Leitsatz (amtlich)
Der Versorgungsträger ist für die Leistung des Versorgungskrankengeldes anläßlich eines von ihm durchgeführten Heilverfahrens wegen Schädigungsfolgen vorrangig verpflichtet und kann eine Erstattung von der gesetzlichen Kranken- oder Altersversicherung eines selbständigen Landwirts nicht verlangen.
Normenkette
BVG § 10 Abs 1, § 11 Abs 2, § 18c Abs 6 S 3, § 18c Abs 6 S 2; SGB 10 § 104; BVG §§ 19, 16
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger hat dem Beigeladenen zu 1) für die Zeit einer Badekur Übergangsgeld (Übg) in Höhe von 1.966,77 DM gezahlt und begehrt von der Beklagten Erstattung dieses Betrages.
Der im Jahre 1909 geborene Beigeladene zu 1) ist selbständiger Landwirt und Mitglied der beklagten landwirtschaftlichen Krankenkasse (LKK). Er bezieht Versorgungsrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 60 vH. Auf seinen Antrag vom 10. Januar 1977 bewilligte ihm der Kläger mit Bescheid vom 4. März 1977 nach § 11 Abs 2 iVm § 10 Abs 1 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) eine Badekur. Am 23. März 1977 beantragte der Beigeladene zu 1) bei der Beklagten, ihm für die Dauer der Kur Betriebshilfe zu gewähren. Diese lehnte, auch im Auftrag der Beigeladenen zu 2), diese Leistung ab; der Bescheid vom 24. März 1977 ist bindend geworden.
In der Zeit vom 17. Mai bis 26. Juni 1977 führte der Beigeladene zu 1) die Badekur durch. Vom 16. Mai bis zum 27. Juni nahm er einen Betriebshelfer der Gemeinschaft für landwirtschaftliche Betriebshilfe im Kreise St. eV in Anspruch. Dafür stellte diese Organisation ihm 4.108,50 DM in Rechnung. Der Kläger gewährte dem Beigeladenen zu 1) für die Zeit der Badekur auf dessen Antrag vom 27. April 1977 Übg - jetzt Versorgungskrankengeld genannt - in Höhe von 1.966,77 DM.
Der Kläger verlangt von der Beklagten - hilfsweise von der Beigeladenen zu 2) - Erstattung dieses Betrages mit der Begründung, in der Zeit der Kur hätten die Beklagte und die Beigeladene zu 2) eine Betriebshilfe bezahlen müssen.
Die Beklagte lehnte die Erstattung ab. Die Klage hat das Sozialgericht (SG) abgewiesen; die Berufung des Klägers ist durch das Landessozialgericht (LSG) zurückgewiesen worden. In den Entscheidungsgründen hat es ausgeführt: Als Rechtsgrundlagen für das Ersatzbegehren des Klägers kämen § 43 Abs 3 des Allgemeinen Teils des Sozialgesetzbuches (SGB I), § 81b BVG und das Institut des allgemeinen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs in Betracht; keine von ihnen sei erfüllt. Das gelte für § 43 Abs 3 SGB I schon deshalb, weil das Übg erst beantragt worden sei, als die Beklagte die Stellung eines Betriebshelfers schon bindend abgelehnt habe. § 81b BVG liege nicht vor, weil der Kläger die Beklagte von vornherein für verpflichtet gehalten habe, Betriebshilfe zu gewähren. Das Versorgungsamt sei schließlich nicht "an Stelle" der LKK tätig geworden. Das Rechtsinstitut der Betriebshilfe sei eine berufsständisch geprägte Sonderleistung der landwirtschaftlichen Sozialversicherung, die im Katalog der Versorgungsleistungen keine auch nur annähernd adäquate Entsprechung habe. Der 2. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) habe zwar angenommen, zwischen Krankengeld und Betriebshilfe bestehe Zweckidentität. Dann aber würde dem Begehren des Klägers die Einrede der Arglist (§ 242 des Bürgerlichen Gesetzbuches -BGB-) entgegenstehen, denn dann müßte auch § 19 Abs 2 BVG analog angewendet werden, so daß der Kläger die Leistungen, die er von der Beklagten verlange, sogleich zurückerstatten müsse. Die Anwendung des § 81b BVG scheitere auch daran, daß die Beklagte nicht verpflichtet war, dem Beigeladenen zu 1) gemäß § 34 des Gesetzes über die Krankenversicherung der Landwirte (KVLG) Betriebshilfe zu gewähren. Diese sei eine akzessorische Nebenleistung, die nur gewährt werden könne, wenn die LKK auch die Grundleistung der Behandlung im Krankenhaus oder der Gewährung von Unterkunft und Verpflegung in Kur- oder Spezialeinrichtungen gewähre. Schließlich spreche gegen die Berechtigung des Klägers auch die Erwägung, daß für die Kosten der Betriebshilfe letztlich die in der LKK organisierte Versichertengemeinschaft aufkommen müsse. Es sei aber nicht einzusehen, weshalb diese die Rehabilitationsmaßnahme eines anderen Sozialleistungsträgers mitfinanzieren solle.
Auch eine Verurteilung der Beigeladenen zu 2) komme nicht in Betracht. Die Betriebshilfe nach § 7 Abs 3 des Gesetzes über die Altershilfe für Landwirte (GAL) sei streng akzessorisch.
Das LSG hat die Revision zugelassen.
Der Kläger hat dieses Rechtsmittel eingelegt und rügt die Verletzung der §§ 81b BVG, 34 Abs 1 und 2 KVLG. Auch er hält § 43 Abs 3 SGB I nicht für gegeben. Der Erstattungsanspruch nach § 81b BVG sei aber nicht ausgeschlossen, weil das Versorgungsamt nicht eigenmächtig in den Zuständigkeitsbereich der Beklagten eingegriffen habe. Es habe allein im Interesse des Beigeladenen zu 1) gehandelt. Es treffe zwar zu, daß die Betriebshilfe und das Krankengeld jeweils eine andere Leistung seien, das bedeute aber nicht, daß sie nicht Gegenstand eines Ersatzanspruchs sein könnten. Die Betriebshilfe könne auch in der Form des Kostenersatzes (§ 36 Satz 2 KVLG) geleistet werden. Diese sei ebenso wie das Übg eine Geldleistung. Der Auffassung des LSG, nach § 34 KVLG sei die Beklagte nur dann zur Leistung verpflichtet, wenn sie auch die Grundleistungen der §§ 17 und 17a KVLG gewährt habe, sei nicht zu folgen. Das BSG habe sich in seiner Rechtsprechung zur Akzessorietät der Betriebshilfe auf die alte Fassung des § 7 Abs 3 GAL gestützt. Das könne aber nicht ohne weiteres für die Betriebshilfe nach § 34 des neuen KVLG angenommen werden. Vielmehr müsse aus dieser Vorschrift geschlossen werden, daß die Betriebshilfe nicht von den Grundleistungen der §§ 17 oder 17a KVLG abhängig sein solle.
Der Kläger beantragt, die Urteile des Sozialgerichts Münster vom 1. Juli 1980 und des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 29. April 1982 aufzuheben und die Beklagte zur Zahlung von 1.966,77 DM zu verurteilen, hilfsweise, das Urteil des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 29. April 1982 aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückzuverweisen.
Die Beklagte beantragt, die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 29. April 1982 zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Der Beigeladene zu 1) übernimmt den Antrag des Klägers und unterstützt dessen Begründung, die Beigeladene zu 2) Antrag und Begründung der Beklagten.
Die Beteiligten sind mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-) einverstanden.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet; das LSG hat zu Recht das Erstattungsbegehren des Klägers abgelehnt.
Es kann dahinstehen, ob für den geltend gemachten Anspruch des Klägers die vom LSG angeführten gesetzlichen Bestimmungen noch anzuwenden sind. Inzwischen ist eine Rechtsänderung insoweit eingetreten, als mit Wirkung vom 1. Juli 1983 das Dritte Kapitel des 10. Buches des Sozialgesetzbuchs - Zusammenarbeit der Leistungsträger und ihre Beziehungen zu Dritten -SGB X- BGBl I vom 4. November SGB I aufgehoben worden (vgl Art II § 15 Nr 1 des Gesetzes vom 4. November 1982), § 81b Abs 1 BVG gilt nur noch dann, wenn eine Verwaltungsbehörde Leistungen gewährt hat und sich nachträglich herausstellt, daß statt ihrer eine andere öffentlich-rechtliche Stelle, die kein Leistungsträger iS von § 12 SGB I ist, zur Leistung verpflichtet gewesen wäre. Die Beklagte und die Beigeladene zu 2) sind aber beide Leistungsträger iS von § 12 SGB I. Der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch im Sozialrecht ist nunmehr in den §§ 102 ff SGB X geregelt.
Es bedarf hier jedoch nicht der Klarstellung, ob dieses neue Recht für die Entscheidung des erkennenden Senats zugrunde zu legen ist (zu dieser Frage vgl BSGE 54, 223, 226 = SozR 1300 § 44 Nr 3; BSG Urteile vom 28. März 1984 - 9a RV 50/82 -, vom 1. Dezember 1983 - 4 RJ 91/82 - und vom 30. Januar 1985 - 1 RJ 2/84 -). Das LSG hat zutreffend ausgeführt (Seite 8 des Urteils), daß das Ersatzbegehren des Klägers an Voraussetzungen scheitert, die allen in Frage stehenden Anspruchsgrundlagen gemeinsam sind. Gemeinsame Voraussetzung aller Erstattungsansprüche gegen die Beklagte ist, daß nicht der Kläger für die bereits erbrachte Leistung vorrangig verpflichtet ist. Dabei kann dahinstehen, ob das LSG zu Recht auf die Akzessorietät zwischen Betriebshilfe und den Hauptleistungen der LKK (Behandlung im Krankenhaus bzw in Kur- oder Spezialeinrichtungen) abgestellt hat. Als tragender Grund für die Entscheidung des LSG wird angegeben, daß es nicht einzusehen sei, warum die LKK eine Rehabilitationsleistung der Kriegsopferversorgung unterstützten sollte. Dieser Gedanke ist für die Entscheidung ausreichend. Für die Heilbehandlung der Schädigungsfolgen ist nämlich die Versorgungsverwaltung zuständig (§ 10 Abs 1 BVG). Das ist ihr nach dem Grundgesetz (Art 120 Abs 1 Satz 1) durch das BVG aufgetragen. Die Durchführung der Kur für den zu 1) beigeladenen Beschädigten erfolgte ausdrücklich nach § 10 Abs 1 BVG, also wegen der Schädigungsfolgen. Daß der Kläger in dieser Angelegenheit nur für einen anderen oder für einen vorrangig verpflichteten Versicherungsträger tätig geworden ist (§§ 102, 104 SGB X), ergibt sich aus keiner Rechtsvorschrift. Der Kläger ist auch nicht unzuständig gewesen noch ist seine Leistungspflicht nachträglich entfallen (§§ 103, 105 SGB X). Das Gegenteil ergibt sich aus den Vorschriften des BVG über die Erstattung von Aufwendungen und Kosten.
Nach diesen Vorschriften sind von der Versorgungsverwaltung den Krankenkassen entweder alle Kosten zuzüglich pauschalierter Verwaltungskosten (§ 20 BVG) zu erstatten oder - im Fall der zusätzlich bestehenden eigenen Verpflichtung zur Heilbehandlung (§ 19 BVG) - das Krankengeld zu erstatten. In diesem Fall (§ 19 BVG) werden außerdem Aufwendungen für Krankenhauspflege, häusliche Krankenpflege, Haushaltshilfe und Heilmittel im einzelnen ersetzt; die übrigen Aufwendungen für die Krankenpflege versicherter Beschädigter wegen Schädigungsfolgen werden zusätzlich pauschal abgegolten. Damit wollte der Gesetzgeber dem Prinzip der vollen Kostenerstattung entsprechen (BT-Drucks IV/1831 S 4 zu § 19). Die Zuständigkeit der Versorgungsverwaltung für die Heilbehandlung des Klägers wegen Schädigungsfolgen ergibt sich auch aus der Einzelregelung in § 18c Abs 6 Satz 2 BVG. Hiernach ist jeder öffentlich-rechtliche Leistungsträger der Versorgungsverwaltung erstattungspflichtig, soweit er Ermessensleistungen zu gewähren hatte für einen Zweck, für den nach §§ 10 bis 24a BVG die Versorgungsverwaltung eine Sachleistung erbracht hat. Der hier ausgesprochene Grundgedanke kommt auch in dem Klagebegehren zum Ausdruck; es wird damit begründet, der Kläger hätte das Versorgungskrankengeld (Übg) nicht zu zahlen brauchen, wenn die Beklagte eine Betriebshilfe gestellt hätte. Aber die in § 18c Abs 6 Satz 2 BVG näher erläuterte Erstattungspflicht besteht nach § 18c Abs 6 Satz 3 BVG dann nicht, wenn die zu behandelnde Gesundheitsstörung eine Schädigungsfolge ist. Das ist hier der Fall gewesen. Es verbleibt demnach bei der Grundregel, daß die Versorgungsverwaltung die Kosten der Heilbehandlung von Schädigungsfolgen allein trägt.
Der Kläger hat deshalb auch im Verhältnis zur Beigeladenen zu 2), einer landwirtschaftlichen Alterskasse, keinen Erstattungsanspruch. Dabei kann es dahingestellt bleiben, ob ein Anspruch gegen die Beigeladene zu 2) wegen fehlender Akzessorietät zurückgewiesen werden kann, worauf das LSG abstellt, und ob also noch an der Entscheidung BSGE 30, 213, 215 f festzuhalten ist. Jedenfalls beseitigt auch hier die Leistungsverpflichtung des Trägers der Kriegsopferversorgung die Erstattungspflicht jedes anderen Trägers.
Das LSG hat zu Recht den Erstattungsanspruch des Klägers zurückgewiesen.
Die Revision ist unbegründet und muß zurückgewiesen werden (§ 170 Abs 1 Satz 1 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen