Leitsatz (amtlich)
Der Arbeitgeber genügt seiner Pflicht zur unverzüglichen Anzeige des Arbeitsausfalls gemäß § 84 Abs 1 Nr 3 AFG auch dann, wenn er eine Sammelanzeige gemäß § 15 Abs 3 WinterbauAnO zwar nicht am letzten Arbeitstag der Woche absendet, sondern erst später, hierbei jedoch Vorkehrungen trifft, die sicherstellen, daß die Anzeige bei normaler Postbeförderung zu der gleichen Zeit bei dem Arbeitsamt eingeht, wie wenn sie am letzten Arbeitstag der Woche zur Post gegeben wurde.
Normenkette
AFG § 84 Abs 1 Nr 3 Fassung: 1972-05-19; WinterbauAnO § 14 Abs 3 Fassung: 1975-12-15, § 15 Abs 3 Fassung: 1972-07-04
Verfahrensgang
Bayerisches LSG (Entscheidung vom 24.07.1980; Aktenzeichen L 11 Al 40/79) |
SG Würzburg (Entscheidung vom 13.10.1978; Aktenzeichen S 6 Al 197/78) |
Tatbestand
Im Streit ist, ob die Beklagte die Gewährung von Schlechtwettergeld (SWG) wegen verspäteter Abgabe der Sammelanzeige zu Recht abgelehnt hat.
Die Klägerin betreibt ein Unternehmen des Baugewerbes in B K (K); sie hat keine Betriebsvertretung. Mit Sammelanzeige vom 31. März 1978 (Freitag) zeigte sie dem Arbeitsamt S (S) witterungsbedingten Arbeitsausfall auf ihren Baustellen in der an diesem Tage endenden Arbeitswoche an. Die Anzeige ist am 4. April 1978 (Dienstag) beim Arbeitsamt eingegangen. Der Briefumschlag, mit dem sie als gewöhnliche Postsendung abgesandt worden war, trägt den Poststempel "S - 1978-04-04 - nachträglich entwertet". Den Brief hatte der Angestellte K (Ki) der Klägerin am Samstag, dem 1. April 1978, gegen 14.00 Uhr in einen Briefkasten am Bahnhof in S. eingesteckt. Der Brief hätte nach Auskunft der Bundespost bei normalem Postablauf das Arbeitsamt am Montag, dem 3. April 1978, erreichen müssen.
Mit Bescheid vom 18. April 1978 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 8. Juni 1978 wurde der Antrag der Klägerin mit der Begründung abgelehnt, sie habe die Rechtsnachteile des verspäteten Eingangs der Anzeige zu tragen, da diese nicht am letzten Arbeitstag der Kalenderwoche der Post zur Beförderung übergeben worden sei. Damit sei die Anzeige nicht rechtzeitig im Sinne von § 15 Abs 3 der Winterbau-Anordnung (WinterbauAnO) erstattet worden.
Das Sozialgericht (SG) hat die Beklagte verurteilt, der Klägerin das begehrte SWG zu gewähren (Urteil vom 13. Oktober 1978) und die Berufung zugelassen. Das Rechtsmittel der Beklagten hatte keinen Erfolg. Das Landessozialgericht (LSG) hat zur Begründung seines Urteils vom 24. Juli 1980 ausgeführt, der Zweck der in § 84 Abs 1 Nr 3 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) enthaltenen Regelung - unverzüglich Anzeige des Arbeitsausfalles gegenüber dem Arbeitsamt - bestehe darin, die Beklagte möglichst schnell in die Lage zu versetzen, die Witterungsverhältnisse in den angegebenen Zeiträumen zu überprüfen. Bei einer Sammelanzeige könne die Beklagte aufgrund ihrer Dienstzeitregelung erst ab Dienstbeginn am Montag der darauf folgenden Woche von dem witterungsbedingten Arbeitsausfall Kenntnis erlangen. Bei einer solchen Regelung zu verlangen, die Sammelanzeige zu einem ganz bestimmten Zeitpunkt, nämlich bereits am Freitag, bei der Post aufzugeben, sei objektiv dann nicht geboten, wenn aufgrund der konkreten Umstände bei normaler Postbeförderung jedermann damit rechnen dürfe, daß die Briefsendung den Adressaten zum frühestmöglichen Zeitpunkt erreiche. Da im vorliegenden Falle nach Auskunft der Bundespost ein am Samstag, dem 1. April 1978, am Hauptbahnhof in S. aufgegebener Brief bei normaler Postbeförderung am Montag um 7.00 Uhr im Postfach des am selben Ort befindlichen Arbeitsamtes zur Abholung hätte bereitliegen müssen, habe somit kein Grund bestanden, die Sammelanzeige zu einem früheren Zeitpunkt bei der Post aufzugeben. Der Zeuge Ki. habe sein Verhalten gezielt auf die örtlichen Verhältnisse abgestellt. An dem Briefkasten am Hauptbahnhof in S. habe er erkennen können, daß dieser sowohl am selben Tage als auch am darauf folgenden Sonntag noch mehrmals geleert wurde. Damit habe er die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beachtet, denn bei den gegebenen Verhältnissen habe er davon ausgehen dürfen, daß die Sammelanzeige die Beklagte zum frühestmöglichen Zeitpunkt - dh zum Dienstbeginn am darauf folgenden Montagmorgen - erreichen würde.
Mit der Revision rügt die Beklagte eine Verletzung von § 84 Abs 1 Nr 3 AFG und des § 15 Abs 3 WinterbauAnO. Sie meint, die Verspätung der beim Arbeitsamt eingegangenen Anzeige könne der Klägerin nur dann nicht angelastet werden, wenn die Briefsendung noch am 31. März 1978 abgesandt worden wäre. Nur dann, wenn die sich aus § 15 Abs 3 WinterbauAnO ergebende Verpflichtung, nämlich das Erstatten der Anzeige am letzten Arbeitstag der Kalenderwoche, eingehalten sei, sei es für die Wirksamkeit der Anzeige ohne Bedeutung, wann sie beim Arbeitsamt eingehe.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom
24. Juli 1980 und das Urteil des Sozialgerichts
Würzburg vom 13. Oktober 1978 aufzuheben und die
Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz -SGG-).
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist nicht begründet.
Die Klägerin kann für den hier in Betracht kommenden Zeitraum für die in der Schlechtwetteranzeige vom 31. März 1978 angegebenen Zahl der Arbeitnehmer, die witterungsbedingten Arbeitsausfall hatten, SWG beanspruchen. Außer den übrigen Anspruchsvoraussetzungen, an deren Vorliegen keine Zweifel bestehen, hat die Klägerin auch das Erfordernis des § 84 Abs 1 Nr 3 AFG - unverzügliche Anzeige des Arbeitsausfalls gegenüber dem Arbeitsamt - erfüllt.
Nach § 15 Abs 3 WinterbauAnO hat der Arbeitgeber, wenn auf eine Einzelanzeige verzichtet wird, am letzten Arbeitstage der Kalenderwoche eine Sammelanzeige auf dem Vordruck der Bundesanstalt zu erstatten. Zutreffend ist das LSG in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) davon ausgegangen, daß eine solche Anzeige unverzüglich erstattet sein muß (vgl BSG SozR 4100 § 84 Nr 6). Unverzüglich, dh ohne schuldhaftes Zögern, erstattet ist eine Anzeige auf jeden Fall dann, wenn sie vom Arbeitgeber am letzten Arbeitstag der Woche zur Post gegeben wird, und zwar so, daß ihr umgehender Zugang beim Arbeitsamt gewährleistet ist. Verzögerungen auf dem Postwege sind ihm dann nicht anzurechnen. Dasselbe muß aber auch gelten, wenn der Arbeitgeber oder ein von ihm mit der Beförderung beauftragter Dritter die Anzeige zwar nicht am letzten Arbeitstag der Woche, jedoch so rechtzeitig abgesandt hat, daß sie bei normaler Postbeförderung zum Dienstbeginn am Montagmorgen beim Arbeitsamt eintrifft. Auch in einem solchen Falle ist die Anzeige noch unverzüglich erstattet. Sie ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung und kann daher erst mit ihrem Eingang bei der Beklagten wirksam erstattet sein. Da sie schriftlich abzugeben ist (§§ 14 Abs 3, 15 Abs 3 WinterbauAnO), hat der Arbeitgeber seine Pflicht zur rechtzeitigen Erstattung dann erfüllt, wenn er sie am letzten Arbeitstag der Woche zur Post gegeben hat. Eine Verletzung seiner Obliegenheit kann aber gleichfalls nicht vorliegen, wenn er die Anzeige zwar nicht am letzten Arbeitstag der Woche absendet, sondern erst später, hierbei jedoch Vorkehrungen trifft, die sicherstellen, daß die Anzeige bei normaler Postbeförderung zu der gleichen Zeit bei der Beklagten eingeht, wie wenn sie am letzten Arbeitstag der Woche zur Post gegeben wurde. Dem Zweck der Anzeige des witterungsbedingten Arbeitsausfalls - möglichst zeitnahe Überprüfung der Witterungsverhältnisse und Verhältnisse auf der Baustelle zu ermöglichen - wird damit im selben Umfange entsprochen. Der Umstand, daß die Sammelanzeige am letzten Arbeitstag abgesandt worden ist, kann daher nur die Vermutung begründen, daß der Arbeitgeber bei ihrer Absendung die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beachtet hat. Umgekehrt kann jedoch die Absendung der Anzeige nach dem letzten Arbeitstag nicht die Vermutung begründen, der Absender habe die Verzögerung des Eingangs der Anzeige zu vertreten. Das liefe auf die Schaffung einer Ausschlußfrist hinaus, wofür keine gesetzliche Grundlage besteht (BSG SozR 4100 § 84 Nr 5). Vielmehr ist auch in diesem Falle zu prüfen, ob der Verpflichtete die Anzeige unverzüglich, dh ohne schuldhaftes Zögern, abgesandt hat. Das ist, wie das LSG zutreffend ausgeführt hat, im vorliegenden Falle geschehen.
Der Zeuge Ki. hat nach den Feststellungen des LSG den Briefumschlag mit der Sammelanzeige bewußt am 31. März 1978 wegen des Fehlens von Briefkästen in der näheren Umgebung des Betriebes und der örtlichen Verhältnisse in K. nicht aufgegeben, weil er sie bereits zu dieser Zeit am nächsten Tag in S., also am Sitz des Arbeitsamts, in den Briefkasten werfen wollte, was er dann auch getan hat. Er hat dort auch einen Briefkasten gewählt, an dem zu ersehen war, daß dieser sowohl am selben Tage als auch am Sonntag noch mehrmals geleert wurde. Damit durfte er davon ausgehen, daß die Sammelanzeige die Beklagte zum frühestmöglichen Zeitpunkt, dem Dienstbeginn am folgenden Montagmorgen, erreichen würde. Daß der Brief unter diesen Umständen dennoch nicht rechtzeitig bei der Beklagten ankam, ist nach den Feststellungen des LSG auf ein Postversehen zurückzuführen. Dieses brauchte der Zeuge Ki., insbesondere wegen der noch zu erwartenden nachfolgenden Leerungen des Briefkastens am Samstag und Sonntag, nicht in seine Überlegungen einzubeziehen. Das wäre eine Überspannung der Umsicht und Sorgfalt, die von einem gewissenhaften kaufmännischen Angestellten verlangt werden kann. Der Eintritt dieses Ereignisses war nicht wahrscheinlich. Es bestand für dieses Risiko lediglich eine fernliegende Möglichkeit, für die der Pflichtige keine Vorsorge zu treffen hat. Hiermit hatte Ki. entgegen der Auffassung der Beklagten somit sichergestellt, daß die Anzeige am folgenden Montagmorgen beim Arbeitsamt vorlag.
Zutreffend ist daher das LSG davon ausgegangen, daß die Absendung der Sammelanzeige durch den Angestellten Ki. unverzüglich gewesen ist. Wenn die Beklagte dagegen anführt, die vom LSG vertretene Auffassung führe dazu, daß sich die Fälle, in denen Ermittlungen wegen des verspäteten Eingangs von Anzeigen erforderlich seien, vermehren würden, was eine Erschwernis bei der Bearbeitung der Anzeigen über witterungsbedingten Arbeitsausfall zur Folge habe, so überzeugt dies nicht. Die Beklagte übersieht, daß sie an die Stelle einer Beweisregelung eine im Gesetz und in der WinterbauAnO nicht vorgesehene Anspruchsvoraussetzung setzen will. Die Auslegung des Rechtsbegriffes "unverzüglich" kann im übrigen nicht davon abhängen, welcher Arbeitsanfall dadurch beim Arbeitsamt entstehen kann.
Unter diesen Umständen kann dahingestellt bleiben, ob Ki. als Repräsentant der Klägerin gehandelt hat (vgl BSG SozR 4100 § 84 Nrn 2 und 6). Die Klägerin muß sich sein Verhalten schon wegen seines mangelnden Verschuldens nicht zu ihrem Nachteil anrechnen lassen.
Die Revision der Beklagten kann nach allem keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen