Entscheidungsstichwort (Thema)
Freistellung von der Beitragspflicht. Rentenbewerber. KVdR. Kassenzuständigkeit. Beitragslast
Leitsatz (redaktionell)
Eine Freistellung von der Beitragszahlung nach RVO § 381 Abs 3 erfolgt für einen Rentenbewerber auch dann, wenn für ihn ein Anspruch auf Familienkrankenpflege zwar nicht nach RVO § 205 besteht, wohl aber gemäß KVLG § 32 bestände.
Orientierungssatz
1. Handelt es sich beim Zusammentreffen der Versicherung eines Rentenantragstellers in der KVdR mit der Mitversicherung im Rahmen der Familienkrankenpflege um die KK eines anderen Regelungssystems, so soll eine Verschiebung zu der KK des Sondersystems nicht erfolgen. Die Versicherungspflicht und Mitgliedschaft bei der RVO-Kasse soll bestehen bleiben. Allerdings soll die KK des Sondersystems, die für die Familienkrankenpflege zuständig ist, die KVdR-Last durch Übernahme der Beitragslast tragen.
2. Das Fehlen einer das Zusammentreffen der KVdR-Mitgliedschaft und Versicherungspflicht nach der RVO mit der Familienkrankenpflege nach KVLG § 32 regelnden Vorschrift stellt eine planwidrige Gesetzeslücke dar. Diese ist von der Rechtsprechung im Wege der verfassungs- und gesetzeskonformen Rechtsergänzung zu schließen.
Normenkette
RVO § 165 Abs. 1 Nr. 3 Fassung: 1956-06-12, § 257a Abs. 1 S. 3 Fassung: 1969-07-27, § 381 Abs. 3 S. 2 Nr. 3 Fassung: 1969-07-27, § 205 Abs. 1 S. 1 Fassung: 1970-12-21; KVLG § 32 Abs. 1 S. 1 Fassung: 1972-08-10, § 64 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 Fassung: 1972-08-10, § 82 Nr. 1 Fassung: 1972-08-10; KVÄndG Art. 4 § 6 Fassung: 1969-07-27; RVO § 225 Abs. 1 Fassung: 1972-08-10
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 24. Februar 1977 wird zurückgewiesen.
Die Widerklage der Beklagten wird abgewiesen.
Die Beklagte hat der Klägerin auch die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin als Rentenantragstellerin Beiträge zur Krankenversicherung der Rentner (KVdR) nach § 381 Abs 3 der Reichsversicherungsordnung (RVO) zu entrichten hat, obwohl für sie in dem streitigen Zeitraum Anspruch auf Familienhilfe nach § 32 des Gesetzes über die Krankenversicherung der Landwirte (KVLG) bestanden hätte.
Die Klägerin beantragte am 16. Mai 1973 bei der Landesversicherungsanstalt (LVA) Rheinprovinz Hinterbliebenenrente aus der Versicherung ihres am 2. April 1973 gestorbenen früheren Ehemannes H .P. Am 28. April 1974 heiratete sie den Landwirt W R, der seit dem 1. Januar 1974 Pflichtmitglied der Beigeladenen ist. Bis zum 30. April 1974 war sie versicherungspflichtig beschäftigt und auf Grund dessen bei der Beklagten gegen Krankheit versichert. Mit bindendem Bescheid vom 19. Juli 1974 lehnte die LVA Rheinprovinz den Rentenantrag der Klägerin ab.
Die Beklagte forderte daraufhin von der Klägerin mit der Begründung, sie sei in der Zeit vom 1. Mai 1974 bis 31. August 1974 nach § 315a RVO versicherungspflichtig und Mitglied ihrer Kasse gewesen, Beiträge für diesen Zeitraum in Höhe von 415,88 DM (Bescheid vom 7. März 1975). Der Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 21. November 1975). Das Sozialgericht (SG) Duisburg hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 14. Mai 1976). Es hat eine Beitragsfreiheit der Klägerin nach § 381 Abs 3 Satz 2 Nr 3 RVO verneint. Mit dem Begriff "Anspruch auf Familienkrankenpflege" sei die Krankenpflege gemeint, die nach § 205 RVO von den Krankenkassen des § 225 RVO gewährt werde. Zu diesen Krankenkassen gehörten nicht die landwirtschaftlichen Krankenkassen. Zwar entspreche die Familienkrankenpflege im Sinne des § 205 RVO nach Inhalt und Umfang der Familienhilfe des § 32 KVLG. Nach Sinn und Zweck des § 381 Abs 3 Satz 2 Nr 3 RVO sei jedoch eine Beitragsfreiheit für Rentenbewerber nur gerechtfertigt, wenn die für den Rentenbewerber zuständige Kasse und die Kasse, die für Leistungsansprüche aus der Familienkrankenpflege zuständig wäre, identisch seien.
Auf die Berufung der Klägerin hat das Landessozialgericht (LSG) für das Land Nordrhein-Westfalen das Urteil des SG abgeändert und den Bescheid der Beklagten vom 7. März 1975 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. November 1975 aufgehoben (Urteil vom 24. Februar 1977). Das LSG hat im wesentlichen ausgeführt: Mit dem SG sei davon auszugehen, daß die Klägerin während ihrer auf § 315a Abs 1 Satz 1 RVO beruhenden Versicherungspflicht in der KVdR Mitglied der Beklagten gewesen sei. § 257a Abs 1 Satz 3 RVO lasse sich im Verhältnis zu den Trägern der landwirtschaftlichen Krankenversicherung nicht anwenden. Die Krankenversicherung der Landwirte (KVdL) stelle nach Zielsetzung und Ausgestaltung ein Ordnungssystem dar, das von dem des Zweiten Buches der RVO verschieden sei. Das KVLG sei als Sondergesetz, dh als ein Normensystem konzipiert worden, das seine Regelungen unmittelbar treffe und einen Rückgriff auf Vorschriften der RVO nur insoweit zulasse, als § 82 KVLG ausnahmsweise deren entsprechende Anwendung vorschreibe. § 257a RVO werde dort aber nicht genannt. Dies sei nicht als eine dem gesetzgeberischen Plan zuwiderlaufende Regelungslücke anzusehen. Der Gesetzgeber gehe nämlich davon aus, daß die Mitgliedschaft zur KVdR nicht der Zuständigkeit des Trägers der Familienkrankenpflege folge, wenn es sich bei diesem nicht um eine Kasse der RVO handle. Dies zeige sich bei einem Vergleich mit der durch Art 4 § 6 des Gesetzes über die Fortzahlung des Arbeitsentgelts im Krankheitsfalle und über Änderungen der gesetzlichen Krankenversicherung (KVÄndG) vom 27. Juli 1969 (BGBl I 946) geschaffenen Rechtslage zwischen der Krankenversicherung nach dem Zweiten Buch der RVO und der knappschaftlichen Krankenversicherung. Aus der Mitgliedschaft der Klägerin zur KVdR folge jedoch nicht, daß sie auch Beiträge an die Beklagte zu entrichten habe. Dies würde gegen den Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 des Grundgesetzes (GG) verstoßen. Es könne nicht angenommen werde, der Gesetzgeber habe für die Formalversicherten mit Anspruch auf Familienhilfe gegen einen Träger der landwirtschaftlichen Krankenversicherung eine Beitragspflicht begründen und damit diesen Personenkreis als einzigen in den Stand vor dem Inkrafttreten des KVÄndG zurückversetzen und vergleichbaren Gruppen gegenüber ohne vertretbaren Grund benachteiligen wollen. Daß die landwirtschaftlichen Krankenkassen wegen des zu erwartenden Rückgangs ihrer aktiven Mitglieder nicht mit den Kosten der KVdR belastet werden sollten, rechtfertige es nicht, die Formalversicherten mit Anspruch auf Familienhilfe nach dem KVLG anders als sonst an der Kostenlast zu beteiligen. Diese Gründe sprächen lediglich dagegen, der für die Familienkrankenpflege zuständigen landwirtschaftlichen Krankenkasse die Beitragsverpflichtung aufzubürden. Der Gesetzgeber habe es bei der Schaffung des KVLG versehentlich unterlassen, eine dem Art 4 § 6 KVÄndG entsprechende Regelung beizufügen. Diese verdeckte Regelungslücke sei von der Rechtsprechung zu schließen, was durch analoge Anwendung des in § 381 Abs 3 Satz 2 Nr 3 RVO sowie Art 4 § 6 KVÄndG zum Ausdruck kommenden Rechtsgedankens erfolgen müsse. Ob eine Analogie zu Art 4 § 6 KVÄndG auch gerechtfertigt wäre, wenn die Beklagte die Beiträge von der Beigeladenen beanspruchen würde, könne offen bleiben. Das LSG hat die Revision zugelassen.
Mit ihrer Revision rügt die Beklagte eine Verletzung der §§ 315a, 381, 225 RVO, Art 4 § 6 KVÄndG, Art 3 GG, § 75 Abs 5 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) und § 32 KVLG. Das LSG hebe zwar hervor, daß das Ordnungssystem des KVLG nicht nur erheblich eigenständiger als das der §§ 15 bis 20 des Reichsknappschaftsgesetzes (RKG) sei und daß es sich auf einen grundlegend anderen Mitgliederkreis erstrecke. Die von ihm hieraus in Verbindung mit dem Grundgedanken des Art 4 § 6 KVÄndG gezogene Schlußfolgerung verstoße jedoch gegen Denkgesetze. Es weiche ohne triftigen Grund auf eine analoge Anwendung dieser Grundsätze aus, denn es liege keine Regelungslücke vor. Das Bundessozialgericht (BSG) habe in seinen Urteilen vom 5. Februar 1976 (USK 7601) und 19. August 1976 (USK 7687) ausführlich dargelegt, daß die KVdL nach Zielsetzung und Ausgestaltung ein von der Krankenversicherung der RVO verschiedenes Ordnungssystem sei und ihre Grundkonzeption und Einzelvorschriften in wesentlichen Punkten abwichen. Insbesondere seien die Versicherungspflicht und ihre Ausnahmen allein und erschöpfend im KVLG geregelt. Eine Anwendung von Vorschriften der RVO sei daneben nicht möglich. Die KVdL könne nicht als gesetzliche Krankenversicherung - und sei es auch nur vergleichbar - angesehen werden. Sie sei eine Unternehmerversicherung und die Ehefrau des Landwirts habe gegen ihren Ehemann einen Unterhaltsanspruch. Beim RKG handle es sich dagegen um versicherte Arbeitnehmer, vergleichbar mit den Versicherten einer Allgemeinen Ortskrankenkasse. Es bestünden sonach triftige Gründe, daß der Gesetzgeber in dem vorliegenden Fall eine Beitragsfreiheit für Formalversicherte nicht vorgesehen habe. Art 3 GG sei nicht verletzt, da Gleiches Ungleichem gegenüberstehe.
Die Beklagte beantragt (sinngemäß),
das Urteil des LSG aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG zurückzuweisen,
hilfsweise,
das Urteil des LSG abzuändern und die Beigeladene zu verurteilen, an die Beklagte die Beiträge für die Zeiten der Formalversicherung zu zahlen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Die Beigeladene beantragt,
die Revision zurückzuweisen, soweit die Beklagte (hilfsweise) beantragt, die Beigeladene zur Zahlung von Beiträgen zu verurteilen.
Im übrigen teilt sie die Rechtsauffassung der Beklagten.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 SGG).
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Sie ist zurückzuweisen. Die Widerklage der Beklagten muß ebenfalls ohne Erfolg bleiben.
Das LSG hat zu Recht entschieden, daß die Klägerin trotz ihrer Versicherungspflicht in der KVdR und Mitgliedschaft bei der Beklagten nicht verpflichtet ist, für den streitigen Zeitraum Beiträge an die Beklagte zu entrichten. Es hat zutreffend erkannt, daß einerseits der gegenüber der Beigeladenen bestehende Anspruch auf Familienkrankenpflege nach § 32 KVLG nicht über § 257a Abs 1 Satz 3 RVO zur Verlagerung der Mitgliedschaft auf die Beigeladene und hierwegen zur Beitragsfreiheit nach § 381 Abs 3 Satz 2 Nr 3 RVO führen kann, daß aber trotzdem die Klägerin nicht zur Beitragszahlung verpflichtet ist. Das LSG hat dies zu Recht im Wege der Analogie aus der Vorschrift des Art 4 § 6 KVÄndG abgeleitet. Hinsichtlich der erstgenannten Rechtsfrage konnte es sich auf die Rechtsprechung des 3. Senats des BSG stützen, die einen untrennbaren Zusammenhang der gleichzeitig mit dem KVÄndG in die RVO eingefügten §§ 381 Abs 3 Satz 2 Nr 3 und 257a Abs 1 Satz 3 hervorgehoben und die Verschiebung der KVdR-Mitgliedschaft auf die "Familienhilfekasse" als Voraussetzung für die Beitragsfreiheit des Rentenbewerbers angesehen hat (vgl SozR Nr 33 zu § 381 RVO und SozR 2200 § 381 Nr 2). Der 3. Senat des BSG hat das aus dem der KVdR innewohnenden Prinzip der Ausgewogenheit zwischen Beitragsaufkommen und Risikobelastung gefolgert, das dann gewahrt sei, wenn eine Kasse auf die Beiträge des Rentenbewerbers verzichten müsse, die ohnehin zu den Leistungen der Familienkrankenpflege ohne zusätzliche Beitragseinnahmen verpflichtet gewesen wäre. Dem stimmt der erkennende Senat zu. Auch nach seiner Ansicht kann die Beitragspflicht des Rentenantragstellers nach § 381 Abs 3 Satz 2 Nr 3 RVO nur dann entfallen, wenn es sich bei der für die Familienkrankenpflege zuständigen Kasse um eine solche nach § 225 RVO - oder eine nach §§ 476 Abs 3, 514 Abs 2 RVO gleichgestellte Kasse - handelt, dh wenn die - nur innerhalb des Regelungssystems der RVO mögliche - Identität zwischen KVdR-Kasse und "Familienhilfekasse" gegeben ist. Durch diese Regelung, die nur die Frage des Bestehens oder Nichtbestehens der Beitragspflicht des Rentenbewerbers betrifft, sind allerdings keineswegs alle Möglichkeiten erschöpft, familienhilfeberechtigte Rentenbewerber von der Beitragszahlung freizustellen. Das ergibt sich bereits aus Art 4 § 6 KVÄndG. Hiernach hat die knappschaftliche Krankenversicherung an Stelle des Rentenantragstellers die Beiträge für die Zeit des Versicherungsschutzes nachzuentrichten, wenn ohne die Versicherung nach § 165 Abs 1 Nr 3 RVO Anspruch auf Familienkrankenpflege aus der knappschaftlichen Krankenversicherung besteht. Das bedeutet, daß ein Rentenbewerber, für den ein Anspruch auf Familienkrankenpflege gegen die knappschaftliche Krankenkasse - also gegen eine Kasse außerhalb des Systems der RVO - gegeben wäre, beitragspflichtiges KVdR-Mitglied der RVO-Kasse bleibt, aber selbst nicht zur Beitragszahlung herangezogen wird, weil die von ihrer Leistungspflicht entlastete "Familienhilfekasse" für ihn zahlen muß. Mit dieser Vorschrift hat der Gesetzgeber - zusammen mit den gleichzeitig eingefügten §§ 257a Abs 1 Satz 3 und 381 Abs 3 Satz 2 Nr 3 RVO - für den gesamten Personenkreis der Antragsteller auf Renten aus den gesetzlichen Rentenversicherungen umfassend geregelt, wie beim Zusammentreffen der durch die Antragstellung begründeten KVdR mit Ansprüchen auf Familienkrankenpflege aus damals allen Zweigen der gesetzlichen Krankenversicherung Mitgliedschaft und Beitragszahlung gestaltet sein sollen. Dabei bedurfte es für die Antragsteller auf Rente aus der knappschaftlichen Rentenversicherung keiner eigenen Regelung, weil für diesen Personenkreis Mitgliedschaft und Beitragspflicht in der knappschaftlichen KVdR - im Gegensatz zur RVO - erst mit der Zustellung des Bewilligungsbescheides begründet werden (vgl BSG SozR 2600 § 19 Nr 2).
Eine dem Art 4 § 6 KVÄndG oder den §§ 381 Abs 3 Satz 2 Nr 3, 257a Abs 1 Satz 3 RVO entsprechende Vorschrift ist in das zeitlich später (1972) erlassene KVLG allerdings nicht aufgenommen worden. Auch bezieht sich die allgemeine Verweisungsvorschrift des § 82 KVLG nicht auf diese Vorschriften. Hieraus kann jedoch nicht gefolgert werden, daß der Gesetzgeber die Beitragsentlastung der nach § 32 KVLG familienhilfeberechtigten Rentenantragsteller nicht gewollt habe. Es ist kein sachlich einleuchtender Grund ersichtlich, der den Gesetzgeber bewogen haben könnte, den Kreis der Antragsteller auf Rente aus den gesetzlichen Rentenversicherungen unterschiedlich danach zu behandeln, in welchem Zweig der gesetzlichen Krankenversicherung der Anspruch auf Familienkrankenpflege begründet wäre. Die der Beitragsbelastung entgegenstehenden Gründe treffen in beiden Fällen gleichermaßen zu. Die Besonderheiten der KVdL, die es durchaus rechtfertigen, etwa die Mitgliedschaft und auch den Leistungskatalog eigenständig zu regeln (vgl BVerfGE 44, 70 90; BSGE 41, 157), berühren die Frage, ob die Voraussetzungen für die Beitragszahlung eines Rentenbewerbers vorliegen, nicht. Auch der Unterschied in der Zusammensetzung der nach der RVO Versicherten und der nach dem KVLG Versicherten kann eine unterschiedliche Behandlung nicht veranlassen, zumal nach der weiten Öffnung der gesetzlichen Rentenversicherung für die Selbständigen durch das Rentenreformgesetz (RRG) vom 16. Oktober 1972 der Kreis der in die KVdR fallenden Rentenbewerber dem Versichertenkreis des KVLG nicht mehr grundsätzlich verschieden ist und schon deshalb ein genereller Unterschied in der sozialen Schutzbedürftigkeit nicht vorliegt.
Daraus kann nur der Schluß gezogen werden, daß es der Gesetzgeber übersehen hat, bei der Schaffung des KVLG auch die Fälle ausdrücklich zu regeln, in denen für Antragsteller auf Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung Anspruch auf Familienkrankenpflege nach diesem Gesetz bestünde. Insoweit liegt im Hinblick auf den beabsichtigten Gesetzeszweck eine planwidrige Regelungslücke vor. Diese ist vom Gericht im Wege verfassungskonformer Rechtsergänzung zu schließen (Canaris, Die Feststellung von Lücken im Gesetz, Berlin 1964, S. 16 ff, 39; Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Aufl 1975 S. 358 f; BSGE 14, 238, 239; BSG SozR 5070 § 9 Nr 1; BSG SozR 4100 § 141e Nr 1). Die planwidrige Unvollständigkeit kann unter Beachtung des Willens des Gesetzgebers ausgeglichen werden. Aus der umfassenden Regelung des KVÄndG ist nämlich ein gesetzgeberischer Gesamtplan zu erkennen. Er besagt, daß Rentenantragsteller, für die ohne die KVdR ein Anspruch auf Familienkrankenpflege bestünde, keine Beiträge zahlen sollen, und daß die "Familienhilfekasse" grundsätzlich die KVdR-Last übernehmen soll. Dies soll auf zwei Wegen durchgeführt werden: Innerhalb desselben Regelungssystems soll die Zuständigkeit von der KVdR-Kasse auf die für die Familienkrankenpflege zuständige Kasse übergehen (§ 257a Abs 1 Satz 3 RVO). In systemübergreifenden Fällen soll die für die Familienhilfe zuständige Kasse die KVdR-Last anderweitig - durch Übernahme der Beitragszahlung - tragen (Art 4 § 6 KVÄndG). Diese Regelung ist ausgewogen und berücksichtigt alle dem Rechtsinstitut der KVdR eigenen Prinzipien und Zweckgedanken. Sie beseitigt eine als unsozial empfundene Härte. Es war für die betroffenen Kreise unverständlich, daß sie als Rentenantragsteller zu Krankenversicherungsbeiträgen herangezogen wurden, obwohl für sie im Wege der Familienhilfe bereits ein ausreichender Schutz im System der gesetzlichen Krankenversicherung vorhanden war. Ihre Beitragsbelastung war deshalb von dem mit der Ausdehnung der KVdR auf die Rentenbewerber verfolgten Zweck nicht gedeckt, für diese Personen einen lückenlosen Krankenversicherungsschutz zu schaffen. Auch der andere Zweckgedanke, durch die Beitragsbelastung ungerechtfertigte Rentenanträge (mit dem Ziel einer kostenlosen Krankenversicherung) zu verhindern (vgl hierzu BSG SozR Nr 33 zu § 381 RVO; Jantz, KVdR, Stand Januar 1970, S. K 106), war bei familienhilfeberechtigten Rentenbewerbern verfehlt. Andererseits hat der Gesetzgeber mit der umfassenden Regelung im KVÄndG auch den Grundsatz beachtet, daß die KVdR jedenfalls nicht einseitig zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung durchgeführt werden sollte, sondern von Anfang an als beitragspflichtige Versicherung konzipiert war und auf dem Prinzip der Ausgewogenheit zwischen Risikoabsicherung und Beitragsaufkommen fußt. Demgemäß ist die Freistellung der familienhilfeberechtigten Rentenbewerber bei den beiden Regelungsmodellen des KVÄndG nicht auf Kosten der für die KVdR zuständigen Kasse vorgenommen worden.
Von den beiden Regelungsmodellen des KVÄndG ist das des Art 4 § 6, das ebenfalls das Zusammentreffen von Ansprüchen aus verschiedenen Einzelsystemen zum Gegenstand hat, heranzuziehen. Eine analoge Anwendung des § 257a Abs 1 Satz 3 RVO scheidet hingegen aus, weil nach dem Gesamtplan eine Verschiebung der Kassenzuständigkeit zwischen den Einzelsystemen nicht stattfinden soll. Nach der übernommenen Regelung des Art 4 § 6 KVÄndG bleibt die Mitgliedschaft der Klägerin bei der Beklagten in dem streitigen Zeitraum erhalten und diese bleibt leistungspflichtig. An Stelle der Klägerin hat die für die Familienkrankenpflege zuständige landwirtschaftliche Krankenkasse die Beiträge zu entrichten. Hierüber kann in diesem Verfahren allerdings nur als Vorfrage befunden werden. Sie berührt zwar das Streitverhältnis, ist aber nicht Teil des Streitgegenstandes, über den mit unmittelbarer Wirkung für und gegen die Beteiligten zu entscheiden ist.
Dem so gewonnenen Ergebnis steht nicht entgegen, daß der Gesetzgeber bei der Änderung des KVLG durch das Gesetz zur Weiterentwicklung des Kassenarztrechts (KVWG) vom 28. Dezember 1976 (BGBl I 3871) zwar nunmehr mit der Neufassung des § 64 Abs 1 Satz 2 Nr 3 KVLG erstmals eine dem § 381 Abs 3 Satz 2 Nr 3 RVO entsprechende Beitragsbefreiung der Antragsteller auf Altersgeld und Landabgaberente normiert, dabei aber wiederum eine dem § 257a Abs 1 Satz 3 RVO oder dem Art 4 § 6 KVÄndG ähnliche Regelung unterlassen hat. Auch dies ist nämlich offensichtlich auf ein Versehen zurückzuführen. Wie sich aus der Begründung zum Entwurf der Bundesregierung zum KVWG ergibt, sollte der neue § 64 Abs 1 KVLG der Anpassung an § 381 Abs 3 RVO dienen (BR-Drucks 771/74 S. 30). Hierzu hatte der zuständige Referent im Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung (BMA) auf Fragen des Bundesverbandes der Landwirtschaftlichen Krankenkassen (BLK) erklärt, daß der Begriff Anspruch auf Familienkrankenpflege nicht nur auf das jeweilige Gesetz allein beschränkt sei, sondern die gesetzliche Krankenversicherung insgesamt erfasse. Eine entsprechende Klarstellung sowohl im KVLG als auch in der RVO erscheine daher nicht notwendig (vgl Rdschr BLK Nr 304/74). Dabei ist allerdings übersehen worden, daß es dem in der oa umfassenden Regelung zutage getretenen gesetzgeberischen Plan nicht entsprechen kann, in systemüberschreitenden Fällen die Beitragszahlung eines Rentenbewerbers allein aufgrund eines ohne die KVdR bestehenden Anspruchs auf Familienkrankenpflege entfallen zu lassen, ohne daß hiermit eine Beitragsverschiebung verbunden ist. Es kann allerdings hingenommen werden, daß im Regelungssystem des KVLG selbst im Verhältnis der landwirtschaftlichen Krankenkassen untereinander bei der Anwendung des § 64 Abs 1 Satz 2 Nr 3 KVLG weder eine Verschiebung der Zuständigkeit noch eine Übernahme der Beitragslast stattfindet. Dies findet nämlich schon eine naheliegende Erklärung darin, daß es bei dem aus der seßhaften landwirtschaftlichen Bevölkerung bestehenden Mitgliederkreis der KVdL nur in wenigen Ausnahmefällen vorkommen wird, daß die für den Antragsteller nach § 46 Abs 2 KVLG zuständige Kasse nicht von vornherein mit der für die Familienhilfe zuständigen Kasse identisch ist.
Nach allem war die Klägerin nicht verpflichtet, während der Zeit, in der sie als Rentenantragstellerin Mitglied der Beklagten war, Beiträge zur KVdR zu entrichten.
Die Revision der Beklagten kann daher keinen Erfolg haben.
Der Hilfsantrag der Beklagten, die Beigeladene zu verurteilen, die Beiträge für die Zeiten der Formalversicherung an sie zu zahlen, muß ebenfalls erfolglos bleiben. Bei diesem Hilfsantrag handelt es sich inhaltlich um eine Widerklage (§100 SGG), mit der ein Gegenanspruch geltend gemacht wird, der mit dem Klageanspruch in einem rechtlichen Zusammenhang steht. Eine Widerklage darf nur ausnahmsweise in der Revisionsinstanz erhoben werden und zwar nur dann, wenn mit ihr kein neuer Streitstoff in den Prozeß eingeführt, sondern nur ein von den Beteiligten schon erörterter Anspruch aufgegriffen wird, über den schon in der Vorinstanz gestritten wurde (vgl Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, Stand März 1978, Bd I/2 S. 242a; Meyer-Ladewig, SGG § 100 Rdnr 3, BVerwGE 44, 361).
Diese Voraussetzung ist aber hier nicht erfüllt, so daß die Widerklage schon aus diesem Grunde unzulässig ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen