Leitsatz (amtlich)

"Versicherte" iS des RVO § 1241 Abs 2 S 2 sind nicht die Empfänger von Rente wegen Berufsunfähigkeit oder wegen Erwerbsunfähigkeit.

Auf Grund des RVO § 1241 Abs 2 ergangene Beschlüsse der Organe des Trägers der Rentenversicherung, die gemäß den vom über die Zahlung von Übergangsgeld bei Durchführung von Gesundheitsmaßnahmen - Heilbehandlung und Berufsförderung - wegen Tuberkulose durch die Träger der Rentenversicherung" vom 1960-08-18 für Rentner, die zur Zeit nicht rentenversichert sind, das Übergangsgeld in Höhe der ihnen zustehenden Rente festsetzen, entsprechend dem Gesetz.

 

Normenkette

RVO § 1241 Abs. 2 S. 2 Fassung: 1957-02-23, Abs. 3 Fassung: 1957-02-23

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Schleswig vom 23. August 1965 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I

Der Kläger begehrt für die Zeit seiner stationären Heilbehandlung statt des in Höhe seiner Rente wegen Erwerbsunfähigkeit (EU) festgesetzten Übergangsgeldes ein gemäß § 1241 Abs. 2 Satz 2 der Reichsversicherungsordnung (RVO) nach seinem letzten Arbeitsentgelt berechnetes höheres Übergangsgeld. Zu entscheiden ist, ob der Empfänger einer Rente wegen EU zu den "Versicherten" im Sinne des § 1241 Abs. 2 Satz 2 RVO gehört und ob die Beschlüsse der Organe der Beklagten über die Höhe des Übergangsgeldes, die gemäß den vom Verband Deutscher Rentenversicherungsträger (VDR) erlassenen "Richtlinien über die Zahlung von Übergangsgeld bei Durchführung von Gesundheitsmaßnahmen - Heilbehandlung und Berufsförderung - wegen Tuberkulose durch die Träger der Rentenversicherung" vom 18. August 1960 ergangen sind, dem Gesetz entsprechen, soweit sie für Rentner, die zur Zeit nicht rentenversichert sind, das Übergangsgeld in Höhe der Rente festsetzen.

Der im Jahre 1923 geborene Kläger erkrankte im November 1959 an einer aktiven behandlungsbedürftigen Tuberkulose, die wiederholte stationäre Heilbehandlung erforderte. Er bezog seit dem 26. April 1963 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit. Durch Bescheid vom 28. Oktober 1964 gewährte die Beklagte ihm gemäß § 1244 a RVO wiederum stationäre Heilbehandlung, die am 3. November 1964 begann und am 9. März 1965 endete. In dem Bescheid stellte die Beklagte fest, dem Kläger könne Übergangsgeld nicht gewährt werden, weil die Rente den ihm zustehenden Übergangsgeldsatz überschreite.

Das Sozialgericht (SG) hat den Bescheid abgeändert und die Beklagte verurteilt, dem Kläger einen neuen Bescheid dahin zu erteilen, daß ihm für die Zeit vom 3. November 1964 bis zum 9. März 1965 ein Übergangsgeld von täglich 15,- DM unter Anrechnung der gezahlten Rente gewährt werde; es hat die Berufung zugelassen. Das SG hat entschieden, dem Kläger sei für die Zeit der Heilbehandlung ein nach seinem letzten Arbeitsentgelt berechnetes Übergangsgeld gemäß § 1244 a Abs. 6 in Verbindung mit § 1241 Abs. 2 Satz 2 RVO zu gewähren, weil er trotz des Bezuges der Erwerbsunfähigkeitsrente während der Heilbehandlung "Versicherter" im Sinne dieser Vorschrift gewesen sei.

Gegen das Urteil hat die Beklagte Sprungrevision eingelegt, mit der sie unrichtige Anwendung des § 1241 RVO rügt. Sie meint, in § 1236 RVO und in § 1244 a RVO werde zwischen Versicherten und Rentnern ausdrücklich unterschieden. Zu den Versicherten seien nur diejenigen zu zählen, die keine Rente erhielten.

Die Beklagte beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

II

Die Revision der Beklagten ist begründet.

Die Revision wendet sich zu Recht gegen die Entscheidung des SG, dem Kläger sei für die Zeit seiner stationären Heilbehandlung ein gemäß § 1241 Abs. 2 Satz 2 RVO nach seinem letzten Arbeitsentgelt berechnetes Übergangsgeld zu zahlen. Entgegen der Ansicht des SG gehören zu den Versicherten i.S. des § 1241 Abs. 2 Satz 2 RVO die Bezieher einer Rente wegen EU nicht.

Die Beklagte hat dem Kläger, der seit 1959 keine versicherungspflichtige Beschäftigung mehr ausübte und seit dem 26. April 1963 EU-Rente bezog, durch Bescheid vom 28. Oktober 1964 Heilbehandlung für die Zeit vom 3. November 1964 bis zum 9. März 1965 gemäß § 1244 a RVO gewährt, der in Abs. 6 Buchst. a vorschreibt, daß Versicherte sowie Rentner bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres für die Dauer ihrer stationären Heilbehandlung Übergangsgeld erhalten. Die Höhe des Übergangsgeldes wird gemäß § 1241 Abs. 2 durch übereinstimmende Beschlüsse der Organe des Trägers der Rentenversicherung unter Berücksichtigung der Zahl der von dem Betreuten vor Beginn der Maßnahmen überwiegend unterhaltenen Familienangehörigen festgesetzt (Satz 1). Das Übergangsgeld für Versicherte beträgt mindestens 50 vom Hundert und höchstens 80 vom Hundert des Arbeitsentgeltes oder Arbeitseinkommens, das im Durchschnitt der letzten zwölf mit Beiträgen belegten Monate oder, wenn dies für den Betreuten günstiger ist, im Durchschnitt der letzten sechsunddreißig mit Beiträgen belegten Monate der Beitragsentrichtung zugrunde lag (Satz 2). Nach § 1241 Abs. 3 RVO wird Übergangsgeld insoweit nicht gewährt, als der Betreute während der Durchführung der Maßnahmen Arbeitsentgelt, anderes Erwerbseinkommen oder eine Rente aus der Rentenversicherung der Arbeiter, der Rentenversicherung der Angestellten oder der knappschaftlichen Rentenversicherung bezieht.

Die Organe der Beklagten, Vorstand und Vertreterversammlung, haben durch Beschlüsse vom 3. November 1960 bzw. vom 21. Dezember 1960 die Höhe des Übergangsgeldes gemäß § 1241 Abs. 2 RVO in der Weise festgesetzt, daß sie die vom VDR erlassenen "Richtlinien über die Zahlung von Übergangsgeld bei Durchführung von Gesundheitsmaßnahmen - Heilbehandlung und Berufsförderung - wegen Tuberkulose durch die Träger der Rentenversicherung" vom 18. August 1960 für die Beklagte mit Wirkung vom 1. Januar 1961 für verbindlich erklärt haben. In diesen Richtlinien des VDR ist bestimmt, daß Rentner, die z.Z. nicht rentenversichert sind, ein Übergangsgeld in Höhe der Rente erhalten.

Daß dem Kläger, der das fünfundsechzigste Lebensjahr noch nicht vollendet hat, als einem Empfänger von Rente wegen EU für die Zeit seiner stationären Heilbehandlung gemäß § 1244 a Abs. 6 Buchst. a RVO an sich Übergangsgeld zu gewähren ist, bestreitet auch die Beklagte nicht. Sie ist aber zu Recht der Auffassung, daß der Kläger Zahlung von Übergangsgeld nicht beanspruchen kann, weil ihm nach den vorgenannten Beschlüssen als nichtrentenversichertem - gemeint ist hier als nicht rentenversicherungspflichtig beschäftigtem und in der Rentenversicherung nicht freiwillig versichertem - Rentner ein Übergangsgeld in Höhe seiner Rente zusteht, auf das Übergangsgeld gemäß § 1241 Abs. 3 RVO die Rente anzurechnen ist und Übergangsgeld und Rente sich gegenseitig aufheben.

Das Gesetz hat es in § 1241 Abs. 2 Satz 1 RVO den Organen des Rentenversicherungsträgers übertragen, die Höhe des Übergangsgeldes festzusetzen. Es kann daher nur geprüft werden, ob die Organe der Beklagten die gesetzlichen Grenzen des ihnen eingeräumten Ermessens eingehalten und von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden Weise Gebrauch gemacht haben, wenn sie die Richtlinien des VDR über die Zahlung des Übergangsgeldes für die Beklagte für verbindlich erklärt und damit das Übergangsgeld für Rentner, die zur Zeit der Bewilligung der Rehabilitationsmaßnahmen nicht rentenversicherungspflichtig beschäftigt und in der Rentenversicherung nicht freiwillig versichert sind, in Höhe der Rente festgesetzt haben. Dies ist im Gegensatz zu den Auffassungen des SG und der Revision zu bejahen; denn für Empfänger von Renten wegen EU gilt die Vorschrift des § 1241 Abs. 2 Satz 2 RVO nicht.

Das SG hat angenommen, der Kläger gehöre auch als Empfänger einer Rente wegen EU zu den Versicherten im Sinne u.a. der §§ 1236 Abs. 1, 1244 a Abs. 1 RVO, weil er die in § 1244 a Abs. 2 Satz 1 RVO für Versicherte aufgestellten Voraussetzungen erfülle; denn er habe die Wartezeit nach § 1246 Abs. 3 RVO erfüllt; sodann seien auch erwerbsunfähige Rentner dem Begriff der Versicherten im Sinne des § 1236 Abs. 1 RVO zuzuordnen, wenn für sie die dort angeführten Bedingungen erfüllt seien. Hieraus sei zu folgern, daß auch der Empfänger einer Rente wegen EU Versicherter im Sinne des § 1241 Abs. 2 Satz 2 RVO sei. Dem kann indessen nicht gefolgt werden.

Zwar gehören die Empfänger von Renten wegen Berufsunfähigkeit (BU) oder wegen EU nach dem Recht der seit dem 1. Januar 1957 geltenden Rentenversicherungs-Neuregelungsgesetze auch zu den Versicherten im Sinne der allgemeinen Vorschriften der RVO, wie schon der Wortlaut des § 1254 Abs. 2 Satz 1 RVO zeigt und noch des näheren dargelegt wird. Hierin stimmen auch die Beteiligten überein. Gleichwohl haben die Bestimmungen der §§ 1236 Abs. 1, 1241 Abs. 2 Satz 2 bis 4 RVO und des § 1244 a Abs. 2 RVO keine Bedeutung für Versicherte, die bereits vor Beginn der Maßnahmen eine Rente wegen BU oder EU beziehen. Diese Rentner im Sinne des § 1244 a RVO und diese Empfänger von Rente im Sinne des § 1236 Abs. 2 RVO rechnen nicht zu den "Versicherten" im Sinne der §§ 1236 ff RVO über Maßnahmen zur Erhaltung, Besserung und Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit, weil das Gesetz sich in diesen Bestimmungen besonderer Begriffe bedient, wenn es von "Versicherten" einerseits und von "Empfängern von Rente" oder von "Rentnern" andererseits spricht. Das Gesetz trifft in diesen besonderen Vorschriften eine eigene, von den übrigen Vorschriften des 4. Buches der RVO unabhängige und nur für Rehabilitationsmaßnahmen geltende Unterscheidung der Begriffe "Versicherter", "Rentner" und "Empfänger von Rente" im Sinne des § 1236 Abs. 2 RVO.

Der Wortlaut des § 1241 Abs. 2 Satz 2 RVO trägt allerdings nicht der sonst in den §§ 1236 ff RVO vorgesehenen Unterscheidung von Versicherten und Rentnern in vollem Umfang Rechnung. In seinem ersten Teil wird von "Versicherten" und in seinem zweiten Teil von "Betreuten" gesprochen. Das Wort Betreuter kehrt auch in § 1241 Abs. 2 Satz 4 RVO wieder, obgleich diese Vorschrift sich ausdrücklich nur auf Satz 2 und 3, also die Versicherten, bezieht. Der Wortlaut der Vorschrift könnte zur Begründung der Ansicht herangezogen werden - hierauf beruft sich auch die Revision -, die Worte "Versicherter" und "Betreuter" würden hier gleichbedeutend gebraucht, so daß die Regelungen in § 1241 Abs. 2 Satz 2 bis 4 RVO auch für Rentner im Sinne des § 1244 a RVO und für Rentenempfänger im Sinne des § 1236 Abs. 2 RVO zu gelten hätten, weil der Begriff "Betreute" wie in § 1241 Abs. 2 Satz 1 RVO alle nach § 1236 ff RVO Berechtigten umfaßt, also Versicherte und Rentner. Daß dem Wortlaut des § 1241 Abs. 2 Satz 2 bis 4 RVO diese Bedeutung indessen nicht zukommt, zeigt die getroffene gesetzliche Regelung selbst und die Entstehungsgeschichte der §§ 1236 ff RVO.

Bereits die wiederholte und ausdrückliche Gegenüberstellung der Versicherten und der Rentner im I. Teil des Zweiten Abschnitts der RVO über Maßnahmen zur Erhaltung, Besserung und Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit sowie die in diesen Vorschriften für Versicherte und Rentner vorgesehenen unterschiedlichen Regelungen sprechen dafür, daß das Gesetz selbst die Empfänger von Rente nicht zu den Versicherten im Sinne dieser Vorschriften hat rechnen wollen. Ein einleuchtender Grund für die Abgrenzung der Versicherten von den Rentnern wäre sonst nicht ersichtlich.

Das Gesetz stellt nicht nur in § 1236 Abs. 1 und Abs. 2 RVO die Versicherten den Empfängern von Rente gegenüber, sondern auch in § 1243 Abs. 1 und Abs. 2 RVO. Spricht das Gesetz in der zwischen diesen Bestimmungen stehenden Vorschrift des § 1241 Abs. 2 Satz 2 RVO von "Versicherten", so tut es dies, wie auch die Entstehungsgeschichte der Vorschriften zeigt, bewußt und schließt damit die Empfänger von Rente von dieser Regelung aus. In dem durch § 31 des Tuberkulosehilfegesetzes - THG - mit Wirkung vom 1. Oktober 1959 (§ 38 Abs. 1 THG) in die RVO eingefügten § 1244 a RVO werden Versicherte und Rentner ebenfalls ausdrücklich unterschieden, nebeneinander genannt und gesonderten Regelungen unterworfen.

Das Gesetz hat von jeher bei der Regelung von Rehabilitationsmaßnahmen zwischen Versicherten und Rentnern unterschieden. Die Vorschrift des § 1310 RVO aF, die bis zum Inkrafttreten der Neuregelungsgesetze als damals alleinige Rehabilitationsmaßnahme die Einleitung eines Heilverfahrens vorschrieb, und ebenso § 1305 RVO in der noch älteren Fassung sahen vor, daß ein Heilverfahren u.a. einem Versicherten, aber auch einem zum Bezug von Invalidenrente Berechtigten gewährt werden konnte. Ebenso besagten die Richtlinien über das Tuberkuloseversorgungswerk der Rentenversicherung vom 3. Juni 1944 (AN 1944, 150), daß zu dem von der Rentenversicherung zu betreuenden Personenkreis der erkrankte Versicherte gehörte und daß als Versicherte auch die Rentenempfänger galten (II dieser Richtlinien). Von dieser geschichtlichen Entwicklung her findet die Unterscheidung von Versicherten und Rentnern in den §§ 1236 ff RVO ihre besondere Begründung; denn daß auch der Gesetzgeber der Neuregelungsgesetze bei den Rehabilitationsvorschriften des neuen Rechts von dieser geschichtlich bedingten Unterscheidung der Versicherten und Rentner ausgegangen ist, wird durch die Entstehungsgeschichte bestätigt.

In der Begründung des Regierungsentwurfs zu § 1241 RVO (jetzt § 1236 RVO) - BT-Drucks. II/2437 S. 67 - heißt es: "Absatz 2 erweitert die in Absatz 1 erteilte Ermächtigung bezüglich des Personenkreises. Dieselben Maßnahmen wie für Versicherte sollen auch für Empfänger von Invalidenrente und für Witwen und Witwer, die wegen Invalidität die erhöhte Rente nach § 1272 Abs. 2 beziehen, zulässig sein ...". Insbesondere ergeben die Gesetzesmaterialien zu § 1241 Abs. 2 Satz 2 RVO (= § 18 Abs. 2 Satz 2 des Angestelltenversicherungsgesetzes - AVG -) die Absicht des Gesetzgebers, daß die Vorschrift des § 1241 Abs. 2 Satz 2 RVO bewußt nur für das Übergangsgeld der Versicherten, nicht aber für alle Betreuten, also nicht für Rentner gelten sollte. Noch in der dem Kurzprotokoll der 132. Sitzung des Bundestagsausschusses für Sozialpolitik am 19. Dezember 1956 als Anlage beigegebenen "Zusammenstellung der Beschlüsse des Ausschusses für Sozialpolitik in zweiter Lesung zum Angestelltenversicherungsgesetz - AVG -" lautet § 18 AVG (= § 1246 - jetzt § 1241 - RVO) in Abs. 2 Satz 2: "Das Übergangsgeld beträgt mindestens 50 v.H. und höchstens 80 v.H. des Arbeitsentgelts oder Arbeitseinkommens, das im Durchschnitt der letzten zwölf mit Beiträgen belegten Monate der Beitragsentrichtung zugrunde lag". Erst in der 135. Sitzung am 10. Januar 1957 (Kurzprotokoll S. 5, 7) beschloß der Ausschuß für Sozialpolitik: "In § 1246 (ArVNG - § 18 (AnVNG) Abs. 2 wird im Interesse der Klarheit in Satz 2 hinter den Worten "Das Übergangsgeld" eingefügt "für Versicherte". Dabei wurde offenbar versehentlich unterlassen, in Abs. 2 Satz 2, 2. Alternative sowie in Satz 4 des § 1241 Abs. 2 RVO das Wort "Betreuten" durch das Wort "Versicherten" zu ersetzen.

Allerdings hatte die besondere Aufführung der Rentner neben den Versicherten in den früheren Vorschriften der RVO über Rehabilitationsmaßnahmen seine Berechtigung in dem früher geltenden Recht der RVO aF.; denn die Rentner gehörten nicht zu den Versicherten im Sinne der RVO a.F. Ein Versicherter, der invalide wurde, schied aus dem Kreis der Versicherten aus, weil jeder Versicherungsfall nach früherem Recht das Versicherungsleben beendete (Hanow/Lehmann, RVO, 4. Buch, 3. Aufl. § 1226 Anm. 8; Hanow/Lehmann/Bogs, Rentenversicherung der Arbeiter, 5. Aufl. § 1229, Randziff. 2). Das Recht der Neuregelungsgesetze hat demgegenüber eine wesentliche Änderung gebracht. Nunmehr wird das für den Versicherten durch wirksame Versicherungsbeiträge begründete Versicherungsverhältnis nicht mehr durch jeden Versicherungsfall beendet. Nach Eintritt der Versicherungsfälle der BU oder der EU läuft das Versicherungsverhältnis ohne Beitragsleistung weiter, selbst wenn aus ihnen eine Rente bezogen wird (Hanow/Lehmann/Bogs a.a.O. § 1229 Randziff. 2). Die einmal erworbene Eigenschaft als Versicherter kann nach neuem Recht, das die Anwartschaftserhaltung nicht mehr kennt, auch nicht mehr verloren gehen; es sei denn, die Beiträge werden erstattet (Jantz-Zweng, Das neue Recht der Rentenversicherung der Arbeiter und der Angestellten, 2. Aufl., § 1227 Anm. I).

Mögen die Empfänger von Rente wegen BU oder wegen EU unter dem geltenden Recht in diesem Sinne auch Versicherte sein, so gehören sie doch nicht zu den "Versicherten" im Sinne des § 1241 Abs. 2 Satz 2 RVO. Das Gesetz hat bei der Regelung der Rehabilitationsmaßnahmen in § 1244 a RVO grundsätzlich alle Rentner der Arbeiterrentenversicherung und in § 1236 Abs. 2 RVO diejenigen Versicherten, die aus bereits eingetretenen Versicherungsfällen der BU oder EU Rente beziehen, sowie die Empfänger von Hinterbliebenenrente, die wegen BU die erhöhte Rente nach § 1268 Abs. 2 Nr. 2 RVO erhalten, in die von der Arbeiterrentenversicherung zu gewährenden Rehabilitationsmaßnahmen mit einbezogen, obschon sie bereits Rentner sind. Diese Rentner behandelt das Gesetz im Rahmen der Rehabilitationsvorschriften ungeachtet dessen, ob sie noch zu den Versicherten im allgemeinen Sinne zählen, gesondert und anders als die Versicherten, bei denen ein Versicherungsfall mit Rentenbezug noch nicht eingetreten ist. Das Gesetz stellt sie den Berechtigten gleich, die früher als Rentner ebenfalls in den Kreis der Betreuten einbezogen waren, obgleich sie aus der Versicherung ausgeschieden waren. Die Unterscheidung zwischen Versicherten und Rentnern sowie ihre unterschiedliche rechtliche Behandlung bei der Gewährung von Rehabilitationsmaßnahmen ist somit nicht nur von der Sache her, sondern auch von der geschichtlichen Entwicklung her bedingt, an der der Gesetzgeber, wie die Entstehungsgeschichte der §§ 1236 ff RVO zeigt, bewußt festgehalten hat.

Die Beschlüsse der Organe der Beklagten- und damit die vom VDR erlassenen Richtlinien - halten sich also in den Grenzen der durch § 1241 Abs. 2 RVO erteilten Ermächtigung, die Höhe des Übergangsgeldes festzusetzen, wenn sie für Rentner, die nicht rentenversicherungspflichtig beschäftigt sind, die Vorschrift des § 1241 Abs. 2 Satz 2 RVO nicht angewandt haben.

In den Beschlüssen der Beklagten ist aber auch von der Ermächtigung in einer ihrem Zweck entsprechenden Weise Gebrauch gemacht, wenn das Übergangsgeld für diese Rentner in Höhe der Rente festgesetzt ist, obgleich das Gesetz in § 1241 Abs. 2 Satz 1 RVO vorschreibt, daß die Höhe des Übergangsgeldes unter Berücksichtigung der Zahl der von dem Betreuten vor Beginn der Maßnahmen überwiegend unterhaltenen Familienangehörigen festzusetzen ist. Zwar fallen unter den Begriff "Betreute" im Sinne des § 1241 Abs. 2 Satz 1 RVO - wie bereits ausgeführt - sowohl die Versicherten als auch die Rentner. Die Vorschrift gilt deshalb grundsätzlich auch für die Festsetzung der Höhe des Übergangsgeldes für Rentner. Das Gesetz hat aber selbst unter Berücksichtigung der in § 1241 Abs. 2 RVO gezogenen Grenzen den Organen des Trägers der Rentenversicherung einen weiten Ermessensspielraum für die Festsetzung der Höhe des Übergangsgeldes eingeräumt, um der Vielgestaltigkeit der Fälle, in denen Übergangsgeld zu gewähren ist, Rechnung tragen zu können. Die gesetzlichen Rahmenvorschriften in § 1241 Abs. 2 RVO für die Festsetzung der Höhe des Übergangsgeldes lassen erkennen, daß das Gesetz nur wenige Grundlinien dafür vorgezeichnet hat, in welcher Weise die Organe der Rentenversicherungsträger die Höhe des Übergangsgeldes bestimmen sollen. So gilt § 1241 Abs. 2 Satz 2 RVO schon nur für solche Versicherte, die die dort aufgestellten Voraussetzungen erfüllen. Für alle übrigen Versicherten - selbst für diejenigen, die den besonderen Voraussetzungen des § 1244 a Abs. 2 Satz 1 RVO 1. Alternative genügen - überläßt es das Gesetz bereits den Organen der Rentenversicherungsträger, die Höhe des Übergangsgeldes nach pflichtgemäßem Ermessen festzusetzen, und ebenso für die Empfänger von Hinterbliebenenrente im Sinne des § 1236 Abs. 2 RVO, für die Ehegatten und Kinder im Sinne des § 1244 a Abs. 1 und 2 RVO, für welche den Versicherten sowie den Rentnern bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres gemäß § 1244 a Abs. 6 Buchst. c RVO Übergangsgeld zu zahlen ist, und schließlich für die Empfänger von Rente wegen BU oder EU im Sinne des § 1236 Abs. 2 RVO sowie für Rentner im Sinne des § 1244 a RVO.

Ist hiernach den Organen des Versicherungsträgers ein weiter Ermessensspielraum eingeräumt, so wäre von dem Ermessen nur dann in einer der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht, wenn die Festsetzung des Übergangsgeldes für nicht rentenversicherungspflichtig beschäftigte und nicht freiwillig versicherte Rentner in Höhe ihrer Rente nicht dem Sinn und Zweck sowie dem Ziel des Gesetzes Rechnung trüge. Die Festsetzung der Höhe des Übergangsgeldes für Rentner in Höhe ihrer Rente entspricht aber dem mit der Zahlung von Übergangsgeld verfolgten Gesetzeszweck. Mit der Gewährung des Übergangsgeldes soll dem Betreuten und seinen Familienangehörigen während der Durchführung der Maßnahmen die bisherige, von seinem Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen bestrittene, wirtschaftliche Lebensführung weitgehend ermöglicht werden. Die wirtschaftliche Lage des Betreuten soll während der Durchführung der Rehabilitationsmaßnahmen möglichst unverändert bleiben, nicht aber soll der Betreute durch das Übergangsgeld mehr erhalten, als ihm vor und nach den Maßnahmen für seine wirtschaftliche Lebensführung zur Verfügung stand, wie sich aus der Begrenzung des Übergangsgeldes auf höchstens 80 vom Hundert des Arbeitseinkommens in § 1241 Abs. 2 Satz 2 RVO ergibt. Dem würde es widersprechen, wenn der Rentner, durch Anwendung dieser Vorschrift auch auf ihn, zu einem höheren Übergangsgeld gelangte als der Betrag seiner Rente ausmachte (Urteil des erkennenden Senats vom 13. Oktober 1967 in SozR Nr. 7 zu § 1241 RVO). Nach der Rahmenvorschrift des § 1241 Abs. 2 Satz 2 RVO ist schon für Versicherte nur das aus einer rentenversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit erzielte Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zu berücksichtigen und dieses auch nur in einer bestimmten Höhe. Durch die Zahlung des Übergangsgeldes ist daher eine wirtschaftliche Sicherstellung der Betreuten nur in beschränktem Umfang gesetzlich vorgesehen; sowohl der Versicherte als auch der Rentner müssen gewisse Nachteile in Kauf nehmen (BSG in SozR Nr. 9 zu § 1241 RVO). Wird dem Rentner, der zur Zeit der Bewilligung der Rehabilitationsmaßnahmen keiner rentenversicherungspflichtigen Beschäftigung mehr nachgegangen ist, während der Durchführung von Rehabilitationsmaßnahmen das Übergangsgeld stets in Höhe seiner Rente gewährt, so wird ihm damit die wirtschaftliche Lebensführung ermöglicht, auf die er sich vor Beginn der Maßnahmen durch den Bezug der - an die Stelle des Arbeitsentgelts getretenen - Rente eingerichtet hatte.

Ob das Übergangsgeld für Rentner durch die Organe des Rentenversicherungsträgers in anderer Weise hätte festgestellt werden können, kann nicht untersucht werden, weil die Zweckmäßigkeit, die Billigkeit und die Angemessenheit der Ermessensentschließung, wenn sie sich innerhalb der gesetzlichen Grenzen hält, nicht geprüft werden kann; denn das Gericht darf sein eigenes Ermessen nicht an die Stelle des Berechtigten setzen. Selbst wenn die Höhe des Übergangsgeldes für Rentner in einer anderen Weise hätte bestimmt werden können, als es in den Richtlinien des VDR geschehen ist, so kann doch nicht festgestellt werden, daß die von den Organen der Beklagten getroffene Ermessensentscheidung fehlerhaft wäre.

Die Beklagte hat das Übergangsgeld des Klägers für die Zeit seiner stationären Heilbehandlung nach den Beschlüssen ihrer Organe und den Richtlinien des VDR zu Recht in Höhe der Rente festgestellt, so daß der Anspruch auf Gewährung eines höheren Übergangsgeldes nicht begründet ist. Auf die Revision der Beklagten ist deshalb das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2284731

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