Entscheidungsstichwort (Thema)

Ersatzzeit. militärähnlicher Dienst. verstärkter Grenzaufsichtsdienst. Darlegungspflicht bei Verfahrensrügen

 

Orientierungssatz

1. Die Dienstzeit als Zollbeamter im verstärkten Grenzaufsichtsdienst (VGAD) an verschiedenen Grenzaufsichtsstellen in von deutschen Truppen besetzten osteuropäischen Gebieten ist keine Ersatzzeit gemäß RVO § 1251 Abs 1 Nr 1.

2. In der Revisionsbegründung muß auch dargetan werden, daß und inwiefern das angefochtene Urteil auf dem gerügten Mangel beruht oder beruhen kann (vgl BSG 1957-09-26 4 RJ 214/56 = SozR Nr 81 zu § 162 und SozR Nr 28 zu § 164 SGG). Soweit geltend gemacht wird, das Urteil enthalte keine bzw nur eine unvollkommene Beweiswürdigung, wird nicht dargestellt, welches Tatsachenmaterial von dem Berufungsgericht nicht in gesetzlicher Weise behandelt und erläutert worden sei. Erforderlich ist die Darlegung, daß bei einer sich innerhalb der Grenzen freier richterlicher Beweiswürdigung bewegenden Wertung der übergangenen tatsächlichen Gesichtspunkte und deren gesetzmäßiger Wiedergabe das Berufungsgericht nach seiner sachlich-rechtlichen Auffassung, die für die Entscheidung über die Verfahrensrüge maßgebend ist (vgl BSG 1975-04-13 9 RV 212/74 = SozR 3640 § 3 Nr 2 S 3), möglicherweise zu einem anderen, dem Kläger günstigen Urteil gelangt wäre.

 

Normenkette

RVO § 1251 Abs 1 Nr 1 Fassung: 1957-02-23; BVG § 3 Abs 1 Buchst b; BVG § 3 Abs 1 Buchst d; BVG § 3 Abs 1 Buchst k; SGG § 164 Abs 2 S 3 Fassung: 1974-07-30

 

Verfahrensgang

LSG Hamburg (Entscheidung vom 02.10.1979; Aktenzeichen I JBf 2/78)

SG Hamburg (Entscheidung vom 03.11.1977; Aktenzeichen 15 J 99/76)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Dienstzeit des Klägers im verstärkten Grenzaufsichtsdienst als Ersatzzeit (§ 1251 Abs 1 Nr 1 Reichsversicherungsordnung -RVO-) angerechnet werden muß.

Der Kläger war während des 2. Weltkrieges vom Tag der Mobilmachung am 26. August 1939 bis zum 4. November 1942 als Zollbeamter im verstärkten Grenzaufsichtsdienst (VGAD) an verschiedenen Grenzaufsichtsstellen in von deutschen Truppen besetzten osteuropäischen Gebieten eingesetzt. An Kampfhandlungen nahm er dabei nicht teil.

Auf den im Januar 1975 gestellten Antrag des Klägers, seinen Versicherungsverlauf zu klären, übersandte ihm die Beklagte eine Rentenauskunft vom 14. Mai 1975; darin berechnete sie aufgrund einer beigefügten Aufstellung aller ihr bekannten Versicherungszeiten die Höhe der Anwartschaft auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit. Über die Anerkennung der in dem Versicherungsverlauf ua enthaltenen Ersatzzeiten und Beitragszeiten iS des § 15 Fremdrentengesetz (FRG) erteilte sie daneben einen gesonderten förmlichen Bescheid vom gleichen Tage, in welchem die Dienstzeit im VGAD unberücksichtigt blieb. Dagegen wandte sich der Kläger mit dem Widerspruch. Während des Vorverfahrens änderte und ergänzte die Beklagte durch Bescheid vom 11. August 1975 den Umfang der festgestellten Versicherungszeiten und lehnte zugleich die Anerkennung der Dienstzeit im VGAD als Ersatzzeit ausdrücklich ab. Nachdem der Streit gem § 85 Abs 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) bei dem Sozialgericht (SG) Hamburg als Klage anhängig geworden war, bewilligte die Beklagte im Bescheid vom 26. Juni 1976 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit und ließ dabei wiederum die streitige Ersatzzeit unberücksichtigt.

Das SG hat die Klage gegen die Bescheide vom 14. Mai 1975, 11. August 1975 und 26. Juni 1976 abgewiesen (Urteil vom 3. November 1977). Die Berufung des Klägers hatte keinen Erfolg. Das Landessozialgericht (LSG) Hamburg hat im Urteil vom 2. Oktober 1979 zur Begründung im wesentlichen ausgeführt: Die Beklagte habe erstmals mit dem gem § 96 Abs 1 SGG Gegenstand des Rechtsstreits gewordenen Rentenfeststellungsbescheid einen anfechtbaren Verwaltungsakt erlassen. Ihre schriftlichen Verlautbarungen vom 14. Mai 1975 und vom 11. August 1975 stellten lediglich Mitteilungen über den Versicherungsverlauf iS des § 17 der Verordnung über die Erfassung von Daten für die Träger der Sozialversicherung und für die Bundesanstalt für Arbeit (DEVO) vom 24. November 1972 (BGBl I S 2159) dar, die keine Verwaltungsakte seien. Insoweit sei die Klage unzulässig. Die im VGAD verbrachte Zeit könne nicht als Ersatzzeit angerechnet werden, weil es sich dabei weder um militärischen noch um militärähnlichen Dienst gehandelt habe. Der Kläger habe nicht iS des § 3 Abs 1 Buchst b Bundesversorgungsgesetz (BVG) aufgrund einer Einberufung durch eine militärische Dienststelle oder auf Veranlassung eines militärischen Befehlshabers Dienst geleistet, sondern aufgrund seiner beamtenrechtlichen Dienstpflicht und mit Rücksicht auf die von dem Reichsfinanzminister genehmigte Unterordnung unter militärische Stellen. Trotz der Unterstellung unter einen militärischen Befehlshaber liege aber auch kein militärähnlicher Dienst iS des § 3 Abs 1 Buchst d BVG vor. Während des VGAD habe der Kläger überwiegend die gleichen Aufgaben wahrgenommen, die auch sonst einem Beamten im Zollgrenzdienst oblagen. An der Vorbereitung und Durchführung von Angriffs- oder Verteidigungshandlungen sei er nicht beteiligt gewesen. Damit fehle das vom Gesetz geforderte Merkmal der Unterstützung militärischer Maßnahmen. Hierzu reichten eine allgemein die Kriegsführung fördernde Tätigkeit oder nur gelegentliche Unterstützungshandlungen nicht aus. Der Kläger habe auch keinen militärähnlichen Dienst iS des § 3 Abs 1 Buchst k BVG geleistet.

Der Kläger hat dieses Urteil mit der vom LSG zugelassenen Revision angefochten. Er ist der Ansicht, das Berufungsurteil beruhe auf einer Verletzung des § 1251 Abs 1 Nr 1 RVO iVm mit § 3 Abs 1 Buchstn b und d BVG und sei unter Verstoß gegen Verfahrensregeln zustande gekommen. Aus den zahlreichen vorgelegten Unterlagen hätte das LSG entnehmen müssen, daß der VGAD unter militärischer Befehlsgewalt militärische Aufgaben wahrgenommen und daher generell militärähnlichen Dienst beinhaltet habe. Zumindest dürfe der Kläger nicht anders behandelt werden als ein notdienstverpflichteter Grenzschutzreservist, dessen Dienst nach § 3 Abs 1 Buchst k BVG als militärähnlich gelte. Das angefochtene Urteil lasse eine ausreichende Würdigung der Beweisunterlagen und des klägerischen Vorbringens vermissen. Ferner sei das LSG ohne Begründung einer Anzahl von Beweisanträgen nicht gefolgt. Außerdem fehle den Vorinstanzen die Sachkunde, Fragen im Zusammenhang mit dem VGAD selbst zu beurteilen.

Der Kläger beantragt (sinngemäß),

das Urteil des LSG Hamburg vom 2. Oktober 1979

und das Urteil des SG Hamburg vom 3. November 1977

aufzuheben, die Bescheide der Beklagten vom

14. Mai 1975, vom 11. August 1975 und vom 26. Juni 1976

abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, die Dienstzeit

des Klägers im verstärkten Grenzaufsichtsdienst vom

26. August 1939 bis 4. November 1942 als Ersatzzeit

anzuerkennen und dementsprechend höhere Rente wegen

Erwerbsunfähigkeit zu zahlen,

hilfsweise,

den Rechtsstreit an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision des Klägers ist nicht begründet. Das Berufungsgericht hat im Ergebnis zutreffend entschieden, daß der Kläger die Voraussetzungen des § 1251 Abs 1 Nr 1 RVO iVm § 3 Abs 1 BVG für die Anerkennung der Zeit vom 26. August 1939 bis 4. November 1942 als Ersatzzeit nicht erfüllt.

Gegenstand der sachlich-rechtlichen Prüfung im Revisionsverfahren sind neben dem Rentenfeststellungsbescheid vom 26. Juni 1976 auch die Bescheide der Beklagten vom 14. Mai 1975 und vom 11. August 1975. Das LSG hat zu Unrecht den beiden letztgenannten Bescheiden die Eigenschaft als Verwaltungsakte abgesprochen und die dagegen gerichtete Klage für unzulässig gehalten. Der Bescheid vom 14. Mai 1975 ist bereits seiner äußeren Form nach als Verwaltungsakt zu erkennen. Seine Benennung als Bescheid entspricht der im Sozialversicherungsrecht üblichen Kennzeichnung von Verwaltungsakten. Die Beifügung einer Rechtsbehelfsbelehrung macht gleichfalls deutlich, daß der Beklagten an einer bestandskräftigen Klärung der zum Bescheidinhalt gemachten Fragen gelegen war. Schließlich läßt sich auch am Wortlaut des Bescheides klar die Absicht ablesen, über die Anerkennung der Fremdrenten-, Ersatz- und Ausfallzeiten verbindlich zu entscheiden. Feststellungen hierüber kann der Versicherungsträger gem § 11 Abs 1 und 2 der Versicherungsunterlagenverordnung (VUVO) vom 3. März 1960 (BGBl I S 137) außerhalb eines Leistungsfeststellungsverfahrens treffen; auf Antrag ist er dazu verpflichtet. Zu seiner abweichenden rechtlichen Würdigung ist das Berufungsgericht nur deshalb gelangt, weil es zwischen der bescheidmäßigen Feststellung der Fremdrenten-, Ersatz- und Ausfallzeiten einerseits und der zugleich erfolgten Übersendung einer zeitlich geordneten Aufstellung sämtlicher in Betracht kommenden Versicherungszeiten (Versicherungsverlauf, § 17 Abs 1 DEVO) mit einer darauf beruhenden schriftlichen Auskunft über die Höhe der Rentenanwartschaft (Rentenauskunft) nicht unterschieden hat.

Aber auch von seinem Standpunkt aus hätte das LSG die Klage zumindest insoweit nicht ohne Rechtsverstoß als unzulässig werten dürfen, als sie sich gegen den Bescheid vom 11. August 1975 richtete. Die von dem Berufungsgericht in der Erteilung des Bescheides vom 14. Mai 1975 gesehene Übersendung eines Versicherungsverlaufs beinhaltet zwar nach ausdrücklicher gesetzlicher Vorschrift (§ 17 Abs 3 DEVO) nicht den Erlaß eines die Beteiligten bindenden Verwaltungsakts. Damit ist jedoch die verbindliche Feststellung von Versicherungszeiten vor Eintritt des Versicherungsfalls nicht ausgeschlossen. Macht nämlich der Versicherte gegenüber dem Versicherungsträger geltend, bestimmte Zeiten seien zu Unrecht im Versicherungsverlauf nicht berücksichtigt, so liegt darin regelmäßig das Verlangen, die in Betracht kommenden Zeiten vorzumerken (BSG Urteil vom 31. Januar 1980 - 11 RA 2/79; vgl auch SozR 7290 § 74 Nr 1 S 3). Gegen die Ablehnung dieses Begehrens steht dem Versicherten die Möglichkeit der Klage offen (BSG aaO mwN).

Das angefochtene Urteil enthält keine Feststellungen, die vorliegend eine andere rechtliche Wertung tragen. Der Senat vermag der Auffassung des LSG, der Wortlaut der gegen den Bescheid vom 14. Mai 1975 gerichteten Widerspruchsschrift des Klägers schließe einen darin enthaltenen Antrag auf Vormerkung der Zeit des VGAD als Ersatzzeit aus, nicht zu folgen. Vielmehr macht das Vorbringen des Klägers im Widerspruchsverfahren sein Verlangen hinreichend deutlich, die Beklagte möge die während des Krieges im Zollgrenzdienst verbrachte Zeit als Ersatzzeit anerkennen. Ihre insoweit ablehnende Haltung hat die Beklagte im Bescheid vom 11. August 1975 zum Ausdruck gebracht. Dabei handelt es sich aus den gleichen Gründen um einen Verwaltungsakt, die den Bescheid vom 14. Mai 1975 als einen solchen erscheinen lassen.

Zutreffend hat das Berufungsgericht den Bescheid der Beklagten vom 26. Juni 1976 über die Gewährung von Rente wegen Erwerbsunfähigkeit als Gegenstand des Rechtsstreits behandelt. Diese Rechtsfolge ergibt sich aus einer analogen Anwendung des § 96 SGG. Daß ein Rentenbescheid, der während des Rechtsstreits über die Vormerkung von Versicherungszeiten oder die Herstellung von Versicherungsunterlagen erlassen wird, entsprechen dieser Vorschrift in das laufende Verfahren einbezogen ist, hat das BSG wiederholt entschieden (SozR 1500 § 96 Nr 13; Urteil vom 19. September 1979 - 11 RA 90/78 -).

Die Nachprüfung der danach den Gegenstand des Rechtsstreits bildenden Bescheide ergibt, daß die Beklagte die streitige Zeit mit Recht nicht als Ersatzzeit berücksichtigt hat.

Der Ansicht des Berufungsgerichts, der Dienst eines Zollbeamten im VGAD sei nicht generell als militärähnlicher Dienst iS des § 3 Abs 1 BVG anzusehen, ist beizupflichten. Der erkennende Senat hat diese Rechtsauffassung im Urteil vom 26. Januar 1978 (5 RJ 102/77) aus dem Umstand gefolgert, daß dieser Dienst in dem Katalog des § 3 Abs 1 BVG nicht besonders genannt wird.

Die Tätigkeit des Klägers im VGAD kann auch nicht in Anwendung des verfassungsrechtlichen Gleichheitsgrundsatzes (Art 3 Grundgesetz -GG-) wie eine Dienstleistung aufgrund der Notdienstverordnung vom 15. Oktober 1938 (RGBl I S 1441) behandelt werden, die gem § 3 Abs 1 Buchst k BVG uneingeschränkt (vgl BSGE 6, 129) als militärähnlicher Dienst zu werten wäre. Es ist dabei rechtlich ohne Bedeutung, daß gegebenenfalls ein Zollbeamter im VGAD die gleichen oder ähnliche Aufgaben wahrzunehmen hatte, wie ein zum verstärkten Zollgrenzschutz herangezogener Notdienstleistender. Denn der aufgrund der Notdienstverordnung geleistete Dienst ist durch § 3 Abs 1 Buchst k BVG nicht wegen der Art der damit verbundenen Tätigkeit, sondern unabhängig davon in den Versorgungsschutz einbezogen. Der Beweggrund hierfür findet sich in dem Umstand, daß die Notdienstverpflichteten für Beschädigungen anläßlich ihrer Dienstverpflichtung keinen Unfallversicherungsschutz genossen und daher generell in den versorgungsberechtigten Personenkreis eingeschlossen werden mußten (BSGE 6, 129, 131; BSG in Breithaupt 1961, 1033, 1036). Darin liegt ein wesentlicher Unterschied zu den Beamten des verstärkten Zollgrenzdienstes, denen im Falle eines im Dienst erlittenen Körperschadens Unfallfürsorge nach beamtenrechtlichen Vorschriften zustand. Ähnlich wie die unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung stehenden Zivilbediensteten der Wehrmacht sollte ihnen Versorgungsschutz nicht allgemein, sondern nur bei einem Einsatz unter dem Militärdienst angenäherten Bedingungen zugebilligt werden.

Der Dienst des Klägers im VGAD kann aber ebensowenig mit Rücksicht auf die besonderen Umstände, unter denen er sich vollzog, als militärähnlicher Dienst gelten. Denn die Voraussetzungen des § 3 Abs 1 Buchst b oder d BVG erfüllt dieser Dienst entgegen der Ansicht der Revision nicht.

Bei seiner Prüfung hatte der Senat von den tatsächlichen Feststellungen im Berufungsurteil auszugehen, die von dem Kläger nicht mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen angegriffen worden sind (§§ 163, 164 Abs 2 Satz 3 SGG).

Die von ihm sinngemäß vorgebrachte Rüge, das LSG habe bei seiner Entscheidung nicht das Gesamtergebnis des Verfahrens berücksichtigt (§ 128 Abs 1 SGG), genügt nicht den Darlegungsanforderungen des § 164 Abs 2 Satz 3 SGG. Da ein Verstoß gegen § 128 SGG keinen absoluten Revisionsgrund iS des § 202 SGG iVm § 551 Zivilprozeßordnung (ZPO) darstellt, muß in der Revisionsbegründung auch dargetan werden, daß und inwiefern das angefochtene Urteil auf dem gerügten Mangel beruht oder beruhen kann (BSG SozR Nr 81 zu § 162; SozR Nr 28 zu § 164 SGG; vgl auch BVerwGE 5, 12; 48, 369, 371; BVerwG in Buchholz 310 § 139 Nr 46 zu der § 164 Abs 2 Satz 3 entsprechenden Vorschrift des § 139 Abs 2 Satz 2 Verwaltungsgerichtsordnung). Soweit der Kläger geltend macht, das Urteil enthalte keine bzw nur eine unvollkommene Beweiswürdigung, wird nicht dargestellt, welches Tatsachenmaterial von dem LSG nicht in gesetzlicher Weise behandelt und erläutert worden sei. Vollends fehlt die Darlegung, daß bei einer sich innerhalb der Grenzen freier richterlicher Beweiswürdigung bewegenden Wertung der übergangenen tatsächlichen Gesichtspunkte und deren gesetzmäßiger Wiedergabe das Berufungsgericht nach seiner sachlich-rechtlichen Auffassung, die für die Entscheidung über die Verfahrensrüge maßgebend ist (BSG SozR 3640 § 3 Nr 2 S 3 mwN), möglicherweise zu einem anderen, dem Kläger günstigen Urteil gelangt wäre. Soweit die Revision beanstandet, das LSG habe sich mit Behauptungen des Klägers nicht auseinandergesetzt, ist zwar das betreffende Tatsachenvorbringen angegeben. Es genügt jedoch nicht, lediglich darzutun, der Vortrag sei unberücksichtigt geblieben. Vielmehr hätte die Revisionsbegründung aufzeigen müssen, inwiefern das vom Berufungsgericht angeblich nicht beachtete Vorbringen für die Entscheidungsfindung konkret von Bedeutung hätte sein können (BVerwGE 48, 369, 371; BVerwG in Buchholz 310 § 139 Nr 46). Der Revision ist indessen nicht zu entnehmen, daß bei Berücksichtigung der übergangenen Behauptungen das LSG von seiner Rechtsauffassung ausgehend möglicherweise zu einer anderen Beurteilung des Sachverhalts gelangt wäre.

Die Rüge, das LSG sei verfahrensfehlerhaft im einzelnen bezeichneten Beweisanträgen nicht gefolgt, greift gleichfalls nicht durch. Zwar ist es unschädlich, daß der Kläger in der Revisionsbegründung die als verletzt angesehene Rechtsnorm unrichtig bezeichnet hat (vgl BSGE 1, 227, 229; BSG SozR Nr 27 zu § 164 SGG); denn aus den angegebenen Tatsachen ergibt sich ohne weiteres, daß ein Verstoß gegen die Sachaufklärungspflicht (§ 103 SGG) geltend gemacht werden soll. Auch dieser Verfahrensmangel ist jedoch nicht ausreichend dargetan. Hierzu hätte die Revision die Rechtsauffassung des LSG zum Ausgangspunkt nehmen und substantiiert darlegen müssen, zu welchen klärungsbedürftigen Tatfragen sich eine Beweiserhebung dem Berufungsgericht hätte aufdrängen müssen (BSG SozR 1500 § 160a Nr 34 mwN). Diesem Erfordernis genügt die Revisionsbegründung nicht.

Nichts anderes gilt schließlich für den damit im Zusammenhang stehenden Vortrag, dem LSG sei ein Verfahrensfehler unterlaufen, weil es trotz mangelnder eigener Sachkunde in Fragen des VGAD von der Erhebung des Sachverständigenbeweises abgesehen habe.

Das LSG hat ohne Rechtsirrtum die Voraussetzungen des § 3 Abs 1 Buchst b BVG als nicht erfüllt angesehen. Der Kläger hat keinen Dienst aufgrund einer Einberufung durch eine militärische Dienststelle oder auf Veranlassung eines militärischen Befehlshabers geleistet. Seine Dienstleistung beruhte vielmehr auf seiner Dienststellung als Zollbeamter. Dies hat der Senat in einem insoweit gleichgelagerten Fall bereits entschieden (SozR 2200 § 1251 Nr 41 im Anschluß an BSG - 11 RA 108/76 - vom 20. Oktober 1977 = SozR 2200 § 1251 Nr 38; vgl dazu auch BSG SozR Nr 1 zu § 3 BVG Bl Ca 2).

Das angefochtene Urteil ist aber auch insoweit nicht zu beanstanden, als es in der Tätigkeit des Klägers als Beamter im VGAD keinen militärähnlichen Dienst nach § 3 Abs 1 Buchst d BVG sieht.

Es kann dahingestellt bleiben, ob und in welchem Umfang der Kläger einem militärischen Befehlshaber unterstellt war. Denn in seinem Falle fehlt jedenfalls die Voraussetzung, daß er zur Unterstützung militärischer Maßnahmen verwendet worden ist. Der erkennende Senat hat im Anschluß an ein Urteil des 11. Senats, das einen Zollbeamten im VGAD an der deutsch-sowjetischen Interessengrenze betraf (SozR 2200 § 1251 Nr 38), bereits entschieden, daß der Dienst der Beamten der Zivilverwaltung nur dann als militärähnlicher Dienst gewertet werden kann, wenn die Verwendung zur Unterstützung militärischer Maßnahmen den Einsatz für andere Zwecke überwog (SozR 2200 § 1251 Nr 41; Urteil vom 26. Januar 1978 - 5 RJ 102/77 -). Eine solche überwiegende Verwendung des Klägers zur Unterstützung militärischer Maßnahmen ist nicht festgestellt. Militärische Maßnahmen iS des § 3 Abs 1 Buchst d BVG sind im wesentlichen nur diejenigen Maßnahmen, die der Kriegsführung selbst, dh der Vorbereitung und Durchführung von Angriffs- und Verteidigungshandlungen dienen (erkennender Senat im Urteil vom 26. Januar 1978 - 5 RJ 102/77 -; BSG SozR Nr 8 zu § 3 BVG). Darunter fällt nicht der Einsatz des Klägers, der nach den Feststellungen im angefochtenen Urteil Dienst zur Sicherung der als Demarkationslinie vorverlegten, nicht unmittelbar bedrohten Grenzen geleistet und dabei an Kampfhandlungen nicht teilgenommen hat. Selbst wenn für die erste Zeit des Einmarsches nach Polen, bei dem der VGAD die Grenze im Zusammenwirken mit der Wehrmacht überschritten hatte, etwas anderes gelten sollte, würde es sich nur um eine dem Umfang nach geringfügige Verwendung zur Unterstützung militärischer Maßnahmen handeln. Überwiegend diente jedoch der Einsatz des Klägers im VGAD der nachträglichen Aufrechterhaltung erlangter militärischer Erfolge der Wehrmacht. Dies reicht nicht aus, eine Unterstützung militärischer Maßnahmen iS des § 3 Abs 1 Buchst d BVG zu begründen (BSG SozR Nr 8 zu § 3 BVG). Die dem VGAD obliegende Überwachung und Sicherung der Grenzen lag im Rahmen der von einem Zollgrenzschutz erwarteten Tätigkeit, die auch im Frieden Grenzsicherungsaufgaben auf personellem und sachlichem Gebiet umfaßt. Die Erweiterung des Pflichtenkreises unter den besonderen Bedingungen des Krieges macht den Zollgrenzdienst nicht zu militärähnlichem Dienst (dazu eingehend BSG SozR 2200 § 1251 Nr 38 und das Urteil des erkennenden Senats vom 26. Januar 1978 - 5 RJ 102/77 -).

Im übrigen ist bei der Entscheidung des vorliegenden Falles zu beachten, daß § 3 BVG unmittelbar nur die Einbeziehung der dort bezeichneten Personen in den Versorgungsschutz regelt, die Anrechnung von Ersatzzeiten aber einem anderen Ziel dient. Sinn und Zweck der Ersatzzeitregelung, die voraussetzt, daß ein Versicherter während bestimmter Zeiten aufgrund staatlicher Zwangseingriffe gehindert war, eine versicherungspflichtige Tätigkeit auszuüben (vgl BSG 1. Senat in SozR 2200 § 1251 Nr 56 S 141 mwN), lassen die Anerkennung des VGAD als Ersatztatbestand auch unabhängig von der rechtlichen Einordnung als militärischer oder militärähnlicher Dienst nicht zu. Die Überlegungen, die den 4. Senat im Urteil vom 27. Januar 1972 (SozR Nr 58 zu § 1251 RVO) bewogen haben, die Zeit eines langfristigen, mit einem entgeltlichen, aber versicherungsfreien Beschäftigungsverhältnis verbundenen Notdienstes nicht als Ersatzzeit zu zählen, obwohl es sich dabei um militärähnlichen Dienst nach § 3 Abs 1 Buchst k BVG gehandelt hat, gelten sinngemäß auch für den Dienst des Klägers im VGAD. Denn wegen des fortbestehenden beamtenrechtlichen Dienstverhältnisses mit entsprechender Besoldung konnte der Einsatz des Klägers im VGAD nicht den nach dem Zweck der Ersatzzeitenregelung vorausgesetzten versicherungsrechtlichen Nachteil bewirken, den zu beheben die Anerkennung einer Ersatzzeit bestimmt ist (vgl dazu auch das Urteil des erkennenden Senats vom 29. September 1976 in SozR 2200 § 1251 Nr 26 S 69).

Da hiernach der Dienst im VGAD nicht als Ersatzzeit gelten kann, hat der Senat die Revision des Klägers zurückgewiesen (§ 170 Abs 2 Satz 1 SGG).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1657664

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?