 7. Oktober 1983, Widerspruchsbescheid vom 31. Januar 1985). Das Sozialgericht (SG) hat den Beklagten verurteilt, dem Kläger Berufsschadensausgleich unter Zugrundelegung der Besoldungsgruppe A 9 BBesG mit Amtszulage ab 1. Dezember 1982 zu gewähren (Urteil vom 7. Mai 1987). Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 14. September 1989). Es hat die Amtszulage als Bestandteil des Grundgehaltes iS des § 6 Abs 2 BSchAV deshalb beurteilt, weil es auch nach § 42 Abs 2 BBesG als solcher gelte. Die Einbeziehung von Stellenzulagen neben dem Grundgehalt in das Durchschnittseinkommen rechtfertige keine andere Entscheidung; denn Stellenzulagen hätten eine andere Funktion als Amtszulagen. Diese kennzeichneten ein Zwischenamt im statusrechtlichen Sinne und seien sowohl unwiderruflich als auch ruhegehaltsfähig. Da der Kläger mit der Zulage 75 vH des Unterschieds zur nächsthöheren Besoldungsgruppe erreicht habe und § 6 Abs 2 BSchAV einen individuellen Berufserfolg berücksichtige, müsse auch die Amtszulage zum Durchschnittseinkommen gerechnet werden.

Der Beklagte und die Beigeladene haben die – vom LSG zugelassene – Revision eingelegt. Sie rügen eine Verletzung des § 30 Abs 9 Buchst a BVG, des § 6 Abs 2 BSchAV sowie des § 2 Abs 2 und des § 42 Abs 1 und 2 BBesG. In dem umstrittenen Punkt bestimme auch das Pauschalierungsprinzip die Festsetzung des Durchschnittseinkommens, von dem die Höhe des Berufsschadensausgleichs abhänge. Es gelte insoweit trotz des Individualisierungsgebotes des § 6 Abs 2 BSchAV. Die fiktive Einbeziehung der Amtszulage in das Grundgehalt im BBesG sei auf das Besoldungsrecht beschränkt.

Der Beklagte und die Beigeladene beantragen,

die Urteile der Vorinstanzen zu ändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Revisionen zurückzuweisen.

Für den Fall, daß der nach § 48 SGB X erlassene Bescheid vom 9. August 1991 nach § 96 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ins Verfahren einbezogen ist, beantragt er dessen Aufhebung.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

 

Entscheidungsgründe

II

Die Revisionen des Beklagten und der Beigeladenen sind begründet.

Entgegen den Entscheidungen der Vorinstanzen hat der Beklagte bei der Berechnung des Berufsschadensausgleichs ab Dezember 1982 dem Durchschnittseinkommen als Vergleichseinkommen nicht die Amtszulage zuzurechnen, die der Kläger zuletzt als Teil der aktiven Dienstbezüge erhielt und die ruhegehaltsfähig ist (§ 42 Abs 2 Satz 1 BBesG idF der Bekanntmachung vom 13. November 1980 – BGBl I 2081 –). Dies schreibt neuerdings § 6 Abs 2 letzter Satz BSchAV idF der Änderungsverordnung vom 16. Januar 1991 (BGBl I 136) durch Verweisung auf § 4 Abs 1 Satz 3 Halbsatz 2 dieser Verordnung ausdrücklich vor, wonach Amtszulagen bei der Bestimmung des Grundgehaltes nicht zu berücksichtigen sind. Diese Regelung stellt klar, was bereits für die vorhergehende Zeit, aber auch seit Dezember 1982 gelten sollte. Sie ist auch mit dem Gesetz vereinbar.

Für den Kläger als Beamten des mittleren Dienstes mit den Besoldungsgruppen A 5 bis A 9 (§ 23 Abs 1 Nr 2, § 26 Abs 1 Satz 1 BBesG) mußte im Regelfall nach § 4 Abs 1 Satz 1 Nr 2 der Verordnung zur Durchführung des § 30 Abs 3 bis 5 BVG vom 18. Januar 1977 (BGBl I 162 – jetzt BSchAV) das Durchschnittseinkommen als höheres Vergleichseinkommen in der ohne die Schädigung erreichten Berufsgruppe, wovon der schädigungsbedingte Einkommensverlust und damit der Berufsschadensausgleich abhängt (§ 30 Abs 3 und 4 Satz 1, Abs 5 Satz 1 BVG idF der Bekanntmachung vom 22. Januar 1982 – BGBl I 21 –), nach der Besoldungsgruppe A 8 BBesG bemessen werden. Da der Kläger vor dem schädigungsbedingten Übertritt in den Ruhestand mit der Besoldungsgruppe A 9, der Eingangsgruppe des gehobenen Dienstes (§ 23 Abs 1 Nr 3 BBesG) mindestens eine Besoldungsgruppe über jener Leistungsgruppe – bis A 8 – eingestuft war, ist nach § 6 Abs 2 Satz 1 BSchAV das maßgebende Durchschnittseinkommen das Grundgehalt der erreichten Besoldungsgruppe, dh A 9 BBesG. Nach § 6 Abs 2 Satz 4 BSchAV ist das derart ermittelte Grundgehalt um den Ortszuschlag nach Stufe 2 und um eine Stellenzulage, wie hier geschehen, zu erhöhen. Von diesem Durchschnittseinkommen war auch bereits nach früherem Recht ohne ausdrückliche Anordnung die Amtszulage ausgenommen. Sie gilt zwar besoldungsrechtlich als Bestandteil des Grundgehaltes (§ 42 Abs 2 Satz 2 BBesG). Aber diese Fiktion erstreckt sich nicht zwangsläufig auf das soziale Entschädigungsrecht, zu dem der Berufsschadensausgleich gehört. In diesem Rechtsgebiet darf die Bundesregierung durch eine Rechtsverordnung selbständig bestimmen, welche Vergleichsgrundlage und in welcher Weise sie zur Ermittlung des Einkommensverlustes heranzuziehen ist (§ 30 Abs 9 Buchstabe a BVG; für die Verordnung von 1977: § 30 Abs 8 BVG aF). Dabei ist sie allein an den gesetzlichen Maßstab des Durchschnittseinkommens und bei Angehörigen des öffentlichen Dienstes, soweit sie Beamte sind, an die beamtenrechtlichen Besoldungsgruppen des Bundes gebunden (Art 80 Abs 1 Grundgesetz ≪GG≫, § 30 Abs 5 Satz 3 BVG; dazu BVerfG SozR 3100 § 30 Nr 61). Im Rahmen dieser Gestaltungsfreiheit hat die Bundesregierung für den Fall eines außergewöhnlichen Berufserfolges, dem eine laufbahnbezogene Einstufung nicht gerecht würde – wie beim Kläger –, in § 6 Abs 2 BSchAV die Bindung an die zuletzt erreichte Besoldungsgruppe vorgeschrieben. Aber abweichend von dieser Individualisierung durfte im übrigen der Typisierungs- und Pauschalierungsgrundsatz zum Tragen kommen, der insgesamt auch das Recht des Berufsschadensausgleichs beherrscht (st Rspr des BSG, zB BSGE 27, 119, 122 = SozR Nr 3 zu § 40a BVG; BSGE 27, 178, 180 = SozR Nr 3 zu § 6 DVO zu § 30 Abs 3 und 4 BVG 1964; SozR Nr 2 zu § 4 DVO 1964; Nrn 1 und 2 zu § 4 DVO 1968; BSGE 36, 225 = SozR Nr 3 zu § 4 DVO 1968; SozR 3641 § 4 Nr 1).

Wenn in der Rechtsverordnung ausdrücklich neben dem Grundgehalt die Ortszulagen und Stellenzulagen als Bemessungsfaktoren des maßgebenden Durchschnittseinkommens aufgeführt werden, besteht kein Anhalt dafür, daß eine Amtszulage darüber hinaus als Bestandteil des Grundgehaltes ebenfalls gemeint sein sollte. Bei der Vielzahl verschiedenartiger Teile der Dienstbezüge, besonders besoldungsrechtlicher Zulagen, sind nur die ausdrücklich in der BSchAV aufgeführten Teile der beamtenrechtlichen Dienstbezüge als Bestandteil des Durchschnittseinkommens anzusehen. Nicht ausdrücklich benannte Teile sind nicht etwa den bezeichneten je nach ausreichender Ähnlichkeit zuzuordnen. Grundgehalt, Amtszulagen und Stellenzulagen werden im Beamtenbesoldungsrecht, worauf sich diese Vorschrift des sozialen Entschädigungsrechts bezieht, klar unterschieden, wobei Amtszulagen und Stellenzulagen unterschiedliche Funktionen haben (§ 1 Abs 2, § 42 Abs 1 Satz 1, Abs 2 Satz 1, Abs 3 Satz 1 BBesG; BVerwGE 40, 229 f; BVerwG RiA 1976, 216; Unverhau, ZBR 1982, 363, 368 f; Schwegmann/ Summer, Bundesbesoldungsgesetz, § 42 Rz 5, 7, 9, 15, 15a; Schriftlicher Bericht des Bundestags-Innenausschusses zum Entwurf des Dritten Gesetzes zur Änderung des BBesG – BT-Drucks V/891 –, BT-Drucks V/1694 S 3 f zu § 21 BBesG). Den Charakter einer statusrechtlichen Zulage hatte vor der Einführung der Amtszulage die Stellenzulage (vgl Entwurf eines Bundesbesoldungsgesetzes BT-Drucks II/1993, Begründung S 47 f zu §§ 19 und 20). Zwar ist die Amtszulage an einen Amtsstatus gebunden, was dafür sprechen könnte, sie zum Durchschnittseinkommen von Beamten zu rechnen. Aber sie ist nicht typisch für ein Amt, mit dem sie verbunden wird. Nur bis zu 30 vH der Stellen einer Besoldungsgruppe durften nach dem hier maßgebenden Besoldungsrecht mit einer Amtszulage ausgestattet werden, soweit sich die übertragenen Funktionen von denen der Besoldungsgruppe A 9 abhoben (Anlage I der Besoldungsordnung A zum BBesG 1980, zu A 9 – Betriebsinspektor – Fußnote 4). Tatsachen wie diese, die nicht mit durchschnittlicher Häufigkeit auftreten, können in der BSchAV bei der pauschalierenden Bestimmung des Durchschnittseinkommens vernachlässigt werden. Deshalb braucht die Amtszulage nicht in das fürmaßgebend erklärte Grundgehalt einbezogen zu werden und gilt nicht unausgesprochen als einbezogen. Die fiktive Geltung als Teil des Grundgehaltes im Besoldungsrecht ist darauf beschränkt, daß alle Änderungen des Grundgehaltes, besonders die jährlichen oder sonst periodisch üblichen Erhöhungen, ohne ausdrückliche Anordnung die Amtszulagen umfassen. Die fiktive Einbeziehung ins Grundgehalt kann sich außerdem diziplinarrechtlich auswirken, wenn es um Maßnahmen mit besoldungsrechtlichen Folgen geht (Schwegmann/ Summer, aaO, § 42 Rz 10). Wäre die Amtszulage schon nach ihrer Rechtsnatur, die den Beamtenstatus kennzeichnet und ein Amt allgemeingültig bewertet, im Besoldungsrecht zwingend als Bestandteil des Grundgehaltes anzusehen, hätte der Gesetzgeber dies nicht fiktiv anzuordnen brauchen. Viel weniger kann dann die Zuordnung zum Grundgehalt ohne ausdrückliche Bestimmung außerhalb des Besoldungsrechtes gelten. Dem Verordnungsgeber war schon bei der gleichartigen Regelung des beamtenrechtlichen Durchschnittseinkommens in § 6 der Durchführungsverordnung vom 11. April 1974 (BGBl I 927) die Amtszulage neben der andersartigen Stellenzulage, die er ausdrücklich erwähnte, bekannt. Amtszulagen wurden bereits in § 21 BBesG idF des Gesetzes vom 6. Juli 1967 (BGBl I 629) in gleicher Weise wie bis heute von Stellenzulagen unterschieden (ebenso in § 42 BBesG idF des Gesetzes vom 23. Mai 1975 – BGBl I 1173 –).

Der Bescheid vom 9. August 1991, der die durch den Ausführungsbescheid zum SG-Urteil gewährte Leistung vom Inkrafttreten der Neufassung der BSchAV ab entzogen hat, ist nicht Gegenstand des Revisionsverfahrens, sondern allenfalls kraft Klage beim SG rechtshängig geworden (§ 171 Abs 2 SGG). Im übrigen ist der Ausführungsbescheid, auf den er sich bezieht, mit diesem Urteil gegenstandslos.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1175066

NZA 1992, 432

ZBR 1992, 185

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge