Entscheidungsstichwort (Thema)
Berufskrankheit. Zulässigkeit der Berufung. Bronchialkarzinom Straßenbauarbeiter. kein statistisch erhöhtes Krankheitsrisiko. keine neuen medizinischen Erkenntnisse
Orientierungssatz
1. Aus dem Zusammenhang der Vorschriften über die Statthaftigkeit der Berufung läßt sich kein Anhalt dafür entnehmen, daß in der Unfallversicherung und der sozialen Entschädigung die Berufung in einem wesentlich weiteren Umfang statthaft sein sollte als in den anderen der Sozialgerichtsbarkeit zugewiesenen Rechtsgebieten. Es muß sich für die Anwendbarkeit des § 150 Nr 3 SGG um einen Streit über eine beiden Rechtsgebieten und nur ihnen gemeinsame Frage handeln. Das aber ist die ursächliche Verknüpfung einer Gesundheitsstörung oder des Todes mit einem Arbeitsunfall oder einer Berufskrankheit oder einer Schädigung iS des BVG, nicht jedoch die Frage, ob die Tatbestandsmerkmale einer Berufskrankheit oder einer Schädigung iS des BVG vorliegen (vgl BSG vom 24.1.1990 2 RU 20/89 = HV-INFO, 1990, 793).
2. Für die Gruppe der Straßenbauarbeiter liegen keine ausreichenden Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft darüber vor, ob im Rahmen der versicherten Tätigkeit Bronchialkarzinome häufiger auftreten als bei der übrigen Bevölkerung.
3. Die Voraussetzung einer höheren Gefährdung bestimmter Personengruppen bezieht sich auf das allgemeine Auftreten der Krankheit, nicht dagegen auf ihre Verursachung durch die gefährdende Tätigkeit.
Normenkette
RVO § 551 Abs 2; SGG § 150 Nr 3
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob bei dem am 6. Juni 1985 verstorbenen L R (Versicherter) eine 1983 diagnostizierte Bronchialkarzinomerkrankung wie eine Berufskrankheit (BK) zu entschädigen ist und der Klägerin, Ehefrau und Rechtsnachfolgerin des Versicherten, Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung zustehen.
Der im Jahre 1928 geborene Versicherte war zunächst als Metzger beschäftigt. Von 1956 an war er im Straßenbau, und zwar bis 1957 als Straßenbauarbeiter, im Anschluß daran als mitarbeitender Vorarbeiter, ab Juni 1962 als Schachtmeister und von Oktober 1977 bis 1983 wieder als Vorarbeiter tätig. Während dieser Zeit hatte er Umgang mit Teer und später überwiegend mit Bitumen.
1976 trat bei dem Versicherten erstmals eine schwere pulmonale Erkrankung in Form einer Viruspneumonie und eine akute spastische Bronchitis mit Arbeitsunfähigkeit auf. 1977 wurde eine chronische Bronchitis diagnostiziert. Im April 1983 kam es zur operativen Entfernung eines Tumors, der sich histologisch als undifferenziertes großzelliges Karzinom mit ausgedehnten Nekrosen im Bereich des linken Lungenoberlappens darstellte. Vom 1. Februar 1984 an erhielt der Versicherte eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit. Nach vorübergehender Stabilisierung seines Gesundheitszustandes traten Tumormetastasen im linken Hilus auf, die schließlich zu einer völligen Obstruktion der Speiseröhre führten. Am 6. Juni 1985 verstarb der Versicherte infolge Tumorkachexie.
Aufgrund der Anzeigen über eine BK von der Deutschen Angestellten Krankenkasse (April 1983), der Robert-Koch-Klinik Freiburg (Juni 1983) und der Firma S (Juli 1983), in der der Versicherte beschäftigt war, holte die Beklagten ein schriftliches Gutachten der Arbeitsmediziner Prof. Dr. V und Dr. H , E , ein. Diese verneinten einen ursächlichen Zusammenhang zwischen der beruflichen Tätigkeit des Versicherten im Straßenbau und seinem Bronchialkrebsleiden mit der Begründung, es lägen keine hinreichenden statistischen Erhebungen vor, die für die Personengruppe der Straßenbauarbeiter ein erhöhtes Risiko belegten, an bösartigen Neubildungen der Atemwege zu erkranken. Zwar werde angenommen, daß die im Teer enthaltenen polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffe eine karzinogene Wirkung besäßen. Das eigentliche krebserzeugende Agens im Material Teer sei jedoch nicht bekannt. Berufliche Teerexpositionen könnten im Einzelfall sehr unterschiedlich sein. Die aufgrund epidemiologischer Untersuchungen beobachtete Häufung bösartiger Erkrankungen der Atemwege bei Kokereiarbeitern seien nach eigenen Forschungen nicht auf die Teerexposition im Straßenbau zu übertragen. So sei etwa in teerverarbeitenden Betrieben, in denen gehäuft Teerhautkrebs aufgetreten sei, keine auffällige Häufung von Bronchialkarzinomen festgestellt worden. Den Ausführungen der Gutachter stimmte der Gewerbearzt des Gewerbeaufsichtsamtes S zu. Die Beklagte lehnte daraufhin die Gewährung von Leistungen aus der Unfallversicherung ab (Bescheid vom 16. November 1984). Den von der Klägerin nach dem Tod des Versicherten gestellten Antrag auf Hinterbliebenenleistungen lehnte die Beklagte ebenfalls ab (Bescheid vom 29. August 1986).
Die gegen die Bescheide erhobenen Klagen hat das Sozialgericht (SG) zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden und ein schriftliches Gutachten von dem Arbeitsmediziner Prof. Dr. M , G , eingeholt. Darin vertritt dieser die Meinung, daß das beim Versicherten aufgetretene Bronchialkarzinom wahrscheinlich durch seine Tätigkeit im Straßenbau verursacht worden sei. Es sei wissenschaftlich hinreichend belegt, daß Teerdämpfe Atemwegstumore verursachen könnten. Teerdämpfen seien die Straßenbauarbeiter ausgesetzt. Zwar lägen für diesen Personenkreis keine Ergebnisse aus statistischen Untersuchungen vor. Es könne aber auf die Erfahrungen an dem vergleichbaren Arbeitsbereich am Ofenblock in Kokereien zurückgegriffen werden, für den das hohe Erkrankungsrisiko des Personals an Atemwegskarzinomen unter anderem durch eigene Untersuchungen des Gutachters ausreichend belegt sei. Eine inzwischen durchgeführte nachträglich Aufarbeitung des aus seinem Beobachtungsbereich der Gasindustrie gesammelten Datenmaterials habe zudem ergeben, daß auch die Rohrnetzarbeiter und Rohrleger, die bis in die 60-er Jahre hinein durch die für Rohrisolierungen und provisorischen Straßenabdeckungen verwendeten Teerstoffe belastet worden seien, statistisch signifikant vermehrt an Atemwegskarzinomen stürben.
Das SG hat die Beklagte verurteilt, die Bronchialkrebserkrankung des Versicherten wie eine BK zu entschädigen und der Klägerin auch die aus Anlaß seines Todes nach dem Recht der gesetzlichen Unfallversicherung zustehenden Leistungen zu gewähren; die Berufung hat es nicht zugelassen (Urteil vom 24. März 1988). Das Landessozialgericht (LSG) hat das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 23. Februar 1989). Zur Begründung hat das LSG unter anderem ausgeführt: Hinsichtlich des Sterbegeldes, der Überführungskosten, der Überbrückungshilfe und der Verletztenrente lägen zwar Berufungsausschließungsgründe vor; gleichwohl sei die Berufung nach § 150 Nr 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig. Wegen der im Bereich der Entschädigung nach § 551 Abs 1 und 2 der Reichsversicherungsordnung (RVO) besonders umstrittenen Kausalität von schädigenden Einwirkungen und dem Entstehen einer Krankheit sei der Auslegung von Bley (s Bley SGB RVO-Gesamtkommentar, § 150 SGG Anm 7 Buchst d) zu folgen, der den Begriff der BK in § 150 Nr 3 SGG einengend iS des schädigenden Vorgangs verstehe, so daß insoweit auch der Streit um die ursächliche Entstehung des Primärschadens durch diese Norm erfaßt werde. Die Berufung sei auch begründet. Das Bronchialkarzinom des Versicherten sei weder eine BK gewesen noch wie eine BK nach § 551 Abs 2 RVO zu entschädigen. Es lägen keine neuen Erkenntnisse vor, nach denen für die Personengruppe der Straßenbauarbeiter eine höhere Gefährdung hinsichtlich des allgemeinen Auftretens von Bronchialkrebs bestehe. Epidemiologische Studien über die Entstehung von Atemwegstumoren bei Straßenbauarbeitern bestünden nicht, so daß der erforderliche Nachweis einer Fülle von gleichartigen Gesundheitsbeeinträchtigungen bei dieser Berufsgruppe und eine langfristige Überwachung derartiger Krankheitsbilder fehle, um mit Sicherheit daraus schließen zu können, daß die Ursache für die Krankheit in einem schädigenden Arbeitsleben liege. Die Erkenntnisse von Prof. Dr. M , auf die das SG die Entschädigung nach § 551 Abs 2 RVO gestützt habe, seien vom Verordnungsgeber anläßlich der Neufassung der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKVO) durch die Verordnung vom 22. März 1988 als nicht ausreichend angesehen worden, um etwa durch Teerdämpfe und/oder Teerstäube verursachte bösartige Neubildungen der Atemwege in die Berufskrankheitenliste aufzunehmen. Da die genaue Wirkungsweise der einzelnen Schadstoffe wissenschaftlich nicht identifiziert sei, verbiete sich eine Übertragung der Forschungsarbeiten auf die nicht Kokereirohgasen ausgesetzten Rohrnetzarbeiter, bzw von diesen wiederum auf die Straßenbauarbeiter.
Mit der - vom LSG zugelassenen - Revision rügt die Klägerin zunächst eine Verletzung des § 150 Nr 3 SGG. Gestritten werde allein um die Frage, ob das zum Tode führende Bronchialkarzinom des Versicherten eine BK sei. Diese Fallkonstellation sei jedoch in der als abschließend zu behandelnden Aufzählung des § 150 Nr 3 SGG nicht vorgesehen. Weiterhin beruhe das Urteil des LSG auf einer Verletzung des § 551 Abs 2 RVO und des § 103 SGG. Das LSG habe den Rechtsbegriff "neue Erkenntnisse" verkannt, worunter auch die Erkenntnisse fielen, die zwar vor der letzten Neufassung der BKVO vorlagen, vom Verordnungsgeber bei der Neufassung jedoch nicht geprüft worden seien. So habe sich der Verordnungsgeber, wie aus einer vom Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung (BMA) eingeholten Auskunft ersichtlich sei, bei der Änderung der BKVO im März 1988 nicht mit der Frage befaßt, ob Krebs der Atemwege und der Lunge bei Teerarbeitern in die Liste der BK'en aufgenommen werden sollte. Mithin seien die Ausführungen von Prof. Dr. M zur Übertragbarkeit der Verhältnisse am Ofenblock von Kokereien auf den Straßenbau bzgl der Gefahren durch krebserzeugende Schädlichkeiten zu berücksichtigen und auch bei Straßenbauarbeitern ein Bronchialkarzinom wie eine BK zu entschädigen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Baden- Württemberg vom 23. Februar 1989 aufzuheben und das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 24. März 1988 wiederherzustellen,
hilfsweise,
den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht Baden- Württemberg zurückzuverweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 SGG).
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nur zum Teil begründet. Das angefochtene Urteil des LSG war insoweit aufzuheben und die Berufung der Beklagten als unzulässig zu verwerfen, als sie die Ansprüche der Klägerin auf Sterbegeld (§ 589 Abs 1 Nr 1 RVO), Überführungskosten (§ 589 Abs 1 Nr 2 RVO), Überbrückungshilfe (§ 591 RVO in der am 31. Dezember 1985 geltenden Fassung, § 617 Abs 1 RVO) und - als Rechtsnachfolgerin des Versicherten - auf Verletztenrente (§ 581 RVO) betreffen (§§ 144 Abs 1 Nr 1 und 2, 145 Nr 2 SGG).
1. § 150 Nr 3 SGG, wonach die Berufung ungeachtet der §§ 144 bis 149 SGG zulässig ist, wenn der ursächliche Zusammenhang einer Gesundheitsstörung oder des Todes mit einem Arbeitsunfall oder einer Berufskrankheit oder einer Schädigung im Sinne des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) streitig ist oder das SG eine Gesundheitsstörung nicht als feststellbar erachtet hat, findet keine Anwendung. Wie der erkennende Senat nach Erlaß der angefochtenen Entscheidung in seinem Urteil vom 24. Januar 1990 - 2 RU 20/89 - unter Hinweis auf den Beschluß des Großen Senats des Bundessozialgerichts (BSG) vom 21. November 1957 (BSGE 6, 120, 123f) entschieden hat, läßt sich aus dem Zusammenhang der Vorschriften über die Statthaftigkeit der Berufung kein Anhalt dafür entnehmen, daß in der Unfallversicherung und der sozialen Entschädigung die Berufung in einem wesentlich weiteren Umfang statthaft sein sollte als in den anderen der Sozialgerichtsbarkeit zugewiesenen Rechtsgebieten. Es muß sich für die Anwendbarkeit des § 150 Nr 3 SGG um einen Streit über eine beiden Rechtsgebieten und nur ihnen gemeinsame Frage handeln. Das aber ist die ursächliche Verknüpfung einer Gesundheitsstörung oder des Todes mit einem Arbeitsunfall oder einer Berufskrankheit oder einer Schädigung im Sinne des BVG, nicht jedoch die Frage, ob die Tatbestandsmerkmale einer BK oder einer Schädigung im Sinne des BVG vorliegen. Gerade darum geht es jedoch im vorliegenden Fall, in dem insbesondere zwischen den Beteiligten die Voraussetzung der höheren Gefährdung der Straßenbauarbeiter iS des § 551 Abs 2 RVO, bezogen auf das allgemeine Auftreten von Bronchialkarzinomen, streitig ist.
2. Im übrigen ist die Revision unbegründet. Zu Recht hat das LSG entschieden, daß der Klägerin kein Anspruch auf die allein noch streitige Witwenrente (§ 590 RVO) zusteht, weil der Tod des Versicherten nicht Folge einer BK oder einer Krankheit ist, die nach § 551 Abs 2 RVO wie eine BK entschädigt werden soll.
Eine BK, die gemäß § 551 Abs 1 Satz 1 RVO als Arbeitsunfall gilt, ist eine Krankheit, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates bezeichnet und die ein Versicherter bei einer der in den §§ 539, 540 und §§ 543 bis 545 RVO genannten Tätigkeiten erleidet (s § 551 Abs 1 Satz 2 RVO). Durch § 551 Abs 1 Satz 3 RVO wird die Bundesregierung ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht worden sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre Arbeit in erheblich höherem Maße als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind. Das geschieht in der BKVO, der in der Anlage 1 eine Liste der entschädigungspflichtigen BK'en angefügt ist.
In der Anlage 1 zur BKVO sind unter der Nr 4110 durch die Verordnung zur Änderung der BKVO vom 22. März 1988 (BGBl I 400) "bösartige Neubildungen der Atemwege und der Lunge durch Kokereirohgase" als BK neu aufgenommen worden. Da eine Exposition des Versicherten gegenüber Kokereirohgasen nach den Feststellungen des LSG nicht gegeben war, ist seine Krankheit keine BK. Darüber besteht zwischen den Beteiligten auch kein Streit.
Eine Entschädigung der beim Versicherten festgestellten Bronchialkarzinomerkrankung ist daher nur möglich, wenn die Voraussetzungen des § 551 Abs 2 RVO vorliegen. Das hat das LSG zu Recht verneint. Nach dieser Vorschrift sollen die Träger der Unfallversicherung im Einzelfall eine Krankheit, auch wenn sie nicht in der BKVO bezeichnet ist oder die dort bestimmten Voraussetzungen nicht vorliegen, wie eine BK entschädigen, sofern nach neuen Erkenntnissen die übrigen Voraussetzungen des § 551 Abs 1 RVO erfüllt sind. Damit soll allerdings nicht erreicht werden, daß jede Krankheit, deren ursächlicher Zusammenhang mit der Berufstätigkeit im Einzelfall nachgewiesen oder hinreichend wahrscheinlich ist, wie eine BK entschädigt wird (BSG SozR 2200 § 551 Nr 18; BSGE 59, 295, 297). Sinn des § 551 Abs 2 RVO ist es vielmehr, solche durch die versicherte Tätigkeit verursachten Krankheiten wie eine BK zu entschädigen, die nur deshalb nicht in die Liste der BK'en aufgenommen worden sind, weil die Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft über die Gefährdung bestimmter Personengruppen in ihrer Arbeit bei der Fassung der Anlage 1 zur BKVO noch nicht vorhanden waren oder trotz Nachprüfung noch nicht ausreichten (BSGE aaO mwN).
Die für eine Entschädigung nach § 551 Abs 2 iVm Abs 1 Satz 3 RVO erforderliche Voraussetzung, daß der Verletzte zu einer bestimmten Personengruppe gehört, die durch ihre Arbeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung Einwirkungen ausgesetzt sind, welche nach neuen Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft geeignet sind, Krankheiten solcher Art, wie sie bei ihm bestehen, zu verursachen, liegt nicht vor. Dies folgt aus den tatsächlichen Feststellungen des LSG, die für den Senat bindend sind, weil gegen sie keine zulässigen und begründeten Revisionsrügen vorgebracht wurden (§ 163 SGG). Nach diesen Feststellungen liegen für die Gruppe der Straßenbauarbeiter keine ausreichenden Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft darüber vor, ob im Rahmen der versicherten Tätigkeit Bronchialkarzinome häufiger auftreten als bei der übrigen Bevölkerung. Die Voraussetzung einer höheren Gefährdung bestimmter Personengruppen bezieht sich auf das allgemeine Auftreten der Krankheit, nicht dagegen auf ihre Verursachung durch die gefährdende Tätigkeit. Ob eine Krankheit in einer bestimmten Personengruppe im Rahmen der versicherten Tätigkeit häufiger auftritt als bei der übrigen Bevölkerung, erfordert den Nachweis einer Fülle gleichartiger Gesundheitsbeeinträchtigungen und eine langfristige zeitliche Überwachung derartiger Krankheitsbilder, um daraus schließen zu können, daß die Ursache für die Krankheit in einem schädigenden Arbeitsleben liegt (BSGE aaO S 298 mwN; bestätigt durch Urteil vom 24. Januar 1990 - 2 RU 20/89 -). Diese Voraussetzung hat das LSG ausdrücklich verneint. So mußte auch Prof. Dr. M in Übereinstimmungen mit den Gutachtern Prof. Dr. V und Dr. H in seinem Gutachten einräumen, daß für Straßenbauarbeiter keine Ergebnisse aus statistischen Untersuchungen vorliegen, die eine erhöhte Anzahl von Bronchialkarzinomen belegten. Die der Aufnahme der Nr 4110 in die Anlage 1 zur BKVO zugrundeliegende Studie befaßt sich jedenfalls nicht mit diesem Personenkreis. Bereits das schließt die Anwendbarkeit des § 551 Abs 2 RVO aus (vgl BSGE aaO S 298f; Urteil vom 24. Januar 1990 - 2 RU 20/89 -). Zudem mußte es der dem BMA wissenschaftlich beratende ärztliche Sachverständigenbeirat auch unter Berücksichtigung der Arbeiten von Prof. Dr. M offenlassen, welche der in Kokereirohgasen enthaltenen karzinogen wirkenden Substanzen nach gegenwärtigem Wissensstand allein oder im Zusammenwirken als wesentliche Ursache für die Entstehung der Tumore anzusehen sind (BR-Drucks 33/88 S 7 zu Art 1 Nr 5 - zu 4110 -). Neue, darüber hinausgehende Erkenntnisse sind vom LSG nicht festgestellt worden.
Da mithin der Anspruch auf Entschädigung des beim Versicherten aufgetretenen Bronchialkarzinoms bereits mangels medizinischer Erkenntnisse über die Personengruppe der Straßenbauarbeiter abzulehnen ist, braucht nicht näher auf die von der Revision aufgeworfene Frage eingegangen zu werden, ob als neu iS des § 551 Abs 2 RVO auch alle diejenigen wissenschaftlichen Erkenntnisse zu werten sind, die zwar bereits vor der letzten Neufassung der BKVO vorlagen, vom Verordnungsgeber bei der Neufassung jedoch nicht geprüft wurden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen