Leitsatz (amtlich)
Zu der Frage, in welche Leistungsgruppe der Anl 1 B zu FRG § 22 der für den Wirtschaftsteil einer Tageszeitung verantwortliche Fachredakteur einzustufen ist.
Normenkette
FRG § 22 Anl 1 Fassung: 1965-06-09
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 10. Januar 1968 insoweit aufgehoben, als die Beklagte verurteilt wurde, dem Kläger über ihr Teilanerkenntnis hinaus hinsichtlich der Berechnung seines Altersruhegeldes einen neuen Bescheid zu erteilen und darin die Zeit vom 1. Januar 1933 bis 31. Juli 1939 als Versicherungszeit nach der Leistungsgruppe B 1 der Anlage 1 zu § 22 des Fremdrentengesetzes abzugelten. In diesem Umfang wird die Klage abgewiesen.
Die Kostenentscheidung wird wie folgt geändert: Die Beklagte hat dem Kläger ein Drittel der Kosten des Klage- und Berufungsverfahrens zu erstatten.
Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
Die Beteiligten streiten über die Höhe des dem Kläger gewährten Altersruhegeldes, jetzt noch darüber, wie die von ihm in D zurückgelegte Versicherungszeit vom 1. Januar 1933 bis 31. Juni 1939, während der er als Wirtschaftsredakteur der "D" ("DNN") beschäftigt war, anzurechnen ist (§§ 15, 22 des Fremdrentengesetzes - FRG -).
Nach den Feststellungen des Landessozialgerichts (LSG) war der im Oktober 1900 geborene Kläger nach dem Studium der Volkswirtschaft, das er im Jahre 1923 mit der Promotion zum Dr. rer. pol. abschloß, zunächst als unbezahlter Assistent am staatswissenschaftlichen Seminar in D und anschließend von April bis Dezember 1925 als Schriftleiter bei der D Handelskammer tätig. Von Mai 1926 bis April 1927 war er als Referent in der Sonderkommission für deutsche Reichsanleihen in P beschäftigt. Seit April 1927 gehörte er zu den Mitarbeitern der "DNN", zunächst als Schriftleiter für Gerichts- und Freistadtnachrichten und seit dem 1. Januar 1933 bis zum 31. Juli 1939 (Einberufung zum Kriegsdienst) als Wirtschaftsredakteur. Seit Juli 1928 waren für ihn Beiträge zur D Angestelltenversicherung in der Beitragsklasse H entrichtet worden.
Mit Bescheid vom 12. Januar 1966 gewährte ihm die Beklagte das Altersruhegeld vom 1. Oktober 1965 an. Bei seiner Berechnung ordnete sie die Zeit der versicherungspflichtigen Beschäftigung des Klägers bis einschließlich September 1930 der Leistungsgruppe B 3 und die nachfolgende Zeit der Leistungsgruppe B 2 der Anlage 1 zu § 22 FRG zu. Der Kläger hält im Hinblick auf seine verantwortungsvolle und selbständige Stellung als Wirtschaftsredakteur und Ressortleiter der "DNN", im übrigen aber auch wegen der Höhe seines Einkommens für die Zeit seit April 1927, zumindestens aber für die Zeit ab 1. Juli 1928, die Leistungsgruppe B 1 für angemessen. Seine Klage war ohne Erfolg.
Auf die Berufung des Klägers, und nachdem die Beklagte während des Berufungsverfahrens sich bereiterklärt hatte, den Kläger ab April 1927 in die Leistungsgruppe B 2 einzustufen, verurteilte das LSG die Beklagte - unter Abweisung der Klage im übrigen -,
dem Kläger über das erfolgte Teilanerkenntnis hinaus hinsichtlich der Berechnung seines Altersruhegeldes einen neuen Bescheid zu erteilen und darin die Zeit vom 1. Januar 1933 bis 31. Juli 1939 als Versicherungszeit nach der Leistungsgruppe B 1 für Angestellte der Anlage 1 zu § 22 FRG abzugelten.
Nach der Meinung des Berufungsgerichts ist die Einstufung des Klägers in die Leistungsgruppe B 1 für die Zeit vom 1. Januar 1933 bis 31. Juli 1939 deshalb gerechtfertigt, weil er zur Zeit der Übernahme der Wirtschaftsredaktion nicht nur ein abgeschlossenes Studium der Volkswirtschaft, sondern auch eine einschlägige zehnjährige Vortätigkeit (davon fast fünf Jahre als Redakteur) aufzuweisen hatte. Aufgrund seines Wissens und seiner Erfahrung sowie seiner weitgehend selbständigen und eigenverantwortlichen Tätigkeit in einem nicht unbedeutenden Zeitungsunternehmen sei er aus dem allgemeinen Kreis der Redakteure herausgehoben. Wenn auch Redakteure über 45 Jahre grundsätzlich in der Leistungsgruppe B 2 aufgeführt seien, so lasse sich doch allein daraus kein allgemein verbindlicher Einordnungsmaßstab finden, weil die Stellung eines Redakteurs zu unterschiedlich sei und gerade hier die Tätigkeitsmerkmale gegen die Systematik der Gruppeneinteilung sprächen. Die Revision wurde zugelassen (Urteil vom 10. Januar 1968).
Die Beklagte hat dieses Rechtsmittel eingelegt. Sie beantragt - sinngemäß -
die Aufhebung des angefochtenen Urteils, soweit sie über ihr Teilanerkenntnis hinaus verurteilt worden ist.
Nach ihrer Meinung hat das LSG den Kläger für die Zeit vom 1. Januar 1933 bis 31. Juli 1939 zu Unrecht der Leistungsgruppe B 1 zugeordnet. Das Berufungsgericht habe die vom Bundessozialgericht (BSG) in seinem Urteil vom 15. März 1967 (SozR Nr. 3 zu § 22 FRG) zugrunde gelegten Erwägungen verkannt. Der Kläger habe mit Rücksicht auf seine Hochschulausbildung zwar schon vor Vollendung des 45. Lebensjahres - insofern abweichend vom Katalog - in die Leistungsgruppe B 2 eingestuft werden können, die Leistungsgruppe B 1 sei jedoch allenfalls erst von der Vollendung des 45. Lebensjahres an angemessen. Daran könne auch die Bedeutung der ausgeübten Tätigkeit nichts ändern.
Der Kläger ist vor dem BSG nicht vertreten.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Die Revision ist zulässig und begründet. Eine Einstufung des Klägers in die Leistungsgruppe B 1 für die Zeit seiner Beschäftigung als Wirtschaftsredakteur der "DNN" (1. Januar 1933 bis 31. Juli 1939) ist nicht gerechtfertigt.
Wie der Senat bereits entschieden hat, sind Versicherungszeiten, die bis 1939 bei dem Versicherungsträger der Freien Stadt Danzig zurückgelegt worden sind, keine nach § 27 Abs. 1 Buchst. a des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) anrechnungsfähigen Versicherungszeiten; sie sind vielmehr nach den §§ 15 und 17 Abs. 1 Buchst. b FRG anzurechnen und nach § 22 FRG zu bewerten (SozR Nr. 13 zu § 1250 RVO) Die persönliche Rentenbemessungsgrundlage muß daher nach der Anlage 1 zum FRG ermittelt werden. Innerhalb der Leistungsgruppen dieser Anlage haben die Redakteure eine ausdrückliche Einordnung in den Berufskatalogen gefunden, und zwar gehören sie regelmäßig im Alter bis zu 45 Jahren der Leistungsgruppe B 3 und im Alter von über 45 Jahren der Leistungsgruppe B 2 an. Danach wäre der Kläger für die streitige Zeit, in der er das 45. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte, in die Leistungsgruppe B 3 einzustufen. Die Aufnahme einer Berufsbezeichnung in den Berufskatalog steht allerdings der Einstufung nach den allgemeinen Definitionen nicht entgegen, wenn sich nach den Merkmalen der ausgeübten Beschäftigung die Einstufung in eine andere Leistungsgruppe ergibt. Deshalb ist es möglich, einen Redakteur, der - wie der Kläger - seinen Beruf aufgrund einer akademischen Vorbildung nachgegangen ist, auch für eine solche Zeit in die Leistungsgruppe B 2 einzustufen, in der er noch nicht das nach dem Berufskatalog dafür erforderliche Mindestalter von 45 Jahren erreicht hat; denn er wird in der Regel die nach der Definition dieser Leistungsgruppe vorausgesetzten "besonderen Erfahrungen", wenn auch nicht aufgrund längerer Berufstätigkeit, so doch aufgrund seiner Ausbildung und Vorbildung besitzen. Er ist dem in dem Berufskatalog der Leistungsgruppe B 2 aufgeführten Oberarzt vergleichbar, bei dem für die Einstufung in diese Leistungsgruppe das Lebensalter regelmäßig ohne rechtliche Bedeutung ist (vgl. SozR Nr. 3 zu § 23 FRG).
Wie bei dem Oberarzt, so kann allerdings auch bei den akademisch vorgebildeten Redakteuren eine Einstufung in die Leistungsgruppe B 1 in Betracht kommen (vgl. BSG aaO sowie 24, 113); dann aber muß es sich eindeutig um Angestellte im Sinne dieser Leistungsgruppe handeln, d. h. solche in leitender Stellung mit Aufsichts- und Dispositionsbefugnis. Diese Voraussetzungen sind aber beim Kläger entgegen der Auffassung im angefochten Urteil nicht gegeben. Das LSG hat den Rechtsbegriff des Angestellten in leitender Stellung mit Aufsichts- und Dispositionsbefugnis im Sinne der Leistungsgruppe B 1 zu weit ausgelegt und damit § 22 FRG unrichtig angewandt.
Der besonderen Erfahrung des Klägers, die das LSG unter Hinweis auf sein Studium und seine anschließenden Tätigkeiten als gegeben ansieht, ist schon dadurch Rechnung getragen, daß ihn die Beklagte bereits von April 1927 an - damals war der Kläger 26 Jahre alt - der Leistungsgruppe B 2 zugeordnet hat. Ihn allein deswegen, weil er ab 1933 die Wirtschaftsredaktion der "DNN" übernommen hat, schon von diesem Zeitpunkt an in die Leistungsgruppe B 1 einzustufen und damit aus der ihm zukommenden Leistungsgruppe herauszuheben, erscheint nicht gerechtfertigt. Anders läge es allenfalls dann, wenn er von diesem Zeitpunkt an Chefredakteur der "DNN" gewesen wäre. Das Ressort Wirtschaft mag zwar ein wichtiges und schwieriges Gebiet umfassen; es ist aber kein überzeugender Grund ersichtlich, allein deshalb allgemein den Wirtschaftsredakteur gegenüber anderen Fachredakteuren (z. B. für Politik oder Feuilleton) herauszuheben und höher einzustufen, selbst wenn seine Tätigkeit möglicherweise besser bezahlt wird als eine Schriftleitertätigkeit anderer Art. Das vom Kläger geleitete Wirtschaftsressort war nur ein Teilbereich des redaktionellen Gesamtunternehmens. Dabei kann es entgegen der Meinung des LSG auch nicht darauf ankommen, daß während der streitigen Zeit der Posten des Chefredakteurs nicht besetzt war und die Redaktion auf kollegialer Basis gearbeitet hat. Ob für den Wirtschaftsredakteur eines repräsentativen, überregionalen Zeitungsunternehmens - deren es nur einige wenige gibt - anderes zu gelten hätte, kann hier offen bleiben.
Auch der dem Kläger vergleichbare Oberarzt gehört solange der Leistungsgruppe B 2 an, als sich nicht nach den Merkmalen der ausgeübten Beschäftigung die Einstufung in eine höhere Leistungsgruppe ergibt oder eine höhere Eingruppierung von einem bestimmten Lebensalter an aufgrund höherer Berufserfahrung und des bis dahin erworbenen beruflichen Könnens gerechtfertigt erscheint (vgl. Urteil vom 15. März 1968 - SozR Nr. 3 zu § 23 FRG). Beim Kläger liegen die Verhältnisse ähnlich. Da nicht ersichtlich ist, daß er als für den Wirtschaftsteil der "DNN" verantwortlicher Fachredakteur eine leitende, mit Aufsichts- und Dispositionsbefugnissen verbundene Stellung innegehabt hat, könnte er nur dann in die Leistungsgruppe B 1 eingestuft werden, wenn seine Tätigkeit von langjähriger Berufserfahrung und darauf beruhendem besonderen beruflichen Können geprägt worden wäre. In der angeführten Entscheidung hat der Senat als Grenze, von der an die Voraussetzungen für eine Einstufung in die Leistungsgruppe B 1 erfüllt sein können, dem Gesetz die Erreichung des 45. Lebensjahres entnommen. Diese Altersgrenze ist zwar nicht bei der Leistungsgruppe B 1, wohl aber bei den übrigen Leistungsgruppen des Abschnittes B mehrfach als "Erfahrungsgrenze" genannt.
Eine Einstufung des Klägers in die Leistungsgruppe B 1 wäre daher allenfalls vom 45. Lebensjahr an gerechtfertigt, nicht aber schon vorher. Daran kann aus den dargelegten Gründen auch die Bedeutung der vom Kläger ausgeübten Tätigkeit als Wirtschaftsredakteur nichts ändern. Da es nach dem Gesetz für seine Einstufung auf die Höhe der geleisteten Versicherungsbeiträge nicht ankommt, liegen demnach bei ihm - was die streitige Zeit anbetrifft - nur die Voraussetzungen zur Einstufung in die Leistungsgruppe B 2 vor.
Auf die Revision der Beklagten muß demzufolge das angefochtene Urteil aufgehoben werden, soweit die Beklagte über ihr Teilanerkenntnis hinaus verurteilt worden ist; in diesem Umfang ist die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.
Fundstellen