Leitsatz (amtlich)
1. Wenn das SG die Bundesanstalt für Arbeit (BA), die dem Kläger Berufsausbildungsbeihilfe (BAB) gewährt, zur Leistung einer höheren BAB verurteilt hat und die BA dagegen Berufung einlegt, betrifft diese die Höhe der Leistung iS SGG § 147.
2. Die unselbständige Anschlußberufung ist unwirksam (ZPO § 522 Abs 1), wenn sie nur einen von mehreren prozessual selbständigen Ansprüchen betrifft, hinsichtlich dessen die Berufung unzulässig ist.
3. Nach dem Abbruch einer Bildungsmaßnahme bedarf es für die Förderung einer neuen Bildungsmaßnahme mit anderem Ziel eines neuen Antrags, auch wenn beide Bildungsmaßnahmen beim selben Maßnahmeträger durchgeführt werden.
Normenkette
SGG § 147 Fassung: 1958-06-25; ZPO § 522 Abs. 1 Fassung: 1950-09-12; RehaAnO § 56 Fassung: 1970-07-02; AFG § 40 Abs. 1 Fassung: 1969-06-25
Verfahrensgang
Bayerisches LSG (Entscheidung vom 14.11.1978; Aktenzeichen L 5 Al 33/77) |
SG Landshut (Entscheidung vom 10.01.1977; Aktenzeichen S 8 Al 182/75) |
Tenor
Die Revisionen der Beklagten und des Klägers gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 14. November 1978 werden zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Der Kläger trug die Kosten der Unterbringung des am 5. November 1957 geborenen Beigeladenen in den H (H.)-Heimen. Dort war der Beigeladene, der nach ärztlichem Gutachten bei psychopathischer Wesensart minderbegabt war, am 20. Dezember 1972 aufgenommen worden. Am 1. September 1973 nahm der Beigeladene aufgrund eines Berufsausbildungsvertrages (§§ 3, 4 des Berufsbildungsgesetzes - BBiG - vom 14. August 1969 - BGBl I 1112) in den H-Heimen eine Ausbildung zum Schreiner auf, die bis zum 31. August 1976 dauern sollte. Im Ausbildungsvertrag war für das erste Ausbildungsjahr eine Vergütung von 55,- DM, für das zweite eine solche von 70,- DM vorgesehen. Der Beigeladene beantragt am 24. September 1973 beim Arbeitsamt "Maßnahmen der Arbeits- und Berufsförderung durch den zuständigen Rehabilitationsträger" und am 3. Oktober 1973 Gewährung von Berufsausbildungsbeihilfe (BAB) für die Ausbildung als Schreiner in der Zeit vom 1. September 1973 bis zum 31. August 1976. Mit Schreiben vom 1. Oktober 1973 leitete der Kläger den Anspruch des Beigeladenen gegen die Beklagte auf Förderung der Ausbildungsmaßnahme gem § 90 des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) auf sich über. Dazu gaben die H-Heime ihren Tagessatz an, der sich aus im einzelnen bezifferten Kosten für Erziehung, Kosten der Unterkunft und Kosten des Schulbedarfs zusammensetzte, und außerdem Nebenkosten in Höhe von monatlich 50,- DM.
Der Berufsausbildungsvertrag wurde zum 30. September 1974 gelöst, weil der Beigeladene den theoretischen Anforderungen nicht genügte. Der Beigeladene war danach bis zum 25. Juli 1975 in der Polsterei der H-Heime beschäftigt.
Mit Bescheid vom 29. Januar 1975 (Widerspruchsbescheid vom 18. August 1975) bewilligte die Beklagte dem Beigeladenen BAB für die Ausbildung zum Schreiner in der Zeit vom 1. September 1973 bis zum 30. September 1974. Mit Widerspruchsbescheid vom 20. Oktober 1975 und Bescheid vom 21. Oktober 1975 änderte die Beklagte die Bescheide vom 29. Januar 1975 und 18. August 1975 ab. Sie bewilligte eine höhere BAB aufgrund der Anordnung des Verwaltungsrats der Bundesanstalt für Arbeit (BA) über die Arbeits- und Berufsförderung Behinderter (AReha) vom 2. Juli 1970 (ANBA 637). Im einzelnen setzte sie Kosten für Unterkunft und Verpflegung im Heim, Taschengeld, Lernmittel, Arbeitskleidung und Heimfahrten an und zog von der Summe dieser Leistungen die tarifliche Vergütung laut Tarifvertrag für das Schreinerhandwerk ab. Weiter führte sie aus, Aufwendungen, die infolge besonderer Betreuungsmaßnahmen in Heimen der Erziehungshilfe entstehen, könnten nicht berücksichtigt werden. Für die Zeit vom 1. Oktober 1974 bis zum 25. Juli 1975 sei BAB nicht zu gewähren, weil der Beigeladene in dieser Zeit nur arbeits- und beschäftigungstherapeutisch betreut worden sei.
Das Sozialgericht (SG) hat am 10. Januar 1977 die Beklagte verurteilt, BAB über den 30. September 1974 hinaus bis zum 25. Juli 1975 zu gewähren und bei der Berechnung der BAB kein eigenes Einkommen des Beigeladenen anzusetzen. Im übrigen, nämlich hinsichtlich der geltend gemachten Kosten für die Erziehung, hat das SG die Klage abgewiesen. Gegen dieses Urteil haben die Beklagte Berufung und der Kläger (unselbständige) Anschlußberufung eingelegt.
Das Landessozialgericht (LSG) hat mit Urteil vom 14. November 1978 die Berufungen der Beklagten und des Klägers zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Berufung sei nicht nach § 147 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ausgeschlossen, denn die vom Kläger begehrte Leistung für den Zeitraum vom 1. September 1973 bis zum 25. Juli 1975 sei eine einheitliche Leistung. Deshalb betreffe die Berufung nicht nur die Höhe, sondern auch den Grund der Leistung.
Die Bescheide vom 20. und 21. Oktober 1975 seien gem § 96 des SGG Gegenstand des Verfahrens geworden. Als Ersatzanspruch habe der Kläger die BAB nicht geltend machen können (vgl BSGE 41, 237). Er habe aber den Anspruch gem § 90 BSHG auf sich übergeleitet. Auf die sinngemäß schon vor dem SG erhobene Anfechtungs- und Leistungsklage hätte das SG allerdings die angefochtenen Bescheide abändern müssen. Das Fehlen dieses Ausspruchs sei aber nicht erheblich. Für den Klageanspruch betreffend die Zeit ab 1. Oktober 1974 sei kein neuer Antrag auf Gewährung von BAB erforderlich gewesen. Der Antrag vom 3. Oktober 1973 habe vielmehr auch diese Zeit umfaßt. Im übrigen brauche, solange der Bescheid vom 29. Januar 1975 noch nicht rechtsverbindlich geworden sei, kein neuer Antrag gestellt zu werden. Die Geltendmachung im Klageverfahren habe genügt. Der Beigeladene sei Behinderter iSd § 56 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) gewesen. Seine Beschäftigung in der Polsterwerkstatt sei notwendig und geeignet gewesen, eine Veränderung in den beruflichen Fähigkeiten zu bewirken. Durch die Beschäftigung in der Behindertenwerkstatt sei er in Form einer Einzelmaßnahme befähigt worden, eine Erwerbstätigkeit auszuüben. Nicht begründet sei dagegen der Anspruch des Klägers der Höhe nach, soweit er über die Regelsätze der §§ 17 Abs 2 und 19 AReha hinausgehe. Die Kosten der besonderen Betreuung durch Pädagogen, Psychologen und Sozialarbeiter habe die Beklagte nicht zu tragen. Die Berufung der Beklagten sei unbegründet, soweit sie sich dagegen wende, daß das SG festgestellt hat, die Beklagte dürfe bei der Berechnung der BAB kein eigenes Einkommen anrechnen, denn der Beigeladene habe kein anrechenbares Einkommen gehabt.
Gegen dieses Urteil haben der Kläger und die Beklagte Revision eingelegt.
Der Kläger macht geltend, in der Zeit vom 1. September 1973 bis zum 25. Juli 1975 habe die Unterbringung des Beigeladenen in den H-Heimen einzig und allein dem Zweck der Berufsausbildung gedient. Es habe sich um eine berufsfördernde Maßnahme nach § 10 Nr 5 AReha gehandelt.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 14. November 1978 insoweit aufzuheben, als es die Anschlußberufung des Klägers zurückweist sowie unter Abänderung des Bescheides des Arbeitsamts Weilheim vom 29. Januar 1975 idF des Bescheides vom 21. Oktober 1975 und des Widerspruchsbescheides vom 18. August 1975 idF des Widerspruchsbescheides vom 20. Oktober 1975 die Beklagte zu verurteilen, für R H vom 1. September 1973 bis zum 25. Juli 1975 BAB in Höhe der vom Kläger in den H-Heimen aufgewendeten Kosten zu gewähren und an den Kläger zu zahlen, schließlich die Revision der Beklagten zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 14. November 1978 und das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 10. Januar 1977 insoweit aufzuheben und die Klage in vollem Umfang abzuweisen, als diese die für die Zeit vom 1. September 1973 bis zum 30. September 1974 zu gewährenden Leistungen betrifft, und die Revision des Klägers zurückzuweisen.
Zur Begründung macht sie geltend, nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) sei hier ausschließlich die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage gegeben, der Kläger habe jedoch vor dem LSG lediglich die Leistungsklage erhoben. Materiell-rechtlich seien bei einer erziehungsbedingten Heimunterbringung nicht nur die Kosten der erzieherischen Betreuung, sondern auch die der Ausbildungsvergütung entsprechenden Kostenanteile nicht von ihr, der Beklagten, zu tragen. Der Auszubildende müsse in einem solchen Fall lediglich aus erzieherischen Gründen ein Ausbildungsverhältnis eingehen, für das keine oder nur eine untertarifliche Vergütung gezahlt werde. Die Aufnahme des Beigeladenen in das Erziehungsheim F, der Jugendabteilung der H-Heime, beruhe zu einem erheblichen Teil auf Gründen der Erziehungshilfe.
Der Beigeladene stellt keine Anträge.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs 2 SGG) einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist nicht begründet. Sie ist ausdrücklich auf den Anspruch des Klägers für die Zeit vom 1. September 1973 bis zum 30. September 1974 beschränkt. Soweit das SG die Beklagte verurteilt hat, BAB über den 30. September 1974 hinaus bis zum 25. Juli 1975 zu gewähren, ist das die Berufung der Beklagten zurückweisende Urteil nicht angefochten worden. Auf die Revision der Beklagten ist nur darüber zu entscheiden, ob das LSG ihre Berufung im übrigen mit Recht zurückgewiesen hat, nämlich soweit sie die Anrechnung eigenen (fiktiven) Einkommens des Beigeladenen in der Zeit vom 1. September 1973 bis 30. September 1974 betrifft. Das Urteil des LSG ist insoweit zu bestätigen.
Für den Anspruch auf Gewährung von BAB ohne Anrechnung von eigenem Einkommen des Beigeladenen in der Zeit vom 1. September 1973 bis zum 30. September 1974 ist die Berufung unzulässig. Sie ist nach § 147 SGG ausgeschlossen, weil sie nur die Höhe der Leistung betrifft; dies hat das BSG von Amts wegen zu beachten (BSG SozR 1500 § 147 Nr 2). Wie der Senat bereits entschieden hat, findet § 147 SGG auch bei Ansprüchen auf Förderung der beruflichen Bildung nach dem AFG Anwendung (BSG aaO).
Die Berufung der Beklagten betrifft die Höhe der Leistung iSd § 147 SGG. Nach den angefochtenen Bescheiden erhält der Kläger dem Grunde nach für die hier streitige Zeit vom 1. September 1973 bis zum 30. September 1974 BAB. Das SG hat die Beklagte zur Gewährung einer höheren BAB verurteilt. Wenn die Beklagte diese Verurteilung mit der Berufung angreift, handelt es sich um einen Höhenstreit iSd § 147 SGG. Der Senat hat allerdings entschieden, daß die Frage, ob ein Jugendlicher die erforderlichen Mittel für eine berufliche Ausbildung oder sonstige Maßnahmen nach § 40 Abs 1 AFG nicht selbst aufbringen kann, eine Anspruchsvoraussetzung sei, und daß ein Streit darüber nicht die Höhe der Leistung betreffe (BSG aaO). Nach dem der Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt hatte das Arbeitsamt die Gewährung von BAB ganz abgelehnt, weil der Bedarf des Auszubildenden durch seine Einkünfte aus dem Lehrverhältnis gedeckt sei. In einem solchen Fall geht es beim Streit wegen der Anrechnung einzelner Einkünfte allerdings um den Anspruch auf BAB dem Grunde nach. Das ist aber anders, wenn dem Antragsteller trotz der Anrechnung eine Leistung verbleibt. Wohl gehört die Frage, ob und welche Beträge anzurechnen sind, auch in diesem Fall zu den Anspruchsvoraussetzungen. Aber auch die Voraussetzungen für die Höhe der Leistung sind Anspruchsvoraussetzungen, und ob es sich um den Anspruch dem Grunde nach handelt, entscheidet sich danach, ob die Beklagte wegen des Fehlens der streitigen Anspruchsvoraussetzungen die Leistung ganz abgelehnt hat. Der Senat schließt sich damit einer Rechtsprechung des BSG zur Kriegsopferversorgung an, und zwar zur Vorschrift des § 148 Nr 4 SGG, die einen Ausschluß der Berufung vorsieht, wenn sie die Höhe der Ausgleichsrente betrifft. Dazu hat das BSG entschieden, die Frage, ob dann, wenn der Lebensunterhalt nicht sichergestellt ist, und infolgedessen dem Versorgungsberechtigten Ausgleichsrente jedenfalls zusteht, die volle Ausgleichsrente oder nur eine Teilrente zu gewähren ist, betreffe nicht mehr die Voraussetzungen für die Ausgleichsrente überhaupt, sondern nur noch ihre Höhe (BSG SozR SGG § 148 Nr 10). Diese Abgrenzung einer Entscheidung dem Grunde und der Höhe nach wird auch für die Bestimmung des § 130 SGG vorgenommen. Für ein Grundurteil nach § 130 SGG ist Voraussetzung, daß ein Rechtsanspruch auf die Leistung besteht. Es muß feststehen oder mindestens wahrscheinlich sein, daß ein Geldbetrag zu zahlen ist; nur noch die Höhe darf streitig sein (Peters/Sautter/Wolff, Kommentar zum SGG, § 130 Bem 1).
Die Berufung der Beklagten ist hinsichtlich des Anspruchs für die Zeit vom 1. September 1973 bis zum 30. September 1974 nicht deshalb zulässig, weil, wie das LSG meint, es sich für die ganze Zeit vom 1. September 1973 bis zum 25. Juli 1975 um einen einheitlichen Anspruch handelt, der teilweise dem Grunde nach streitig ist. Vielmehr handelt es sich bei dem Anspruch auf BAB für die Zeit der Berufsausbildung des Beigeladenen zum Schreiner und für die anschließende Zeit der Tätigkeit in der Polsterwerkstatt um zwei verschiedene prozessuale Ansprüche. Prozessualer Anspruch ist das Begehren auf rechtskräftigen Ausspruch bestimmter Rechtsfolgen, die sich nach Meinung des Klägers aus einem Sachverhalt ergeben (BSGE 21, 13, 15). Den Sachverhalt bestimmt allerdings der Kläger. Aber die Wertung, ob es sich um einen oder um mehrere Sachverhalte und um einen oder mehrere Ansprüche handelt, ergibt sich aus der objektiven Rechtslage. Für die Zeit bis zum 30. September 1974 und für die Zeit danach verlangt der Kläger zwar jeweils BAB. Der Sachverhalt ist aber jeweils ein anderer. Entscheidend ist, daß der Beigeladene eine Bildungsmaßnahme abgebrochen und eine andere Bildungsmaßnahme mit neuem Ziel begonnen hat. Die Berufsausbildung zum Schreiner mit dem dazugehörigen Ausbildungsbild und Ausbildungsrahmenplan (§ 25 Abs 2 Nr 3 und 4 BBiG) unterscheidet sich wesentlich von einer berufsfördernden Maßnahme in der Polsterwerkstatt, die nicht auf das Ziel des Abschlusses in einem anerkannten Ausbildungsberuf ausgerichtet ist. Insoweit liegt der Fall des Beigeladenen anders als etwa ein bloßer Wechsel der Ausbildungsstelle bei Fortsetzung der Ausbildung mit dem gleichen Ziel (vgl BSG SozR 4100 § 152 Nr 6).
Der Entscheidung, daß es sich im vorliegenden Fall um zwei verschiedene Bildungsmaßnahmen gehandelt hat, steht die von der Beklagten erwähnte Entscheidung des Senats vom 10. Oktober 1978 - 7 RAr 66/77 (BSG SozR 4100 § 40 Nr 20) nicht entgegen. Dort hatte der Senat ausgeführt, nicht zu beanstanden sei die Wertung des LSG, daß der beigeladene Behinderte mit der Teilnahme an der Ausbildung zum Herrenschneider an einem Lehrgang zur Verbesserung der Eingliederungsmöglichkeiten für Behinderte teilgenommen hat, welche den Anforderungen eines Ausbildungsberufs nicht und einer Arbeitsaufnahme oder einer Tätigkeit in einer Werkstatt für Behinderte noch nicht gewachsen sind (§ 10 Nr 5 der AReha). Aus diesen Ausführungen ergibt sich, daß ein Zweifel an der Einheitlichkeit der Maßnahme nicht aufkommen konnte. Im Gegensatz zum vorliegenden Fall fiel die ganze Ausbildung unter eine einzige Vorschrift der AReha (§ 10 Nr 5), und das Ziel blieb während der ganzen Maßnahme unverändert. Fraglich war, ob die Ausbildung nach einem Plan erfolgte. Der Senat hat dazu ausgeführt, es sei weder erforderlich, daß in jedem Fall eine detaillierte Beschreibung aller Ausbildungsabschnitte vorhanden noch daß überhaupt in starrer Weise das gesamte zukünftige Vorgehen festgelegt ist. Jeder Plan müsse der Unsicherheit allen Bemühens, die Zukunft zu regeln, Rechnung tragen. Trotz dieser Unsicherheit hatte aber die Ausbildungsmaßnahme zum Herrenschneider ein einheitliches Ziel. Dieses fehlt hingegen für den Aufenthalt des Beigeladenen in den H-Heimen.
Die Zulässigkeit der Berufung ist bei verschiedenen prozessualen Ansprüchen - wie hier wegen der BAB für die Ausbildung zum Schreiner und der BAB für die Maßnahme in der Polsterwerkstatt - für jeden selbständigen Anspruch gesondert zu prüfen. Zumindest nach dem Ziel sind die beiden vom Kläger gemachten Ansprüche selbständig und klar voneinander zu trennen.
Aus allen diesen Gründen hätte das LSG die Berufung der Beklagten als unzulässig verwerfen müssen. Auf die Revision der Beklagten ist aber das Urteil des LSG trotz dieses Fehlers nicht abzuändern, denn durch die Zurückweisung der Berufung statt - wie es richtig gewesen wäre - durch ihre Verwerfung als unzulässig wird die Beklagte nicht beschwert (vgl Peters/Sautter/Wolff aaO § 170 Bem 2). In beiden Fällen bleibt es bei der Bestätigung des Urteils des SG, soweit die Beklagte es mit der Berufung angefochten hat.
Die Revision des Klägers ist unbegründet. Auch insoweit bleibt es im Ergebnis bei der Bestätigung des erstinstanzlichen Urteils durch das LSG.
Hinsichtlich des Anspruchs auf Gewährung von BAB für die Zeit vom 1. September 1973 bis zum 30. September 1974 ist auch die Berufung des Klägers unzulässig. Es handelt sich um eine sogenannte unselbständige Anschlußberufung, denn der Kläger hat das Rechtsmittel nach Ablauf der Berufungsfrist eingelegt. Die Anschlußberufung ist gem § 202 SGG auch im sozialgerichtlichen Verfahren zulässig (BSGE 2, 229). Nach § 522 Abs 1 Zivilprozeßordnung (ZPO) verliert die Anschlußberufung ihre Wirkung, wenn die Berufung als unzulässig verworfen wird. Die - unselbständige - Anschlußberufung ist nicht zulässig, wenn die Berufung unzulässig ist (Wieczorek, Kommentar zur ZPO § 522 Anm A 2a). Bei mehreren prozessualen Ansprüchen ist die Berufung gemäß § 522 Abs 1 ZPO nur zulässig, wenn sie einen prozessual selbständigen Anspruch betrifft, hinsichtlich dessen eine zulässige Berufung eingelegt ist. Betrifft nämlich das SG-Urteil, wie im vorliegenden Fall, mehrere prozessual selbständige Ansprüche, so enthält es eine Mehrheit von an sich selbständigen Entscheidungen.
Das BSG hat deshalb entschieden, daß die Anschlußberufung unzulässig ist, wenn sie sich nur auf einen von mehreren prozessualen Ansprüchen bezieht und hinsichtlich dieses Anspruchs keine Hauptberufung vorliegt (BSG SozR ZPO § 521 Nr 12). Dazu hat es insbesondere ausgeführt, im sozialgerichtlichen Verfahren müsse sich die Anschlußberufung nicht nur gegen dasselbe Urteil richten, das mit der Berufung angefochten ist; es müsse auch den gleichen Anspruch betreffen, bezüglich dessen Berufung eingelegt ist. Bei einer Mehrheit von prozessual selbständigen Ansprüchen würden mehrere Berufungen iSd § 522 Abs 1 ZPO eingelegt, die bezüglich ihrer Zulässigkeit gesondert zu beurteilen seien. Der Senat schließt sich dieser Rechtsprechung an.
Über die genannte Entscheidung hinaus ist die Anschlußberufung auch dann gem § 522 Abs 1 ZPO wirkungslos, wenn sie nur einen von mehreren prozessual selbständigen Ansprüchen betrifft, hinsichtlich dessen die Berufung zwar eingelegt, aber nicht zulässig ist. Anders als bei Nichteinlegung der Berufung wird die Entscheidung über den Anspruch in diesem Fall allerdings nicht mit Ablauf der Berufungsfrist rechtskräftig. Deshalb treffen auch nicht alle Gründe der erwähnten Entscheidung des BSG hier zu. Die Unwirksamkeit der Anschlußberufung ergibt sich in diesem Fall aber schon allein daraus, daß die Anfechtung des sozialgerichtlichen Urteils über mehrere prozessual selbständige Ansprüche sich als Mehrheit von Berufungen iSd § 522 Abs 1 ZPO darstellt. Dieses Ergebnis entspricht dem Sinn und Zweck der Bestimmung. Wenn ein Beteiligter sich mit dem erstinstanzlichen Urteil zufrieden geben will, ein anderer Beteiligter aber Berufung einlegt, soll der erste Beteiligte die Möglichkeit haben, nun auch seinerseits noch Berufung einzulegen. Daraus folgt die Abhängigkeit der Anschlußberufung von der Hauptberufung. Von dem Augenblick an aber, in dem der Berufungsbeklagte nicht mehr befürchten muß, daß das erstinstanzliche Urteil zu seinem Nachteil abgeändert wird, kann es ihm zugemutet werden, daß auch er sich mit dem Urteil abfindet; er hatte ja in dieser Absicht bereits auf die Einlegung der selbständigen Berufung verzichtet und braucht von den Folgen dieses Entschlusses nicht freigestellt zu werden (Stein-Jonas, Kommentar zur ZPO 19. Auflage § 521 Anm I). Wenn die Berufung als unzulässig verworfen wird, braucht der Berufungsbeklagte eine Abänderung des erstinstanzlichen Urteils zu seinem Nachteil nicht mehr zu befürchten. Diese Furcht ist bei einer Mehrheit prozessualer Ansprüche hinsichtlich desjenigen Anspruchs nicht begründet, der nur mit einer unzulässigen Berufung angefochten ist.
Für das Ergebnis spricht eine weitere Überlegung: Nach den Vorschriften der §§ 144 bis 149 SGG ist die Berufung ausgeschlossen in Fällen, die für die Beteiligten wirtschaftlich von minderer Bedeutung sind. Das Gesetz mutet hier dem unterlegenen Beteiligten im allgemeinen zu, sich mit einer einzigen gerichtlichen Instanz zufrieden zu geben. Es wäre mit diesem Sinn der Bestimmungen nicht vereinbar, wenn das Gericht der zweiten Instanz dann jedoch trotz Unzulässigkeit der Berufung eine Entscheidung in der Sache treffen müßte, nur weil eine Anschlußberufung eingelegt worden ist.
Soweit die Berufung des Klägers den Anspruch für die Zeit vom 1. Oktober 1974 bis zum 25. Juli 1975 betrifft, ist sie zulässig. Die Vorschrift des § 522 Abs 1 ZPO greift insoweit nicht ein. Zwar hat die Beklagte und Berufungsklägerin die Zurückweisung ihrer Berufung durch das LSG insoweit nicht mit der Revision angefochten. Darin liegt aber keine Rücknahme der Berufung. Entscheidend ist, daß das LSG über diesen Anspruch sachlich entscheiden mußte und entschieden hat. Da es sich um eine unselbständige Anschlußberufung des Klägers handelt, ist unerheblich, ob eine Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG insoweit nach § 147 SGG unzulässig gewesen wäre, denn § 147 SGG gilt nicht für die Anschlußberufung (BSG SozR ZPO § 521 Nr 13).
Die Anschlußberufung des Klägers gegen das Urteil des SG ist wegen seines Anspruchs auf höhere BAB für die Zeit vom 1. Oktober 1974 bis zum 25. Juli 1975 unbegründet. Zwar hat der Kläger, wie das LSG mit Recht annimmt, die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage erhoben (vgl BSGE 41, 237).
Es fehlt für die hier streitige Zeit aber am Antrag. Die Leistungen nach der AReha werden gem § 56 dieser Anordnung nur auf Antrag gewährt. Vom Kläger oder vom Beigeladenen ist aber für die Berufsförderungsmaßnahme in der Polsterwerkstatt kein Antrag gestellt worden. Der Antrag auf Gewährung von BAB vom 3. Oktober 1973 war ausdrücklich für die Berufsausbildung zum Schreiner gestellt worden. Wie der Senat entschieden hat, bezieht sich der Förderungsantrag allerdings auf die gesamte Bildungsmaßnahme und umfaßt den Bildungsweg zu dem angestrebten Ziel (BSG SozR 4100 § 152 Nr 6). Die Ausbildung des Beigeladenen zum Schreiner und die anschließende Tätigkeit in der Polsterwerkstatt sind aber, wie bereits dargelegt, keine einheitliche Maßnahme. Vielmehr handelt es sich um mehrere Maßnahmen mit verschiedenen Zielen. Bei Beginn der Schreinerausbildung und der entsprechenden Antragstellung war noch nicht einmal in Erwägung gezogen worden, daß der Beigeladene vor deren Abschluß in der Polsterei tätig werden würde. Deshalb ist es unerheblich, daß sich der am 3. Oktober 1973 gestellte Antrag auf die Zeit vom 1. September 1973 bis zum 31. August 1976 bezieht. Die Zeit, für die der Antrag gestellt wird, ist nur im Zusammenhang mit der Maßnahme und ihrem Ziel erheblich. Unerheblich ist auch, daß der Bescheid vom 29. Januar 1975 noch nicht bindend geworden ist, denn er bezog sich nur auf die Ausbildung zum Schreiner bis zum 30. September 1974. Die Abhängigkeit des Anspruchs von der Antragstellung bei verschiedenartigen Maßnahmen führt nicht zu unbilligen Ergebnissen. Dem Kläger, der hier die Ansprüche des Beigeladenen geltend macht, war es durchaus zuzumuten, bei Abbruch der einen Maßnahme und Beginn einer neuen - welcher Art auch immer - die Beklagte als den in Anspruch genommenen Leistungsträger hiervon zu unterrichten und dabei zum Ausdruck zu bringen, daß er weiterhin Leistungen begehre.
Aus diesen Gründen ist schließlich der Antrag des Klägers auf Abänderung der angefochtenen Bescheide hinsichtlich der Zeit vom 1. Oktober 1974 bis zum 25. Juli 1975 unbegründet, und zwar auch soweit er die Leistung dem Grunde nach betrifft. Die Bescheide sind insoweit rechtmäßig, weil der Kläger dem Grunde nach keinen Anspruch auf die Leistung hat. Ungeachtet dessen ist das Urteil des SG auszuführen, das die Beklagte zur Leistung von BAB für die Zeit vom 1. Oktober 1974 bis zum 25. Juli 1975 ohne Anrechnung von eigenem Einkommen des Beigeladenen verurteilt hat. Das Urteil des SG ist insoweit rechtskräftig geworden, da das LSG das zusprechende Urteil des SG für die Zeit vom 1. Oktober 1974 bis zum 25. Juli 1975 bestätigt und die Beklagte insoweit keine Revision eingelegt hat.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 Abs 4 SGG.
Fundstellen