Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorherige berufliche Tätigkeit
Leitsatz (amtlich)
1. Erwachsener iS von § 59 Abs 1 S 2 AFG ist der Volljährige.
2. § 25 Nr 2 RehaAnO vom 1975-07-31 (ANBA 1975, 994) steht nicht im Einklang mit der der Bundesanstalt für Arbeit gemäß § 58 Abs 2 AFG erteilten Ermächtigung.
Leitsatz (redaktionell)
Es ist nicht zulässig, die Zahlung von Übergangsgeld von einer vorherigen beruflichen Tätigkeit abhängig zu machen. Dadurch werden die gesetzlichen Anspruchsvoraussetzungen unzulässig eingeschränkt.
Normenkette
AFG § 58 Abs. 2 Fassung: 1974-08-07, § 59 Abs. 1 S. 2 Fassung: 1974-08-07; RehaAnO § 25 Nr. 2 Fassung: 1975-07-31; RehaAnO 1975 § 25 Nr. 2 Fassung: 1975-07-31; RehaAnglG § 2 Abs. 1 S. 2 Fassung: 1974-08-07; BGB § 2 Fassung: 1974-07-31; AFG § 58 Abs. 2 Fassung: 1969-06-25
Verfahrensgang
Tatbestand
Der am 26. Oktober 1958 geborene Kläger begehrt Übergangsgeld (Übg).
Wegen der Folgen eines am 5. Oktober 1975 erlittenen Unfalls (Querschnittslähmung) konnte der Kläger von diesem Zeitpunkt an seine am 1. August 1975 begonnene Lehre als Zimmerer mit einer Vergütung von 379,-- DM brutto monatlich nicht fortsetzen. Er ist auf die Benutzung eines Rollstuhls angewiesen. Vom 1. März 1977 an nahm er an einem Rehabilitationslehrgang (Industriekaufmann) bei dem Berufsförderungswerk H GmbH teil. Der Lehrgang sollte bis Januar 1980 dauern. Die Kosten hierfür hat die Beklagte gem § 6 Abs 2 des Gesetzes über die Angleichung der Leistungen zur Rehabilitation (RehaAnglG) vom 7. August 1974 (BGBl I 1881) übernommen und dem Kläger ab Lehrgangsbeginn auch Berufsausbildungsgeld in Höhe von 100,-- DM monatlich gezahlt.
Mit Schreiben vom 29. Oktober 1977 beantragte der Kläger die Gewährung von Übg. Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 15. Dezember 1977 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Juli 1978 mit der Begründung ab, es fehle für die Gewährung von Übg an den nach § 25 Nr 2 der Anordnung des Verwaltungsrats der Bundesanstalt für Arbeit über die Arbeits- und Berufsförderung Behinderter (RehaAnO) vom 31. Juli 1975 (ANBA 1975, 994) erforderlichen Voraussetzungen. Der Kläger sei vor Beginn der Maßnahme nicht beruflich tätig gewesen und habe auch das 21. Lebensjahr nicht vollendet gehabt.
Das Sozialgericht (SG) hat die Beklagte antragsgemäß mit Urteil vom 15. März 1979 verurteilt, dem Kläger ab 1. März 1977 Übg zu gewähren. Das Landessozialgericht (LSG) hat auf die Berufung der Beklagten das erstinstanzliche Urteil insoweit aufgehoben, als diese verurteilt worden ist, Übg für die Zeit vom 1. März 1977 bis 26. Oktober 1979 zu gewähren. Zur Begründung hat es im wesentlichen die Auffassung vertreten, entgegen der Ansicht des SG habe der Kläger bis zum 26. Oktober 1979 keinen Anspruch auf Übg gehabt. Er sei erst mit der Vollendung des 21. Lebensjahres Erwachsener iS von § 59 Abs 1 Satz 2 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) geworden. Die Beklagte habe nach pflichtgemäßem Ermessen aufgrund der Anordnungsermächtigung des § 58 Abs 2 AFG den Begriff des Erwachsenen mit der Vollendung des 21. Lebensjahres verbunden und damit eine vertretbare, den Ansprüchen des Behinderten gerecht werdende Regelung geschaffen. Ob es sich bei dem Ausbildungsverhältnis des Klägers als Zimmerer um eine berufliche Tätigkeit im Sinne der RehaAnO gehandelt hat, könne dahingestellt bleiben. Der § 25 Nr 2 der RehaAnO verstoße, soweit hierin die Zahlung von Übg von einer vorausgegangenen beruflichen Tätigkeit abhängig gemacht werde, gegen § 59 Abs 1 Satz 2 AFG. In dieser Vorschrift sei eine solche Voraussetzung nicht genannt. Sie entspreche auch nicht dem Willen des Gesetzgebers. Für den Bezug des Übg sei auch nicht Voraussetzung, daß der Behinderte vor Beginn der Maßnahme bereits das 21. Lebensjahr vollendet habe, was aus der gesetzeskonformen Auslegung von § 25 Nr 2 RehaAnO folge.
Gegen dieses Urteil haben beide Beteiligten Revision eingelegt. Der Kläger wendet sich gegen die vom LSG vertretene Auffassung, es sei nicht zwingend, den Erwachsenen mit dem Volljährigen gleichzusetzen.
Er beantragt,
das Urteil des LSG Niedersachsen vom 26. Februar 1980
aufzuheben, soweit es der Berufung der Beklagten
stattgegeben hat und die Berufung der Beklagten
gegen das Urteil des SG Stade vom 15. März 1979
gänzlich zurückzuweisen,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision des Klägers zurückzuweisen und
das Urteil des LSG Niedersachsen vom
26. Februar 1980 abzuändern, das Urteil des
SG Stade in vollem Umfang aufzuheben und
die Klage abzuweisen sowie zu erkennen, daß
außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten sind.
Die Beklagte ist der Auffassung, § 25 Nr 2 RehaAnO 1975 müsse dahin ausgelegt werden, daß der Anspruch auf Übg davon abhänge, ob der Behinderte das 21. Lebensjahr vor Beginn der Maßnahme vollendet habe. Entgegen der Auffassung des LSG sei die weitere Voraussetzung, die in der Vorschrift für die Gewährung von Übg aufgestellt sei - berufliche Tätigkeit vor Beginn der Maßnahme - durch die gesetzliche Ermächtigung gedeckt. Sie nehme die Vorstellung auf, die der Gesetzgeber mit der Angleichung der Leistungen zur Rehabilitation im Bereich des AFG verbunden habe. Nach dem Gesamtkonzept des Gesetzgebers seien Lohnersatzleistungen, zu denen das Übg gehöre, nur für den Bereich vorgesehen, in dem sie schon vor der gesetzlichen Neuregelung durch das RehaAnglG bestanden, was aus § 2 Abs 1 RehaAnglG folge. Es werde hiernach dem bisherigen Grundsatz des AFG Rechnung getragen, Lohnersatzleistungen (Unterhaltsgeld) nur denjenigen Personen zu gewähren, die vor Beginn einer Reha-Maßnahme bereits durch Berufstätigkeit einen eigenen Lebensstandard erreicht hatten, also sich in Fortbildung oder Umschulung befanden. Personen in (Erst)-Ausbildung - typischerweise also Jugendlichen - sollten hingegen bedarfsorientierte (niedrigere) Berufsausbildungsbeihilfe-Leistungen gewährt werden.
Entscheidungsgründe
Nur die Revision des Klägers ist begründet.
Dem Anspruch des Klägers steht nicht entgegen, daß die Beklagte gem § 57 Abs 1 AFG berufsfördernde und ergänzende Leistungen zur Rehabilitation nur gewähren darf, sofern nicht ein anderer Reha-Träger iSd RehaAnglG zuständig ist. Die Befugnis und Verpflichtung der Beklagten folgt aus § 6 Abs 2 RehaAnglG. Die Beklagte hat ihre Vorleistungspflicht dem Grunde nach mit Schreiben vom 17. Februar und 9. März 1977 anerkannt.
Unerheblich ist auch, daß die Beklagte dem Kläger von Anfang an nur ein Berufsausbildungsgeld anstelle von Übg gewährt hat und der hierzu ergangene Bescheid rechtsverbindlich geworden ist. Selbst wenn man darin zumindest incidenter die Ablehnung eines Anspruchs auf Übg sehen wollte, stünde dies dem Begehren des Klägers nicht entgegen. Die Beklagte hat, da sie, ohne sich auf die Rechtsverbindlichkeit der früheren Bescheide zu berufen, erneut in der Sache entschieden hat, einen zweiten Verwaltungsakt erlassen, der in vollem Umfange auch durch das Gericht überprüft werden kann (vgl BSG SozR 2200 § 1251 Nr 41). Zutreffend ist das SG zu dem Ergebnis gelangt, daß der Bescheid vom 15. Dezember 1977 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Juli 1978 rechtswidrig ist. Die Beklagte hat den Antrag des Klägers auf Gewährung von Übg zu Unrecht abgelehnt.
Voraussetzung für die Gewährung von Übg ist gem § 59 Abs 1 Satz 2 AFG ua, daß ein Behinderter keine ganztätige Erwerbstätigkeit ausüben kann, weil er als Erwachsener an einer Maßnahme der beruflichen Ausbildung in einer betrieblichen oder einer überbetrieblichen Einrichtung teilnimmt. Nicht zweifelhaft ist, daß der Kläger Behinderter ist, und daß das B - H GmbH eine überbetriebliche Einrichtung ist. Der Kläger kann auch, wie den Feststellungen des LSG noch zu entnehmen ist, wegen der Teilnahme an der Maßnahme keine ganztätige Erwerbstätigkeit ausüben. Die Maßnahme selbst ist berufliche Ausbildung iSv § 40 AFG. Sie ist, nachdem der Kläger wegen der Behinderung seine zunächst begonnene Ausbildung zum Zimmerer nicht fortführen konnte, die erste zu einem auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt verwertbaren Abschluß führende Maßnahme der beruflichen Bildung (BSG SozR 4100 § 40 Nr 12 mwN).
Der Kläger ist auch bereits bei Beginn der Maßnahme Erwachsener gewesen. Wer als Erwachsener anzusehen ist, sagt das AFG nicht. Der Begriff bedarf daher der Konkretisierung durch Auslegung. Hierbei ist zu beachten, daß der Begriff "Erwachsener" ein unbestimmter Rechtsbegriff ist, bei dessen Auslegung grundsätzlich nur ein Ergebnis richtig sein kann. Deshalb kann die in § 25 Nr 2 der RehaAnO getroffene Regelung, wonach die Zahlung von Übg ua von der Vollendung des 21. Lebensjahres abhängt, nur dann durch die der Beklagten gem § 58 Abs 2 AFG erteilte Ermächtigung gedeckt sein, wenn der Begriff des Erwachsenen gem § 59 Abs 1 Satz 2 AFG nach geltender Anschauung identisch ist mit der Vollendung des 21. Lebensjahres. Ein Ermessen bei der Auslegung dieses Begriffes steht der Beklagten entgegen der Auffassung des LSG nicht zu (aA Schönefelder/Kranz/Wanka, AFG, § 59 RdNr 2, Stand August 1976). Auch ein Beurteilungsspielraum, der der Verwaltung bei der Anwendung eines unbestimmten Rechtsbegriffs in bestimmten Fällen eingeräumt ist (vgl BSG SozR 4100 § 43 Nr 9), besteht nicht. Dies würde letztlich in beiden Fällen auf eine Abänderung des Gesetzes hinauslaufen, wozu die Beklagte nicht befugt ist. Hier steht die Konkretisierung des Begriffes "Erwachsener" in § 25 Nr 2 RehaAnO nicht im Einklang mit dem Gesetz und ist daher für die Gerichte nicht verbindlich.
Zu Unrecht stellt die Beklagte insoweit auf die Vollendung des 21. Lebensjahres ab. Sie verkennt, daß unter Erwachsensein allgemein die Erreichung eines bestimmten Reifegrades zu verstehen ist, die es dem jungen Menschen ermöglicht, auf eigenen Füßen zu stehen und die volle Verantwortlichkeit in allen Lebens- und Rechtsbereichen zu tragen. Das ist nach Auffassung des Gesetzgebers mit Eintritt der Volljährigkeit der Fall. Mit dem Gesetz zur Neuregelung des Volljährigkeitsalters vom 31. Juli 1974 (BGBl I 1713) ist ab 1. Januar 1975 der Eintritt der Volljährigkeit von der Vollendung des 21. Lebensjahres auf die Vollendung des 18. Lebensjahres herabgesetzt worden. Hiermit hat der Gesetzgeber der tatsächlich vollzogenen Emanzipation dieser Altersgruppe Rechnung getragen. Sie handelte bei der Teilnahme am Rechtsverkehr des Alltags bereits vor der Herabsetzung des Volljährigkeitsalters weitgehend selbständig, insbesondere bei der Wahl des Berufes und des Arbeitsplatzes, bei der Bestimmung des Aufenthaltsortes und der Verwertung des Arbeitseinkommens (vgl BT-Drucks 7/117 S 6 und 31). Mit Vollendung des 18. Lebensjahres kann also der Bürger grundsätzlich uneingeschränkt selbständig am Rechtsverkehr teilnehmen. Der Gesetzgeber geht davon aus, daß der Bürger in diesem Alter den dadurch entstehenden Rechten und Pflichten auch gewachsen und damit erwachsen ist (vgl BSG SozR 1500 § 67 Nr 6). Will der Gesetzgeber hiervon eine Ausnahme machen, dann muß erwartet werden, daß sich dies dem Wortlaut und dem Sinnzusammenhang des Gesetzes entnehmen läßt. Das ist hier nicht der Fall. Wenn der Gesetzgeber den Volljährigen hinsichtlich der in § 59 Abs 1 Satz 2 AFG getroffenen Regelung nicht als Erwachsenen ansehen wollte, hätte es nahe gelegen, daß er auf die Vollendung eines bestimmten Lebensalters abgestellt hätte. Hierzu hätte um so mehr Veranlassung bestanden, als § 59 AFG seine jetzige Fassung durch das RehaAnglG erhalten hat, das nur wenige Tage nach dem Gesetz zur Neuregelung des Volljährigkeitsalters vom 31. Juli 1974 verkündet worden ist.
Soweit das LSG im Anschluß an Hoppe/Berlinger (Förderung der beruflichen Bildung, § 59 AFG Anm 7) auf die unerwünschten Folgen hinweist, wenn man unter dem Erwachsenen iS von § 59 Abs 1 Satz 2 AFG den Volljährigen versteht, so vermag diese Auffassung nicht zu überzeugen. Diese Folgen können ebenfalls nach Vollendung des 21. Lebensjahres eintreten, wenn auch die Zahl der insoweit in Betracht kommenden Behinderten geringer sein sollte. Abgesehen davon sind die Gerichte nicht befugt, rechtspolitische Folgen einer gesetzlichen Regelung, die möglicherweise unerwünscht sind, zu korrigieren. Das ist allein Aufgabe des Gesetzgebers. Dieser will aber mit der Regelung des § 59 AFG nicht den früher verdienten Lohn ersetzen. Das Übg soll hier vielmehr deshalb gewährt werden, weil davon ausgegangen wird, der Behinderte erleide wegen der Teilnahme an der Maßnahme einen Einkommensverlust. Auf ein früher erzieltes Arbeitsentgelt kommt es nur insoweit an, als dieses grundsätzlich Anknüpfungspunkt für die Höhe der Leistung ist (§ 59 Abs 3 AFG). In den Fällen, in denen kein Arbeitsentgelt nach § 59 Abs 3 AFG erzielt worden ist, erfolgt die Berechnung des Übg gem § 59a Satz 1 Nr 2 AFG (so Gagel-Jülicher, AFG, § 59 Anm 5; aA Jung/Preuß, Rehabilitation, § 2 Anm 5, S 127).
Soweit das LSG weiterhin meint, der Gesetzgeber habe in § 59 Abs 1 Satz 2 AFG offenbar auf die besondere Situation des sogenannten Altlehrlings abgestellt, übersieht es, daß dieser Fall bereits von § 59 Abs 1 Satz 1 AFG erfaßt wird. Auch der Hinweis auf das Urteil des Senats vom 5. Dezember 1978 - 7 RAr 40/77 - (SozR 4440 § 11 Nr 3) geht fehl. Dort war ua streitig, ob für die Gruppe der achtzehn- bis zwanzigjährigen Auszubildenden bei der Bemessung der Berufsausbildungsbeihilfe (BAB) hinsichtlich des Bedarfs für den Lebensunterhalt der Maßstab zugrunde zu legen ist, der für die Zeit nach Vollendung des 21. Lebensjahres angelegt wird. Der Senat hat dies verneint, weil sich die BAB am späteren Verdienst ausrichtet. Auf die Frage, wann jemand erwachsen ist, kam es hier also nicht an.
Zu Unrecht stützt die Beklagte ihre Auffassung, die in § 25 Nr 2 der RehaAnO geforderte Vollendung des 21. Lebensjahres sei eine sachgerechte Definition des Begriffes "Erwachsener", auf § 2 Abs 1 Satz 2 RehaAnglG. Diese Bestimmung besagt nur, daß berufsfördernde Leistungen an behinderte Jugendliche nach den bisherigen Vorschriften weiter gewährt werden sollen. Sie bestimmt jedoch nicht, wer Jugendlicher oder Erwachsener ist. Abgesehen davon hat das RehaAnglG in seinem § 36 Nr 7 den § 59 AFG erst neu gefaßt und damit die jetzt gültigen Anspruchsvoraussetzungen normiert. Darüber hinaus konnten Behinderte Unterhaltsgeld (Uhg) nach § 58 Abs 2 AFG aF ua auch dann beanspruchen, wenn sie wegen ihrer Behinderung vor Einleitung der Maßnahme kein Arbeitsentgelt erzielen konnten. Der Grundsatz des AFG, Uhg als Lohnersatzleistung nur den Personen zu gewähren, die bereits vor Beginn der Maßnahme einen bestimmten Lebensstandard erreicht hatten, der der typischen Situation eines Erwachsenen entspricht, wurde also bei Behinderten nicht strikt eingehalten. Auch insoweit rechtfertigt sich die Annahme nicht, daß der Gesetzgeber in § 59 Abs 1 Satz 2 AFG von dem üblichen Verständnis, daß Erwachsener der Volljährige ist, abweichen wollte.
Es kann dahingestellt bleiben, ob die Tätigkeit des Klägers als Zimmerlehrling eine berufliche Tätigkeit iS von § 25 Nr 2 RehaAnO war. Selbst wenn dies nicht der Fall sein sollte, steht dies seinem Anspruch auf Übg nicht entgegen, wie das LSG richtig erkannt hat. Auch insoweit steht § 25 Nr 2 RehaAnO nicht im Einklang mit der der Beklagten gem § 58 Abs 2 AFG erteilten Rechtsetzungsbefugnis. Die Beklagte hat damit eine inhaltliche Veränderung der Anspruchsvoraussetzungen des § 59 Abs 1 Satz 2 AFG vorgenommen, die durch die Ermächtigung des § 58 Abs 2 AFG nicht gedeckt ist. Diese erlaubt ihr lediglich, das Nähere über Voraussetzungen, Art und Umfang der berufsfördernden und ergänzenden Leistungen zur Rehabilitation zu bestimmen. Nicht erlaubt ist ihr hingegen die Schaffung neuer zusätzlicher Anspruchsvoraussetzungen. Diese hat sie hier aber mit dem Erfordernis der beruflichen Tätigkeit vor Beginn der Maßnahme aufgestellt. Weder der Wortlaut noch der Sinnzusammenhang des Gesetzes rechtfertigen eine solche Einschränkung. Der Beklagten ist zwar einzuräumen, daß § 59 Abs 1 Satz 2 AFG von dem Gesamtkonzept des Gesetzgebers abweicht, wonach Lohnersatzleistungen in Form von Uhg und Übg grundsätzlich nur im Bereich von Fortbildung und Umschulung gewährt werden. Der Gesetzgeber hat hier aber bei den erwachsenen Behinderten diese Leistung ausnahmsweise ua auch für die Teilnahme an einer Maßnahme der beruflichen Ausbildung in einem Betrieb oder in einer überbetrieblichen Einrichtung vorgesehen. Diese Ausnahme gilt für alle erwachsenen Behinderten und nicht nur für solche, die bereits vor der Maßnahme beruflich tätig waren. Dem Gesetz ist nicht zu entnehmen, daß der Gesetzgeber eine solche Begrenzung gewollt hat. Dem steht schon § 59a Satz 1 Nr 2 AFG entgegen. Danach erfolgt eine von § 59 Abs 3 AFG abweichende Berechnung des Übg, wenn kein Arbeitsentgelt nach § 59 Abs 3 AFG erzielt worden ist. Dies gilt auch dann, wenn überhaupt kein Arbeitsentgelt erzielt worden ist, weil der Behinderte nicht beruflich tätig war. Die Regelung des § 59a Satz 1 Nr 2 AFG entspricht inhaltlich § 44 Abs 3 Nr 2 AFG. Auch dort wird bei Antragstellern, die gemäß § 46 Abs 2 AFG gefördert werden, obwohl sie die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen gem § 46 Abs 1 AFG nicht erfüllen, ein fiktives Einkommen festgesetzt. Dieses soll sich für den Behinderten nach § 59a Satz 3 AFG an der Beschäftigung oder Tätigkeit orientieren, die für ihn nach seinen beruflichen Fähigkeiten und seinem Lebensalter ohne die Behinderung in Betracht käme, dh, auf eine tatsächliche berufliche Tätigkeit wird insoweit nicht abgestellt. Wenn demgegenüber Jung/Preuß (aaO, § 2 Anm 5, S 127) meinen, die Zuordnung eines Behinderten in die Leistungsgruppen setze eine vorangegangene Erwerbstätigkeit voraus, weil dies sonst sinnvoll nicht möglich sei, so überzeugt dies nicht. Schwierigkeiten bei der Feststellung von Anspruchsvoraussetzungen können nicht gegen das Bestehen eines Anspruchs sprechen, zumal da entsprechende Schwierigkeiten auch in anderen Gebieten des Sozialrechts auftreten; hingewiesen sei nur auf den Berufsschadensausgleich im Versorgungsrecht.
Nach allem kann nur die Revision des Klägers Erfolg haben; das Urteil des LSG ist entsprechend aufzuheben. Die Revision der Beklagten muß hingegen zurückgewiesen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz.
Fundstellen