Entscheidungsstichwort (Thema)
Ungeklärte Grundsätze, nach denen die überwiegende Unterhaltsleistung der Ehefrau zu beurteilen ist. Bezüge als Stadtverordneter. Wirtschaftlicher Wert der Haushaltsarbeit. Begriff des "überwiegenden Unterhalts"
Leitsatz (redaktionell)
1. Es kommt nur darauf an, welche Geldmittel vom Kläger für den Unterhaltsverbrauch beider Eheleute tatsächlich geleistet worden sind. Es kommt nicht auf die Rechtsnatur der Bezüge an, die der Kläger zur Deckung des Unterhaltsverbrauchs beider Eheleute beigesteuert hat. Der wirtschaftliche Wert der Haushaltsführung durch die Ehefrau ist hier mit 279,60 DM monatlich bemessen worden. Die von einem Ehegatten als weitere Unterhaltsleistung erbrachte Arbeit im Haushalt kann nur mit ihrem realen Wort - an sich in natura - angerechnet werden, den sie neben der Gewährung von Kost und Wohnung hat.
2. Für die Beurteilung des überwiegenden Unterhalts ist der letzte wirtschaftliche Dauerzustand maßgebend; dabei ist ua von Bedeutung, welche Mittel für den Lebensunterhalt tatsächlich verbraucht und wie sie aufgebracht wurden.
3. Die Rechtsnatur des Einkommens ist bei der Feststellung, ob der überwiegende Unterhalt geleistet wurde, nicht entscheidend; deshalb sind auch Entschädigungen für ehrenamtliche Tätigkeit, soweit sie zum Unterhalt der Familie verwendet werden, zu berücksichtigen.
4. Auch der wirtschaftliche Wert der Haushaltsführung ist als Unterhaltsleistung anzusehen; dabei kann von der Arbeitszeit und dem Entgelt (ohne Kost und Wohnung) einer qualifizierten Hausangestellten ausgegangen werden.
5. Das Revisionsgericht kann nicht anstelle des vorinstanzlichen Gerichts eine eigene Beweiswürdigung vornehmen, es kann nur prüfen, ob das Tatsachengericht die Grenzen seines Rechts der freien Beweiswürdigung insbesondere dadurch überschritten hat, daß es wesentliche Ergebnisse des Verfahrens nicht berücksichtigt, Erfahrungssätze nicht oder nichtig richtig angewandt oder gegen die Denkgesetze verstoßen oder willkürlich verfahren hat.
Orientierungssatz
Zur Frage, wann ein Ehegatte den Unterhalt der Familie überwiegend bestritten hat.
Zur Frage, welcher Wert der Arbeitsleistung einer Ehefrau im Haushalt beizumessen ist?
Normenkette
RVO § 1266 Fassung: 1957-02-23
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 18. Oktober 1967 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Der Kläger begehrt Witwerrente gemäß § 1266 Abs. 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO) aus der Versicherung seiner am 30. August 1963 gestorbenen Ehefrau I. geb. W. Die Beklagte lehnte seinen im Oktober 1963 gestellten Antrag durch Bescheid vom 12. November 1964 ab, weil nicht nachgewiesen sei, daß die verstorbene Versicherte den Unterhalt ihrer Familie überwiegend bestritten habe. Klage und Berufung blieben ohne Erfolg. Das Landessozialgericht (LSG) hat die Revision zugelassen.
Nach den von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des LSG arbeitete der im Jahre 1895 geborene Kläger bis zum Tode seiner versicherten Ehefrau als selbständiger Schuhmachermeister ohne fremde Hilfe. Mit seiner im Jahre 1892 geborenen Ehefrau bewohnte er am Stadtrand von D. ein ihnen zu gleichen Teilen gehörendes Einfamilienhaus mit einer Wohnfläche von 60 qm und mit 4 Räumen, von denen der Kläger einen Raum als Werkstatt benutzte. Die Ehefrau versah den Haushalt. Der Kläger ging in seiner Werkstatt seinem Gewerbebetrieb nach. Das LSG hat weiterhin als festgestellt angesehen, der Kläger habe seit Anfang des Jahres 1963 zu dem Unterhalt der Familie, die nur aus dem Kläger und seiner Ehefrau bestanden habe, monatlich seine Rente von 152,50 DM, einen Teil seiner Bezüge als Stadtverordneter in Höhe von 67,50 DM und seinen Gewinn aus Gewerbebetrieb von 323,70 DM, insgesamt also 543,70 DM geleistet. Die versicherte Ehefrau habe zum Familienunterhalt ihre Rente von 134,30 DM monatlich beigesteuert. Der wirtschaftliche Wert ihrer Haushaltsführung, der nach Ansicht des LSG als Unterhaltsleistung zu berücksichtigen sei, habe 279,60 DM betragen. Die Ehefrau habe demnach dem Unterhalt der Familie monatliche Leistungen in Höhe von 413,90 DM zugewendet.
Das LSG ist zu dem Ergebnis gelangt, daß der Unterhaltsbeitrag der verstorbenen Ehefrau um 130,- DM hinter dem des Klägers zurückgelegen habe, so daß nicht festgestellt werden könne, daß ihre Unterhaltsleistungen überwogen hätten.
Selbst wenn der Gewinn des Klägers aus Gewerbebetrieb niedriger gewesen sei, dann müßte unterstellt werden, daß der in der maßgebenden Zeit des Jahres 1963 erzielte Gewinn und seine sonstigen Einkünfte jedenfalls 196,- DM monatlich betragen hätten, so daß sich das Gesamteinkommen des Klägers in diesem Fall auf 416,- DM beliefe und damit immer noch höher gewesen sei als das seiner verstorbenen Ehefrau.
Gegen das Urteil hat der Kläger Revision eingelegt, mit der er Verletzung der §§ 103, 106, 128 Abs. 1 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) und unrichtige Anwendung des § 1266 Abs. 1 RVO rügt. Die Revision meint, das LSG habe das monatliche Einkommen des Klägers zu hoch berechnet und den Wert der von seiner verstorbenen Ehefrau geleisteten Hausarbeit zu niedrig festgestellt. Insbesondere habe es unzulässigerweise die Stadtverordnetenbezüge des Klägers seinem Einkommen hinzugerechnet. Das LSG hätte die Rechtsnatur der Stadtverordnetenbezüge durch eine Anfrage bei der Stadt D. ermitteln müssen. Die gewährten Bezüge seien eine Aufwandsentschädigung und könnten auch nicht als eine monatlich regelmäßig wiederkehrende, der Höhe nach feststehende Leistung an ihn angesehen werden, so daß sie im Rahmen des § 1266 RVO nicht berücksichtigungsfähig seien. In vier Stunden habe sich der Haushalt des Klägers und seiner verstorbenen Ehefrau mit Einkaufen, Kochen, Wäschewaschen und In-Ordnung-Halten der Wohnung nicht führen lassen.
Das LSG habe auch den Wert der von der Ehefrau geleisteten Haushaltsarbeit mit nur 2,33 DM pro Stunde bei 4 Arbeitsstunden zu gering ermittelt.
Schließlich meint die Revision, das Einkommen des Klägers aus seinem Gewerbebetrieb habe im Jahre 1963 etwa 115,- DM betragen. Die Schlußfolgerung des LSG, der Kläger habe im Monat mindestens 190 Arbeitsstunden in seinem Gewerbebetrieb verrichtet und habe hierbei für jede Arbeitsstunde mindestens 2,13 DM an Einkommen erzielt, stelle einen Verstoß gegen die Denkgesetze dar; denn aus dem Umstand, daß der Kläger für die Ausführung bestimmter Arbeiten eine bestimmte Arbeitszeit benötigt habe, könne nicht der Umkehrschluß gezogen werden, daß er bei einer bestimmten Arbeitszeit auch entsprechende Arbeiten mit einem bestimmten Erlös verrichtet habe. Wie der Kläger in seiner Vernehmung am 17. März 1967 selbst eingeräumt habe, habe er an manchen Tagen überhaupt keine Arbeit gehabt.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
die Urteile des LSG Nordrhein-Westfalen vom 18. Oktober 1967 und des Sozialgerichts (SG) Aachen vom 29. Juli 1966 sowie den Bescheid der Beklagten vom 12. November 1964 aufzuheben und diese zu verurteilen, ihm Witwerrente für die Zeit vom 1. September 1963 an zu gewähren,
hilfsweise
das angefochtene Urteil mit den ihm zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG in Essen zurückzuverweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für richtig und die von der Revision gerügten wesentlichen Mängel im Verfahren des LSG nicht für vorliegend.
II
Die Revision ist nicht begründet.
Der Entscheidung des LSG, daß der Kläger keinen Anspruch auf Witwerrente hat, ist im Ergebnis beizupflichten.
Nach § 1266 Abs. 1 RVO erhält Witwerrente der Ehemann nach dem Tode seiner versicherten Ehefrau, wenn die Verstorbene den Unterhalt ihrer Familie überwiegend bestritten hat. Mit Recht hat das LSG diese gesetzliche Voraussetzung nicht als erfüllt angesehen.
Die Rechtsauffassung, die das LSG seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat, geht dahin, daß ein Ehegatte den Unterhalt der Familie nur dann überwiegend bestritten hat, wenn sein Beitrag zum gemeinsamen Haushalt größer gewesen ist als der des anderen Ehegatten. Diese Rechtsansicht wird zwar auch vom 3. und 1. Senat des Bundessozialgerichts (BSG), nicht aber vom 2. und 4. Senat des BSG vertreten.
Der 4. Senat hat in seinem Urteil vom 23. August 1966 (BSG 25, 157) zu § 1241 RVO für ein Ehepaar mit Kindern ausgesprochen, in einem Mehrpersonenhaushalt sei ein Familienangehöriger von dem Betreuten nicht überwiegend unterhalten worden, wenn aus seinem Beitrag oder dem Beitrag eines anderen zur gemeinsamen Haushaltsführung wenigstens die Hälfte des auf ihn entfallenden Unterhaltsaufwandes gedeckt sei. Aus dem unterschiedlichen Wortlaut des Gesetzes einerseits in den Vorschriften der §§ 593, 1266 RVO und andererseits in den Vorschriften der §§ 182 Abs. 4 Satz 2, 186 Abs. 1 Satz 2, 205 Abs. 3, 1241 Abs. 2 Satz 1 RVO, 589 RVO aF., § 2 Abs. 1 Nr. 7 des Bundeskindergeldgesetzes, in denen einmal auf den überwiegenden Unterhalt der Familie und zum anderen auf den überwiegenden Unterhalt einzelner Familienangehöriger abgestellt ist, hat der 4. Senat geschlossen, daß ein Versicherter einen Angehörigen dann überwiegend unterhalten habe, "wenn er effektiv mehr als die Hälfte des Lebensunterhalts dieses Angehörigen bestritten hat". Der 4. Senat hat sich damit dieselben Grundsätze zu eigen gemacht, von denen auch der 2. Senat in seinem Urteil vom 25. Mai 1961 (BSG 14, 203) ausgegangen ist. Hier hat der 2. Senat des BSG zu § 589 RVO entschieden, "eine überwiegende Unterhaltsleistung läge nur vor, wenn die Ehefrau mehr als die Hälfte zum Unterhalt des Klägers beigetragen hätte".
Demgegenüber hat der 3. Senat in seinem Urteil vom 13.Februar 1964 (BSG 20, 148) entschieden, daß, wenn das gesamte Einkommen des Versicherten und seines Ehegatten zur Bestreitung des Familienunterhalts verwandt und der Haushalt von ihnen gemeinsam geführt wird, der Versicherte seinen Ehegatten "bisher überwiegend unterhalten" hat (§§ 182 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2, 186 Abs. 1 Satz 2 RVO, beide Vorschriften in der Fassung des Ersten Leistungsverbesserungsgesetzes), wenn er während des letzten wirtschaftlichen Dauerzustandes vor Eintritt des Versicherungsfalles mehr als sein Ehegatte verdient und daher einen höheren Beitrag zum gemeinsamen Familienunterhalt geleistet hat (ebenso 1. Senat des BSG, Urteil vom 14.2.1964 in SozR Nr. 4 zu § 1266 RVO). Obgleich die Vorschriften, zu denen diese Entscheidung ergangen ist, darauf abstellen, daß der Versicherte einen Angehörigen bisher ganz oder überwiegend unterhalten hat und streitig war, ob der Kläger seine Ehefrau bisher überwiegend unterhalten hatte, hat der 3. Senat, wie schon das Reichsversicherungsamt (RVA) in der grundsätzlichen Entscheidung Nr. 3379 AN 1929, 145, 146 ausgeführt, daß derjenige Ehegatte den anderen überwiegend unterhalten habe, dessen Arbeitsverdienst mehr als die Hälfte des Gesamteinkommens beider Ehegatten betragen habe und daß die mitverdienende Ehefrau ihren eigenen Arbeitsverdienst nicht für sich allein verbrauche, sondern mit zum gemeinsamen Familienunterhalt beitrage, so daß es ausgeschlossen sei, ihren Unterhaltsbeitrag auf ihren Unterhalt - vorweg - anzurechnen. Der 3. Senat hat ausgeführt, "wenn somit - wie im vorliegenden Fall - die Ehefrau 200,- DM - = 1/3 - und der Ehemann 400,- DM - = 2/3 - zum Familienunterhalt beigetragen hat, so sind die gesamten Haushaltsausgaben dieser Familiengemeinschaft zu 1/3 von der Ehefrau, zu 2/3 von dem Ehemann bestritten worden. Sowohl der auf die Ehefrau als auch der auf den Ehemann entfallende Verbrauch ist zu 1/3 von der Ehefrau, zu 2/3 vom Ehemann getragen worden. Der mehr verdienende Ehemann hat somit die Ehefrau überwiegend unterhalten".
Der 3. Senat hat abschließend darauf hingewiesen, der 2. Senat des BSG habe in seinem Urteil vom 25. Mai 1961 (BSG 14, 203, 205) bei der Prüfung der Voraussetzungen der Witwerrente nach § 589 RVO aF. die Frage der überwiegenden Unterhaltsleistung anders als der erkennende Senat beurteilt. Die genannte Regelung unterscheide sich aber sowohl der Fassung als auch dem Inhalt nach von den im vorliegenden Fall anzuwendenden Vorschriften, so daß der Große Senat nicht nach § 42 SGG habe angerufen zu werden brauchen.
Der 1. Senat des BSG hat durch Beschluß vom 27. Juni 1967 - 1 RA 305/65 - gemäß § 42 SGG dem Großen Senat des BSG die Rechtsfrage zur Entscheidung vorgelegt, ob ein Ehegatte, der ohne weitere Angehörige mit seinem Ehegatten einen gemeinsamen Haushalt führt und außerhalb dieses Haushalts keine Angehörigen unterhält, seinen Ehegatten dann im Sinne des § 18 Abs. 2 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) (= § 1241 Abs. 2 RVO) überwiegend unterhalten hat, wenn sein Beitrag zum gemeinsamen Haushalt größer ist als die Hälfte der Summe der Beiträge beider Ehegatten. Der 1.Senat ist der Auffassung, daß die Frage, ob der eine Ehegatte den anderen überwiegend unterhalten habe, nicht nach grundsätzlich verschiedenen Methoden beantwortet werden könne, je nachdem, ob Kinder vorhanden seien oder nicht; er neige zudem dazu, sich der Auffassung des 3. Senats insoweit anzuschließen, als dieser den wirtschaftlichen Wert des Unterhaltsbeitrags des einen Ehegatten nicht vorweg ganz auf den auf ihn entfallenden Anteil am Unterhaltsaufwand angerechnet wissen wolle.
Die Grundsätze, nach denen zu beurteilen ist, ob die versicherte Ehefrau den Unterhalt der Familie im Sinne des § 1266 Abs. 1 RVO überwiegend bestritten hat, sind ungeklärt, weil durch die Rechtsprechung des BSG zwei verschiedene Wege hierfür gewiesen sind. Jedoch braucht für die Entscheidung des vorliegenden Falles die Entscheidung des Großen Senats des BSG nicht abgewartet zu werden; denn die versicherte Ehefrau des Klägers hat in keinem Falle den überwiegenden Unterhalt der Familie bestritten, sei es, daß danach verfahren wird, wie der 2. und 4. Senat meinen, daß der Kläger sich auf seinen Unterhaltsverbrauch vorweg sein eigenes Einkommen anrechnen lassen muß, sei es, daß der Auffassung des 3. und 1. Senats zu folgen ist, nach der es darauf ankommt, ob die versicherte Ehefrau durch ihre Rente und den Wert ihrer Haushaltsführung einen höheren Beitrag zu dem gemeinsamen Lebensunterhalt der Familie tatsächlich beigetragen hat als der Kläger. Nach den Feststellungen des LSG, die für das BSG gemäß § 163 SGG bindend sind, weil gegen sie zulässige und begründete Revisionsgründe nicht vorgebracht sind, hat die Ehefrau des Klägers weder in dem einen noch in dem anderen Fall zum Unterhaltsverbrauch des Klägers oder zum gemeinsamen Unterhaltsverbrauch beider Eheleute (Familie) mehr als die Hälfte beigetragen.
Die Feststellung des LSG, daß der Kläger und seine Ehefrau die für ihren gemeinsamen Lebensunterhalt verwendeten geldwerten Mittel zu gleichen Anteilen verbraucht haben, wird von der Revision nicht angegriffen. Sie entspricht bei den sozialen Verhältnissen, in denen der Kläger und seine verstorbene Ehefrau gelebt haben, auch der Lebenserfahrung (vgl. RVA in AN 1929, 145, 146; BSG 20, 148, 151). Ebensowenig werden von der Revision Einwendungen dagegen erhoben, daß der gemeinsame Unterhaltsverbrauch der Eheleute durch die geldwerten Mittel gedeckt worden ist, die ihnen durch ihre Einkommen zur Verfügung standen. Auch hiervon kann bei den verhältnismäßig einfachen Lebensbedingungen, unter denen der Kläger und seine frühere Ehefrau lebten, nach der Lebenserfahrung ausgegangen werden (BSG SozR Nr. 4 zu § 1266 RVO). Ferner ist der Ansicht des LSG zuzustimmen, daß es für die Beurteilung, ob der überwiegende Unterhalt bestritten worden ist, nur von Bedeutung ist, welche Mittel tatsächlich für den Lebensunterhalt verbraucht sind und wie dieser Unterhaltsverbrauch tatsächlich gedeckt worden ist. Weder die Unterhaltsberechtigung des einzelnen Ehegatten ist entscheidend, noch die Rechtsnatur des Einkommens, aus dem ein Ehegatte zu dem Unterhaltsverbrauch tatsächlich beigetragen hat (BSG 20, 148, 151). Schließlich befindet sich das LSG in Übereinstimmung mit der ständigen Rechtsprechung des BSG, wenn es der Beurteilung des überwiegenden Unterhalts den letzten wirtschaftlichen Dauerzustand zugrunde gelegt hat, also den, der seit Januar 1963 bis zum Tode der Versicherten bzw. dem Beginn der zum Tode führenden Krankheit bestanden hat (BSG 14, 129; 20, 148; BSG SozR Nr. 3 und 4 zu § 1266 RVO).
Mit Recht hat demnach das LSG zu dem Beitrag, den der Kläger zum Unterhalt der Familie geleistet hat, einen Teil seiner Bezüge als Stadtverordneter im Betrage von 67,50 DM gerechnet; denn es kommt nur darauf an, wie bereits dargelegt ist, welche Geldmittel von ihm für den Unterhaltsverbrauch beider Eheleute tatsächlich geleistet worden sind. Das LSG hat zutreffend ausgeführt, daß es nicht auf die Rechtsnatur der Bezüge ankommt, die der Kläger zur Deckung des Unterhaltsverbrauchs beider Eheleute beigesteuert hat. Die Einwendungen der Revision, mit denen sie sich gegen die Zulässigkeit der Anrechnung dieser Bezüge als Unterhaltsleistung wendet, greifen demnach nicht durch. Das LSG hat auch nicht - wie die Revision behauptet - unterstellt, daß sämtliche Bezüge, die der Kläger als Stadtverordneter hatte, dem Haushalt zugeflossen seien. Die Feststellung des LSG, daß der Kläger in Höhe von 67,50 DM seine Stadtverordnetenbezüge zum Unterhaltsverbrauch der Familie verwandt hat, beruhen vielmehr auf den eigenen wiederholt gemachten Angaben des Klägers selbst. Diesen Vortrag des Klägers hatte das LSG bei seiner Entscheidung gemäß § 128 Abs. 1 Satz 1 SGG als Teil des Gesamtergebnisses des Verfahrens zu berücksichtigen. Dafür, daß diese eigenen Angaben des Klägers nicht der Wahrheit entsprechen, bestand für das LSG kein Anhalt. Das LSG brauchte sich daher nicht gedrängt zu fühlen, durch eine Auskunft bei der Stadt Aachen Feststellungen über die Rechtsnatur der Bezüge der Stadtverordneten zu treffen, da es nach der vom LSG vertretenen Rechtsauffassung auf eine solche Ermittlung nicht ankam (vgl. hierzu BSG SozR Nr. 7 zu § 103 SGG).
Zu Unrecht hält die Revision die Feststellungen des LSG für unzutreffend, der Kläger habe aus seinem Gewerbebetrieb und aus sonstigen Einkünften monatliche Einnahmen von zumindest 196,- DM gehabt und zum Unterhalt der Familie beigesteuert. Sowohl in dem Verfahren vor dem SG als auch in dem Verfahren vor dem Berufungsgericht hat der Kläger selbst wiederholt angegeben, daß sich hinsichtlich seiner Arbeiten in der Schuhmacherei und des in dem Gewerbebetrieb erzielten Gewinns in den Jahren nach seiner letzten Steuererklärung im Jahre 1961 praktisch nichts geändert habe. Im Hinblick auf diese eigenen Erklärungen des Klägers durfte das LSG ohne die Grenzen seines Rechts der freien Beweiswürdigung zu überschreiten, als bewiesen ansehen, daß der in der maßgebenden Zeit des Jahres 1963 erzielte Gewinn des Klägers aus seiner uneingeschränkt weiter betriebenen Schuhmacherei und seine sonstigen Einkünfte jedenfalls nicht hinter dem vom Finanzamt zuletzt festgestellten Gewinn für 1961 zurückgeblieben sind, der jährliche Überschuß der Einnahmen über die Geschäftsunkosten in Höhe von 2.139,- DM und seine sonstigen Einkünfte in Höhe von 220,- DM einer monatlichen Einnahme von jedenfalls 196,- DM entsprochen haben und das monatliche Gesamteinkommen des Klägers sich in diesem Fall auf 416,- DM belaufen hat, so daß es immer noch höher gewesen ist als das seiner verstorbenen Ehefrau.
Ob der Gewinn aus dem Betrieb der Schuhmacherwerkstatt, wie das LSG als festgestellt erachtet hat, 323,70 DM betragen hat, kann auf sich beruhen; denn jedenfalls durfte das LSG bei seiner Entscheidung davon ausgehen, daß der Gewinn und seine sonstigen Einkünfte nicht weniger als 196,- DM monatlich betragen haben. Die monatlichen Einnahmen des Klägers, mit denen er den Verbrauch des gemeinsamen Haushalts von seiner Seite aus tatsächlich gedeckt hat, setzten sich demnach zusammen aus seiner Rente von 152,20 DM, einem Teil seiner Stadtverordnetenbezüge in Höhe von 67,50 DM und dem Gewinn aus Gewerbebetrieb von 196,- DM. Er hat zum gemeinsamen Unterhalt der Eheleute insgesamt 415,70 DM geleistet.
Demgegenüber hat die versicherte Ehefrau insgesamt ihre Rente von 134,30 DM und den Wert ihrer Haushaltsführung zum Unterhalt der Eheleute geleistet. Den wirtschaftlichen Wert ihrer Arbeit im Haushalt hat das LSG mit Recht als Unterhaltsleistung angesehen, wie auch das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) und das BSG entschieden haben (BVerfG 17, 1; 17, 38; BSG 19, 282, 283; BSG SozR Nr. 3 und 4 zu § 1266 RVO). Das LSG hat den wirtschaftlichen Wert der Haushaltsführung der Ehefrau mit 279,60 DM monatlich bemessen. Es ist bei der Ermittlung dieses Geldwertes davon ausgegangen, welche Arbeitszeit eine qualifizierte Hausangestellte für die entsprechenden Tätigkeiten der Ehefrau des Klägers im Haushalt benötigt hätte und welcher Entgelt hierfür hätte aufgewandt werden müssen. Das LSG hat ausgeführt, die haushaltskundliche Sachverständige, Frau Oberstudiendirektorin B, gehe bei der Ermittlung der für den Haushalt des Klägers erforderlichen täglichen Arbeitszeit von einer "tüchtigen Hausangestellten" aus; mit Rücksicht hierauf werde der Leistungswert an den Löhnen für Haushälterinnen, Wirtschafterinnen und Köchinnen der Lohngruppe 5 der von der Landesleitung der Gewerkschaft Nahrung- Genuß- Gaststätten in Düsseldorf 1962 herausgegebenen "Richtlinien für alle Beschäftigten in den privaten Haushalten im Landesteil Rheinland (Nordrhein)" gemessen, d.h. nach Maßgabe der höchstbezahlten der insgesamt 7 Lohngruppen. Unter Zugrundelegung einer eher zu hoch als zu niedrig angesetzten Zahl von 4 Arbeitsstunden täglich = 120 Arbeitsstunden monatlich und bei dem hier in Betracht kommenden Stundenlohn von 2,33 DM ergebe sich ein wirtschaftlicher Wert für die von der Versicherten durchgeführte Haushaltsführung von 279,60 DM monatlich. Den Stundenlohn hat das LSG nach § 3 der Richtlinien ermittelt, in dem die Monatslöhne für die Lohngruppe 5 (Haushälterinnen, Wirtschafterinnen, Köchinnen) bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 45 Stunden in Orten mit über 50 000 Einwohnern (Ortsklasse I) mit 442,- DM monatlich, die Stundenlöhne mit 2,33 DM angegeben werden, wobei der Wert der Sachbezüge darin berücksichtigt ist.
Die Revision meint, der Wert für die geleistete Haushaltsführung sei höher, und zwar mit monatlich etwa 360,- DM anzusetzen, selbst wenn nur von einer Arbeitszeit von 4 Stunden täglich ausgegangen werde. Die Revision beruft sich weiter darauf, in 4 Stunden habe sich der Haushalt mit Einkaufen, Kochen, Wäschewaschen und In-Ordnung-Halten von Wäsche und Wohnung nicht führen lassen; es sei allgemein bekannt, daß für die Führung eines kleinen Haushalts mit wenig Räumen oft mehr Arbeit notwendig sei, als in einem großzügigeren modernen Haushalt in einer großen übersichtlichen Wohnung. Die Gutachterin B habe offenbar den Haushalt des Klägers überhaupt nicht gesehen. Die von ihr angegebenen täglich 4 Stunden Arbeitszeit für die Haushaltsführung seien mit Sicherheit zu gering geschätzt, wenn man bedenke, daß hierzu nicht nur die Arbeiten im Hause zählten, sondern auch die Tätigkeiten außerhalb des Hauses wie Einkaufen von Verpflegung und Kleidung. Auch den Stundenlohn von 2,33 DM habe das LSG zu gering ermittelt, und zwar deshalb, weil bei diesen Stundenlöhnen der Wert der Sachbezüge (Kost und Logis) berücksichtigt sei. Wenn der Kläger sich im August 1963 eine Haushaltshilfe genommen hätte, die nicht von ihm beköstigt und untergebracht worden wäre, so hätte er hierfür mindestens 3,- DM pro Stunde aufwenden müssen. Das ergebe auch bei Zugrundelegung von nur 4 Stunden täglich im Monat ca 360,- DM als Wert der geleisteten Haushaltsarbeit. Der Wert des Beitrags der Ehefrau des Klägers zum Unterhalt sei damit mindestens mit 134,30 DM Rente zuzüglich 360,- DM Wert ihrer Hausarbeit = 494,30 DM monatlich anzusetzen.
Die Revision greift hiermit die Feststellungen des LSG über Zeit und Wert der Arbeit der verstorbenen Ehefrau im Haushalt an. Sie rügt eine Verletzung des § 103 SGG, nach dem das Gericht den Sachverhalt von Amts wegen erforscht, und eine Verletzung des § 128 Abs. 1 Satz 1 SGG, der vorschreibt, daß das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen, Überzeugung entscheidet. Die Rügen greifen jedoch nicht durch. Das Tatsachengericht ist in der Würdigung der erhobenen Beweise und des Gesamtergebnisses des Verfahrens grundsätzlich frei. Das Revisionsgericht kann nicht anstelle des LSG eine eigene Beweiswürdigung vornehmen. Es kann nur prüfen, ob das Tatsachengericht die Grenzen seines Rechts der freien Beweiswürdigung insbesondere dadurch überschritten hat, daß es wesentliche Ergebnisse des Verfahrens nicht berücksichtigt, Erfahrungssätze nicht oder nicht richtig angewandt oder gegen die Denkgesetze verstoßen hat oder willkürlich verfahren ist. Derartige Verstöße lassen sich im Verfahren des LSG nicht feststellen.
Für die Feststellung, daß die Ehefrau für ihre Arbeit im gemeinsamen Haushalt der Eheleute 4 Arbeitsstunden täglich benötigt hat, konnte sich das LSG auf die Angaben der Sachverständigen B in ihrer gutachtlichen Äußerung vom 12. April 1967 stützen. Die von der Revision gegen dieses Gutachten erhobenen Einwendungen sind unbegründet. Ob die Gutachterin den Haushalt des Klägers gesehen hat, ist unwesentlich; denn sie war über die notwendigen Einzelheiten durch das an sie gerichtete Schreiben des LSG vom 22. März 1967, dem eine Abschrift der Niederschrift über die ausführliche Anhörung des Klägers am 17. März 1967 beigefügt war, ausreichend über die zu beurteilenden Verhältnisse im Haushalt des Klägers unterrichtet. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, daß die Sachverständige bei ihrer Äußerung die einzelnen zur Haushaltsführung allgemein gehörenden Arbeiten in und außer dem Hause wie Einkaufen, Kochen, Wäschewaschen, Instandhaltung von Wohnung, Wäsche und Kleidung unberücksichtigt gelassen und nicht die besonderen Verhältnisse bedacht hätte, die in dem kleinen Haushalt des Klägers mit wenigen Räumen bestanden haben. Dagegen spricht insbesondere, daß der Kläger in seiner Anhörung vor dem LSG am 17. März 1967 über die Größe und über die Ausstattung des Haushalts genaue Angaben gemacht hat. Im Hinblick auf die eigenen Angaben des Klägers brauchte sich das LSG nicht gedrängt zu fühlen, durch Vernehmung der vom Kläger angegebenen Zeugen den Sachverhalt über die im Haushalt des Klägers notwendigen Arbeiten und den dafür erforderlichen Zeitaufwand näher aufzuklären, so daß eine Verletzung des § 103 SGG nicht gegeben ist. Das LSG hat auch keine ungeeigneten Beweismittel verwandt, wenn es seine Feststellungen auf das von der Sachverständigen erstattete Gutachten gestützt hat. Eine Verletzung des § 128 Abs. 1 Satz 1 SGG scheidet deshalb ebenfalls aus.
Es ist entgegen der Ansicht der Revision auch nicht zu beanstanden, wenn das LSG der Bewertung der Haushaltstätigkeit der Ehefrau des Klägers einen Stundenlohn von 2,33 DM zugrunde gelegt hat, bei dem die Sachwerte für Gewährung von Kost und Wohnung bereits berücksichtigt sind; denn nur eine solche Arbeit hat die Ehefrau durch ihre Haushaltsführung als zusätzliche Leistung zum Lebensunterhalt der Familie erbracht; selbst wenn es im Verhältnis von Eheleuten zueinander, die einen gemeinsamen Haushalt führen, so betrachtet wird, als habe der eine Ehegatte die von dem anderen im Haushalt geleistete Arbeit als zu bezahlende fremde Arbeitskraft zu entgelten, ist doch zu beachten, daß jeder Ehegatte in der gemeinsamen Wohnung wohnt und sich beköstigt. Der hierdurch verursachte Verbrauch der Unterhaltsmittel wird durch die Einkommen oder realen Werte (eigenes Haus) der Eheleute ohnehin gedeckt. Die von einem Ehegatten daneben als weitere Unterhaltsleistung erbrachte Arbeit im Haushalt kann nur mit ihrem realen Wert - an sich in natura - angerechnet werden, den sie neben der Gewährung von Kost und Wohnung hat. Dies folgt schon daraus, daß, wenn z.B. nur der Ehemann erwerbstätig ist und aus seinem Einkommen den Unterhalt der Familie einschließlich von Kost und Wohnung allein bestreitet, die Aufwendungen für die Beköstigung und das Wohnen seiner Ehefrau - die nur den Haushalt führt - ohnehin trägt. Die von ihr geleistete Haushaltstätigkeit stellt als Beitrag zum Unterhalt der Familie nur den reinen Wert der geleisteten Arbeit dar, für die der Ehegatte zusätzliche Aufwendungen zu machen hätte, wenn an die Stelle der Ehefrau eine bezahlte Arbeitskraft tritt.
Da die Revisionsrügen mithin nicht durchgreifen, ist bei der Entscheidung von den Feststellungen des LSG auszugehen, daß sich folgende geldwerte Mittel des Klägers und seiner Ehefrau, mit denen sie den gemeinsamen Unterhaltsverbrauch tatsächlich gedeckt haben, gegenüberstehen: Einerseits die Rente des Klägers von 152,20 DM, ein Teil seiner Stadtverordnetenbezüge in Höhe von 67,50 DM und der Gewinn aus Gewerbebetrieb von mindestens 196,- DM, also insgesamt monatlich 415,70 DM; andererseits die Rente seiner Ehefrau von 134,30 DM und der wirtschaftliche Wert ihrer Haushaltsführung von 279,60 DM, insgesamt also 413,90 DM monatlich. Wenn für die Beurteilung des überwiegenden Unterhalts die eigenen Unterhaltsleistungen des Klägers als von ihm vorweg verbraucht angesehen werden, so ergibt sich, daß nicht die Ehefrau dem Kläger, sondern der Kläger seiner Ehefrau Unterhalt geleistet hat; denn seine eigenen Unterhaltsleistungen übersteigen die seiner Ehefrau um 1,80 DM. Wird aber für entscheidend angesehen, ob die Ehefrau an Unterhaltsleistungen für den gemeinsamen Unterhaltsverbrauch beider Eheleute mehr als die Hälfte der Summe der Einkommen beider Eheleute beigetragen hat, so ergibt sich ebenfalls, daß nicht die Ehefrau des Klägers, sondern der Kläger selbst einen höheren Anteil zum Unterhalt der Familie tatsächlich geleistet hat, nämlich mehr als die Hälfte.
Die versicherte Ehefrau hat demnach, wie das LSG zutreffend im Ergebnis entschieden hat, in keinem Fall den Unterhalt der Familie überwiegend im Sinne des § 1266 Abs. 1 RVO bestritten, so daß der Kläger eine Witwerrente aus der Versicherung seiner verstorbenen Ehefrau nicht erhalten kann. Die Revision des Klägers ist aus diesen Gründen zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Fundstellen