Leitsatz (amtlich)

Ein Fahrkostenersatz, den ein Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer zahlt, gehört zum Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger Erwerbstätigkeit iS des § 9 BVG§30Abs3-5DV.

 

Normenkette

BVG§30Abs3u4u5DV § 9 Abs 1 Nr 1, § 10 Abs 1; BVG§33DV § 2 Abs 1; LStR Abschn 24; BVG § 30 Abs 4

 

Verfahrensgang

Bayerisches LSG (Entscheidung vom 15.09.1983; Aktenzeichen L 10/V 352/80)

SG Augsburg (Entscheidung vom 02.10.1980; Aktenzeichen S 15/V 195/80)

 

Tatbestand

Der Kläger bezieht wegen verschiedener Schädigungsfolgen - außer einer Beschädigtenrente entsprechend einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 60 vH - seit 1964 einen Berufsschadensausgleich (Bescheid vom 20. Juli 1967). Von Ausnahmen abgesehen, wurde in zahlreichen Verwaltungsakten, ua 1971 in einem Widerspruchsbescheid, fortlaufend bei dem zur Berechnung herangezogenen Bruttoeinkommen der Zuschuß der Arbeitgeberin zu den Kosten der Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsplatz (Fahrkostenzuschuß) als steuerpflichtiges Arbeitsentgelt berücksichtigt, zuletzt bei der vorläufigen Feststellung ab 1. September 1978 (Bescheid vom 9. November 1978) mit laufenden Anpassungen (Bescheid vom 12. Dezember 1978 und vom 10. Dezember 1979). Mit Bescheid vom 5. Februar 1980 berechnete das Versorgungsamt die Versorgungsbezüge des Klägers unter Berücksichtigung dieses Bemessungsmaßstabes ab 1. September 1978 endgültig, dagegen vorläufig ab 1. November 1979 in unveränderter Höhe und ab 1. März 1980 in veränderter. Der Widerspruch, mit dem sich der Kläger gegen die Anrechnung des Fahrkostenzuschusses wandte, wurde zurückgewiesen (Widerspruchsbescheid vom 30. April 1980). Das Sozialgericht (SG) hat diese Verwaltungsakte aufgehoben (Urteil vom 2. Oktober 1980). Das Landessozialgericht (LSG) hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 15. September 1983). Es beurteilt den Fahrkostenzuschuß als Bruttoeinkommen, das den Berufsschadensausgleich gemäß § 9 der Verordnung zur Durchführung (DV) des § 30 Abs 3 bis 5 Bundesversorgungsgesetz (BVG) beeinflußt. Zwar diene dieser Zuschuß unstreitig der Abgeltung eines besonderen Aufwandes. Aber er sei nicht nach § 10 DV zu § 30 Abs 3 bis 5 BVG iVm § 2 Abs 1 Nr 7 DV zu § 33 BVG außer Betracht zu lassen; denn dafür fehle die zweite Voraussetzung: der Zuschuß sei nicht wegen dieses Abgeltungszweckes einkommens- oder lohnsteuerfrei. Die Nr 24 (25) der Lohnsteuer-Richtlinien (LStR), die solche Zuwendungen des Arbeitgebers vom steuerpflichtigen Arbeitseinkommen bis zu einer bestimmten Höhe ausnehme, habe keine Rechtsgrundlage im Einkommensteuergesetz (EStG) und in der Lohnsteuerdurchführungsverordnung (LStDV); sie sei keine Rechtsnorm.

Der Kläger rügt mit der - vom LSG zugelassenen - Revision eine Verletzung der bezeichneten Vorschriften des Versorgungsrechtes. Die Lohnsteuerfreiheit iS des § 2 Abs 1 Nr 7 DV zu § 33 BVG brauche sich nicht aus einer gesetzlichen Regelung zu ergeben. Es genüge, daß die Zuwendung aufgrund der LStR von der Finanzverwaltung nicht als steuerpflichtiger Arbeitslohn behandelt werde.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Landessozialgerichts aufzuheben und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts zurückzuweisen.

Der Beklagte beantragt, die Revision des Klägers zurückzuweisen.

Der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung (BMA) als Vertreter der Beigeladenen schließt sich dem Vorbringen des Beklagten an.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers hat keinen Erfolg.

Das LSG hat mit Recht die Klage abgewiesen. Der Beklagte hat zutreffend nach demselben Rechtsmaßstab wie zuvor laufend den Berufsschadensausgleich rückwirkend endgültig und für die Zukunft vorläufig festgestellt (§ 60a Abs 1 Satz 2 und Abs 5 BVG).

Dem derzeitigen Bruttoeinkommen des Klägers aus gegenwärtiger Tätigkeit ist das - hier unstreitige - Vergleichseinkommen aus dem ohne die Schädigungsfolgen wahrscheinlich ausgeübten Beruf gegenüberzustellen, um den Einkommensverlust als Voraussetzung und als Bemessungsmaßstab für den Berufsschadensausgleich zu ermitteln (§ 30 Abs 3 und 4 Satz 1 BVG). Zu diesem Bruttoeinkommen gehört nach den rechtsverbindlichen Bescheiden auch der Kostenersatz, den der Kläger von seiner Arbeitgeberin für seine Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte fortlaufend erhält. An diese rechtliche Beurteilung war die Verwaltung bei der endgültigen Feststellung für die Vergangenheit und auch bei der vorläufigen für die Zukunft nach den Grundsätzen gebunden, die für eine Neufeststellung entsprechend einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse (§ 62 Abs 1 BVG aF, § 48 Sozialgesetzbuch 10. Buch - SGB X -) gelten (BSGE 29, 200, 203 ff = SozR Nr 5 zu § 60a BVG). Zwar ist die "vorher getroffene Feststellung der Berechnungsgrundlagen" nach § 22 Abs 5 des Gesetzes über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung für die endgültige nicht bindend. Dazu gehört aber nicht die Entscheidung darüber, ob bestimmte Einkunftsarten überhaupt anzurechnen sind oder nicht (BSG SozR 3640 § 9 Nr 1; BSG 2. März 1983 - 9a RV 32/82; BSG 10. August 1983 - 9a RV 33/82).

Der Kläger kann nicht die Anwendung eines für ihn günstigeren Bewertungsmaßstabes, dh das Außerachtlassen des Fahrkostenzuschusses, nach § 44 SGB X (vom 18. August 1980 - BGBl I 1469, 1980; Art II § 37 Abs 1, § 40 Abs 1 und 2 SGB X; BSGE 54, 223 = SozR 1300 § 44 Nr 3) beanspruchen; denn insoweit hatte die Verwaltung das Recht nicht unrichtig angewandt.

Als derzeitiges Bruttoeinkommen in diesem Sinn gelten nach § 9 Abs 1 Halbsatz 1 Buchstabe a Nr 1 DV zu § 30 Abs 3 bis 5 BVG (hier in den Fassungen vom 11. April 1974 - BGBl I 927 -/ 18. Januar 1977 - BGBl I 162 -/ 29. Juni 1984 - BGBl I 861 -) ua alle Einnahmen in Geld aus einer gegenwärtigen unselbständigen Tätigkeit, soweit in § 10 DV nichts anderes bestimmt ist. Den Fahrkostenzuschuß erhält der Kläger aus seiner gegenwärtigen Beschäftigung. Dabei handelt es sich um eine zu berücksichtigende Einnahme aus der Erwerbstätigkeit, dh um Entgelt im weiteren Sinne dafür, daß der Arbeitnehmer seine Arbeitskraft für weisungsgebundene Verrichtungen der Arbeitgeberin zur Verfügung stellt. Hingegen werden durch diesen Zuschuß dem Kläger keine Auslagen ersetzt, die er für die Arbeitgeberin, dh auf deren Rechnung und für deren Angelegenheit, gemacht hätte und die deshalb vom Entgelt in jenem Sinn auszunehmen wären (für das Steuerrecht: BFHE 117, 470, 472; Offerhaus, Betriebsberater 1982, 978; vgl zur Aufwandsentschädigung: BSG 21. September 1983 - 9a RV 35/82). Vielmehr ist es grundsätzlich eine Sache des Arbeitnehmers, seine Fahrten zur Arbeit und von der Arbeitsstätte zur Wohnung selbst zu finanzieren (Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, 5. Aufl 1983, S 509 mN), und deshalb ist ein Ersatz durch den Arbeitgeber als Arbeitslohn zu werten (Offerhaus aaO).

Im gegenwärtigen Fall kann dahingestellt bleiben, ob ausnahmsweise ein Arbeitgeber kraft einer besonderen Vereinbarung arbeitsrechtlich den arbeitstäglichen Transport seiner Belegschaftsmitglieder zur Arbeitsstelle und zurück als Unternehmensangelegenheit übernehmen kann, ob dies überhaupt im öffentlichen Recht wirksam wird und ob dann die vom Arbeitgeber getragenen Kosten als seine Aufwendungen vom Entgelt im hier maßgebenden Sinn ausgenommen werden (Söllner in: Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Band 3, 1980, § 611, Rz 331; BFHE 103, 472). Hier besteht kein Anhalt für eine solche arbeitsrechtliche Regelung. Wenn das LSG als unstreitig ansieht, daß der Fahrkostenzuschuß einen besonderen Aufwand des Klägers abdecken soll, dann setzen die Beteiligten gerade den Regelfall voraus, daß der Kläger seine eigenen Fahrkosten selbst trägt. Die Beteiligten werten lediglich diese Aufwendungen als "besondere" im Vergleich mit denjenigen anderer Arbeitnehmer.

Das Bruttoeinkommen des Klägers ist in vollem Umfang, also einschließlich der wegen Fahraufwendungen geleisteten Zulage, deshalb zu berücksichtigen, weil auch das gegenüberzustellende Vergleichseinkommen (Durchschnittseinkommen) nach dem Bruttoprinzip ermittelt wird.

§ 10 Abs 1 Satz 1 Halbsatz 1 DV zu § 30 Abs 3 bis 5 BVG sieht für den Fall des Klägers keine Ausnahme durch eine Verweisung auf die vom Entgelt iS des § 9 Abs 1 ausgenommenen Einkünfte vor, die in § 2 Abs 1 DV zu § 33 BVG (in den Fassungen vom 23. Dezember 1974 - BGBl 1975 I 107 -/ 22. Dezember 1978 - BGBl I 2089 -) aufgeführt sind. Entgegen der Ansicht des Klägers ist § 2 Abs 1 Nr 7 nicht auf seinen Fahrkostenzuschuß anzuwenden. Der erschöpfende, abschließende Katalog der steuerfreien Einnahmen in § 2 Abs 1 DV zu § 33 BVG ist grundsätzlich nicht auf ähnliche Fälle analog auszudehnen (BSG SozR Nr 2 zu § 2 DVO zu § 33 BVG vom 11. Januar 1961). Diese Leistung der Arbeitgeberin müßte, um nach der genannten Vorschrift zu den nicht zu berücksichtigenden Einkünften gerechnet werden zu können, "zur Abgeltung eines besonderen Aufwandes bestimmt und aus diesem Grund nicht lohnsteuerpflichtig" sein. Das trifft hier nicht zu.

Die Annahme des LSG, daß die erste Voraussetzung deshalb gegeben sei, weil die Beteiligten nicht darüber streiten, ist problematisch. Unstreitig sein könnten allein Tatsachen, aus denen rechtlich zu folgern wäre, der Kläger habe durch seine Fahrkosten einen "besonderen Aufwand" im Vergleich mit anderen Arbeitnehmern und deswegen erhalte er den Zuschuß. Eine solche oder eine gegenteilige Würdigung braucht aber für den gegenwärtigen Fall nicht vorgenommen zu werden.

Jedenfalls ist die zweite Voraussetzung des § 2 Abs 1 Nr 7 DV zu § 33 BVG nicht gegeben. Allgemein sind Fahrkostenzuschüsse, wie sie der Kläger erhält, nicht aus dem zuvor bezeichneten Grund durch die maßgebenden Rechtsnormen (§ 2 Abs 1 Satz 1 Nr 4, Abs 2 Nr 2, § 8 Abs 1, § 19 Abs 1 Satz 1 Nr 1 EStG - hier idF seit dem Gesetz vom 5. Dezember 1977 - BGBl I 2365 - und § 2 Abs 1 LStDV - hier idF vom 21. Februar 1978 - BGBl I 307 -), von der Lohnsteuerpflicht ausgenommen (vgl zum Arbeitslohn entsprechend dem Bruttoeinkommen im versorgungsrechtlichen Sinn: zB BFHE 133, 553, 554; 137, 13, 16 f). Für diese Zuwendung ist insbesondere nicht in einer Rechtsverordnung aufgrund der Ermächtigung des § 3 Nr 52 EStG angeordnet, daß sie aus sozialen Gründen oder zur Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens steuerfrei zu belassen sein soll.

Selbst wenn für die Lohnsteuerpflicht iS der bezeichneten versorgungsrechtlichen Vorschrift die Praxis der Finanzverwaltung, nach einer LStR eine bestimmte Zulage nicht zu den Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit zu rechnen, bedeutsam sein könnte, führte das zu keinem für den Kläger günstigeren Ergebnis. Abweichend von Abschn 25 Nr 4 S 1 LStR 1970 (BStBl 1970 I 25) ist nach Abschn 25 Abs 4 LStR 1972 (Art 1 Nr 18 Buchstabe c - BStBl 1971 I 438) und nach Abschn 24 Abs 4 der späteren Fassungen (BStBl 1975 I 795; BStBl 1977 I 901; BStBl 1981 I 131, 311; BStBl Sondernummer 2/1983) der Fahrkostenersatz nicht als Teil des steuerpflichtigen Arbeitslohns zu werten, soweit er die nachgewiesenen Aufwendungen für die Hin- und Rückfahrt je Arbeitstag nicht übersteigt. Diese Allgemeine Verwaltungsvorschrift -VV- (Art 108 Abs 7 Grundgesetz) ist nach der Auffassung des Finanzgerichts München (EFG 1978, 20) nicht mit den zuvor genannten Rechtsvorschriften vereinbar (ebenso Offerhaus aaO), bindet ohnedies die Gerichte nicht (BFHE 64, 396, 397; 107, 280, 281 f) und erscheint auch gleichheitswidrig. Ungeachtet dessen ist folgendes zum Nachteil des Klägers entscheidend. Die genannte LStR nimmt die Fahrkostenzuschüsse des Arbeitgebers gerade nicht aus dem in § 2 Abs 1 Nr 7 DV zu § 33 BVG genannten Grund, dh wegen der Abgeltung eines besonderen Aufwandes, von der Lohnsteuerpflicht aus. Vielmehr dient die steuerrechtliche VV, wie der Bundesminister der Finanzen dem BMA mitgeteilt hat, ausschließlich der Verwaltungsvereinfachung im Hinblick auf die gesetzlich vorgeschriebene Absetzbarkeit von Werbungskosten (Schriftsatz des BMA vom 26. Juni 1981 und Rundschreiben vom 14. März 1973 - BVBl 1973 S 35 Nr 29). Der Bundesminister der Finanzen ist als federführender Verfasser der LStR die zuständige Behörde, die Auskunft über die Zielsetzung und Begründung dieser VV geben kann. Den mitgeteilten Zweck der LStR hält der Senat deshalb selbst für den Fall, daß überhaupt die dieser VV folgende Besteuerungspraxis zu beachten wäre, für maßgebend.

Mithin kann der Kläger keine andere Bemessung seines Berufsschadensausgleichs verlangen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1656238

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