Entscheidungsstichwort (Thema)
Versorgungseinrichtungen der KÄV bzw KZÄV. Eigentumsschutz. rechtliches Gehör
Orientierungssatz
1. Versorgungseinrichtungen der Kassenärztlichen und Kassenzahnärztlichen Vereinigungen, die ihre rechtliche Zulässigkeit nur aus früherem Recht herleiten (Art 4 § 1 Abs 2 S 2 KARG), beruhen oft auf Fürsorgeerwägungen und nicht auf der Absicht, eine der gesetzlichen Rentenversicherung vergleichbare Versorgung bereitzustellen (vgl Urteile des Senats vom 20.2.1968 - 6 RKa 11/66 = BSGE 28, 9 und vom 9.5.1985 - 6 RKa 17/83).
2. Es kommt nicht allein darauf an, wie lange ein Arzt als Leistungsträger an der jeweiligen Versorgungseinrichtung teilgenommen hat. Insbesondere läßt sich mit einer festgestellten Teilnahmezeit von 5 Jahren nicht ohne weiteres ein Anwartschaftsrecht begründen, das der Rechtsposition eines Eigentümers nahekommt.
3. Der Anspruch auf rechtliches Gehör (§ 62 SGG) ist nicht darauf beschränkt, sich zu den erheblichen Tatsachen und Beweisergebnissen äußern zu können (§ 128 Abs 2 SGG). Der Vorsitzende des Gerichts hat das gesamte Sach- und Streitverhältnis mit den Beteiligten zu erörtern (§ 112 Abs 2 S 2 SGG). Eine dem Sach- und Streitstand entsprechende Stellungnahme ist den Beteiligten aber nur möglich, soweit ihnen die rechtlichen Gesichtspunkte bekannt sind, die das Gericht als entscheidungserheblich in Betracht zieht. Haben Beteiligte solche Gesichtspunkte erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten, so darf das Gericht seine Entscheidung nicht darauf stützen, ohne den Beteiligten vorher Gelegenheit zur Äußerung gegeben zu haben (§ 278 Abs 3 ZPO).
Normenkette
KARG Art. 4 § 1 Abs. 2 S. 2; GG Art. 14; SGG §§ 62, 128 Abs. 2, § 112 Abs. 2 S. 2; ZPO § 278 Abs. 3
Verfahrensgang
Schleswig-Holsteinisches LSG (Entscheidung vom 02.11.1982; Aktenzeichen L 6 Ka 3/81) |
SG Kiel (Entscheidung vom 24.09.1980; Aktenzeichen S 8 Ka 26/79) |
Tatbestand
Bei der beklagten Kassenzahnärztlichen Vereinigung (KZÄV) ist eine "erweiterte Honorarverteilung" als Berufsunfähigkeits- (Alters-) und Hinterbliebenenfürsorge (AIHV) eingerichtet. An ihr nehmen alle in Schleswig-Holstein zugelassenen Kassenzahnärzte als Leistungsträger und im Leistungsfalle entweder sie selbst oder ihre Hinterbliebenen als Leistungsempfänger teil, sofern sie ihre Kassenpraxis vor dem 1. Mai 1957 aufgenommen und ununterbrochen weitergeführt haben (§ 1 Abs 1 der von der Vertreterversammlung der Beklagten beschlossenen Vorschriften zur AIHV) oder, wenn sie nach diesem Stichtag zugelassen worden sind, am Tage der Rechtskraft ihrer Zulassung das 45. Lebensjahr noch nicht vollendet haben (Absatz 2 der genannten Vorschrift). Der Anspruch auf Teilnahme endet ua mit dem Verzicht auf die Zulassung (§ 7 Abs 1 AIHV). Zur Vermeidung von Härten können einem Leistungsempfänger, der seinen Anspruch verloren hat, Leistungen zugebilligt werden; die Entscheidung darüber trifft ein Kuratorium (§ 7 Abs 2 AIHV).
Die am 29. Mai 1931 geborene Klägerin war vom Dezember 1968 bis zum Dezember 1973 als Kassenzahnärztin in Schleswig-Holstein tätig und an der "erweiterten Honorarverteilung" als Leistungsträgerin beteiligt. Infolge ihrer Ehescheidung siedelte sie Anfang 1974 nach Niedersachsen über und führte auch dort eine zahnärztliche Praxis. Zugleich verzichtete sie auf die Kassenzulassung in Schleswig-Holstein. Nach ihrer Wiederverheiratung ist sie seit dem 1. Januar 1977 wieder in Schleswig-Holstein als Kassenzahnärztin tätig.
Nachdem die Beklagte die Klägerin darauf aufmerksam gemacht hatte, daß sie an der "erweiterten Honorarverteilung" nicht (wieder) teilnehme, da § 1 Abs 2 AIHV entgegenstehe, bat die Klägerin um Prüfung, ob nicht ihre frühere Mitgliedschaft, die nur eine dreijährige Unterbrechung erfahren habe, fortgesetzt werden könne. Sie erhielt darauf von der Beklagten den Bescheid, ihrem Antrag könne im Hinblick auf § 1 Abs 1 und 2 AIHV nicht stattgegeben werden; der Vorstand sei der Auffassung, daß die Zeit der Leistungsträgerschaft der Klägerin im Verhältnis zu ihrer Abwesenheit zu gering sei. Der Widerspruch der Klägerin wurde zurückgewiesen.
Das Sozialgericht (SG) hat die angefochtenen Bescheide aufgehoben und die Beklagte verurteilt, die Klägerin ab 1. Januar 1977 an der erweiterten Honorarverteilung zu beteiligen. Zur Begründung führt es aus: Die Teilnahmeberechtigung nach § 1 Abs 2 AIHV könne hier nicht nach den bei einer Erstbeteiligung anzulegenden Maßstäben geprüft werden. Der mit der Begrenzung des Eintrittsalters offensichtlich verfolgte Zweck, die später zu erwartende Leistung - bei Zahnärztinnen regelmäßig nach Vollendung des 63. Lebensjahres - und die Zeit als Leistungsträger in ein angemessenes Verhältnis zu bringen, werde hier nicht infrage gestellt. Im Hinblick auf die Vorversicherungszeit (Dezember 1968 bis Dezember 1973) könne die Teilnahmeberechtigung der Klägerin nicht an der Altersgrenze scheitern. Ein anderes Ergebnis wäre grob unbillig und könne schon gar nicht im Rahmen einer Fürsorgeeinrichtung, wie sie die AIHV darstelle, hingenommen werden. Da die Vorschriften der AIHV selbst bei der Leistungsgewährung ausdrücklich Billigkeitserwägungen Raum gäben (§ 7 Abs 2), könne in diesem Falle, der lediglich die Teilnahmeberechtigung als Leistungsträger betreffe, nichts anderes gelten. Das bedeute, daß der Klägerin das Recht zur Teilnahme einzuräumen sei. Es komme daher nicht mehr darauf an, ob als maßgeblicher Zeitpunkt der Zulassung die Erstzulassung vom 17. Dezember 1968 anzusehen sei (vgl Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht -LSG- vom 12. Juni 1968 - L 3 Ka 2/67 -).
Auf die Berufung der Beklagten hat das LSG das Urteil des SG abgeändert und die Beklagte lediglich dazu verurteilt, die Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden. Es hält zwar auch die Bescheide der Beklagten für fehlerhaft. Dem SG sei jedoch nicht darin zu folgen, daß die Klägerin einen uneingeschränkten Rechtsanspruch auf weitere Beteiligung an der "erweiterten Honorarverteilung" habe. Als Zulassung iS des § 1 Abs 2 AIHV könne nur die letzte Zulassung gelten. Die Klägerin habe aber einen Anspruch darauf, daß die Beklagte ermessensfehlerfrei über die weitere Beteiligung entscheide. Ausgangspunkt für eine derartige Ermessensentscheidung sei § 7 Abs 2 AIHV. Die Beklagte, deren Vorstand, habe sich zwar auch mit der möglichen Anwendung dieser Härtebestimmung befaßt. Ob die Beklagte indessen den von ihr auszufüllenden Ermessensspielraum richtig erkannt habe, erscheine zweifelhaft. Jedenfalls wäre eine in den aufgehobenen Bescheiden enthaltene Ermessensausübung fehlerhaft, weil die Beklagte die nach der Sach- und Rechtslage zu berücksichtigenden Umstände nicht ausreichend gewürdigt und gewichtet habe. Das sei schon deshalb zwingend der Fall, weil für die Entscheidung nicht der Vorstand, sondern das Kuratorium zuständig sei. Die Vorschrift des § 7 Abs 2 AIHV sei allerdings ihrem Wortlaut nach nicht unmittelbar anwendbar, denn sie befasse sich nur mit der Gewährung von Leistungen. Sie sei indessen notwendig in entsprechender Anwendung auch auf die Fälle auszudehnen, in denen es um die Berechtigung gehe, durch eine weitere Beteiligung als Leistungsträger die Anwartschaft auf spätere Leistungen aufrechtzuerhalten. Die Notwendigkeit dieser ausdehnenden Anwendung ergebe sich daraus, daß die Regelungen des AIHV am Grundgesetz (GG) zu messen seien. Die Klägerin habe 1973 eine Anwartschaft (Eigentumsposition) erworben. Gegen die Rechtmäßigkeit der Regelung des § 7 Abs 1 AIHV (Erlöschen der Anwartschaft ohne eine dem Art 14 GG entsprechende Entschädigungsregelung) könnten Bedenken bestehen. Diesen Bedenken könne durch einen angemessenen Ausgleich im Rahmen einer ausdehnenden (verfassungskonformen) Anwendung des § 7 Abs 2 AIHV Rechnung getragen werden. Als Ausgleich komme eine "Beitragserstattung" oder zweckmäßigerweise eine Neuzulassung auch nach Vollendung des 45. Lebensjahres in Betracht. Gemessen an Art 3 GG bestünden Bedenken, da § 6 AIHV bei einem Praxistausch auch einen Austausch der Leistungsansprüche vorsehe; es erscheine nicht sachgerecht, insoweit zwischen den fortziehenden Kassenzahnärzten, deren sich die Möglichkeit eines Praxistausches biete, und denen, die hierzu keine Möglichkeit fänden, zu differenzieren. Tragbar erscheine diese Differenzierung nur, wenn auch dem fortziehenden Zahnarzt, der keine Möglichkeit zu einem Praxistausch finde, im Wege der Härtebestimmung des § 7 Abs 2 AIHV die Möglichkeit zu einem angemessenen Ausgleich geboten werde.
Gegen diese Entscheidung hat die Beklagte Revision eingelegt. Sie rügt Verfahrensmängel und eine unrichtige Rechtsanwendung. Da das Berufungsurteil erst 9 Monate nach der Verkündung zugestellt worden sei, müsse es als eine Entscheidung ohne Gründe angesehen werden (Verletzung von §§ 134, 135, 136 Abs 1 Nr 6 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-; § 202 SGG iVm § 551 Nr 7 der Zivilprozeßordnung -ZPO-). Dabei sei außer dem Zeitablauf zu berücksichtigen, daß Teile der Begründung der Entscheidung nicht Gegenstand der Verhandlung gewesen seien, was beweise, daß die Entscheidungsgründe das Beratungsergebnis nicht zuverlässig bekundeten. Dem Umstand, daß ein Richter des LSG das Urteil nicht mitunterzeichnet habe, müsse unter diesen Voraussetzungen ebenfalls eine größere Bedeutung zukommen (BVerwG in NJW 1983, 466). Dadurch, daß sich das Urteil auf Gründe stütze, die nicht Gegenstand der Verhandlung gewesen seien (§ 6 AIHV, Zuständigkeit des Kuratoriums anstelle des Vorstands), werde ihr Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt. Das Urteil beruhe auf dieser Verletzung, denn sie (die Beklagte) hätte die Unrichtigkeit der Auffassung des LSG darlegen können. § 6 AIHV habe praktisch keine Bedeutung mehr. Die Zuständigkeit des Kuratoriums beschränke sich auf die Entscheidungen aus der AIHV, in allen übrigen die AIHV betreffenden Fragen (wie hier die Teilnahmeberechtigung an der AIHV) habe der Vorstand zu entscheiden. Das LSG habe die Anwartschaft auf Leistungen aus der AIHV verkannt. Diese Anwartschaft stehe nicht unter dem Schutz des Art 14 GG. Die Leistungen seien keine Versichertenrenten, sie seien von vornherein auf die Dauer der Mitgliedschaft beschränkt (BSG 20. Februar 1968 - 6 RKa 11/66 -). § 7 Abs 2 AIHV gelte nicht für die Zulassung zur bzw Teilnahme an der erweiterten Honorarverteilung als Leistungsträger. In der Satzung sei keine Ermächtigungsgrundlage für die Beklagte enthalten, zugunsten der Klägerin im Rahmen der Leistungsträgerschaft eine Härteregelung zu treffen. Schließlich verstoße das Urteil auch gegen Art 4 § 1 Abs 2 Satz 2 des Gesetzes über Kassenarztrecht (GKAR). Die Einstufung des LSG würde zu einer anderen Charakterisierung der AIHV nötigen; diese würde zu einem umfassenden Versorgungswerk.
Die Beklagte beantragt, das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 2. November 1982 abzuändern, das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 24. September 1980 aufzuheben und die Klage abzuweisen, hilfsweise, den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückzuverweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten hat insofern Erfolg, als das Berufungsurteil aufzuheben und die Streitsache an die Vorinstanz zurückzuverweisen ist.
Die Beklagte rügt begründet eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör. Das LSG sieht die in den Bescheiden der Beklagten enthaltene Ermessensausübung schon deshalb als fehlerhaft an, weil über die weitere Beteiligung der Klägerin an der AIHV ein unzuständiges Organ der Beklagten entschieden habe; nicht der Vorstand, sondern dem für den Härteausgleich nach § 7 Abs 2 AIHV zuständigen Kuratorium obliege die Entscheidung. Ferner nimmt das LSG an, die in § 6 AIHV vorgenommene Differenzierung sei gemessen an Art 3 GG nur tragbar, wenn auch dem aus dem Bezirk der Beklagten fortziehenden Zahnarzt, der keine Möglichkeit zu einem Praxistausch finde, im Rahmen einer ausdehnenden Anwendung des § 7 Abs 2 AIHV die Möglichkeit zu einem angemessenen Ausgleich geboten werde. Der Berufungsakte ist nicht zu entnehmen, daß das LSG die Beteiligten auf diese rechtlichen Gesichtspunkte hingewiesen hat. Dies wäre jedoch erforderlich gewesen, um eine Überraschungsentscheidung zu vermeiden. Weder im Verwaltungsverfahren noch im Klage- und Berufungsverfahren ist die Zuständigkeit des Vorstandes der Beklagten infrage gestellt und die in § 6 AIHV getroffene Regelung zur Beurteilung des vorliegenden Falles herangezogen worden.
Der Anspruch auf rechtliches Gehör (§ 62 SGG) ist nicht darauf beschränkt, sich zu den erheblichen Tatsachen und Beweisergebnissen äußern zu können (§ 128 Abs 2 SGG). Der Vorsitzende des Gerichts hat das gesamte Sach- und Streitverhältnis mit den Beteiligten zu erörtern (§ 112 Abs 2 Satz 2 SGG). Eine dem Sach- und Streitstand entsprechende Stellungnahme ist den Beteiligten aber nur möglich, soweit ihnen die rechtlichen Gesichtspunkte bekannt sind, die das Gericht als entscheidungserheblich in Betracht zieht. Haben Beteiligte solche Gesichtspunkte erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten, so darf das Gericht seine Entscheidung nicht darauf stützen, ohne den Beteiligten vorher Gelegenheit zur Äußerung gegeben zu haben (§ 278 Abs 3 ZPO, der gemäß § 202 SGG entsprechend anzuwenden ist; Meyer-Ladewig, SGG mit Erläuterungen, 2. Aufl, § 62 RdNr 8; Hennig/ Danckwerts/König, SGG, Kommentar, Stand: Juli 1985, § 62 Anm 6; vgl auch BVerwG 29. Juli 1977 -IV C 21.77- Buchholz 310 § 108 Nr 98 mwN).
Das Berufungsurteil kann auf diesem Verfahrensmangel beruhen. Es ist nicht auszuschließen, daß das LSG zu einem anderen Ergebnis gekommen wäre, wenn die Beklagte Gelegenheit gehabt hätte, sich zur Frage der Zuständigkeit des Vorstandes oder des Kuratoriums und zur Bedeutung des § 6 AIHV zu äußern. Diese Möglichkeit kann jedenfalls in Anbetracht des Revisionsvorbringens der Beklagten nicht von vornherein verneint werden. Ob die Beklagte mit ihrem Vorbringen letztlich Erfolg haben wird, ist eine andere Frage. Darüber schon jetzt abschließend zu entscheiden, ist dem Senat verwehrt. Soweit die Beklagte im Revisionsverfahren geltend macht, es sei satzungsrechtlich ausgeschlossen, zugunsten der Klägerin im Rahmen der Leistungsträgerschaft eine Härteregelung zu treffen, setzt sie sich in einen gewissen Widerspruch zu den Begründungen ihrer mit der Klage angefochtenen Bescheide. Sie hat den Antrag der Klägerin, wieder an der AIHV als Leistungsträgerin teilnehmen zu dürfen, ua deshalb abgelehnt, weil die Zeit der Leistungsträgerschaft der Klägerin im Verhältnis zu ihrer Abwesenheit zu gering sei. Diese Begründung spricht für eine Ermessensentscheidung, die von der rechtlichen Möglichkeit einer Härteregelung ausgeht. Die Auslegung des Satzungsrechts der Beklagten hat der Senat dem Berufungsgericht zu überlassen (§ 162 SGG). Einer abschließenden Entscheidung durch den Senat steht auch entgegen, daß die Beklagte zu den neuen rechtlichen Gesichtspunkten auch neue Tatsachen vorträgt, zB daß es bei keiner anderen KZÄV eine erweiterte Honorarverteilung gebe und deshalb § 6 AIHV praktisch keine Bedeutung mehr habe (§ 163 SGG). Die Verletzung des Anspruchs der Beklagten auf rechtliches Gehör kann daher nicht im Revisionsverfahren, sondern nur in einem neuen Berufungsverfahren geheilt werden. Das Berufungsgericht wird bei seiner neuen Entscheidung den Inhalt aller nichtrevisiblen Rechtsvorschriften festzustellen haben, die für die rechtliche Beurteilung des Streitverhältnisses von Bedeutung sein können, insbesondere auch die AIHV-Vorschriften, auf die sich die Beklagte beruft (zB bezüglich der Zuständigkeitsverteilung zwischen Vorstand und Kuratorium: §§ 10 und 11 AIHV).
Dem schriftlichen Berufungsurteil ist nun allerdings auch eine Begründung beigegeben, zu der sich die Beteiligten vorher äußern konnten. Nach Auffassung des LSG habe die Klägerin 1973 eine Anwartschaft aus der AIHV und damit eine unter den Schutz des Art 14 GG stehende Eigentumsposition erworben. Diese Begründung trägt jedoch die getroffene Entscheidung nicht. Abgesehen davon, daß das Berufungsgericht insoweit nur von Bedenken spricht, die gegen die Rechtmäßigkeit der Regelung des § 7 Abs 1 AIHV bestehen können, reichen die Feststellungen im Urteil nicht aus, um eine von der Klägerin erworbene Eigentumsposition annehmen zu können. Es kommt nicht allein darauf an, wie lange ein Arzt als Leistungsträger an der jeweiligen Versorgungseinrichtung teilgenommen hat. Insbesondere läßt sich mit der im vorliegenden Fall festgestellten Teilnahmezeit von 5 Jahren nicht ohne weiteres ein Anwartschaftsrecht begründen, das der Rechtsposition eines Eigentümers nahekommt. Gerade Versorgungseinrichtungen der Kassenärztlichen und Kassenzahnärztlichen Vereinigungen, die ihre rechtliche Zulässigkeit nur aus früherem Recht herleiten (Art 4 § 1 Abs 2 Satz 2 GKAR), beruhen oft auf Fürsorgeerwägungen und nicht auf der Absicht, eine der gesetzlichen Rentenversicherung vergleichbare Versorgung bereitzustellen (vgl Urteile des Senats vom 20. Februar 1968 -6 RKa 11/66- BSGE 28, 9 = SozR Nr 2 zu Art 4 § 1 GKAR und vom 9. Mai 1985 -6 RKa 17/83-). Dem Berufungsurteil ist nicht zu entnehmen, wie die AIHV der Beklagten in der hier fraglichen Zeit ausgestaltet war, welche Beiträge (bzw Umlagen) von den Mitgliedern gefordert und welche Leistungen (Voraussetzungen, Höhe, Bestand) ihnen in Aussicht gestellt oder zugesichert wurden. Erst wenn die AIHV in ihrer Ausgestaltung genau festgestellt ist, kann beurteilt werden, ob ein vorgesehener Rechtsverlust verfassungsrechtlich zu beanstanden ist (zum verfassungsrechtlichen Eigentumsschutz sozialer Rechtspositionen ua: Schriftenreihe des Deutschen Sozialrechtsverbandes Band XXIII; BVerfGE 53, 257; 64, 87).
Da das Berufungsurteil schon aus diesen Gründen aufzuheben war, kommt es nicht mehr darauf an, ob auch, wie die Beklagte ebenfalls rügt, ein Verfahrensverstoß (Verletzung der §§ 134, 135, 136 Abs 1 Nr 6 SGG) darin gesehen werden muß, daß das Berufungsurteil erst 9 Monate nach der Verkündung zugestellt worden ist und eventuell weitere Umstände vorliegen, die es zusammen mit der Verzögerung in der Absetzung der Urteilsgründe nicht mehr erlauben, der schriftlichen Urteilsbegründung einen ausreichenden Beurkundungswert zuzusprechen (vgl BSG SozR 1750 § 551 Nr 12 mwN).
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens bleibt der den Rechtsstreit beendenden Entscheidung vorbehalten.
Fundstellen