Entscheidungsstichwort (Thema)
vollwertigen Ausübung eines nicht erlernten Berufes. Lkw-Fahrer nur bedingt als Facharbeiter verweisbar
Leitsatz (amtlich)
Zur Frage der Berufsunfähigkeit eines Berufskraftfahrers, der eine den Anforderungen der Berufskraftfahrer-Ausbildungsordnung entsprechende Ausbildung nicht durchlaufen und Prüfung nicht abgelegt hat (Fortführung von BSG 1980-09-12 5 RJ 106/79).
Orientierungssatz
Zur vollwertigen Ausübung eines nicht erlernten Berufes:
1. Selbst dann, wenn ein Versicherter die für einen bestimmten Beruf vorgesehene Ausbildung nicht durchlaufen hat, ist dieser dennoch sein bisheriger Beruf, wenn er ihn nicht nur vorübergehend vollwertig ausgeübt hat.
2. Vollwertig ausgeübt wird der bisherige Beruf, wenn er entsprechend einem Facharbeiterberuf entlohnt wird.
3. Neben der gleichen tariflichen Einstufung und Entlohnung ist zu verlangen, daß der Versicherte nicht nur eine seinem individuellen Arbeitsplatz entsprechende Leistung erbringt, sondern auch über die theoretischen Kenntnisse und praktischen Fertigkeiten verfügt, welche in seiner Berufsgruppe gemeinhin erwartet werden. In diesem Sinne muß eine "Wettbewerbsfähigkeit" im Verhältnis zu anderen Versicherten derselben Berufsgruppe bestehen.
Normenkette
RVO § 1246 Abs 2 S 2 Fassung: 1957-02-23; KraftfAusbV §§ 1-3, 9
Verfahrensgang
LSG Hamburg (Entscheidung vom 30.11.1978; Aktenzeichen V JBf 199/77) |
SG Hamburg (Entscheidung vom 14.11.1977; Aktenzeichen 18 J 108/77) |
Tatbestand
Streitig ist ein Anspruch des Klägers auf Gewährung einer Versichertenrente wegen Berufsunfähigkeit.
Der im Jahre 1920 geborene Kläger begann im Jahre 1935 eine Lehre als Motorenschlosser. Er beendete diese Lehre nicht. Vom November 1937 an leistete er Wehrdienst. Ab Oktober 1939 war er Berufssoldat. Nach Kriegsende war er zunächst als Kraftfahrer und Fräser und sodann ab Mitte 1953 als Lastkraftwagenfahrer im Güterfernverkehr beschäftigt. Diese Tätigkeit übte er - seit 1972 mit Unterbrechungen durch Zeiten der Arbeitsunfähigkeit und der Arbeitslosigkeit - bis zum 25. Oktober 1975 aus. Seither ist er nicht mehr berufstätig.
Seinen Antrag auf Bewilligung einer Versichertenrente wegen Berufsunfähigkeit oder Erwerbsunfähigkeit vom 25. November 1976 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 3. Januar 1977 ab: Zwar könne der Kläger seine Tätigkeit als Fernkraftfahrer auf Dauer nicht mehr ausüben. Er könne jedoch noch leichte körperliche Arbeiten ohne Zeitdruck möglichst in geschlossenen, gut belüfteten Räumen vollschichtig auf dem allgemeinen Arbeitsfeld, auf das er verweisbar sei, verrichten.
Auf die Klage hat das Sozialgericht (SG) Hamburg (Urteil vom 14. November 1977) den Bescheid vom 3. Januar 1977 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger in einem neuen Bescheid Rente wegen Berufsunfähigkeit zu gewähren. Auf die Berufung der Beklagten hat nach weiterer Sachaufklärung das Landessozialgericht (LSG) Hamburg (Urteil vom 30. November 1978) unter Aufhebung des Urteils des SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt:
Der Kläger sei nicht berufsunfähig. Allerdings könne er wegen der Einschränkung seines Leistungsvermögens durch mehrere Gesundheitsstörungen nicht mehr als Kraftfahrer tätig sein und auch nicht als Taxifahrer arbeiten. Er müsse sich jedoch auf ungelernte Tätigkeiten verweisen lassen. Denn er sei der Gruppe der angelernten Arbeiter zuzurechnen. Zwar sei der Beruf des "Berufskraftfahrers" seit dem 1. Januar 1974 aufgrund der Verordnung über die Berufsausbildung zum Berufskraftfahrer (Berufskraftfahrer-Ausbildungsverordnung) vom 26. Oktober 1973 (BGBl I S 1518) (im folgenden: BerkraftAusbVO) als Ausbildungsberuf staatlich anerkannt. Dies könne dem Kläger jedoch nicht zugute kommen. Er habe weder die vorgeschriebene zweijährige Ausbildung durchlaufen noch die Abschlußprüfung abgelegt. Seine langjährige Berufserfahrung rechtfertige eine andere Beurteilung nicht. Denn er habe die an den Erfordernissen der BerkraftAusbVO ausgerichtete Prüfung im Juni 1975 nicht bestanden und sei auch nach Ansicht des gehörten berufskundlichen Sachverständigen nicht dem Kreis der Facharbeiter zuzurechnen. Als angelerntem Arbeiter seien dem Kläger Beschäftigungen als Innenbote oder als Registrator zumutbar. Sie seien mit einer kurzen Einweisungs- und Einarbeitungszeit verbunden und überforderten ihn nach seinem geistigen Leistungsvermögen nicht. In Betracht komme ferner eine Tätigkeit als Pförtner, soweit es sich nicht um besonders exponierte Pförtnerposten handele. Die ihm somit zumutbaren Tätigkeiten könne der Kläger vollschichtig unter den üblichen Bedingungen des Arbeitsmarktes verrichten. Es komme daher nicht darauf an, ob ein für ihn geeigneter Arbeitsplatz frei sei.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 1246 Abs 2 der Reichsversicherungsordnung (RVO). Zu Unrecht habe das LSG das Vorliegen von Berufsunfähigkeit ab 1. Dezember 1976 verneint. Unzutreffend sei insbesondere, daß er (Kläger) nicht der Gruppe der "Facharbeiter" zuzuordnen sei. Hierzu gehörten neben denjenigen Versicherten, die hauptberuflich einen anerkannten Ausbildungsberuf mit einer Ausbildungsdauer von mindestens zwei Jahren ausgeübt hätten, auch die Versicherten mit einem tariflich etwa gleich hoch eingestuften Beruf. Er (Kläger) habe seinen Beruf zu einer Zeit erlernt, als dieser noch nicht zu den anerkannten Ausbildungsberufen gehört habe. In diesem Falle genüge für die Anerkennung als Facharbeiter, daß eine der Ausbildung ähnliche Berufsentwicklung durchlaufen und der Fachberuf längere Zeit mit entsprechender Entlohnung ausgeübt worden sei. Wenn demgegenüber das LSG unter Hinweis auf die BerkraftAusbVO darauf abgestellt habe, daß er (Kläger) eine erfolgreiche Prüfung nicht abgelegt habe, so habe es damit die hierzu ergangene höchstrichterliche Rechtsprechung verkannt. Als Facharbeiter könne er nicht auf die vom LSG angeführten Tätigkeiten zumutbar verwiesen werden, weil sie weder nach Ansehen und betrieblicher Bedeutung noch nach der tariflichen Entlohnung der bisher ausgeübten Facharbeitertätigkeit des Berufskraftfahrers gleichstünden. Unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) dürfe er nur auf Tätigkeiten verwiesen werden, die insbesondere nach ihrer tariflichen Einstufung zur Gruppe der sonstigen Ausbildungsberufe gehörten. Die vom LSG für zulässig gehaltenen Verweisungstätigkeiten des Boten, Pförtners oder Registrators würden jedoch als Hilfsarbeitertätigkeiten nur sehr gering entlohnt. Verdienst aus einer Tätigkeit, die tariflich ebenso hoch eingestuft sei wie anerkannte Anlernberufe, könne er (Kläger) nicht erzielen. Er sei daher berufsunfähig.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg
vom 30. November 1978 aufzuheben und die
Berufung der Beklagten gegen das Urteil des
Sozialgerichts Hamburg vom 14. November 1977
zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil insbesondere darin für zutreffend, daß der Kläger lediglich der Gruppe der angelernten Arbeiter zuzurechnen sei.
Die Beigeladene hat einen Sachantrag nicht gestellt.
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) erklärt.
Entscheidungsgründe
Die durch Zulassung statthafte Revision des Klägers ist zulässig und im Sinne einer Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht begründet.
Gegenstand des Rechtsstreits ist der Anspruch des Klägers auf Gewährung einer Rente wegen Berufsunfähigkeit. Rechtsgrundlage hierfür ist § 1246 RVO. Hiernach erhält Rente wegen Berufsunfähigkeit der Versicherte, der berufsunfähig ist, wenn die Wartezeit erfüllt ist (§ 1246 Abs 1 RVO). Berufsunfähig ist ein Versicherter, dessen Erwerbsfähigkeit infolge von Krankheit oder anderen Gebrechen oder Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte auf weniger als die Hälfte derjenigen eines körperlich und geistig gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten herabgesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit eines Versicherten zu beurteilen ist, umfaßt alle Tätigkeiten, die seinen Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihm unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs seiner Ausbildung sowie seines bisherigen Berufes und der besonderen Anforderungen seiner bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können (§ 1246 Abs 2 Sätze 1 und 2 RVO).
Ausgangspunkt der Prüfung, ob ein Versicherter berufsunfähig ist und damit die Voraussetzungen des § 1246 RVO für die Bewilligung einer entsprechenden Versichertenrente erfüllt, ist sein "bisheriger Beruf". Kann der Versicherte seine bisherige Berufstätigkeit auch nach Eintritt der angeblich Berufsunfähigkeit bedingenden Umstände ohne wesentliche Einschränkungen weiterhin ausüben, so schließt allein dies das Vorliegen von Berufsunfähigkeit aus. Für eine Verweisung auf andere Tätigkeiten und für eine Erörterung der sozialen Zumutbarkeit dieser Verweisung ist dann kein Raum (vgl Urteil des Senats in BSGE 48, 65, 66 = SozR 2200 § 1246 Nr 39 S 119). Aber auch wenn eine solche Verweisung in Betracht kommt, bedarf es der Feststellung des "bisherigen Berufes". Er ist im Rahmen des § 1246 Abs 2 Satz 2 RVO von entscheidender Bedeutung für die Bestimmung des Kreises der Tätigkeiten, auf die der Versicherte unter Verneinung von Berufsunfähigkeit zumutbar verwiesen werden kann. Dabei bestimmt sich nach feststehender Rechtsprechung des BSG der Kreis der zumutbaren Tätigkeiten hauptsächlich nach dem qualitativen Wert des bisherigen Berufes des Versicherten im Betrieb. Dieser qualitative Wert spiegelt sich relativ zuverlässig in der tariflichen Einstufung der jeweiligen Tätigkeit wider. Sie ist daher ein geeignetes Hilfsmittel zur Feststellung der Qualität des bisherigen Berufes und damit zugleich der nach § 1246 Abs 2 Satz 2 RVO zulässigen Verweisung des Versicherten auf andere Tätigkeiten. Dabei ist zu berücksichtigen, daß sich in der Arbeitswelt auf der Grundlage der tariflichen Bewertung mehrere Gruppen von Arbeiterberufen auffinden lassen, welche durch "Leitberufe" - nämlich diejenigen des Vorarbeiters mit Vorgesetztenfunktion bzw des besonders hoch qualifizierten Facharbeiters, des Facharbeiters, des angelernten Arbeiters und des ungelernten Arbeiters - charakterisiert werden. Zumutbar iS des § 1246 Abs 2 Satz 2 RVO sind dem Versicherten im allgemeinen nur Tätigkeiten der jeweils niedrigeren Gruppe, soweit sie ihn weder nach seinem beruflichen Können und Wissen noch hinsichtlich seiner gesundheitlichen Kräfte überfordern (vgl mit eingehenden weiteren Nachweisen Urteile des Senats in BSG SozR 2200 § 1246 Nr 41 S 125, in BSGE 49, 54, 56 = SozR 2200 § 1246 Nr 51 S 155 f und in SozR 2200 § 1246 Nr 55 S 170).
Das Berufungsgericht hat als die das Arbeitsleben des Klägers prägende Beschäftigung und damit als seinen bisherigen Beruf denjenigen des vor allem im Güterfernverkehr tätigen Lastkraftwagenfahrers angesehen. Das ist rechtlich bedenkenfrei. Das LSG hat weiter festgestellt, daß der Kläger wegen der bei ihm vorliegenden gesundheitlichen Störungen seinen bisherigen Beruf nicht mehr ausüben kann. Diese Feststellung ist für den Senat bindend (§ 163 SGG).
Nicht zugestimmt werden kann der Ansicht des Berufungsgerichts, daß der Kläger der Gruppe der angelernten Arbeiter zuzurechnen sei und ihm deswegen der Berufsschutz eines Facharbeiters nicht zustehe. Die hierzu bisher getroffenen tatsächlichen Feststellungen tragen dieses rechtliche Ergebnis nicht.
Der Beruf des "Berufskraftfahrers" gehört seit dem 1. Januar 1974 zu den staatlich anerkannten Ausbildungsberufen der gewerblichen Wirtschaft (§ 1 BerkraftAusbVO) mit einer Ausbildungsdauer von zwei Jahren (§ 2 BerkraftAusbVO) und damit im Sinne des von der Rechtsprechung des BSG entwickelten Mehrstufenschemas zur Gruppe der Berufe mit dem Leitberuf des Facharbeiters (vgl Urteil des BSG vom 12. September 1980 - 5 RJ 106/79 -). Der Kläger hat nach den Feststellungen des LSG seinen bisherigen Beruf - wenn auch zuletzt mit Unterbrechungen durch Zeiten der Arbeitsunfähigkeit und der Arbeitslosigkeit - bis zum 25. Oktober 1975 und somit während eines nicht nur vorübergehenden Zeitraums auch noch nach Inkrafttreten der BerkraftAusbVO ausgeübt. Der vorliegende Sachverhalt erfordert mithin keine Entscheidung der Frage, ob auch derjenige Berufskraftfahrer der Gruppe der Facharbeiter zugeordnet werden kann, der seine Tätigkeit bereits vor dem 1. Januar 1974 aufgegeben hat.
Berufskraftfahrer ist, wer die Fahrerlaubnis der Klasse 2 erworben und die während der Ausbildung erlangten Fertigkeiten und Kenntnisse des Ausbildungsberufsbildes in einer Abschlußprüfung nachgewiesen hat (§ 1 Abs 2 iVm §§ 3 und 9 BerkraftAusbVO). Der Kläger hat weder eine zweijährige Ausbildung durchlaufen noch eine Abschlußprüfung abgelegt. Indes steht allein dieser Umstand der Einstufung seines bisherigen Berufes in die Gruppe mit dem Leitberuf des Facharbeiters nicht entgegen. Nach ständiger und übereinstimmender Rechtsprechung der für Streitigkeiten aus dem Gebiete der Rentenversicherung der Arbeiter zuständigen Senate des BSG (vgl zB Urteile des 4. Senats in BSG SozR 2200 § 1246 Nr 46 S 139; Nr 53 S 162 f; vom 29. November 1979 - 4 RJ 17/79 -; vom 23. April 1980 - 4 RJ 29/79 -; Urteile des 5. Senats in BSGE 41, 129, 130 f = SozR 2200 § 1246 Nr 11 S 24 f; BSGE 43, 243, 244 = SozR 2200 § 1246 Nr 16 S 48) mit Einschluß des erkennenden Senats (BSG SozR 2200 § 1246 Nr 29 S 85 f; BSGE 49, 54, 55 = SozR 2200 § 1246 Nr 51 S 155; BSG SozR 2200 § 1246 Nr 55 S 169; Urteil vom 24. April 1980 - 1 RJ 62/79 -) kommt es bei der Bestimmung des bisherigen Berufes und damit zugleich des Kreises der zumutbaren Verweisungstätigkeiten auf die "besonderen Anforderungen" des bisherigen Berufes, dh auf seine positiv zu bewertenden Merkmale, insgesamt also auf seinen qualitativen Wert an. Von geringerem Gewicht ist dagegen die in § 1246 Abs 2 Satz 2 RVO weiter genannte Ausbildung. Sie kennzeichnet nur den Weg, auf dem die den Beruf qualifizierenden "Kenntnisse und Fähigkeiten" (§ 1246 Abs 2 Satz 1 RVO) regelmäßig erworben werden. Deshalb ist selbst dann, wenn ein Versicherter die für einen bestimmten Beruf vorgesehene Ausbildung nicht durchlaufen hat, dieser dennoch sein bisheriger Beruf, wenn er ihn nicht nur vorübergehend vollwertig ausgeübt hat. Daß der Kläger eine Kraftfahrerausbildung nicht durchlaufen und eine Prüfung nicht abgelegt hat, steht somit der Einstufung seines bisherigen Berufes in die Gruppe der Facharbeiter nicht generell entgegen.
Andererseits rechtfertigt der Umstand, daß der Kläger über einen längeren Zeitraum hinweg die Tätigkeit eines Berufskraftfahrers tatsächlich ausgeübt hat, für sich allein noch nicht eine derartige Einordnung des bisherigen Berufes. Hierfür ist vielmehr weitere Voraussetzung, daß dieser Beruf "vollwertig" ausgeübt worden ist. Wie der Senat (BSG SozR 2200 § 1246 Nr 55 S 169; Urteil vom 24. April 1980 - 1 RJ 62/79 -) ausgesprochen hat, ist dies "regelmäßig" der Fall, wenn der bisherige Beruf entsprechend einem Facharbeiterberuf entlohnt worden ist. Dem liegt auch in diesem Zusammenhang die Erwägung zugrunde, daß die tarifliche Entlohnung ein relativ zuverlässiges Indiz für den qualitativen Wert der entlohnten Tätigkeit ist. Dies gilt jedoch nicht ausnahmslos. Die tarifliche Einstufung einer Tätigkeit spiegelt nicht stets deren qualitativen Wert wider. Das gilt etwa dann, wenn sie nicht auf der betrieblichen Bedeutung der Tätigkeit beruht, sondern lediglich dem Ausgleich von mit ihr verbundenen Nachteilen oder Erschwernissen (zB Nacht-, Akkord- oder Schmutzarbeit) dient (vgl BSGE 44, 10, 11 = SozR 2200 § 1246 Nr 17 S 52 mwN) oder aus sozialen Gründen wegen in der Person des Versicherten liegender Umstände (höheres Lebensalter, Dauer der Betriebszugehörigkeit, Bewährungsaufstieg) vorgenommen wird (BSGE 44, 10, 12 = SozR 2200 § 1246 Nr 17 S 53; BSG SozR 2200 § 1246 Nr 46 S 139; BSGE 49, 34, 36 = SozR 2200 § 1246 Nr 49 S 148). Dasselbe muß im Zusammenhang mit der Frage gelten, ob trotz Fehlens der dafür an sich erforderlichen Ausbildung einschließlich Prüfung der Versicherte einen Facharbeiterberuf "vollwertig" ausgeübt hat. Zu Recht hat daher der 4. Senat des BSG wiederholt hervorgehoben, es sei im Interesse einer klaren und sachgerechten Abgrenzung geboten, eingehend zu prüfen, ob die abweichend vom "normalen" Ausbildungsweg erlangte berufliche Position tatsächlich in voller Breite derjenigen des vergleichbaren Versicherten bzw Facharbeiters entspreche, der die üblichen Stadien der Entwicklung durchlaufen habe. Neben der gleichen tariflichen Einstufung und Entlohnung sei zu verlangen, daß der Versicherte nicht nur eine seinem individuellen Arbeitsplatz entsprechende Leistung erbringe, sondern auch über die theoretischen Kenntnisse und praktischen Fertigkeiten verfüge, welche in seiner Berufsgruppe gemeinhin erwartet würden. In diesem Sinne müsse eine "Wettbewerbsfähigkeit" im Verhältnis zu anderen Versicherten derselben Berufsgruppe bestehen (BSG SozR 2200 § 1246 Nr 53 S 163; Urteile vom 29. November 1979 - 4 RJ 17/79 - und vom 23. April 1980 - 4 RJ 29/79 -). Der Senat schließt sich dieser Auffassung an.
Das LSG hat weder zur Höhe der tariflichen Einstufung der vom Kläger zuletzt ausgeübten Tätigkeit noch dazu tatsächliche Feststellungen getroffen, ob der Kläger über die einem ausgebildeten Berufskraftfahrer entsprechenden theoretischen Kenntnisse und praktischen Fertigkeiten verfügt hat. Zu letzterem ist auch der vom Berufungsgericht getroffenen Feststellung, daß der Kläger die an den Erfordernissen der BerkraftAusbVO ausgerichtete Prüfung im Juni 1975 nicht bestanden habe, nichts zu entnehmen. Diese Feststellung hat das LSG lediglich zur Begründung seiner Ansicht herangezogen, daß die langjährige Berufserfahrung des Klägers es nicht rechtfertige, ihn einer anderen Gruppe als derjenigen der angelernten Arbeiter zuzurechnen. Allerdings kann das Bestehen oder Nichtbestehen der Prüfung einen gewichtigen Anhaltspunkt auch für die Entscheidung bilden, ob der Kläger über die theoretischen Kenntnisse und praktischen Fertigkeiten eines ausgebildeten Berufskraftfahrers verfügt hat. Indes wird das LSG bei der erneuten Entscheidung zu erwägen haben, ob auch unter den Besonderheiten des vorliegenden Falles allein aus dem Nichtbestehen der Prüfung entsprechende Schlüsse gezogen werden können. Diese Besonderheiten bestehen in mehrfacher Hinsicht. Einmal ist der Kläger seit Mitte des Jahres 1953 und somit zur Zeit der Prüfung seit über 22 Jahren als Lastkraftwagenfahrer vor allem im Güterfernverkehr tätig gewesen. Zum anderen hat er die Prüfung im Alter von 55 Jahren und zu einem Zeitpunkt abzulegen versucht, in welchem er nach dem vom LSG wiedergegebenen Gutachten des Sachverständigen Prof Dr L vom 14. August 1973 nur noch zur Verrichtung leichter bis mittelschwerer Arbeiten körperlicher Art imstande gewesen ist. Wenige Monate später ist er erneut arbeitsunfähig erkrankt und seither nicht mehr berufstätig gewesen. Diese Umstände lassen es nicht ausgeschlossen erscheinen, daß das Nichtbestehen der Prüfung auf einem gesundheitsbedingten Abfall der Leistungsfähigkeit beruht hat und deswegen einen zuverlässigen Schluß auf die theoretischen Kenntnisse und praktischen Fertigkeiten des Klägers während der Zeit der von gesundheitlichen Einflüssen noch nicht berührten Berufsausübung nicht erlaubt. Sollte sich diese Annahme durch die vom LSG vorzunehmende Sachaufklärung bestätigen, so kann es geboten sein, Auskünfte über die Kenntnisse und Fertigkeiten des Klägers von seinen früheren Arbeitgebern einzuholen.
Die hiernach noch erforderlichen Feststellungen liegen auf tatsächlichem Gebiet. Der Senat kann sie nicht treffen. Das muß durch das Berufungsgericht geschehen. Zu diesem Zweck ist der Rechtsstreit an das LSG zurückzuverweisen (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG).
Sollte dessen ergänzende Sachaufklärung ergeben, daß der Kläger ungeachtet des Nichtbestehens der Kraftfahrerprüfung nach der tariflichen Einstufung seiner bisherigen Tätigkeit und nach seinen während der Berufsausübung gezeigten theoretischen Kenntnissen und praktischen Fertigkeiten der Gruppe mit dem Leitberuf des Facharbeiters zuzurechnen ist, so wird das LSG die Grenzen der Verweisbarkeit eines Versicherten dieser Gruppe und die nach der Rechtsprechung des BSG an eine solche Verweisbarkeit zu stellenden Anforderungen zu berücksichtigen haben. Ein Facharbeiter kann sozial zumutbar außer auf andere Facharbeitertätigkeiten auch auf Tätigkeiten, die zur Gruppe der übrigen Ausbildungsberufe (Anlernberufe) gehören, und ferner auf ungelernte Tätigkeiten verwiesen werden, die sich durch besondere Merkmale aus dem Kreis der sonstigen einfachen Arbeiten herausheben, jedenfalls wenn sie wegen ihrer Qualität tariflich wie sonstige Ausbildungsberufe eingestuft sind. Die Verweisung auf herausgehobene ungelernte Tätigkeiten erfordert konkrete Feststellungen. Pauschale und allgemeine Ausführungen - etwa die undifferenzierte Verweisung auf "Überwachungs- und Kontrollarbeiten" - reichen nicht aus. Vielmehr muß wenigstens eine zumutbare Verweisungstätigkeit konkret und mit nachprüfbaren Feststellungen benannt werden. Es ist zunächst konkret bezogen auf den Einzelfall substantiiert zu prüfen, welche beruflichen Anforderungen an die in Erwägung gezogene Verweisungstätigkeit gestellt werden. Sodann ist festzustellen, ob der Versicherte diesen beruflichen Anforderungen nach seinem gesundheitlichen Leistungsvermögen genügen kann und ob die Tätigkeit seinen Kenntnissen und Fähigkeiten entspricht bzw nach einer Einarbeitungs- oder Einweisungszeit bis zu drei Monaten ausgeübt werden kann. Schließlich ist insbesondere anhand ihrer tariflichen Einstufung zu prüfen, ob sich die Tätigkeit qualitativ deutlich aus dem Bereich der ungelernten Arbeiten heraushebt (vgl zu alledem Urteil des Senats vom 12. November 1980 - 1 RJ 104/79 - mit umfangreichen Nachweisen).
Das Berufungsgericht wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens entscheiden.
Fundstellen