Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Beklagten werden das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 18. Oktober 1985 und das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 25. Januar 1985 aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Beteiligten haben einander für alle Instanzen Kosten nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Die Beteiligten streiten darüber, ob die beklagte Bundesanstalt für Arbeit (BA) dem Kläger für die Zeit vom 6. April bis 20. Mai 1983 Konkursausfallgeld (Kaug) zu gewähren hat.
Der Kläger trat am 1. November 1978 in den Betrieb der Firma Gustav D. GmbH in A. als technischer Betriebsleiter ein. Der Vertrag wurde auf unbestimmte Zeit geschlossen. Er war mit einer Frist von sechs Monaten erstmals zum Ende des Kalenderjahres 1979 und danach zum Ablauf des Kalenderjahres kündbar. Am 31. März 1983 beendete die GmbH ihre Betriebstätigkeit und stellte am 7. April 1983 beim Amtsgericht A. einen Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens. Durch Beschluß vom 20. Mai 1983 wurde der Antrag auf Konkurseröffnung mangels Masse abgewiesen.
Am 11. April 1983 erhob der Kläger vor dem Arbeitsgericht M. Klage gegen die Kündigung seines Arbeitsverhältnisses zum 5. April 1983. Die Klage nahm er mit einem am 11. November 1983 eingegangenen Schriftsatz zurück, nachdem das Arbeitsgericht ihn darauf hingewiesen hatte, daß die Gegenpartei nicht mehr existiere und eine ladungsfähige Anschrift der beklagten Firma nicht vorhanden sei.
Mit Bescheid vom 13. Januar 1984 lehnte die beklagte BA den vom Kläger am 8. April 1983 gestellten Antrag auf Gewährung von Kaug ab. Der hiergegen erhobene Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 6. August 1984).
Das Sozialgericht (SG) hat die angefochtenen Bescheide aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger für die Zeit vom 6. April bis 20. Mai 1983 Kaug zu gewähren. Das Landessozialgericht (LSG) hat die – vom SG zugelassene – Berufung der Beklagten zurückgewiesen und zur Begründung ua ausgeführt: Der Kläger habe für die strittige Zeit einen Anspruch auf Kaug, da ihm – entgegen der Auffassung der Beklagten – die frühere Arbeitgeberin das ihm zustehende Arbeitsentgelt nicht gezahlt habe. Wesentlich sei, daß der Kläger vor der am 11. April 1983 erhobenen Arbeitsgerichtsklage bereits am 8. April 1983 den Antrag auf Gewährung von Kaug gestellt und die Arbeitsverwaltung im Antragsformular und in der Anlage hierzu auf die Arbeitsgerichtsklage hingewiesen habe. Nach § 141m Abs. 1 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) gingen bereits mit der Stellung des Antrags auf Kaug die Ansprüche des Arbeitnehmers auf Arbeitsentgelt für den Kaug-Zeitraum auf die BA über, wenn nur die entfernte Möglichkeit bestehe, daß die Leistung von Kaug in Betracht komme. Der Übergang habe zur Folge, daß der Arbeitnehmer weitgehend gehindert sei, selbst die zur Durchsetzung und Realisierung seiner Arbeitsentgeltforderung notwendigen Schritte zu unternehmen, wohingegen der Beklagten alle Rechte zur Geltendmachung und Realisierung der Forderung zuständen. Deshalb seien bei Nichteröffnung des Konkursverfahrens übergegangene Arbeitsentgeltansprüche gegebenenfalls klageweise von der BA gegen den Arbeitgeber geltend zu machen, falls dieser seine Leistungsverpflichtung bestreite. Es spiele deshalb grundsätzlich keine Rolle, ob der Arbeitnehmer Arbeitsgerichtsklage erhoben habe oder nicht. Für den Kaug-Anspruch sei es aber auch rechtlich bedeutungslos, ob eine solche Klage später zurückgenommen werde. Trotz der Rücknahme der Klage dürfe nicht davon ausgegangen werden, daß das Arbeitsverhältnis wegen der fristlosen Kündigung zum 5. April 1983 beendet worden sei. Denn die Klagerücknahme habe nicht die Rechtswirksamkeit der außerordentlichen Kündigung zur Folge. Im Rechtsstreit über den geltend gemachten Anspruch auf Kaug bleibe zu prüfen, ob die dem Kläger gegenüber ausgesprochene fristlose Kündigung durch einen wichtigen Grund iS von § 626 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) gerechtfertigt gewesen sei und daher das Arbeitsverhältnis des Klägers in Folge wirksamer außerordentlicher Kündigung zum 5. April 1983 sein Ende gefunden habe. Dies sei aber hier zu verneinen. Weil der Arbeitgeber das Betriebsrisiko trage, seien Überschuldung, Zahlungsunfähigkeit, Betriebseinstellung und auch grundsätzlich eine Betriebsumstellung kein wichtiger Grund iS des § 626 Abs. 1 BGB. Auch der Konkurs gebe nicht das Recht zur fristlosen Kündigung. Da sonstige Anhaltspunkte für das Vorliegen eines wichtigen Grundes fehlten, stehe fest, daß das Arbeitsverhältnis des Klägers mit der GmbH nicht am 5. April 1983 beendet worden sei und daß jedenfalls bis zum Beschluß des Amtsgerichts A. vom 20. Mai 1983 die entsprechenden Arbeitsentgeltansprüche fortbestanden hätten. Damit aber lägen die Voraussetzungen für die Gewährung von Kaug vor.
Mit der – vom LSG zugelassenen – Revision rügt die Beklagte die Verletzung der §§ 141b und 141m AFG und macht geltend, die Rechtsunwirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung könne nur durch Klage vor dem Arbeitsgericht auf Feststellung, daß das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst worden sei, geltend gemacht werden. Durch die Rücknahme der Kündigungsschutzklage entfielen rückwirkend sämtliche prozessualen Wirkungen der Rechtshängigkeit. Dies gelte auch für die materiellrechtlichen Wirkungen. Der Kläger sei, weil er die Kündigungsschutzklage zurückgenommen habe, deshalb so zu behandeln, als hätte er eine solche Klage nicht erhoben. Damit müsse aber davon ausgegangen werden, daß das Arbeitsverhältnis durch die fristlose Kündigung vom 5. April 1983 an demselben Tage beendet worden sei. Das LSG dürfe in einem solchen Falle nicht prüfen, ob der Arbeitgeber zur fristlosen Kündigung einen wichtigen Grund iS von § 626 Abs. 1 BGB gehabt habe. Die Bedeutung der Rücknahme der Kündigungsschutzklage entfalle hier auch nicht deshalb, weil die Ansprüche auf Arbeitsentgelt mit der Stellung des Kaug-Antrages auf sie, die Beklagte, übergingen und von ihr zu verfolgen seien. Ein Anspruchsübergang nach § 141m AFG finde nämlich frühestens mit dem Insolvenzereignis statt. Die Kündigungsschutzklage sei im vorliegenden Falle aber vor diesem Ereignis, nämlich vor dem 20. Mai 1983, erhoben und rechtshängig geworden. Hätte der Rechtsstreit ein fälliges Arbeitsentgelt zum Gegenstand gehabt, so wäre ein Anspruchsübergang nach Rechtshängigkeit auf den Rechtsstreit ohne Einfluß geblieben (§ 265 Abs. 2 Satz 1 der Zivilprozeßordnung –ZPO–). Da der Kläger eine Feststellungsklage gegen seine frühere Arbeitgeberin erhoben habe, sei sie, die beklagte BA, auch nicht zur Fortführung des Kündigungsschutzrechtsstreits befugt gewesen. Denn nach § 141m Abs. 1 AFG gehe auf sie nur der Anspruch auf Arbeitsentgelt über. Der Anspruchsübergang erfolge – bei richtiger Auslegung des § 141m Abs. 1 AFG – indessen erst mit Eintritt des Konkursereignisses, weil sich erst zu diesem Zeitpunkt der Arbeitsentgeltanspruch nach Grund und Höhe bestimmen lasse. Das bedeute zwar nicht, daß der Arbeitnehmer den Kaug-Antrag nicht schon vor dem Insolvenzereignis stellen könne. Der Antrag sei dann aber als unter der aufschiebenden Bedingung des Eintritts des Insolvenzereignisses gestellt anzusehen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 18. Oktober 1985 und das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 25. Januar 1985 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend und weist darauf hin, daß seine frühere Arbeitgeberin mit der Rechtskraft des Beschlusses des Amtsgerichts A. vom 20. Mai 1983 gemäß § 1 des Gesetzes über die Auflösung und Löschung von Gesellschaften und Genossenschaften vom 9. Oktober 1934 aufgelöst gewesen sei.
Entscheidungsgründe
II
Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten sich hiermit einverstanden erklärt haben (§ 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes –SGG–).
Die Revision führt zur Aufhebung der vorinstanzlichen Urteile und zur Abweisung der Klage.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Kaug für die Zeit vom 6. April bis 20. Mai 1983.
Nach § 141b Abs. 1 AFG hat ein Arbeitnehmer Anspruch auf Kaug, der bei Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen seines Arbeitgebers für die letzten der Eröffnung des Konkursverfahrens vorausgehenden drei Monate des Arbeitsverhältnisses noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt hat. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind für den genannten Zeitraum nicht gegeben. Das Arbeitsverhältnis des Klägers endete am 5. April 1983. Die von der Arbeitgeberin ausgesprochene Kündigung ist nämlich wirksam erfolgt.
Der Kläger hat zwar gegen die Kündigung zunächst eine Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht M. erhoben. Da er diese Klage aber am 11. November 1983 zurückgenommen hat, gilt die Kündigung als von Anfang an rechtswirksam. Dies folgt aus den §§ 4 und 7 des Kündigungsschutzgesetzes (KSchG) und – falls es sich um eine außerordentliche Kündigung gehandelt haben sollte – aus § 13 Abs. 1 Satz 2 iVm § 4 Satz 1 und §§ 5 bis 7 KschG. Danach muß ein Arbeitnehmer, wenn er geltend machen will, daß eine Kündigung sozial ungerechtfertigt ist, innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung Klage beim Arbeitsgericht auf Feststellung erheben, daß das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist. Wird die Rechtsunwirksamkeit einer sozial ungerechtfertigten Kündigung nicht rechtzeitig geltend gemacht, so gilt die Kündigung, wenn sie nicht aus anderem Grunde rechtsunwirksam ist – wofür hier keine Anhaltspunkte gegeben sind –, als von Anfang an rechtswirksam. Nimmt der Arbeitnehmer die Kündigungsschutzklage zurück, so ist der Rechtsstreit gemäß § 269 Abs. 3 ZPO als nicht anhängig geworden anzusehen (Herschel/Löwisch, Komm zum KSchG, 6. Aufl, § 4 Rz 61), dh der Arbeitnehmer ist so zu behandeln, wie wenn er eine Kündigungsschutzklage nicht innerhalb der in § 4 Satz 1 KSchG vorgesehenen Drei-Wochen-Frist erhoben hätte.
Daran ändert sich auch nichts dadurch, daß das Arbeitsgericht den Kläger durch die Hinweise auf die Nichtexistenz der Gegenpartei und das Fehlen einer ladungsfähigen Anschrift zur Rücknahme veranlaßt hat. Die Durchführung des Kündigungsschutzprozesses ist nämlich durch die Auflösung der Gustav D. GmbH, der früheren Arbeitgeberin des Klägers, gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes über die Auflösung und Löschung von Gesellschaften und Genossenschaften vom 9. Oktober 1934 (RGBl I, 914) aufgrund des Beschlusses des Amtsgerichts A. vom 20. Mai 1983 nicht objektiv unmöglich geworden. Wie das Bundesarbeitsgericht durch Urteil vom 9. Juli 1981 – 2 AZR 329/79 – (NJW 1982, 1831) zutreffend ausgeführt hat, verliert eine beklagte GmbH, die während des Rechtsstreits aufgelöst wird, zumindest dann nicht ihre Parteifähigkeit in einem Kündigungsrechtsstreit, wenn mit der gegen sie gerichteten Klage nur die Feststellung begehrt wird, die außerordentliche Kündigung eines Arbeitnehmers sei unwirksam. Da der Kläger vor dem Arbeitsgericht M. nur die Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung begehrt hat, hätte der Rechtsstreit trotz des Beschlusses des Amtsgerichts A. vom 20. Mai 1983, durch den der Antrag auf Konkurseröffnung mangels Masse abgewiesen worden ist, fortgesetzt werden können.
Der Senat konnte die Frage offenlassen, zu welchem Zeitpunkt gemäß § 141m Abs. 1 AFG die Ansprüche auf Arbeitsentgelt, die den Anspruch auf Kaug begründen, auf die beklagte BA übergehen. Selbst wenn der Übergang bereits mit der Stellung des Konkursantrages am 8. April 1983, also vor dem Insolvenzereignis vom 20. Mai 1983 erfolgt wäre, hätte dies den Kläger nicht gehindert, die Kündigungsschutzklage fortzusetzen. § 141m Abs. 1 AFG beschränkt sich auf den Übergang der Ansprüche auf Arbeitsentgelt. Mit der vom Kläger erhobenen Klage vor dem Arbeitsgericht M. sind aber keine Ansprüche auf Arbeitsentgelt geltend gemacht worden, sondern die Klage beschränkte sich auf die Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung. Für eine solche Klage bleibt dem Arbeitnehmer die Aktivlegitimation auch dann, wenn er einen Anspruch auf Kaug stellt, weil mit diesem Antrag nicht sämtliche Rechte aus dem Arbeitsverhältnis auf die BA übergehen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Fundstellen