Leitsatz (amtlich)
BVG § 65 Abs 1 Nr 2 und BVG § 65 Abs 2 sind Sondervorschriften eigener Art. Nach ihnen tritt -wie bei allen Ruhensvorschriften des BVG- das Ruhen von Versorgungsleistungen kraft Gesetzes und unabhängig vom Zeitpunkt des Erlasses des Ruhensbescheides von dem Zeitpunkt an ein, seit dem eine Doppelversorgung (aus öffentlichen Mitteln) aus gleicher Ursache besteht.
Normenkette
BVG § 65 Abs. 1 Nr. 2 Fassung: 1953-08-07, Abs. 2 Fassung: 1953-08-07
Tenor
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg in Stuttgart vom 23. Februar 1961 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen.
Gründe
Der Kläger wurde am 4. März 1945 während der Ausübung seines Dienstes als Postbeamter in Pforzheim beim Angriff feindlicher Flieger durch Bordwaffenbeschuß am linken Fuß so schwer verwundet, daß der linke Vor- und Mittelfuß abgesetzt werden mußte. Wegen "Verlustes des linken Mittel- und Vorfußes" als Leistungsgrund bewilligte ihm die Landesversicherungsanstalt (LVA) Baden - Außenstelle Karlsruhe - deshalb mit Bescheid vom 30. März 1948 nach den Vorschriften des Gesetzes über Leistungen an Körperbeschädigte (KBLG) eine Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 40 v.H. Im Umanerkennungsbescheid nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) vom 22. April 1952 wurden Leidensbezeichnung und Höhe der MdE vom 1. Oktober 1950 an übernommen, mit einem weiteren Bescheid vom 4. Februar 1955 wurde in Ausführung eines landessozialgerichtlichen Urteils - bei unveränderter MdE - "erheblicher Muskelschwund am linken Bein" zusätzlich als Schädigungsfolge anerkannt.
Mit Schreiben vom 17. März 1954 an die Oberpostdirektion (OPD) Karlsruhe, in dem er auf die von der Versorgungsbehörde anerkannte Höhe der MdE und seinen Rentenbezug wegen des Schädigungsleidens hinwies, machte der Kläger die Gewährung eines beamtenrechtlichen Unfallausgleichs nach § 139 des Bundesbeamtengesetzes (BBG) geltend; mit Bescheid vom 11. Oktober 1954 gewährte ihm daraufhin die OPD wegen der am 4. März 1945 erlittenen Verwundung - als Dienstunfall - rückwirkend vom 1. September 1953 an einen Unfallausgleich in derselben Höhe (monatlich 20 DM) wie die vom Versorgungsamt (VersorgA) gezahlte Grundrente; eine Abschrift dieses Bescheides ging dem VersorgA am 5. Juli 1955 zu. Mit Schreiben vom 21. Oktober 1957 teilte die OPD dem VersorgA zusätzlich mit, daß auf Grund des Beamtenrechtsrahmengesetzes vom 1. Juli 1957 der Unfallausgleich an den Kläger vom 1. Januar 1955 an in Höhe der jeweils nach dem BVG zu zahlenden (Grund-)Rentenbezüge gewährt werde.
Am 25. Oktober 1957 erließ das VersorgA einen Bescheid über das Ruhen von Versorgungsbezügen nach § 65 BVG, mit dem es feststellte, daß die Rente des Klägers seit dem 1. September 1953 ruhe und deshalb von diesem Zeitpunkt an nicht zu zahlen gewesen sei; gleichzeitig sprach es die Verpflichtung des Klägers zur Rückerstattung der vom 1. September 1953 bis 31. Oktober 1957 erhaltenen Versorgungsbezüge aus, errechnete die Überzahlung unter Berücksichtigung eines von der OPD einbehaltenen - und später vom Kläger an das VersorgA abgetretenen - Betrages von 355 DM mit 982 DM und forderte diese zurück. Der Widerspruch des Klägers hatte keinen Erfolg.
Im Klageverfahren vor dem Sozialgericht (SG) Karlsruhe hat der Kläger beantragt, den angefochtenen Bescheid aufzuheben und den noch überzahlten Betrag in Ausgabe zu belassen. Das SG hat die Klage mit Urteil vom 4. September 1959 abgewiesen, weil die Rückforderung - bei monatlichen Rückzahlungsraten von 15 DM - wegen der wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers vertretbar sei, dieser im übrigen als Beamter auch hätte wissen müssen, daß er auf die gezahlten Versorgungsbezüge keinen Anspruch habe.
Auf die Berufung des Klägers, mit der dieser sich auf einen ihm zustehenden Vertrauensschutz und auf die Grundsätze von Treu und Glauben berufen hat, hat das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg in Stuttgart mit Urteil vom 23. Februar 1961 das Urteil des SG in vollem Umfange und den Bescheid vom 25. Oktober 1957 insoweit aufgehoben, als mit ihm die Bewilligung der Grundrente für die Zeit vom 1. September 1953 bis 31. Oktober 1957 zurückgenommen und die während dieser Zeit entstandene Überzahlung zurückgefordert worden ist. Es hat ausgeführt:
Der Bescheid vom 25. Oktober 1957 enthalte außer der Rückforderung nicht nur die deklaratorische Feststellung der kraft Gesetzes eingetretenen Rechtsfolge des Ruhens der Rente seit dem 1. September 1953, sondern er enthalte mit dem Ausspruch, daß eine Rente nach dem BVG seit dem 1. September 1953 nicht mehr zu zahlen sei, auch die - teilweise - Rücknahme des Bescheides vom 22. April 1952, soweit sich aus diesem die Bewilligung der Rente vom 1. September 1953 an ergebe. Die Zulässigkeit einer solchen Rücknahme lasse sich aus dem in § 62 Abs. 1 BVG enthaltenen Grundgedanken herleiten, daß ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung bei einer nachträglichen Änderung der Sach- und Rechtslage zurückgenommen werden könne. Im vorliegenden Falle sei die Rücknahme jedoch unwirksam. Denn nach den hier anwendbaren, vom Bundessozialgericht (BSG) aufgestellten Grundsätzen zur Frage der Ausübung eines von der Versorgungsverwaltung vorbehaltenen Widerrufsrechts (BSG 7, 226, 229, 230) dürfe ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung nicht widerrufen werden, wenn es pflichtgemäßem Verwaltungsermessen widerspreche, von dem Vorbehalt Gebrauch zu machen. Dies sei dann der Fall, wenn bei Abwägung der beiderseitigen Interessen das berechtigte Vertrauen des Leistungsempfängers in die Rechtmäßigkeit und den Bestand der Leistungsbewilligung gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Wiederherstellung des dem Recht entsprechenden Zustandes Schutz verdiene. Vorliegend beständen gegen die Anwendung dieser Grundsätze schon wegen Fehlens eines Widerrufsvorbehalts erst recht keine Bedenken. Der Kläger habe mit seiner Mitteilung an die OPD Karlsruhe, daß er vom VersorgA eine Rente nach einer MdE um 40 v.H. beziehe, alles getan, um den an der Regelung beteiligten Behörden die Vornahme der notwendigen Verwaltungsmaßnahmen zu ermöglichen; eine Verpflichtung zu weiterem Handeln ergebe sich weder aus dem Umanerkennungsbescheid noch aus dem Bescheid der OPD über die Gewährung von Unfallausgleich. Die Behauptung des Klägers, er sei der Ansicht gewesen, der Unfallausgleich der OPD stelle eine unabhängig von den Versorgungsbezügen zu gewährende besondere Entschädigung für einen in Ausübung seines Dienstes als Beamter erlittenen Körperschaden dar, lasse sich auch nicht widerlegen. Schließlich könne auch nicht unbeachtet bleiben, daß die Grundrente vom VersorgA noch drei Jahre lang nach der Bewilligung des Unfallausgleichs weitergezahlt worden sei, und daß die Versorgungsbehörde nach Kenntnis des Bezuges eines Unfallausgleichs noch zwei Jahre bis zum Rentenentzug gewartet habe. Die Rücknahme der Rentenbewilligung für die Zeit vom 1. September 1953 bis 31. Oktober 1957 sei somit rechtswidrig und der Bescheid vom 25. Oktober 1957 insoweit aufzuheben. Dasselbe gelte, da die Voraussetzungen des § 47 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung (VerwVG) nicht gegeben seien, für die in dem Bescheid ausgesprochene Rückforderung der empfangenen Leistungen. Deshalb bedürfe es keiner Entscheidung darüber, ob die Rückforderung gegebenenfalls auch nach § 47 Abs. 2 VerwVG ausgeschlossen sei. Soweit der Kläger allerdings die Aufhebung des Bescheides vom 25. Oktober 1957 in vollem Umfang, d.h. die Weiterzahlung der Grundrente auch über den 31. Oktober 1957 hinaus, begehre, könne seine Berufung keinen Erfolg haben. Das LSG hat die Revision zugelassen.
Gegen dieses ihm am 21. März 1961 zugestellte Urteil hat der Beklagte mit Schriftsatz vom 7. April 1961, eingegangen beim BSG am 11. April 1961, Revision eingelegt. Mit der - nach Verlängerung der Revisionsbegründungsfrist bis zum 21. Juni 1961 - am 19. Juni 1961 eingegangenen Revisionsbegründungsschrift vom 16. Juni 1961 rügt er die Verletzung der §§ 65 Abs. 2 BVG, 47 VerwVG, 103 und 128 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG).
Er führt dazu aus, das LSG habe bei seiner irrigen Anwendung der Rechtsprechung des BSG über den Widerruf der im Freistaat Bayern gewährten Vorschußzahlungen (BSG 7, 226) verkannt, daß ein nach § 65 BVG erteilter Ruhensbescheid nicht wie ein nach § 62 BVG erlassener Entziehungs- oder Änderungsbescheid zu behandeln sei. Denn mit dem im Falle des Klägers ergangenen Ruhensbescheid nach § 65 BVG sei - anders als mit einem Neufeststellungsbescheid nach § 62 BVG - lediglich festgestellt worden, daß der an sich noch vorhandene Anspruch auf Grund des Gesetzes in dem allein von diesem bestimmten Ausmaß und Zeitraum ruhe. Aus der rein deklaratorischen Bedeutung des Ruhensbescheides ergebe sich auch ohne weiteres, daß die Feststellung, die Versorgung ruhe, auf den Zeitpunkt des Eintritts des Ruhens zurückwirke. Da es sich bei den während der Zeit des Ruhens gezahlten Versorgungsbezügen um zu Unrecht empfangene Leistungen handele, seien diese auch grundsätzlich zurückzuzahlen, wobei allerdings einzuräumen sei, daß sich die Geltendmachung des an sich gegebenen Rückforderungsanspruchs nach § 47 VerwVG richte. Wenn das Berufungsgericht nicht geprüft habe, ob die Rückforderung der an den Kläger überzahlten Versorgungsbezüge nach § 47 Abs. 2 VerwVG gerechtfertigt sei, so beruhe dies offensichtlich auf seiner Rechtsauffassung, daß der Rückforderungsbescheid überhaupt unwirksam sei. Das Berufungsgericht sei zu dieser Rechtsauffassung möglicherweise nur deshalb gelangt, weil es angenommen habe, der Kläger sei beim Empfang der Versorgungsbezüge (nach Gewährung des Unfallausgleichs durch die OPD) völlig gutgläubig gewesen. Dabei hätte es sich mit der seiner Annahme entgegenstehenden Feststellung des SG auseinandersetzen müssen, daß es bei dem rechtlich nicht ungewandten Kläger als unwahrscheinlich anzusehen sei, daß er nicht gewußt habe, oder daß er mindestens habe wissen müssen, eine Doppelversorgung wegen der Verwundungsfolgen am linken Fuß stehe ihm nicht zu. Da das LSG diese Auseinandersetzung unterlassen habe, so habe es § 128 Abs. 1 SGG verletzt.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des LSG aufzuheben und die Berufung gegen das Urteil des SG Karlsruhe vom 4. September 1959 zurückzuweisen,
hilfsweise,
das Urteil des LSG Baden-Württemberg in Stuttgart vom 23. Februar 1961 aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückzuverweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen,
hilfsweise,
das Urteil des LSG Baden-Württemberg in Stuttgart vom 23. Februar 1961 aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückzuverweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Auf die Schriftsätze des Beklagten vom 7. April 1961 und 16. Juni 1961 sowie auf den Schriftsatz des Klägers vom 26. Juni 1961 wird verwiesen.
Die Revision ist vom Beklagten form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§ 164 Abs. 1 Satz 1 SGG) und durch Zulassung statthaft.
Die Revision ist auch begründet.
Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, daß der Kläger in der Zeit vom 1. September 1953 bis zum 31. Oktober 1957 neben der ihm vom VersorgA monatlich gezahlten Grundrente nach einer MdE um 40 v.H. von der OPD Karlsruhe zu seinen Dienstbezügen als Postbeamter einen monatlichen Unfallausgleich erhalten hat, der in seiner Höhe der jeweils nach dem BVG gewährten Grundrente entsprach. Ebenso unstreitig ist, daß sich der Gesamtbetrag der in diesem Zeitraum an den Kläger gezahlten Grundrente (1 337 DM) mit dem in der Zeit vom 1. September 1953 bis 31. Oktober 1957 von der OPD insgesamt gezahlten Unfallausgleich (1 337 DM) deckt. Da im übrigen der Kläger einen zunächst von der OPD einbehaltenen Betrag von 355 DM an den Beklagten abgetreten hat, stehen - als Rückforderungsbetrag - nur noch 982 DM im Streit. Der erkennende Senat hatte deshalb darüber zu entscheiden, ob der am 25. Oktober 1957 erteilte "Bescheid über das Ruhen von Versorgungsbezügen nach § 65 BVG" zu Recht ergangen ist, und ob der Beklagte darüber hinaus berechtigt ist, den von ihm als überzahlt festgestellten Betrag von 982 DM zurückzufordern.
Nach § 65 Abs. 1 Nr. 2 BVG nF ruht der Anspruch (§ 65 Abs. 1 BVG aF: das Recht) auf Versorgungsbezüge, wenn beide Ansprüche auf der gleichen Ursache beruhen, in Höhe des Unterschiedes zwischen einer Versorgung nach allgemeinen beamtenrechtlichen Bestimmungen und aus der beamtenrechtlichen Unfallfürsorge; nach § 65 Abs. 2 BVG nF ruht der Anspruch (§ 65 Abs. 2 BVG aF: das Recht) auf die Grundrente in Höhe der neben Dienstbezügen gewährten Leistungen aus der beamtenrechtlichen Unfallfürsorge, wenn beide Ansprüche auf der gleichen Ursache beruhen. Sinn und Zweck dieser Vorschriften ist danach, beim Zusammentreffen mehrerer, auf der gleichen Ursache beruhender Ansprüche Doppelleistungen, d.h. eine Doppelversorgung aus öffentlichen Mitteln zu vermeiden, gleichgültig, ob es sich bei den Anspruchsberechtigten um Ruhegeldempfänger oder um im aktiven Dienst befindliche Beamte handelt. Dabei kann im vorliegenden Fall nicht zweifelhaft sein, daß der Anspruch des Klägers auf Grundrente nach dem BVG ebenso wie sein Anspruch auf den von der OPD gezahlten beamtenrechtlichen Unfallausgleich auf der gleichen Ursache im Sinne des Gesetzes, nämlich auf der durch Bordwaffenbeschuß feindlicher Flieger am 4. März 1945 erlittenen Verletzung am linken Fuß - mit nachfolgendem Verlust des linken Vor- und Mittelfußes - beruhen.
Wie bereits dargelegt, hat das VersorgA mit Bescheid vom 25. Oktober 1957 den Eintritt des Ruhens der an den Kläger gezahlten Grundrente mit Wirkung vom 1. September 1953 an festgestellt, die Zahlung der Grundrente mit Ablauf des Monats Oktober 1957 eingestellt sowie die noch bestehende Überzahlung von 982 DM zurückgefordert. Das LSG hat diesen Bescheid als - teilweise - Rücknahme des Umanerkennungsbescheides vom 22. April 1952 (soweit sich aus diesem die Bewilligung der Rente vom 1. September 1953 an ergebe) angesehen und ihn für unwirksam, d.h. für rechtswidrig gehalten. Dabei trifft zu, daß es sich bei dem Umanerkennungsbescheid vom 22. April 1952, der ua auch die Bewilligung der Grundrente an den Kläger zum Inhalt hat, um einen begünstigenden und feststellenden Verwaltungsakt handelt, der wie alle Verwaltungsakte dieser Art nach § 77 SGG und § 24 VerwVG (ebenso wie nach allgemeinen verwaltungsrechtlichen Grundsätzen) zu dem Zeitpunkt in vollem Umfange in der Sache bindend geworden ist, in dem er dem Kläger zugegangen ist. Diese Bindungswirkung, die sich auch auf die Rente und ihre Höhe erstreckt, kann nur beseitigt werden, wenn das Gesetz hierzu ermächtigt. Solche gesetzlichen Ermächtigungen, die der Verwaltungsbehörde die Beseitigung der Bindung an einen von ihr erteilten Bescheid - als begünstigenden und feststellenden Verwaltungsakt - gestatten, sind im § 41 VerwVG und § 62 BVG enthalten; hier kann die Rücknahme eines Bescheides erfolgen, weil er infolge Änderung der Verhältnisse nachträglich rechtswidrig geworden ist, dort, weil er von Anfang an rechtswidrig gewesen ist.
In diese beiden gesetzlichen Ermächtigungen der §§ 41 VerwVG, 62 BVG zur Rücknahme eines bindend gewordenen Bescheides läßt sich jedoch die Ruhensvorschrift des § 65 BVG nicht einordnen, in § 41 VerwVG schon deshalb nicht, weil bei Erteilung eines Ruhensbescheides nach § 65 BVG regelmäßig von der Rücknahme eines bindend gewordenen Bescheides wegen seiner Rechtswidrigkeit von Anfang an nicht die Rede sein kann. § 62 BVG scheidet aber deshalb aus, weil neben ihm im § 65 BVG eine gesetzliche Vorschrift eigener Art steht, deren Anwendung durch die Verwaltungsbehörde auch Rechtswirkungen eigener Art zur Folge hat. Mit der Erteilung eines Ruhensbescheides nach § 65 BVG wird weder - ganz oder auch nur teilweise - an der Anerkennung des ursächlichen Zusammenhangs einer Gesundheitsstörung mit einem schädigenden Vorgang im Sinne des § 1 BVG noch an der Höhe der für die Schädigungsfolgen festgestellten Höhe der MdE gerüttelt; ebensowenig geht, soweit nicht auch die Vorschrift des § 65 Abs. 3 Nr. 1 und 2 BVG (über Ansprüche auf Heilbehandlung aus gleicher Ursache und über Ansprüche auf entsprechende Leistungen) Anwendung finden muß, der Beschädigte seines Anspruchs auf Heilbehandlung nach den Vorschriften des BVG verlustig; und schließlich wird auch der bestehende und bindend festgestellte Anspruch auf die zugesprochenen Versorgungsbezüge bzw. auf die zugesprochene Grundrente weder dem Grunde noch der Höhe nach geändert; er erlischt nicht und besteht unverändert fort. Einzige Rechtswirkung eines nach § 65 BVG erteilten Ruhensbescheides ist vielmehr, daß der Anspruch auf Rente in Höhe der aus der beamtenrechtlichen Unfallversorgung gewährten Leistungen ruht, d.h. daß neben diesen Leistungen bis zu ihrer Höhe Rente nach dem BVG zur Vermeidung einer Doppelversorgung aus gleicher Ursache nicht gezahlt werden kann, weil kein Recht auf diese jeweils fälligen Leistungen besteht. Dabei muß schon aus der Tatsache, daß das Gesetz bei unverändertem Weiterbestehen des Stammrechts lediglich eine Doppelversorgung aus gleicher Ursache vermieden wissen will, der Schluß gezogen werden, daß das Ruhen der Grundrente ihrer Minderung oder Entziehung im Sinne des § 60 Abs. 4 BVG als Folge einer Änderung der Verhältnisse (§ 62 BVG) nicht gleichgesetzt werden kann; deshalb kann auch die Vorschrift des § 60 Abs. 4 BVG, daß eine Minderung oder Entziehung der Grundrente erst mit Ablauf des Monats eintritt, der auf die Zustellung des die Änderung aussprechenden Bescheides folgt, weder unmittelbar noch entsprechend angewandt werden. Das bedeutet gleichzeitig, daß nach der - neben den Ausnahmevorschriften der §§ 41 VerwVG, 62 BVG stehenden - Ausnahmevorschrift (eigener Art) des § 65 BVG das Ruhen von Versorgungsleistungen kraft Gesetzes unabhängig vom Zeitpunkt des Erlasses eines dahingehenden Bescheides eintritt, und daß die Ruhensvorschriften ohne Rücksicht auf den früher erteilten und bindend gewordenen, sogar bindend gebliebenen Bescheid rückwirkend von dem Zeitpunkt an anzuwenden sind, in dem ihre Voraussetzungen, nämlich die im Falle ihrer Nichtanwendung bestehende Doppelversorgung aus gleicher Ursache, gegeben sind. Dabei gilt, ohne daß es dann eines besonderen Antrages des Versorgungsberechtigten oder einer besonderen Entscheidung der Versorgungsbehörde bedarf, Entsprechendes, wenn die Voraussetzungen zur Anwendung der Ruhensvorschriften von einem rückwirkenden Zeitpunkt an entfallen; die als ruhend festgestellten Versorgungsleistungen leben rückwirkend wieder auf und sind rückwirkend von dem Zeitpunkt an wieder zahlbar zu machen, in dem eine Doppelversorgung aus gleicher Ursache nicht mehr erfolgt (s. dazu auch BSG 11/10 RV 141/57 vom 13. Oktober 1959). Diese Rechtsauffassung findet im übrigen eine wesentliche Stütze in der Vorschrift des § 64 Abs. 1 Satz 2 BVG nF, nach der die Zahlung von Versorgungsbezügen im Falle des Ruhens wegen Wohnsitznahme oder ständigen Aufenthalts des Versorgungsberechtigten außerhalb des Geltungsbereiches des BVG mit Ablauf des Monats eingestellt werden muß, in dem das Ruhen wirksam wird, und nach der die Zahlung mit Beginn des Monats wieder aufgenommen wird, in dem das Ruhen endet (vgl. auch § 64 Abs. 2 Satz 1 und 2 BVG aF: "Tritt das Ruhen des Rechts auf Versorgungsbezüge im Laufe eines Monats ein, so wird die Zahlung mit Ende dieses Monats eingestellt ...; lebt das Recht auf Versorgungsbezüge im Laufe eines Monats wieder auf, so beginnt die Zahlung mit dem Ersten dieses Monats ..."). Zwar ist nicht erkennbar, warum diese Vorschrift des § 64 BVG nicht auch im § 65 BVG aufgenommen oder wenigstens auf die in ihm gesetzlich geregelten Ruhensfälle für anwendbar erklärt worden ist. Ebensowenig ist aber auch ersichtlich, daß in den Fällen des § 65 BVG das Ruhen der Versorgungsleistungen und insbesondere sein Beginn und Ende bzw. das Ende und der Beginn der Zahlung anders als im Falle des § 64 BVG gehandhabt werden sollen und können. Das Ruhen von Versorgungsleistungen aus dem einen Grunde (§ 64 BVG) kann hinsichtlich des Endes und Beginns der jeweils fälligen Zahlungen keine andere Wirkung haben als das Ruhen aus anderen Gründen (§ 65 BVG).
Bei dieser Sach- und Rechtslage bedurfte es keiner Erörterungen mehr zu der Frage, ob, wie der erkennende Senat in früheren Entscheidungen zum § 65 BVG (BSG 4, 281; 7, 206; SozR VerwVG § 47 Bl. Ca 12 Nr. 4) ausgeführt hat, die Feststellung des Ruhens von Versorgungsleistungen durch die Verwaltungsbehörde rückwirkend vom Bestehen einer Doppelversorgung aus gleicher Ursache an ua auch deshalb gerechtfertigt sein könnte, weil "Bescheide, die über einen Leistungsanspruch entscheiden, stets unter dem Vorbehalt der Kürzung erlassen werden" (vgl. dazu Urteil des 11. Senats des BSG vom 24. April 1963, SozR BVG § 65 Bl. Ca 3 Nr. 6). Im übrigen brauchte sich der Senat auch nicht mit diesem vorstehend angeführten Urteil des 11. Senats auseinanderzusetzen. Denn in dem dort entschiedenen Fall war die Sach- und Rechtslage insofern eine andere, als im Zeitpunkt der Erteilung des Bewilligungsbescheides bereits Bezüge aus der beamtenrechtlichen Unfallfürsorge gezahlt worden waren, so daß der Bewilligungsbescheid von Anfang an rechtswidrig war.
Vorliegend ist danach, entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts, der dem Kläger vom VersorgA Karlsruhe nach § 65 BVG erteilte Bescheid vom 25. Oktober 1957, mit dem das Ruhen der Grundrente vom 1. September 1953 bis zur Einstellung der Zahlungen am 31. Oktober 1957 und eine dadurch entstandene Überzahlung von 1 337 DM abzüglich vom Kläger abgetretener 355 DM = 982 DM festgestellt worden ist, nicht rechtswidrig; das VersorgA war berechtigt, diese - kraft Gesetzes gebotenen - Feststellungen für den gesamten, in Frage stehenden Zeitraum zu treffen, ohne daß hierbei zu Gunsten des Klägers berücksichtigt werden kann, daß die OPD dem VersorgA von der Bewilligung des Unfallausgleichs durch Bescheid vom 11. Oktober 1954 erst am 5. Juli 1955 Mitteilung gemacht hat, und daß das VersorgA sodann bis zur Erteilung des Ruhensbescheides an den Kläger noch mehr als 2 Jahre hat verstreichen lassen.
Wenn das LSG von seiner Rechtsauffassung aus - der Bescheid vom 25. Oktober 1957 sei für die Zeit vom 1. September 1953 bis 31. Oktober 1957 nicht rechtmäßig - mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 47 Abs. 1 Satz 1 VerwVG ein Rückforderungsrecht des Beklagten verneint und daher den Bescheid vom 25. Oktober 1957 auch insoweit für rechtswidrig angesehen hat, so kann ihm auch in dieser Hinsicht schon deswegen nicht gefolgt werden, weil der Bescheid vom 25. Oktober 1957, wie oben dargelegt, zutreffend davon ausgegangen ist, daß die Grundrente des Klägers auch in der Zeit vom 1. September 1953 bis 31. Oktober 1957 geruht hat.
Der Senat konnte jedoch trotz seiner - das Berufungsgericht bindenden - Entscheidung über die rechtmäßige Feststellung des Ruhens der Grundrente des Klägers für die Zeit vom 1. September 1953 bis 31. Oktober 1957 nicht auch darüber entscheiden, ob die Rückforderung des zu Unrecht empfangenen Betrages von 982 DM durch die Verwaltungsbehörde gerechtfertigt ist oder nicht. Denn das LSG hat, nachdem es die Voraussetzungen des § 47 Abs. 1 Satz 1 VerwVG als nicht gegeben angesehen hat, nach seiner Rechtsauffassung zutreffend auch die Notwendigkeit einer Prüfung und Entscheidung dahin, ob der Beklagte zur Rückforderung berechtigt ist, verneint. Es hat deshalb hierzu keinerlei Feststellungen getroffen. Eigene Feststellungen zu treffen ist dem erkennenden Senat aber verwehrt, so daß die fehlenden Feststellungen vom Berufungsgericht nachgeholt werden müssen.
Deshalb war das angefochtene Urteil aufzuheben und zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen (§ 170 Abs. 2 Satz 2 SGG).
Die Entscheidung über die Kosten bleibt dem abschließenden Urteil vorbehalten.
Fundstellen
Haufe-Index 2304889 |
BSGE, 161 |