Entscheidungsstichwort (Thema)
Ausgleich irrtümlich gewährter Leistungen zwischen RV und Versorgungsverwaltung nach dem Institut des öffentlich-rechtlichen Ersatzanspruchs
Leitsatz (amtlich)
Hat der Träger der Rentenversicherung Aufwendungen für die stationäre Behandlung eines an Tuberkulose Erkrankten gemacht und stellt sich nachträglich heraus, daß die Versorgungsbehörde zur Leistung verpflichtet gewesen wäre (RVO § 1244a Abs 7 S 1), so hat die Versorgungsverwaltung die Aufwendungen zu ersetzen, soweit diese nicht über das hinausgehen, was aufgrund des Versorgungsrechts zu leisten gewesen wäre.
Leitsatz (redaktionell)
Sind von einem Rentenversicherungsträger irrtümlich die Leistungen der Tuberkulosehilfe erbracht worden, obgleich nach RVO § 1244a Abs 7 S 1 die Versorgungsverwaltung dazu verpflichtet war, so hat sie dem Rentenversicherungsträger aufgrund des öffentlich-rechtlichen Ersatzanspruchs - hier iS des sogenannten Abwälzungsanspruchs - einen Ausgleich für die rechtsgrundlose Vermögensverschiebung zu verschaffen, wobei die Versorgungsverwaltung die Leistungen in dem Umfange ersetzen muß, wie sie ihr nach den Vorschriften des BVG oblagen.
Normenkette
BVG § 81b Fassung: 1961-04-20, § 17; BGB § 812 Abs. 1 Fassung: 1896-08-18, § 818 Fassung: 1896-08-18; RVO § 1244a Abs. 7 S. 1 Fassung: 1959-07-23; BSHG § 59
Tenor
Das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 20. Mai 1974 wird aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
Der Träger der Rentenversicherung, die Klägerin, hatte dem Versicherten P wegen aktiver Lungentuberkulose zunächst im Juni 1957 und dann nach einer Krankenhausbeobachtung vom 11. November bis 8. Dezember 1960 in einem eigenen Sanatorium vom 3. Januar bis 1. August 1961 stationäre Heilbehandlung gewährt. In den hierüber erstatteten ärztlichen Berichten wurde die Möglichkeit einer Berufserkrankung an Silikose-Tuberkulose erwogen, zumal die Krankheitsvorgeschichte ergeben hatte, daß der Kläger von 1945 bis 1947 zunächst als Kriegsgefangener und anschließend bis 1950 im zivilen Arbeitsverhältnis in einem belgischen Kohlenbergwerk unter Tage gearbeitet hatte. Bei der zuständigen Berufsgenossenschaft (BG) wurde die Einleitung eines Leistungsverfahrens angeregt. Im September 1961 teilte die Bergbau-BG B der Klägerin mit, daß in diesem Falle ein deutscher Unfallversicherungsträger nicht leistungsverpflichtet sei, stellte aber anheim, bei der Versorgungsverwaltung Entschädigungsansprüche geltend zu machen. - Demzufolge erhob die Klägerin am 16. November 1961 beim Versorgungsamt (VersorgA) H den Anspruch auf Ersatz ihrer in der Zeit vom 11. November 1960 an entstandenen Bar- und Sachaufwendungen. Dem Beschädigten gegenüber erkannte das VersorgA durch Bescheid vom 27. Februar 1964 "Silikose-Tuberkulose", hervorgerufen durch schädigende Einwirkung i. S. des § 1 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG), als Schädigungsfolge an und gewährte ihm, beginnend mit dem 1. Oktober 1961, Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 40 v. H. Das VersorgA lehnte es aber ab, eine über diese Erwerbsminderung hinausgehende weitere Verschlimmerung als Schädigungsfolge im versorgungsrechtlichen Sinne zu werten, weil hierfür die zivile Tätigkeit des Klägers von 1947 bis 1950 als Steinhauer verantwortlich zu machen sei.
Den Ersatzanspruch bezifferte die Klägerin mit insgesamt 8.275,90 DM. Davon entfielen auf Verpflegungs-, pauschalierte Neben- und Fahrtkosten sowie Aufwendungen für besonders
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teure Medikamente |
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5.085,50 DM, |
auf geleistetes Taschengeld |
228,- DM |
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sowie auf Übergangsgeld |
2962,40 DM |
3.190,40 DM. |
Im ersten Rechtszuge erkannte der Beklagte seine Pflicht zur Erstattung der Auslagen für die stationären Heilmaßnahmen (5.085,50 DM) an. Dabei ließ er sich von der Überlegung leiten, daß die gleichen Auslagen ihm selbst entstanden wären, wenn er die Heilbehandlung besorgt hätte (§ 10 Abs. 6 BVG a. F.; § 18 Abs. 1 BVG n. F.). Dagegen konnte er sich nicht zur Übernahme der Ausgaben an Taschengeld sowie an Übergangsgeld verstehen. Für eine Taschengeldzahlung biete das Versorgungsrecht keine Handhabe. Ferner fehle es an den tatsächlichen Grundlegen, um die Abgeltung der Übergangsgeldzahlungen bestimmen zu können. Es sei unklar, ob und in welchem Umfang dem Versorgungsberechtigten Barleistungen in Gestalt des Einkommensausgleichs zu erbringen gewesen wären; man habe weder vom Berechtigten noch von seinem Arbeitgeber erfahren und auch nicht bei der zuständigen Krankenkasse ermitteln können, ob der Beschädigte vor seiner Arbeitsunfähigkeit einen Einkommensverlust erlitten habe. Habe aber eine Leistungspflicht des Versorgungsträgers nicht dargetan werden können, so ergebe sich auch nichts dafür, daß er auf Kosten der Klägerin bereichert sei.
Das Sozialgericht (SG) Karlsruhe hat den Beklagten mit Urteil vom 21. August 1973 verurteilt, 3.190,40 DM an die Klägerin zu zahlen. Die Berufung - von dem SG zugelassen - hat das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg durch Urteil vom 20. Mai 1974 zurückgewiesen. Nach Ansicht des Berufungsgerichts vermag die Klägerin aus dem Rechtsinstitut des allgemeinen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs von dem Beklagten den vollen Ausgleich für ihre Aufwendungen zu fordern, weil sie bei Bewilligung der Heilmaßnahmen an den Versicherten weder wußte, noch trotz Beobachtung der zu erwartenden Sorgfalt erkennen konnte, daß nicht sie, sondern die Versorgungsverwaltung zur Leistung verpflichtet war. Frühestens aus dem ärztlichen Entlassungsbericht nach Abschluß der stationären Heilbehandlung sei sie auf einen Sachverhalt aufmerksam gemacht worden, der den Schluß auf eine Versorgungsberechtigung des Beschädigten zugelassen habe. Demgegenüber verfange der Einwand des Beklagten nicht, daß er nur nach Maßgabe der ihm obliegenden gesetzlichen Leistungspflicht aufzukommen habe. Aber auch dann, wenn der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch seine Grenzen stets im materiellen Leistungsrecht des endgültig Verpflichteten finden sollte, sei dem Klagebegehren nachzukommen. Denn das Argument, daß dem Beschädigten ein Einkommensausgleich nicht zugestanden hätte, sei nicht schlüssig. Der Beschädigte sei als Arbeiter vor und nach dem Heilverfahren beschäftigt gewesen. Die für die Berechnung des Einkommensausgleichs erforderlichen Angaben seien vom Beschädigten zu erfragen und außerdem aus der Höhe des Übergangsgeldes, das er bezogen habe, zu ermitteln gewesen. Im übrigen sei ein Krankengeld nicht mehr zu erlangen und deshalb auch nicht gegen den Einkommensausgleich aufzurechnen (§ 17 Abs. 5 Satz 2 BVG).
Der Beklagte hat die - zugelassene - Revision eingelegt. Er beantragt,
die angefochtenen Urteile aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Seines Erachtens ist ein öffentlich-rechtlicher Kostenausgleich überhaupt davon abhängig, daß der zunächst zu Unrecht eintretende Leistungsträger sich über seine Verpflichtung geirrt habe. Ob dieser Irrtum entschuldbar sei, sei dagegen für den Umfang der Ersatzforderung unerheblich. Diese Forderung sei auf die Höhe derjenigen Aufwendungen beschränkt, welche die Versorgungsbehörde durch die Vorleistung der Landesversicherungsanstalt (LVA) erspart habe. Dieser Gedanke habe in dem - hier nicht unmittelbar, aber doch sinngemäß anzuwendenden - § 81 b BVG seinen allgemeinen Ausdruck gefunden. Außerdem hätte die Klägerin schon früher - im Jahre 1957 - erkennen können, daß der Beschädigte sich sein Leiden während seiner Kriegsgefangenschaft und infolge der dabei verrichteten bergbaulichen Untertagearbeit zugezogen habe. Dies habe die LVA im Zusammenhang mit der Feststellung zurückgelegter Ersatzzeiten ohne weiteres folgern können. Ferner sei zu berücksichtigen, daß in der hier in Betracht kommenden Zeit an den Beschädigten hätte Krankengeld gezahlt werden müssen. Bei Gewährung des Krankengeldes wäre aber die Versorgungsverwaltung leistungsfrei geblieben. Denn der Versorgungsanspruch des Beschädigten sei erst nach dem Ende der Heilmaßnahmen angemeldet worden, und für die Zeit vorher hätte nach dem damals geltenden § 19 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 BVG (in der Fassung des Ersten Neuordnungsgesetzes - NOG - vom 27. Juni 1960 - BGBl I 453) Ersatz frühestens von der Anmeldung des Versorgungsanspruchs an bewirkt werden dürfen (BSG vom 5. April 1974 - 9 RV 80/73).
Die Klägerin beantragt
Zurückweisung der Revision.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist zulässig.
Einer Sachprüfung stehen keine Rechtsmittelausschließungsgründe entgegen. Das Berufungsgericht hat zu Recht die Statthaftigkeit der Berufung in vollem Umfang bejaht, wiewohl daran zu denken wäre, daß es sich bei dem Klagebegehren um zwei selbständige, verfahrensrechtlich unterschiedlich zu beurteilende Ansprüche handeln könnte. Soweit mit der Klage Ersatz für das gezahlte Übergangsgeld verlangt wird, folgte die Berufungsfähigkeit bereits aus dem Beschwerdewert, der 500,- DM übersteigt (§ 149 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG - in der bis zum 31.12.1974 geltenden Fassung, Änderungsgesetz vom 30.7.1974). Darüber hinaus war die Sachprüfung durch das Rechtsmittelgericht jedenfalls durch den Ausspruch des SG über die Zulassung der Berufung (§ 150 Nr. 1 SGG) eröffnet.
Gegen die Zulässigkeit der Klage bestehen ebenfalls keine Bedenken. Sie betrifft eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit i. S. des § 51 SGG (BSG 16, 151, 152; 29, 44, 45) und ist zutreffend als reine Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 SGG erhoben worden, weil der Beklagte nicht der Hoheitsgewalt der Klägerin unterworfen ist und infolgedessen das streitige Rechtsverhältnis nicht einseitig durch einen Verwaltungsakt der Klägerin geregelt werden konnte.
In der Sache hat die Revision Erfolg; das angefochtene Urteil ist aufzuheben und der Rechtsstreit an das LSG zurückzuverweisen.
Die Rechtsgrundlage für die Klageforderung hat das Berufungsgericht zutreffend in dem allgemeinen öffentlich-rechtlichen Ersatzanspruch gesehen. Andere - diesem Anspruch rechtlich vorgehende - Berechtigungen sind nicht verwirklicht. § 81 b BVG behandelt allein den Fall, daß eine Einrichtung der Kriegsopferversorgung (KOV) vorgeleistet hat, obgleich die Leistung einer anderen Stelle obgelegen hätte. Im gegenwärtigen Rechtsstreit geht es indessen um den umgekehrten Sachverhalt, nämlich darum, daß die KOV vor der Rentenversicherung die Aufgabe der Tuberkulosebekämpfung zu erfüllen hatte (§ 1244 a Abs. 7 Satz 1 RVO). - Aus einer gesetzmäßigen oder auftragslosen Geschäftsführung eines Trägers der öffentlichen Verwaltung für einen anderen Träger kann der Klageanspruch ebenfalls nicht entstanden sein. Denn die Klägerin ist in ihrem eigenen Wirkungskreis tätig geworden und wollte nicht für den Beklagten handeln; sie hat in der irrigen Annahme, selbst verpflichtet zu sein, eine objektiv fremde Angelegenheit als eigene wahrgenommen. Es lag also weder ein gesetzliches Auftragsverhältnis (dazu: v. Maydell, Zentralblatt für Sozialversicherung 1973, 265) noch ein Fall der Leistungsaushilfe (vgl. § 222 RVO), der Amtshilfe oder der Geschäftsführung ohne Auftrag vor. Mithin vermag die Klägerin ihr Begehren lediglich als einen öffentlich-rechtlichen Ersatzanspruch - hier im Sinne des sogenannten Abwälzungsanspruchs - zu verfolgen, mit dem der Ausgleich für eine rechtsgrundlose Vermögensverschiebung zwischen zwei Trägern öffentlicher Verwaltung herbeigeführt werden soll (vgl. BSG 16, 151, 156; 36, 43, 44; BayVGH, Entscheidungssammlung n. F. 23, 1970, 117, 127 ff.; H. J. Wolff/Bachof, Verwaltungsrecht I, 9. Aufl., § 44 I b 6). Über die Bezeichnung dieses Forderungsrechts besteht Unsicherheit. Die Ausdrücke "Ersatzanspruch" und "Erstattungsanspruch" werden in Gesetzen (so in § 222, 1504 RVO, § 59 Abs. 2 Satz 2 des Bundessozialhilfegesetzes - BSHG -) und in der Rechtsprechung (dazu BSG 16, 151, 156) inhaltsgleich nebeneinander verwendet. Andere schlagen vor, beim Abwälzungsanspruch der vorliegenden Art, bei dem es nicht um die Rückforderung direkt vom Empfänger (zB wie in § 47 des Verwaltungsverfahrensgesetzes - VerwVG -, §§ 628, 1301 RVO, § 290 des Lastenausgleichsgesetzes - LAG - "Rückerstattung" -) geht, von "Ersatzanspruch" zu sprechen (Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, III, 730 f; Haueisen, WzS 1962, 1, 2; DVBl 1969, 709, 715; Langkeit, DOK 1971, 341). Diesem Vorschlag wird hier gefolgt, wenn auch nicht verkannt wird, daß es ebenso angebracht erscheinen könnte, auf das angestrebte Ziel abzuheben und von Erstattung statt von Ersatz dann zu reden, wenn nicht die Aufwendung des Anspruchstellers sondern die Bereicherung des Anspruchsgegners Gegenstand der Erörterung ist.
Die Voraussetzungen des Abwälzungsanspruchs sind, soweit dies nach den bisherigen Tatsachenfeststellungen beurteilt werden kann, verwirklicht. Der Beklagte hat einen Vermögensvorteil erlangt, indem er die Kosten für die stationäre Heilbehandlung des Beschädigten P. ersparte. Die Versorgungsverwaltung hätte diese Heilbehandlung gewähren oder die Kosten übernehmen müssen (§ 1 Abs. 1, § 9 Nr. 1, § 10 Abs. 1, § 11 Abs. 1 und 2 BVG idF des 1. NOG), wenn auch der Versorgungsanspruch als solcher noch nicht vorher angemeldet und festgestellt war (§ 10 Abs. 6 aaO). Freilich ist das Leiden, welches das Heilverfahren erforderte, nur zum Teil als wehrdienstbedingt anerkannt worden. Die Versorgungsverwaltung ist davon ausgegangen, daß die Krankheit des Klägers während seiner Kriegsgefangenschaft und infolge der dabei herrschenden Umstände ihren Ausgang nahm, und ferner, daß das Leiden nachher durch die versorgungsrechtlich nicht geschützte Weiterbeschäftigung im Bergbau von 1947 bis 1950 verschlechtert wurde. Wenn demnach der behandlungsbedürftige Zustand des Klägers auch nicht nur anerkannten Schädigungsfolgen zuzuschreiben war, so kam doch nur eine solche Heilbehandlung in Frage, die das gesamte Leiden einbezog. Denn die Behandlung des durch die Kriegsgefangenschaft herbeigeführten Grundleidens und der außerdem verursachten Leidenszunahme ließ sich nicht trennen. Eine solche Gegebenheit begründet die einheitliche Leistungspflicht der Versorgungsverwaltung, es sei denn, daß die als Folge einer Schädigung bestätigte Gesundheitsstörung auf den behandlungsbedürftigen Zustand ohne Einfluß ist. Ein solcher Einfluß ist jedenfalls gegeben, wenn die MdE für die festgestellte Schädigungsfolge - wie hier - mindestens 40 v. H. beträgt (Begründung des Entwurfs zum 2. NOG, Bundestagsdrucksache IV/1148; auch BSG 25, 257, 260 = SozR Nr 4 zu BVG § 10). Diese Rechtsfolge ist in den neueren Fassungen des § 10 Abs. 1 Satz 2 BVG für den Fall ausgesprochen, daß Leiden nur im Sinne der Verschlimmerung als Schädigungsfolge anerkannt sind. Für die im gegenwärtigen Rechtsstreit maßgebliche Gesetzeslage nach dem 1. NOG ist die gleiche Rechtsfolge bereits in BSG 16, 198, 199 = SozR Nr. 2 zu BVG § 10 angenommen worden. Was dort für eine Leidensverschlimmerung, die in den Verantwortungsbereich der KOV fällt, für Rechtens gehalten worden ist, gilt ebenso in bezug auf ein Leiden, das in seinem Ursprung durch die Verhältnisse des militärischen Dienstes hervorgerufen worden ist. Mit diesem aus § 10 Abs. 1 BVG aF gewonnenen Ergebnis stimmt die Auslegung überein, die generell aus dem Recht der Tuberkulosehilfe folgt. Für die Abgrenzung der Zuständigkeiten verschiedener Leistungsträger auf diesem Gebiet ist der Gedanke leitend, daß der Tuberkulosekranke die Leistungen während der Dauer des Heilverfahrens nach Möglichkeit nur von einem Verwaltungsträger einheitlich und kontinuierlich erhalten soll. Zugleich soll der Rückgriff auf einen anderen nach sonstigen Vorschriften in Betracht kommenden Kostenträger ausgeschlossen sein; Aufgaben- und Kostenverwaltung sollen sich decken (BSG SozR Nrn 12 und 27 zu § 1244 a RVO).
Es fehlt zwar an der - für den Tatbestand einer ungerechtfertigten Bereicherung nach bürgerlichem Recht regelmäßig geforderten - Unmittelbarkeit der Vermögensverschiebung zwischen dem Benachteiligten und dem Bereicherten. Indem die LVA ihrem Versicherten Tuberkulosehilfe zukommen ließ, wurde der Versorgungsträger nicht - ohne eine Zwischenperson - unvermittelt begünstigt. Vielmehr hätte die Klägerin von dem Versicherten den Wertersatz für die ihm ohne Rechtsgrund erbrachte Krankenbetreuung verlangen können. Indessen wird in Verbindung mit dem Abwälzungsanspruch des öffentlichen Rechts von dem Erfordernis der Unmittelbarkeit abgesehen (BSG 16, 156; Wallerath, DÖV 1972, 221, 225; vgl. ferner § 43 Abs. 3 des Entwurfs eines Sozialgesetzbuches und Begründung dazu Bundestagsdrucksache 7/868). Damit stimmt inhaltlich die Vorschrift des § 81 b BVG überein, die zwar hier unmittelbar nicht anzuwenden ist, aber von ihrer gesetzgeberischen Absicht her als die gesetzliche Ausprägung des im öffentlichen Recht geltenden allgemeinen Rechtsgedankens eines internen Ausgleichs rechtsgrundloser Rechtsgüterverschiebungen unter den öffentlich-rechtlichen Leistungsträgern zu verstehen ist (Bundestagsdrucksache III/1825 S. 12).
Die Klägerin ist nicht deshalb gehindert, den erhobenen Ersatzanspruch geltend zu machen, weil ihre Sachbearbeiter bei erhöhter Aufmerksamkeit im gegenwärtigen Falle die Zuständigkeit der KOV vielleicht früher als geschehen hätten entdecken können. Ob ein solcher Anspruch dadurch ausgeschlossen wird, daß die Kompetenzverteilung von Anfang an klar und eindeutig ist und der Ersatzfordernde das Befaßtsein eines anderen mit der Sache sogleich hätte erkennen müssen, kann dahinstehen (dazu: BSG Urteil vom 18. Dezember 1974 - 2 RU 81/74 -). Jedenfalls steht dem Ersatzanspruch der rechtshindernde Einwand dann nicht entgegen, wenn dem vorab Leistenden die näheren Umstände, welche die Verantwortlichkeit des anderen begründeten, nicht bekannt waren (BSG 16, 222, 225). So ist es hier gewesen. Für die Silikoseerkrankung war anfänglich nur ein vager Verdacht geäußert worden, und daß diese Erkrankung in ihrer Entstehung in die Zeit der Kriegsgefangenschaft des Beschädigten zurückreichen konnte, war selbst den Medizinern während des Versorgungsverfahrens noch zweifelhaft. Ein näheres Eingehen auf die Zuständigkeitsfrage vor Einleitung der Heilmaßnahmen hätte die Absicht des Gesetzes verfehlt. Das Gesetz läßt es genügen, daß sich die Verpflichtung des anderen Leistungsträgers "nachträglich herausstellt" (vgl. § 81 b BVG). Der öffentlich-rechtliche Ersatzanspruch dient gerade der Situation, daß notwendige Heilbehandlungen nicht durch langwierigen Kompetenzstreit verzögert oder gefährdet werden sollen.
Art und Umfang des Abwälzungsanspruchs stellen sich dem erkennenden Senat jedoch anders als dem Berufungsgericht dar. Verfolgt man den im Tatbestand dieser Anspruchsnorm angelegten Gedanken konsequent auf der Rechtsfolgeseite weiter, dann erscheint es nicht selbstverständlich, daß der Ersatzschuldner schlechthin für diejenigen Aufwendungen sollte aufzukommen haben, die dem Gläubiger entstanden waren, und zwar unabhängig davon, ob dem Schuldner nach Gesetz oder Satzung Ausgaben dieser Art und in dieser Höhe erwachsen wären. Es fragt sich, mit welcher Rechtfertigung der Ersatzschuldner zu Belastungen sollte gezwungen werden können, die er sonst nicht hätte zu tragen brauchen. Freilich enthält das Gesetz für ähnliche Fälle solche Anordnungen, zB § 59 Abs. 2 Satz 2 1. Halbsatz BSHG; - hierzu: BSG SozR Nr 3 zu BSHG § 59 -, § 107 Abs. 1 BSHG; § 222, § 1504 Abs. 1 RVO (andererseits aber auch § 1509 a RVO); § 6 Abs. 3 Satz 1 Rehabilitations-Angleichungsgesetz vom 7. August 1974 (BGBl I 1881). Auch in § 43 Abs. 3 des Entwurfs eines Sozialgesetzbuches ist vorgesehen, daß Bestand und Umfang des "Erstattungsanspruchs" sich "nach den für den vorleistenden Leistungsträger geltenden Rechtsvorschriften" richtet. Der Begründung (aaO S. 29) zu diesem Gesetzentwurf ist indessen nicht zu entnehmen, daß diese Regelung rechtsdogmatisch vorgezeichnet sei. Statt dessen dürften Zweckmäßigkeitsüberlegungen dafür maßgeblich sein, wobei insbes. der Rückgriff auf den Bürger - als Leistungsempfänger - systematisch mit einbezogen wird. Der Leistungsempfänger soll nämlich dann in Anspruch genommen werden, wenn er höhere als die ihm zustehenden Leistungen erhalten hat. Ob dies zutrifft, kann der "zuständige", eigentlich verpflichtete Leistungsträger besser als der Vorleistende beurteilen. Er soll deshalb in die Rolle dessen versetzt werden, der den Bürger zum Ausgleich heranzieht und muß dann auch dem vorleistenden Leistungsträger uneingeschränkt Ersatz schulden. Eine solche Lösung mag dem Verwaltungsinteresse entgegenkommen; sie liegt im gesetzgeberischen Ermessen und ist de lege lata nicht verwertbar. Ohne eine ausdrückliche Weisung des Gesetzes erscheint aber, wenn ein an sich nicht zuständiger Träger aus Irrtum über seine Pflicht vorgeleistet hat, der Schluß näher, wenn nicht folgerichtiger, daß der Schuldner nur das zu vergüten hat, was er "erlangt", infolge des Gläubigervorgehens erspart hat. Dem entsprechen die Vorschriften des § 818 Abs. 1 und 2 BGB, die als typische Erscheinungsform einer rechtsgrundlosen Vermögensbewegung auch für das öffentliche Recht gewertet werden können, sofern und soweit entgegenstehende Gesichtspunkte nicht zu erkennen sind. Für ein Abweichen von dem rechtlich und logisch vorgezeichneten Weg besteht hier kein Anlaß. Vielmehr geht die - verallgemeinerungsfähige - Vorschrift des § 81 b BVG von dem gleichen Ergebnis aus: Die zur Leistung verpflichtete Stelle hat" die Aufwendungen in dem Umfang zu ersetzen, wie sie ihr nach Gesetz oder Satzung oblagen". Eben dieses Ziel verfolgt auch § 1531 RVO (Wallerath, DÖV 1972, 225 f.). Die Revision des Beklagten erweist sich hiernach als begründet.
Daraus folgt indessen nicht, daß die Klägerin im Verhältnis zum Beklagten hinsichtlich des noch umstrittenen Ersatzes für Geldleistungen leer ausgeht. Die Höhe ihrer Ersatzberechtigung ergibt sich aus einer Gegenüberstellung ihrer tatsächlichen Auslagen mit dem Betrag, den der Beklagte aufgrund der Versorgung des Beschädigten hätte erbringen müssen. Zu letzterem ist der Einkommensausgleich i. S. des § 17 BVG aF um so unbedenklicher zu zählen, als er, bevor die Leistungen zur Rehabilitation im Versorgungs- und im Sozialversicherungsrecht angeglichen wurden (Gesetz vom 7. August 1974), mit dem Übergangsgeld gemäß § 1241 RVO den Unterhaltszweck gemein hatte. Der Lebensunterhalt des Beschädigten oder des Versicherten sollte während einer Heilbehandlung sichergestellt werden (zu dem mit dem 1. NOG eingeführten § 17 BVG: Bundestagsdrucksache III/1825; zu § 1246 des Regierungsentwurfs zu einem Rentenversicherungsgesetz: Bundestagsdrucksache II 2437 S. 68). Wenn beide Leistungen in den Einzelheiten ihrer Ausgestaltung auch verschieden waren, so wurden sie doch von den gleichen Grundzügen bestimmt. Für beide Leistungen war das Arbeitseinkommen des Betreuten im letzten Jahr vor der Arbeitsunfähigkeit oder dem Beginn der Maßnahmen maßgebend. Die Zahl der von dem Betreuten überwiegend unterhaltenen Angehörigen war, wenn auch unterschiedlich, im einen wie im anderen Falle zu berücksichtigen. Ähnlich verhielt es sich mit der Anrechnung sonstigen Einkommens. - Die Festsetzung des Einkommensausgleichs scheitert für die weiter zurückliegende Zeit nicht daran, daß Krankenkasse und Arbeitgeber nicht mehr über das genaue, dafür erforderliche Zahlenmaterial verfügen. Sowohl aus der Zusammensetzung des gewährten Übergangsgeldes als auch aus dem Inhalt der Versicherungskarten, die zur Rentenversicherung des Beschädigten geführt worden sind, lassen sich die benötigten Daten rekonstruieren. Sollte dies - wider Erwarten - nicht möglich sein, wäre von dem Durchschnittseinkommen der Berufs- oder Wirtschaftsgruppe auszugehen, welcher der Beschäftigte in der fraglichen Zeit angehörte (vgl. § 17 Abs. 6 BVG). In ähnlicher Weise böte sich als Maßstab auch das Entgelt an, das zur fraglichen Zeit für Personen gleicher Ausbildung und gleichen Alters durch Tarif festgesetzt oder sonst ortsüblich war (vgl. § 573 Abs. 1 RVO).
Sollte eine Vergleichsberechnung ergeben, daß der in Betracht kommende Einkommensausgleich den Betrag des geleisteten Übergangsgeldes überschreitet, so wären innerhalb des versorgungsrechtlichen Leistungsrahmens - allenfalls bis zur Höhe des Einkommensausgleichs - auch die Taschengeldzahlungen abzugelten. An der Gleichartigkeit beider Barleistungen besteht kein Zweifel. Daran ändert nichts, daß das Taschengeld seine gesetzliche Grundlage in der Vorschrift darüber fand, was unter dem Begriff der "Heilbehandlung" erfaßt wurde und daß es wenigstens zum Teil statt Sachleistungen zur Befriedigung des kleineren täglichen Bedarfs gegeben wurde (BSG 20, 226, 227, 229). Durch die enge Verknüpfung mit den medizinischen Maßnahmen wurde das Taschengeld nicht zu einer Sachleistung. Vielmehr bestand seine Besonderheit gerade darin, daß ein geringer Geldbetrag - wenn auch zur freien Verfügung des Empfängers - für Unterhaltszwecke ausgegeben wurde. Es handelte sich um eine - bescheidene - zusätzliche Geldleistung neben dem Übergangsgeld, welches seinerseits anstelle des früher, vor der Rentenversicherungsreform des Jahres 1975 vorgesehenen Hausgeldes (§ 1312 RVO aF) getreten war. Von seiner Unterhaltsersatzfunktion her ist auch das Taschengeld dem versorgungsrechtlichen Einkommensausgleich verwandt und angepaßt. Dies erlaubt die gegenseitige Verrechnung beider Leistungen im Sinne eines Ausgleichs unter den öffentlichen Verwaltungsträgern (ebenso Rundschreiben BMA vom 5. Juli 1962 aaO.).
Das nach diesen Überlegungen zu bestimmende Verhältnis von Ausgaben der Klägerin und versorgungsrechtlicher Verbindlichkeitsgrenze kann beim gegenwärtigen Sachstand nicht abschließend angegeben werden. Um den Einkommensausgleich berechnen zu können, sind noch weitere Tatsachen zu ermitteln. Zur weiteren Sachaufklärung in dieser Richtung muß das Berufungsurteil aufgehoben und der Rechtsstreit an das LSG zurückverwiesen werden (§ 170. Abs. 2 Satz 2 SGG).
Für die neue Verhandlung wird bemerkt, daß zwar - wie das Berufungsgericht erwogen hat - nach § 17 Abs. 5 BVG auf den Einkommensausgleich das Krankengeld anzurechnen wäre. Der Anspruch auf Krankengeld entfiel aber, solange von der Klägerin Übergangsgeld gewährt wurde (§ 183 Abs. 6 RVO; dazu ua BSG 22, 112, = SozR Nr 1 zu § 1239 RVO).
Fundstellen
Haufe-Index 1649718 |
BSGE, 137 |