Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenhaus - Vergütung für ambulante Notfallbehandlung - Investitionskostenabschlag
Leitsatz (amtlich)
Der Investitionskostenabschlag von 10 vH auf die Vergütung für ambulante Notfallbehandlungen im Krankenhaus erfasst nur Krankenhäuser, deren Investitionskosten aus Steuermitteln finanziert werden.
Normenkette
SGB V § 120 Abs. 3 S. 2; KHG § 3 S. 1 Nr. 4
Beteiligte
Berufsgenossenschaftlicher Verein für Heilbehandlung Hamburg e.V. |
Kassenärztliche Vereinigung Hamburg |
2. Innungskrankenkasse Hamburg |
3. Betriebskrankenkassen-Landesverband Nord |
4. Verband der Angestellten-Krankenkassen e.V. |
5. Arbeiter-Ersatzkassen-Verband e.V. |
1. AOK – Die Gesundheitskasse für Hamburg |
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision des Klägers werden die Urteile des Landessozialgerichts Hamburg vom 12. Juli 2000 und des Sozialgerichts Hamburg vom 11. Dezember 1996 aufgehoben.
Der Bescheid der Beklagten vom 1. August 1994 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. September 1994 wird geändert, soweit die Vergütung des Klägers für Notfallbehandlungen im Primär- und Ersatzkassenbereich im Quartal I/1993 um einen zehnprozentigen Investitionskostenabschlag gekürzt worden ist. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger für die Notfallbehandlungen 8.229,80 DM nachzuvergüten.
Die Beklagte hat dem Kläger fünf Sechstel der außergerichtlichen Kosten für das Klage- und das Berufungsverfahren sowie die außergerichtlichen Kosten für das Revisionsverfahren in voller Höhe zu erstatten.
Der Kläger hat der Beklagten ein Sechstel der außergerichtlichen Kosten für das Klage- und das Berufungsverfahren zu erstatten. Im Übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Umstritten ist die Höhe der Vergütung für Notfallbehandlungen.
Die beklagte Kassenärztliche Vereinigung (KÄV) kürzte für das Quartal I/1993 die Vergütung des klagenden Vereins, der Träger des Berufsgenossenschaftlichen Unfallkrankenhauses Hamburg (BUK) ist, für die dort erbrachten Notfallbehandlungen um einen Investitionskostenabschlag von 10 %. Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte zurück. Rechtsgrundlage des Abschlags sei § 9 Abs 11 des Honorarverteilungsmaßstabs in der ab 1. Januar 1993 geltenden Fassung. Im Krankenhaus seien anders als in der vertragsärztlichen Praxis nicht die gesamten Investitions- und Vorhaltekosten aus den Vergütungen für die ambulanten Leistungen zu finanzieren, weil diese zum Teil bereits durch öffentlich geförderte Investitionen für den stationären Bereich gedeckt seien.
Klage und Berufung sind erfolglos geblieben. Nach Auffassung des Landessozialgerichts (LSG) ergibt sich die Rechtsgrundlage für die Vergütungskürzung aus § 120 Abs 3 Satz 2 1. Halbsatz Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V). Das BUK erhalte zwar Fördermittel weder nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) noch nach dem Hochschulbauförderungsgesetz, finanziere sich jedoch aus „öffentlichen Mitteln”, nämlich aus Beiträgen der Berufsgenossenschaften (BG), die die einzigen Mitglieder des Klägers seien (Urteil vom 12. Juli 2000).
Mit seiner Revision rügt der Kläger eine fehlerhafte Anwendung des Tatbestandsmerkmals „öffentlich geförderte Krankenhäuser” in § 120 Abs 3 Satz 2 SGB V. Das BUK sei kein Krankenhaus im Sinne dieser Vorschrift, weil es aus Steuermitteln keine Förderung für Investitionen erhalte. Die für den Betrieb des BUK aufgewandten Mittel stammten von seinen – des Klägers – Mitgliedern, nämlich von 30 Trägern der gesetzlichen Unfallversicherung (UV), von denen er die für die Erfüllung des Vereinszwecks erforderlichen Mittel einfordere. Dabei handele es sich im kaufmännischen Sinne um Einlagen, die eine BG zurückerhalten müsse, wenn sie ihre Mitgliedschaft bei ihm – dem Kläger – beende. Schon diese rechtliche Bewertung der aufzuwendenden Mittel stehe einer Gleichstellung mit der in § 120 Abs 3 Satz 2 SGB V angesprochenen öffentlichen Förderung entgegen. Zur Vertiefung nimmt der Kläger auf eine gutachtliche Stellungnahme der WIBERA Wirtschaftsberatung AG vom 12. Februar 2001 Bezug.
Der Kläger beantragt,
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält die vorinstanzlichen Entscheidungen für zutreffend. Die Mittel für den Betrieb des BUK seien jedenfalls ihrem Ursprung nach ausschließlich öffentlicher und nicht privater Natur. Der Umstand, dass im Falle des Ausscheidens einer BG aus dem Mitgliedschaftsverhältnis zum Kläger Gelder an diese BG zurückzuzahlen seien, rechtfertige keine differenzierende Behandlung der von den BGen für den Betrieb des BUK zur Verfügung gestellten Mittel einerseits und der Fördermittel etwa nach dem KHG andererseits. Die Entscheidung der vorinstanzlichen Gerichte, auch eine Finanzierung mit im Ursprung öffentlichen Mitteln als „öffentliche Förderung” nach § 120 Abs 3 Satz 2 SGB V zu werten, sei eine folgerichtige Weiterentwicklung der bisherigen Rechtsprechung insbesondere des Bundessozialgerichts.
Die beigeladenen Krankenkassen (KKn) bzw KKn-Verbände äußern sich im Revisionsverfahren nicht.
Entscheidungsgründe
II
Die zulässige Revision des Klägers hat in der Sache Erfolg. Die Entscheidungen der Vorinstanzen sind aufzuheben. Die Bescheide der Beklagten, mit denen die Honorarforderung für die im BUK im Quartal I/1993 erbrachten Notfallbehandlungen um einen Investitionskostenabschlag von 10 vH gekürzt worden ist, sind insoweit rechtswidrig. Der Kläger hat Anspruch auf Nachzahlung der restlichen Vergütung.
Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 5 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫) zulässig. Angefochten ist der ursprüngliche Honorarbescheid, in dem erstmalig die Höhe des Vergütungsanspruchs des Klägers festgesetzt worden ist. Deswegen reicht es für die Erreichung des Klageziels nicht aus, wie beim Streit über die Rechtmäßigkeit von Honorarberichtigungen, nur den belastenden Bescheid anzugreifen. Der Kläger hat den Anfechtungsantrag deshalb zu Recht mit einem Leistungsantrag verbunden.
Der Anspruch des Klägers als Träger des BUK auf Vergütung der in diesem Krankenhaus gegenüber Versicherten der Primär- und Ersatzkassen durchgeführten Notfallbehandlungen ergibt sich aus den Rechtsgrundsätzen, die der Senat vor allem aus dem Regelungszusammenhang der Vorschriften über die vertragsärztliche Versorgung und die Berechtigung der Versicherten entwickelt hat, in Notfällen auch nicht zugelassene Ärzte bzw Krankenhäuser für ambulante Behandlungen in Anspruch zu nehmen (BSGE 71, 117, 119 = SozR 3-2500 § 120 Nr 2 S 12/13; zuletzt BSG SozR 3-2500 § 120 Nr 8 S 41). Unmittelbar aus § 120 Abs 1 Satz 1 SGB V kann ein Vergütungsanspruch des Klägers nicht abgeleitet werden, weil das BUK oder einzelne seiner ärztlich geleiteten Einrichtungen insoweit nicht zur Teilnahme an der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung ermächtigt sind. Die Leistungen von Nichtvertragsärzten bzw von Krankenhäusern im Rahmen der Notfallbehandlung sind jedoch grundsätzlich so zu vergüten, als wenn sie von zugelassenen Vertragsärzten bzw ermächtigten ärztlich geleiteten Einrichtungen erbracht worden wären (zuletzt BSG SozR 3-2500 § 120 Nr 8 S 41/42). Aus § 120 Abs 3 Satz 2 SGB V hat der Senat allerdings den allgemeinen Rechtsgedanken abgeleitet, dass es im Hinblick auf die unterschiedliche Kostensituation in öffentlich-geförderten Krankenhäusern einerseits und in Praxen niedergelassener Vertragsärzte andererseits generell gerechtfertigt ist, die Vergütungen für die im Krankenhaus als Institutsleistung – nicht als Leistung von persönlich ermächtigten Ärzten – erbrachten Notfallbehandlungen um 10 vH gegenüber den Sätzen der vertragsärztlichen Vergütung zu reduzieren (BSGE 71, 117 ff = SozR 3-2500 § 120 Nr 2; BSGE 75, 184, 186 = SozR 3-2500 § 120 Nr 4 S 24; BSG SozR 3-2500 § 120 Nr 7 S 37; BSG SozR 3-2500 § 120 Nr 8 S 42; BSG SozR 3-2500 § 115 Nr 1 S 4). Dagegen wendet sich die Revision nicht. Sie macht jedoch zu Recht geltend, dass die Vergütung für die im Krankenhaus des Klägers vorgenommenen Notfallbehandlungen von diesem Abschlag nicht erfasst ist, weil es nicht iS des § 120 Abs 3 Satz 2 SGB V „öffentlich gefördert” wird.
Der Kläger als Träger des BUK erhält für sein Krankenhaus zunächst keine Fördermittel auf der Grundlage des § 8 Abs 1 KHG. Das ergibt sich zum einen daraus, dass das BUK vom Anwendungsbereich des KHG ausgenommen ist. Das KHG gilt nicht für Krankenhäuser in der Trägerschaft der gesetzlichen UV und ihrer Vereinigungen (§ 3 Satz 1 Nr 4 KHG). Nunmehr wird zwar in der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Gesundheit des Deutschen Bundestages vom 12. Dezember 2001 zum Gesetzentwurf zur Einführung des diagnose-orientierten Fallpauschalensystems für Krankenhäuser eine Änderung des § 3 KHG in der Weise vorgeschlagen, die Geltung des KHG für Krankenhäuser der Berufsgenossenschaften nur noch insoweit auszuschließen, als diese die jeweilige Behandlung finanzieren (vgl BT-Drucks 14/7824 S 9 sowie den Bericht des Ausschusses BT-Drucks 14/7862 S 9). Für den hier zu beurteilenden Rechtszustand bleibt es jedoch dabei, dass das KHG auf die Krankenhäuser von Berufsgenossenschaften keine Anwendung findet. Das BUK zählt zu diesen Krankenhäusern, auch wenn sein unmittelbarer Träger der Kläger ist. Dem Kläger gehören nach seiner eigenen Darstellung, die sich insoweit auf seine Satzung stützt, ausschließlich BGen, also Träger der UV, als Mitglieder an. Den Ausschluss der Anwendung des KHG auf ein berufsgenossenschaftliches Krankenhaus können die BGen nicht dadurch umgehen, dass sie einen Verein gründen, dessen ausschließlicher Zweck der Betrieb eines Krankenhauses ist, der aber als Verein selbst kein UV-Träger ist. Im Übrigen hat das LSG festgestellt (vgl § 163 SGG), dass das BUK keine Förderung nach dem Hamburger Krankenhausgesetz erhält, und sich insoweit auf den Bescheid der Behörde für Arbeit, Gesundheit und Soziales der Freien und Hansestadt Hamburg vom 20. Dezember 1995 gestützt.
Allerdings schließt der Umstand, dass ein Krankenhaus keine Fördermittel auf der Grundlage des KHG erhält, noch nicht notwendig aus, dass es sich iS des § 120 Abs 3 Satz 2 Halbsatz 1 SGB V um ein „öffentlich gefördertes” Krankenhaus handelt. In seinem zur Vergütung ambulanter ärztlicher Leistungen in Polikliniken ergangenen Urteil vom 10. Mai 1995 (BSG SozR 3-2500 § 120 Nr 6) hat der Senat aus Wortlaut und Entstehungsgeschichte des § 120 Abs 3 Satz 2 SGB V geschlossen, dass die Anwendung dieser Vorschrift nicht von der Förderung des Krankenhauses nach dem KHG abhängt. Er hat die Regelung über den Investitionskostenabschlag auch auf die Vergütung der Leistungen solcher Polikliniken angewandt, deren Investitionen – außerhalb der Förderung nach dem KHG – aus Steuermitteln, insbesondere im Rahmen der Hochschulbauförderung, finanziert werden. Wenn es dem Willen des Gesetzgebers entsprochen hätte, die „öffentliche” Förderung iS des § 120 Abs 3 Satz 2 SGB V mit der Förderung nach dem KHG gleichzusetzen, hätte dies im Gesetzeswortlaut seinen Niederschlag finden können und müssen. In diesem Zusammenhang hat der Senat entscheidend auf die Entstehungsgeschichte des § 120 SGB V im Gesundheits-Reformgesetz (GRG) vom 20. Dezember 1988 (BGBl I 2477)abgestellt. In ihrer Gegenäußerung zu einer Stellungnahme des Bundesrates, der eine Herausnahme der poliklinischen Leistungen aus dem Anwendungsbereich des 10%igen Investitionskostenabschlags gefordert hatte, hat die Bundesregierung die Zielsetzung der Abschlagsregelung in § 120 Abs 3 Satz 2 SGB V dahingehend beschrieben, dass eine Doppelfinanzierung der für die Krankenhausambulanzen aufgewendeten Investitionen zum einen aus „öffentlichen Steuermitteln”, zum anderen über den Investitionskostenanteil in den kassenärztlichen Gebühren verhindert werden solle (BT-Drucks 11/2493, S 66, zu § 129 des Entwurfs). Dieser Gesichtspunkt erfasst nicht nur die Polikliniken der Hochschulen, sondern auch andere Krankenhäuser, die keine Fördermittel nach dem KHG erhalten. Das trifft etwa nach dem derzeit noch geltenden Recht für Krankenhäuser iS des § 3 Satz 1 Nr 1 KHG zu, deren Träger der Bund ist. Wichtigster Anwendungsfall dieser Vorschrift sind die Bundeswehrkrankenhäuser, die nicht nach dem KHG gefördert werden können, sondern bei denen die Gebietskörperschaft Bundesrepublik Deutschland die Investitionskosten aus Steuermitteln trägt. Auch insoweit sieht allerdings die Beschlussempfehlung des Bundestagsausschusses für Gesundheit vom 13. Dezember 2001 eine Einbeziehung der Bundeswehrkrankenhäuser in das KHG vor, um diese bei der Behandlung von Zivilpatienten künftig dem Fallpauschalensystem unterwerfen zu können (BT-Drucks 14/7862 S 9).
Im Ausgangspunkt zutreffend hat das LSG insoweit ausgeführt, dass auch die Erweiterung des Tatbestandes der „öffentlichen Förderung” über die institutionelle Förderung nach dem KHG auf eine Förderung aus allgemeinen „öffentlichen Steuermitteln” den Standpunkt der Beklagten nicht zu stützen vermag. Das BUK erhält nämlich im Unterschied zu den Polikliniken, die Gegenstand des erwähnten Senatsurteils vom 10. Mai 1995 (aaO) gewesen sind, keine Investitionsförderung aus Steuermitteln. Der weiter gehenden Auffassung des Berufungsgerichts, für die Annahme einer „öffentlichen Förderung” reiche aus, dass die finanziellen Mittel, aus denen Investitionen des Krankenhauses gefördert werden, aus Haushaltsmitteln rechtsfähiger Körperschaften des öffentlichen Rechts stammen, ist nicht zu folgen.
Der Anwendung des Merkmals „öffentlich gefördert” iS des § 120 Abs 3 Satz 2 SGB V auf jegliche Form der Finanzierung eines Krankenhauses aus Steuermitteln liegt die Erwägung zu Grunde, eine Doppelfinanzierung von Investitionen zu vermeiden. Mit den vertragsärztlichen Gebühren sind typischerweise die Investitionen mit abgegolten, die Ärzte für den Aufbau einer Praxis, die Herrichtung von Räumlichkeiten und die Anschaffung medizinisch-technischer Geräte tätigen müssen. Die Investitionskosten iS des § 4 Nr 1 KHG werden bei den meisten Krankenhausträgern jedoch aus Steuermitteln gefördert. Zu den geförderten Investitionen zählen auch Aufwendungen für Räume zur Notfallbehandlung, weil diese im Regelfall nicht vom übrigen Krankenhaus abgegrenzt sind. Sofern ein Krankenhaus für seine Investitionen eine Förderung aus Steuermitteln erfährt, ist es nicht gerechtfertigt, dass die dort erbrachten, der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung zuzurechnenden Leistungen in einer Höhe vergütet werden, die so kalkuliert ist, dass auch die Investitionskosten der vertragsärztlichen Praxen anteilig mit finanziert werden. Erhält somit ein Krankenhaus keine Fördermittel von den Gebietskörperschaften – wie zB Bund, Ländern oder Gemeinden –, deren Haushalte sich ganz überwiegend aus Steuermitteln speisen, ist der Tatbestand der öffentlichen Förderung iS des § 120 Abs 3 Satz 2 SGB V nicht erfüllt. Ob der Träger eines Krankenhauses bzw die hinter ihm stehenden Mitglieder ihrer rechtlichen Verfasstheit nach Körperschaften des öffentlichen Rechts sind, und ob die ihnen zufließenden und von ihnen verausgabten Beträge als „öffentliche” Mittel anzusehen sind, ist in diesem Zusammenhang unerheblich.
Die Begrenzung des Investitionskostenabschlags auf eine Förderung des Krankenhauses aus Steuermitteln ist sowohl aus der Perspektive der notfallmäßig behandelten Versicherten wie aus derjenigen des Krankenhauses geboten. An der steuerlichen Förderung der Investitionskosten eines Krankenhauses hat bei idealtypischer Betrachtungsweise jeder potentielle Notfallpatient als Steuerzahler seinen Anteil aufgebracht. Deshalb ist es nicht gerechtfertigt, dass diese Investitionskosten im Falle einer Notfallbehandlung nunmehr erneut über den in den vertragsärztlichen Gebührensätzen enthaltenen Investitionskostenanteil aus Krankenversicherungsbeiträgen finanziert werden. Der Krankenhausträger schließlich, der keine Investitionsförderung aus Steuermitteln erhält, ist wiederum in der gleichen Lage wie jeder niedergelassene Arzt, weil er darauf angewiesen ist, auch die anteiligen Investitionskosten aus den Vergütungen für die durchgeführten Behandlungen zu decken oder insoweit auf Eigenmittel zurückzugreifen. Soweit keine Investitionsförderung aus Steuermitteln erfolgt, greift das Verbot der Doppelfinanzierung von Investitionen im Krankenhaus nicht ein, sodass eine geringere Vergütung von Notfallbehandlungen in einem Krankenhaus im Vergleich zu denjenigen, die in der Praxis eines Vertragsarztes erbracht werden, nicht geboten ist.
Im Hinblick auf die dargestellte Zielsetzung der Regelung über den Investitionskostenabschlag in § 120 Abs 3 Satz 2 SGB V findet dieser auf die im BUK als Krankenhausleistungen durchgeführten ambulanten Notfallbehandlungen keine Anwendung. An der Finanzierung der Investitionskosten des BUK sind ausschließlich die Träger der gesetzlichen UV beteiligt. Die Beträge, die diese für die Errichtung und den Betrieb des BUK aufwenden, stammen wiederum aus den im Wege der Umlage festgesetzten Beiträgen der Unternehmer (§§ 150 und 152 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch ≪SGB VII≫). Dass die Beiträge der Unternehmer zu den BGen öffentlich-rechtliche Geldleistungen darstellen, ändert ebenso wenig wie die Rechtsnatur der BGen als Körperschaften des öffentlichen Rechts etwas daran, dass der Kreis der Personen und Institutionen, die die den BGen zur Verfügung stehenden Finanzmittel aufbringen, keinen Bezug zu den potentiellen Nutzern der Notfallambulanz eines berufsgenossenschaftlichen Krankenhauses hat. Da sich die BGen ausschließlich aus Beiträgen der Unternehmer und nicht – auch nicht zu einem gewissen Teil – aus Steuermitteln finanzieren, ist keine Rechtfertigung dafür ersichtlich, dass die KÄVen (und damit mittelbar die Krankenkassen als Kostenträger der ambulanten vertragsärztlichen Behandlung) für Notfallbehandlungen in den Ambulanzen berufsgenossenschaftlicher Krankenhäuser eine geringere Vergütung entrichten als für solche in vertragsärztlichen Notfallpraxen oder in den Ambulanzen von privaten Krankenhäusern, die nicht aus Steuermitteln gefördert werden bzw werden können. Es ist nicht Aufgabe der BGen, vergleichbar den Gebietskörperschaften Bund und Land Investitionen auch in den Ambulanzbereich von Krankenhäusern zu finanzieren, die einem Personenkreis zu Gute kommen, der nicht mit demjenigen übereinstimmt, der in der gesetzlichen UV versichert ist bzw die Ausgaben der UV-Träger finanziert.
Danach hat die Beklagte im Ergebnis zu Unrecht die Regelung über den Investitionskostenabschlag auf die Vergütung der ambulanten Notfallbehandlungen gegenüber Versicherten der KKen im BUK angewandt. Die angefochtenen Honorarbescheide sind insoweit zu ändern. Die Beklagte hat dem Kläger den 10%igen Vergütungsanteil für die Notfallbehandlungen im Quartal I/1993 nachzuzahlen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 und 4 in der bis zum 1. Januar 2002 geltenden und deshalb hier noch anwendbaren (vgl Art 17 Abs 1 Satz 2 des 6. SGG-Änderungsgesetzes vom 17. August 2001, BGBl I S 2144) Fassung des SGG (Senatsurteil vom 30. Januar 2002 – B 6 KA 12/01 R –, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Der Senat berücksichtigt, dass der Kläger sein ursprüngliches Begehren, auch vom Abzug des Verwaltungskostenanteils in Höhe von 1,7% der Bruttovergütung freigestellt zu werden, im Revisionsverfahren nicht weiter verfolgt hat. Mit diesem Begehren ist er in den Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben, was auch in der Kostenquote zum Ausdruck kommen muss.
Fundstellen
ArztR 2003, 53 |
NZS 2003, 89 |
SGb 2002, 326 |
SozR 3-2500 § 120, Nr. 12 |
AuS 2002, 58 |