Entscheidungsstichwort (Thema)

Hilfsmittel. Brille. Kontaktlinsen

 

Leitsatz (amtlich)

Auf Kontaktlinsen ist § 182g RVO nicht anzuwenden.* Dagegen gilt § 182a RVO auch für diese Sehhilfen.*

 

Orientierungssatz

Kontaktlinsen sind den Brillen zuzuordnen, die unter Buchst b des § 182 Abs 1 Nr 1 RVO neben den Arznei-, Verband- und Heilmitteln aufgeführt werden. Zwar handelt es sich bei jeder Sehhilfe, die eine Beeinträchtigung der Sehfähigkeit ausgleicht, also auch bei der Brille selbst, begrifflich um ein Hilfsmittel (vgl die Begriffsbestimmungen in den Richtlinien über die Verordnung von Heilmitteln und Hilfsmitteln in der kassenärztlichen Versorgung vom 26.2.1982, BAnz 1982 Beilage 32). Es kann deshalb gerechtfertigt sein, Grundsätze der Hilfsmittelgewährung auch bei der Versorgung mit einer Brille oder einer anderen Sehhilfe anzuwenden (zB § 182b Satz 2 und 3 RVO; vgl BSG vom 22.7.1981 3 RK 56/80 = SozR 2200 § 182 Nr 73). Das führt aber nicht daran vorbei, daß die Versorgung mit Brillen im Leistungsrecht der gesetzlichen Krankenversicherung eine besondere Leistungsart darstellt.

 

Normenkette

RVO § 182 Abs 1 Nr 1 Buchst b, § 182 Abs 1 Nr 1 Buchst c, § 182a Fassung: 1981-12-22, § 182g Fassung: 1981-12-22

 

Verfahrensgang

LSG Niedersachsen (Entscheidung vom 20.06.1984; Aktenzeichen L 4 Kr 36/83)

SG Oldenburg (Entscheidung vom 24.02.1983; Aktenzeichen S 6 Kr 56/82)

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die beklagte Krankenkasse verpflichtet ist, dem Kläger dessen Aufwendungen für die Ersatzbeschaffung einer Kontaktlinse zu erstatten.

Der 1906 geborene Kläger ist als Rentner Mitglied der Beklagten. Im März 1981 übernahm die Beklagte die Kosten für eine harte Kontaktlinse, die dem Kläger nach einer Staroperation am linken Auge verordnet worden war. Im September 1982 verlor er die Kontaktlinse. Die Beklagte lehnte es ab, die Kosten der Ersatzbeschaffung in Höhe von 107,35 DM zu übernehmen, weil nach § 182g der Reichsversicherungsordnung (RVO) ein Anspruch auf Versorgung mit Sehhilfen bei gleichbleibender Sehfähigkeit erst wieder nach drei Jahren bestehe. Widerspruch und Klage hatten keinen Erfolg.

Das Landessozialgericht (LSG) hat die Beklagte zur Erstattung der Kosten verurteilt. Zur Begründung hat es ausgeführt: Kontaktlinsen gehörten zu den Hilfsmitteln iS des § 182 Abs 1 Nr 1 Buchst c RVO. Diese systematische Zuordnung sei nicht deshalb infrage gestellt, weil in § 182 Abs 1 Nr 1 Buchst b RVO neben den Heilmitteln die Brillen als besondere Leistungsart aufgeführt werden. § 182g RVO gelte nach seinem Wortlaut nur für Brillen. Auf Kontaktlinsen sei diese Vorschrift auch nicht entsprechend anwendbar. Es gebe kein überzeugendes Argument für die Annahme einer Regelungslücke, die durch eine entsprechende Anwendung der Vorschrift zu schließen sei. Die Ersatzbeschaffung eines Hilfsmittels könne nach den Grundsätzen des allgemeinen Verwaltungsrechts nur verweigert werden, wenn der Versicherte die Unbrauchbarkeit oder den Verlust des Hilfsmittels vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt hat. Dem Kläger könne weder Vorsatz noch grobe Fahrlässigkeit unterstellt werden.

Dagegen hat die Beklagte Revision eingelegt. Sie rügt, das LSG habe § 182 Abs 1 Nr 1 Buchst c, § 182g und § 182b RVO unrichtig angewandt. Kontaktlinsen seien leistungsrechtlich den Brillen zuzuordnen. Der Funktionsgleichheit komme auch im Hinblick auf § 182g RVO besondere Bedeutung zu. Nach Auffassung der Spitzenverbände (Besprechungsergebnis vom 3. Februar 1983) falle die eingeschränkte Haltbarkeitsdauer und der Verlust einer Sehhilfe sowie die Totalbeschädigung einer Brille in den Verantwortungsbereich des Versicherten. Sofern allerdings die Haltbarkeit der Kontaktlinse von der Natur der Sache her auf weniger als drei Jahre begrenzt sei, käme eine neue Verordnung bereits nach Ablauf der eingeschränkten Haltbarkeitsdauer in Betracht. § 182g RVO gehe, wie in der Gesetzesbegründung zum Ausdruck gebracht werde, davon aus, daß die Haltbarkeit bei Brillen drei Jahre betrage. Es sei kein Grund ersichtlich, bei Kontaktlinsen andere Maßstäbe gelten zu lassen. Das LSG hätte sich gedrängt fühlen müssen, die Dauer der Haltbarkeit bei Kontaktlinsen durch ein Sachverständigengutachten zu klären. Da § 182g RVO eine Begrenzung festlege, bleibe für eine Anwendung der Grundsätze des § 182b RVO kein Raum.

Die Beklagte beantragt, das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 20. Juni 1984 aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Oldenburg vom 24. Februar 1983 zurückzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Er erwidert: Das Reichsversicherungsamt (RVA) habe die Brille definiert als "ein mit zwei Augengläsern versehenes Gestell" (GE-Nr. 2771, AN 1923, 301). Diese Definition verdeutliche, wesentlich für eine Brille sei das Gestell, die Halterung der Augengläser. Ein Gestell für Augengläser sei auch ein modisches Zubehör. Eben wegen dieser Funktion solle, wenn sich die Sehfähigkeit nicht ändere, die Neuverordnung vor Ablauf von drei Jahren zu Lasten der Krankenkassen nicht zulässig sein. Etwas anderes gelte, wenn der Kopf eines Kindes seine Form verändere. § 182g RVO könne demnach bei Kontaktlinsen keine entsprechende Anwendung finden. Abgesehen davon habe die Krankenkasse die Kosten für die Erneuerung verlorener bzw Instandsetzung beschädigter Brillen auch vor Ablauf von drei Jahren zu übernehmen, weil ohne Sehhilfe der Versicherte in seiner Bewegungsfreiheit beeinträchtigt wäre.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Beklagten ist nur zu einem geringen Teil begründet.

Das LSG hat die Beklagte zu Recht verurteilt, dem Kläger für die unstreitig notwendig gewesene Ersatzbeschaffung einer Kontaktlinse Kostenersatz zu leisten. Der § 182g RVO findet auf die Versorgung mit Kontaktlinsen keine Anwendung. Die Beklagte ist demzufolge nicht deshalb von der Leistungspflicht freigestellt, weil sie dem Kläger erst im März 1981, also 1 1/2 Jahre vor der Ersatzbeschaffung im September 1982, mit einer Kontaktlinse versorgt hatte. Der Erstattungsbetrag vermindert sich jedoch um 4,-- DM. Nach § 182a RVO hat ein Versicherter, der das 16. Lebensjahr vollendet hat, bei der Abnahme von Heilmitteln und Brillen (bei Heilmitteln je Verordnung) 4,-- DM an die abgebende Stelle zu zahlen, also selbst zu tragen. Diese Vorschrift gilt auch bei der Abnahme von Kontaktlinsen.

Der Anspruch des Versicherten auf Versorgung mit Kontaktlinsen hat seine Rechtsgrundlage in § 182 Abs 1 und 2 RVO. Danach ist dem Versicherten von der Krankenkasse Krankenpflege zu gewähren, die ausreichend und zweckmäßig sein muß und das Maß des Notwendigen nicht überschreiten darf. Die Krankenkasse hat den Versicherten auch mit Kontaktlinsen zu versorgen, wenn dies aus medizinischen Gründen zweckmäßig und notwendig ist. Dem steht nicht entgegen, daß in der Aufzählung der "insbesondere" in Betracht kommenden Krankenpflegeleistungen Kontaktlinsen nicht ausdrücklich erwähnt werden. Die Aufzählung erfolgt gruppenweise nach Leistungsarten; sie ist nicht abschließend.

Der Begründung des angefochtenen Urteils wird jedoch insoweit nicht gefolgt, als die Kontaktlinsen den unter Buchstabe c des § 182 Abs 1 Nr 1 RVO zusammengefaßten Leistungen, den Körperersatzstücken und Hilfsmitteln, zugeordnet werden. Sie sind vielmehr den Brillen zuzuordnen, die unter Buchst b der genannten Vorschrift neben den Arznei-, Verband- und Heilmitteln aufgeführt werden. Zwar handelt es sich bei jeder Sehhilfe, die eine Beeinträchtigung der Sehfähigkeit ausgleicht, also auch bei der Brille selbst, begrifflich um ein Hilfsmittel (vgl die Begriffsbestimmungen in den Richtlinien über die Verordnung von Heilmitteln und Hilfsmitteln in der kassenärztlichen Versorgung vom 26. Februar 1982, BAnz 1982 Nr 125 -Beilage Nr 32/82-). Es kann deshalb gerechtfertigt sein, Grundsätze der Hilfsmittelgewährung auch bei der Versorgung mit einer Brille oder einer anderen Sehhilfe anzuwenden (zB § 182b Satz 2 und 3 RVO; vgl BSG SozR 2200 § 182 RVO Nr 73). Das führt aber nicht daran vorbei, daß die Versorgung mit Brillen im Leistungsrecht der gesetzlichen Krankenversicherung eine besondere Leistungsart darstellt (vgl dazu Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, Stand: 15. August 1984, S 386i III) und für sie eigenständige Regelungen gelten (§ 182a Satz 1 Buchst c, § 182g RVO). Es liegt nahe, die für die Brillen geltenden Regelungen auf die anderen im Gesetz nicht genannten Sehhilfen entsprechend anzuwenden, soweit sich diese hinsichtlich der Umstände, die für die jeweils in Betracht kommende Einzelregelung maßgebend sind, nicht wesentlich von den Brillen unterscheiden. Das gilt für die Zuordnung zu den unter Buchstabe b des § 182 Abs 1 Nr 1 RVO zusammengefaßten Leistungen vor allem für die Kontaktlinsen, die wegen ihrer zusätzlichen therapeutischen Bedeutung den Heilmitteln nicht ferner stehen als die Brillen (vgl H. Burggraf/A. Burggraf, Grundlagen augenärztlicher Begutachtung, 1984, S 266; Küchle/Busse, Taschenbuch der Augenheilkunde, 2. Aufl, 1984, S 49 f).

Daraus folgt nicht, daß auch § 182g RVO auf die Versorgung mit Kontaktlinsen anzuwenden ist. Nach dieser Vorschrift besteht für Versicherte, die das 14. Lebensjahr vollendet haben, bei gleichbleibender Sehschärfe nur dann ein Anspruch auf Versorgung mit Brillen, wenn seit dem Tag der letzten Brillenlieferung mindestens drei Jahre vergangen sind. Eine am Wortlaut orientierte Auslegung der Vorschrift und in gewisser Hinsicht auch der Regelungszusammenhang sprechen allerdings dafür, daß hier der gleiche Anspruchsgegenstand wie in § 182 Abs 1 Nr 1 Buchst b RVO gemeint ist. Ein solcher Schluß ist jedoch nicht gerechtfertigt.

Mit einer streng am Wortlaut orientierten Auslegung kann der Regelungsgehalt des § 182g RVO nicht erschlossen werden. Nach dem Wortsinn hätte der Versicherte, solange sich seine Sehfähigkeit nicht ändert, in dem hier fraglichen 3-Jahres-Zeitraum überhaupt keinen Anspruch auf Versorgung mit Brillen. Das würde bedeuten, die Krankenkasse wäre auch dann nicht leistungspflichtig, wenn der Versicherte bzw ein familienhilfeberechtigter Angehöriger aus anderen medizinischen Gründen als der Änderung der Sehfähigkeit eine Sehhilfe benötigt (zB weil sich die Brille als ungeeignet erwiesen hat und deshalb eine Kontaktlinse erforderlich ist oder weil sich die Kopfform eines Kindes, das schon 14 Jahre alt oder älter ist, geändert hat). Dies ließe sich mit dem Anspruch des Versicherten auf Krankenpflege, die ausreichend und zweckmäßig sein muß, nicht in Einklang bringen (vgl Heinze in RVO-Gesamtkommentar, Stand: November 1984, § 182g RVO Anm 3: Für einen medizinischen Leistungsgrund hat die Krankenkasse grundsätzlich einzutreten). Weiter ist zu berücksichtigen, daß der Anspruch auf Versorgung mit einer Brille auch die notwendige Instandsetzung und Ersatzbeschaffung umfaßt. Das ist für die Hilfsmittel ausdrücklich gesetzlich bestimmt (§ 182b Satz 2 RVO), gilt aber gleichfalls für die Heilmittel und Brillen (vgl § 182a Satz 2 RVO). Diese Verpflichtung der Krankenkasse wäre in dem 3-JahresZeitraum ausgeschlossen, wollte man einen Anspruch des Versicherten gänzlich verneinen. Eine so weitgehende Beschränkung der Rechte des Versicherten hat der Gesetzgeber ersichtlich nicht gewollt. § 182g RVO ist zusammen mit § 182f in die RVO eingefügt worden (Art 1 Nr 6 des Kostendämpfungs-Ergänzungsgesetzes vom 22. Dezember 1981, BGBl I, 1578). Als eine Einschränkung des Anspruchs auf Krankenpflege ist in § 182 Abs 1 Nr 1 Buchst b RVO nur § 182f RVO aufgenommen worden. Das weist darauf hin, daß der Gesetzgeber dem § 182g RVO keine den Anspruch auf Krankenpflege in vergleichbarer Weise einschränkende Bedeutung beigemessen hat. Des weiteren spricht die der Vorschrift zugrundeliegende Begründung dafür, daß der Anspruch auf Krankenpflege bezüglich der Versorgung mit Brillen lediglich eine Konkretisierung erfahren sollte, die der Beschränkung der Leistungspflicht der Krankenkasse auf das Notwendige und der Sorgfaltspflicht des Versicherten Rechnung trägt. In der Begründung wird ausgeführt, daß bei der Brille von einer bestimmten Haltbarkeitsdauer ausgegangen werden kann. Außerdem wird hinzugefügt, daß die Vorschrift nicht für die Instandsetzung von Brillen gelten soll (BT-Drucks 9/845 S 14). Es wird daher sogar die Auffassung vertreten, daß selbst bei Verlust einer Brille ein Anspruch auf Ersatzbeschaffung bestehen kann. Der Gesetzgeber habe sich in § 182g RVO nicht zur Leistungsgewährung bei Verlust oder völliger Zerstörung der Brille geäußert. Der Gesetzesbegründung sei vielmehr zu entnehmen, daß vom Vorhandensein einer gebrauchsfähigen Brille ausgegangen werde (H. Burggraf/A. Burggraf aaO S 269 f). Es kann hier dahingestellt bleiben, ob man dieser Auffassung folgen kann. Fest steht jedenfalls, daß durch § 182g RVO der Anspruch des Versicherten auf Versorgung mit einer Sehhilfe in dem 3-JahresZeitraum auch bei gleichbleibender Sehfähigkeit nicht vollständig ausgeschlossen sein soll.

Der Regelungszusammenhang zwischen § 182g und § 182 Abs 1 Nr 1 Buchst b RVO zwingt ebenfalls nicht zu einem solchen Ausschluß. Beide Vorschriften unterscheiden sich wesentlich in ihrer Tragweite. § 182 Abs 1 Nr 1 RVO erstreckt sich als Anspruchsnorm auf alle Krankenpflegeleistungen, die dem Leistungssystem der gesetzlichen Krankenversicherung entsprechen, also auch auf solche, die nicht ausdrücklich genannt sind. Aus dieser Vorschrift ergibt sich demnach unmittelbar die Verpflichtung der Krankenkasse, den Versicherten mit Kontaktlinsen auszustatten, wenn das aus medizinischen Gründen notwendig ist. Lediglich die Zuordnung der Kontaktlinsen zu den unter Buchstabe b zusammengefaßten Leistungen erfolgt analog der gesetzlichen Zuordnung der Brillen. § 182g RVO ist dagegen seinem Wortlaut nach nicht offen für andere Leistungen. Die hier getroffene Regelung beschränkt sich auf die Versorgung mit Brillen.

Die analoge Anwendung einer auf Brillen beschränkten Einzelregelung auf eine andere Sehhilfe ist nur zulässig, wenn die jeweilige Sehhilfe mit den Brillen in den für die gesetzliche Bewertung maßgebenden Hinsichten übereinstimmt (Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 5. Aufl, S 365 ff).

Bei der in § 182g RVO getroffenen Regelung hat sich der Gesetzgeber davon leiten lassen, daß Brillen eine Haltbarkeitsdauer von mindestens drei Jahren haben (1. Gesichtspunkt), in dieser Zeit eine erneute Belastung der Versichertengemeinschaft mit Brillenkosten, abgesehen von dem Fall der Änderung der Sehfähigkeit, nicht gerechtfertigt ist (2. Gesichtspunkt), aber dies für die Instandsetzung von Brillen nicht gelten soll (3. Gesichtspunkt). Diese dem Gesetzentwurf der Bundesregierung zugrundeliegenden Gründe und Absichten (BT-Drucks aaO) können dem Gesetzgeber zugerechnet werden, denn er hat die im Entwurf vorgeschlagene Regelung ohne Änderung übernommen. Alle drei Gesichtspunkte beziehen sich auf die Brille, die aus Gläser und einem Brillengestell besteht. Die angenommene Haltbarkeitsdauer beruht auf der Erfahrung, daß sich ein Brillengestell im Laufe der Zeit abnutzt. Im Schrifttum wird auch die Auffassung vertreten, der Gesetzgeber trage dem Umstand Rechnung, daß die Brille das Erscheinungsbild wesentlich beeinflußt; es müsse dem Versicherten deshalb möglich sein, sich den wandelnden (modischen) Auffassungen anzupassen (Heinze aaO Anm 2). Die Begründung, es sei nicht gerechtfertigt, die Versichertengemeinschaft innerhalb des 3-Jahres-Zeitraums erneut mit Brillenkosten zu belasten, enthält die korrespondierende Aussage, daß die Neuanschaffung einer Brille in den Verantwortungsbereich des Versicherten fällt. Selbst wenn dies bedeuten sollte, daß es dem auf eine Sehhilfe angewiesenen Versicherten obliegt, auch für eine verlorene oder unbrauchbar gewordene Brille auf eigene Kosten Ersatz zu beschaffen, so wäre das in Anbetracht der rechtlichen Gegebenheiten (§ 182 Abs 1 Nr 1 iVm Abs 2 RVO, siehe dazu oben), nur mit der Sorgfaltspflicht des Versicherten zu rechtfertigen. Im Vergleich zu Brillen bedürfen aber Kontaktlinsen einer weitaus größeren Sorgfalt, um sie vor dem Verlorengehen oder der Beschädigung zu bewahren. Die bestehenden Unterschiede in der Größe und der Handhabung lassen nicht den Schluß zu, beide Sehhilfen seien hinsichtlich dieses Gesichtspunktes derart ähnlich, daß sie hinsichtlich der Frage, wer für die Ersatzbeschaffung aufzukommen hat, eine gleiche gesetzliche Wertung erfahren müßten. Gegen die Auffassung der Beklagten spricht schließlich auch der dritte Gesichtspunkt. Da § 182g RVO nicht für die Instandsetzung von Brillen gilt, hat die Krankenkasse für neue Brillengläser auch dann aufzukommen, wenn durch Beschädigung der Brille die alten Gläser verloren gegangen oder unbrauchbar geworden sind. Diesem Sachverhalt ist der Verlust oder die Beschädigung einer Kontaktlinse vergleichbar. Die Leistungspflicht der Krankenkasse kann deshalb nicht anders beurteilt werden.

Damit ergibt sich, daß § 182g RVO ausdrücklich nur für Brillen gilt, die sich aus Gläsern und einem Brillengestell zusammensetzen (in diesem Sinne Peters, Handbuch der Krankenversicherung, Stand: Mai 1984, § 182g RVO Anm 1, S 17/338-23-). Auch eine analoge Anwendung der Vorschrift auf Kontaktlinsen scheidet aus. Soweit im Schrifttum eine gegenteilige Auffassung vertreten (Heinze aaO Anm 2, jedoch für eine generelle Leistungspflicht der Kasse bei medizinischer Notwendigkeit) bzw in Erwägung gezogen wird (Krauskopf/Schroeder-Printzen, Soziale Krankenversicherung, Stand: Juli 1984, § 182g RVO Anm 5), widerlegen die dort angegebenen Gründe nicht die hier vertretene Auffassung.

Die Leistungspflicht der Beklagten könnte daher im vorliegenden Fall nur nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen eingeschränkt sein. Das LSG ist dieser Frage nachgegangen und hat festgestellt, dem Kläger könne vor allem nicht der Vorwurf gemacht werden, der Verlust der 1981 erhaltenen Kontaktlinse sei auf ein vorsätzliches oder grob fahrlässiges Verhalten zurückzuführen. Diese Feststellungen des Berufungsurteils werden mit der Revision nicht angegriffen.

Der Kläger hat jedoch nach § 182a Satz 1 RVO eine Verordnungsblattgebühr von 4,-- DM zu tragen. Diese Vorschrift findet auch auf Kontaktlinsen entsprechende Anwendung. Sie gilt für alle in § 182 Abs 1 Nr 1 Buchst b RVO genannten Leistungen. Ein Grund dafür, daß die Gebühr nur bei der Abgabe und Instandsetzung einer Brille und nicht bei der Versorgung mit einer anderen - anstelle einer Brille verordneten - Sehhilfe anfallen soll, ist nicht ersichtlich.

Da der Kläger mit seinem Klageantrag im wesentlichen Erfolg hatte, sind ihm von der Beklagten seine außergerichtlichen Kosten in diesem Rechtsstreit zu erstatten (§ 193 des Sozialgerichtsgesetzes).

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1660697

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