Verfahrensgang
Hessisches LSG (Urteil vom 07.05.1986) |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 7. Mai 1986 aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.
Tatbestand
I
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte aus der Konkursausfallgeldversicherung (Kaug-Versicherung) an die Klägerin als Einzugsstelle Beiträge für ehemalige Arbeitnehmer der insolvent gewordenen Firma B.-B.-GmbH zu entrichten hat.
Das Amtsgericht L. hat mit Beschluß vom 4. Januar 1982 den Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der B.-B.-GmbH mangels Masse abgelehnt. Die Klägerin beantragte daraufhin am 7. Februar 1982 bei der Beklagten die Zahlung der Gesamtsozialversicherungsbeiträge aus der Kaug-Versicherung für insgesamt 67 Arbeitnehmer des vorgenannten Unternehmens im Gesamtbetrage von 82.361,56 DM zuzüglich 246,– DM Gerichtskosten.
Die Beklagte hat zunächst mit Bescheid vom 8. September 1982 die Entrichtung der beanspruchten Beiträge generell mit der Begründung abgelehnt, gegen die B.-B.-GmbH werde noch wegen des Verdachts auf unerlaubte Arbeitnehmerüberlassung ermittelt. Soweit Arbeitnehmer unerlaubt an einen Dritten überlassen worden seien, habe nur zwischen dem Entleiher und dem Leiharbeitnehmer ein Arbeitsverhältnis bestanden, so daß die Beklagte aus der Kaug-Versicherung des illegalen Verleihers rückständige Beiträge nach § 141n des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) nicht zu entrichten habe. Nachdem die Beklagte festgestellt hatte, daß eine Zahl von – namentlich nicht in das Verfahren eingeführten – Arbeitnehmern nicht an Dritte verliehen war, hat sie während des Berufungsverfahrens Beiträge einschließlich der hierauf entfallenden Kosten im Gesamtbeträge von 42.806,16 DM an die Klägerin entrichtet. Die Zahlung der weiter offengebliebenen Beiträge und Kosten in Höhe von insgesamt 39.741,40 DM hat sie weiterhin mit der Begründung verweigert, diese Beiträge entfielen auf die – am Verfahren nicht beteiligten – Arbeitnehmer, die nach Auffassung der Beklagten in der Zeit vom 1. Oktober bis 24. November 1981 unerlaubt iS des Arbeitnehmer-Überlassungsgesetzes (AÜG) vom 7. August 1972 (BGBl I 1393) an Dritte verliehen gewesen seien. Diese Arbeitnehmer hätten auch nur teilweise Kaug beantragt oder erhalten. Für sie komme die Zahlung der von der Klägerin beanspruchten Gesamtsozialversicherungsbeiträge aus der Kaug-Versicherung für das insolvent gewordene Unternehmen nicht in Betracht.
Das Sozialgericht (SG) Wiesbaden hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Das Hessische Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Auch wenn das Arbeitnehmer-Überlassungsverhältnis wegen der fehlenden Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung unwirksam sei und der Verleiher das Arbeitsentgelt nicht gezahlt habe, liege ein faktisches Arbeitsverhältnis vor, das einen Anspruch auf Kaug begründe. Die entsprechende Konsequenz ergebe sich auch für den Beitragsanspruch der Einzugsstelle gemäß § 141n AFG.
Die Beklagte hält diese rechtliche Beurteilung durch das LSG für unzutreffend. Das LSG habe nicht festgestellt, daß die Verleiherin ihrer Hauptpflicht, der Zahlung des Arbeitsentgelts, nachgekommen sei. Daher treffe auch die Schlußfolgerung des LSG nicht zu, daß zwischen der Verleiherin und den verliehenen Arbeitnehmern ein die Beitragspflicht der Beklagten begründendes faktisches Arbeitsverhältnis entstanden sei.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 7. Mai 1986 in vollem Umfang und das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden insoweit aufzuheben sowie die Klage insoweit abzuweisen, als die Beklagte zur Entrichtung von Beiträgen zur gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung sowie Beiträgen zur Bundesanstalt für Arbeit zuzüglich darauf entfallender Säumniszuschläge und Vollstreckungskosten an die Klägerin auch für Arbeitnehmer verpflichtet wurde, an die Konkursausfallgeld gezahlt wurde.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen,
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Entscheidungsgründe
II
Der Senat konnte gemäß § 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheiden, nachdem die Beteiligten sich übereinstimmend damit einverstanden erklärt haben.
Die Revision der Beklagten führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils des LSG und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, weil die Tatsachenfeststellungen des LSG zu einer abschließenden Entscheidung nicht ausreichen (§ 170 Abs. 2 Satz 2 SGG).
Das LSG hat zwar festgestellt, daß die noch streitigen Gesamtsozialversicherungsbeiträge solche Arbeitnehmer betreffen, die von der Firma B.-B.-GmbH (Verleiherin) in der Zeit vom 1. Oktober bis 24. November 1981 an andere Unternehmen (Entleiher) unerlaubt iS des AÜG überlassen worden sind. Damit hat das LSG jedoch die für eine abschließende Entscheidung erforderlichen Tatsachen noch nicht vollständig festgestellt.
Das LSG hat zwar zutreffend unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des erkennenden Senats die Voraussetzungen des § 141n AFG bejaht. Denn der erkennende Senat ist davon ausgegangen, daß der Arbeitnehmer im Falle der unerlaubten Arbeitnehmerüberlassung im Hinblick auf den Schutzzweck des AÜG nicht nur einen – auf der Fiktion eines Arbeitsverhältnisses zwischen ihm und dem Entleiher basierenden – Lohnanspruch gegen den Entleiher hat und dieser auch die entsprechenden Gesamtsozialversicherungsbeiträge zu entrichten hat, sondern daß bei einem unwirksamen Leiharbeitsverhältnis auch Rechtsbeziehungen zwischen dem Verleiher und dem Verliehenen bestehen. Hat der illegale Verleiher dem verliehenen Arbeitnehmer Lohn gezahlt, so liegt zwischen dem Verleiher und dem Verliehenen ein faktisches Arbeitsverhältnis vor, das zugleich auch die Rechtsgrundlage für die Beitragsschuld des illegalen Verleihers und im Falle seiner Insolvenz der Beklagten gemäß § 141n AFG ist (Urteil vom 22. Mai 1984 – 10 RAr 10/83 –, BSGE 56, 287, 294 = SozR 4100 § 141n Nr. 8). Offengelassen hat der Senat bisher hingegen, ob – wie das LSG meint – gegen den illegalen Verleiher aus einem faktischen Arbeitsverhältnis ein Entgeltanspruch bestehen kann (Urteil vom 20. März 1984 – 10 RAr 11/83 –, BSGE 56, 211, 214; Urteil vom 22. Mai 1984 aaO, BSGE 56, 287, 293), weil in einem solchen Fall der gutgläubige Arbeitnehmer gegen den Verleiher jedenfalls einen Schadenersatzanspruch habe, der dem Anspruch auf Arbeitsentgelt iS der Kaug-Versicherung gleichstehe (Urteil vom 20. März 1984 aaO, BSGE 56, 211, 212f mwN).
Die Frage nach der Rechtsnatur des Anspruches des Entliehenen gegen den Verleiher im Falle der Unwirksamkeit des Arbeitnehmer-Überlassungsverhältnisses kann weiterhin offen bleiben. Denn auch wenn der rechtlichen Beurteilung durch das LSG zu folgen wäre, würde ein auf dem faktischen Arbeitsverhältnis zwischen dem illegalen Verleiher und dem illegal Verliehenen beruhender Entgeltanspruch gegen den Verleiher – ebenso wie der nach Auffassung des Senats gegen ihn in Betracht kommende Schadenersatzanspruch – voraussetzen, daß der Verliehene gutgläubig war (erkennender Senat, Urteil vom 20. März 1984 aaO, BSGE 56, 211, 214).
Feststellungen zur Gutgläubigkeit der verliehenen Arbeitnehmer hat das LSG nicht getroffen. Es wird daher vor seiner erneuten Entscheidung festzustellen haben, ob die verliehenen Arbeitnehmer für den streitigen Zeitraum auf die Wirksamkeit ihres Leiharbeitsverhältnisses vertraut haben oder die Gründe der Unwirksamkeit kannten, ob sie während der gesamten streitigen Zeit nach den vertraglichen Vereinbarungen Anspruch auf Entgelt hatten und schließlich, ob sie tatsächlich kein Arbeitsentgelt iS von § 141b Abs. 2 AFG erhalten haben.
Die Nachholung dieser Feststellungen wird auch nicht entbehrlich, soweit die Beklagte den illegal verliehenen Arbeitnehmern Kaug gezahlt hat. Für die Leistungen iS der §§ 141b, 141n AFG gelten zwar dieselben Anspruchsvoraussetzungen (vgl. dazu Urteil des erkennenden Senats vom 9. Dezember 1986 – 10 RAr 7/86 – SozR 4100 § 141n Nr. 11; Urteil vom 14. Januar 1987 – 10 RAr 8/86 –, unveröffentlicht). Gleichwohl handelt es sich um rechtlich verselbständigte Ansprüche (vgl. dazu das Urteil vom 9. Dezember 1986 aaO), so daß die Erfüllung der dem Arbeitnehmer zustehenden Leistung aus der Kaug-Versicherung keine Rechtskraftwirkung für die Beitragsverpflichtung der Beklagten gemäß § 141n AFG entwickelt.
Die Kostenentscheidung bleibt dem das Verfahren abschließenden Urteil vorbehalten.
Fundstellen