Verfahrensgang
LSG Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 20.01.1977) |
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 20. Januar 1977 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin ihren Bediensteten durch Vorstandsbeschluß Jubiläumszuwendungen zuerkennen durfte, die über den nach § 39 Abs. 1 Satz 1 des Bundesangestelltentarifvertrages für Innungskrankenkassen (BAT/IKK) vorgesehenen Sätzen lagen.
Am 18. Dezember 1972 beschloß der Vorstand der klagenden Innungskrankenkasse:
„1.11 |
Wer 10 Jahre bei der Innungskrankenkasse Köln beschäftigt ist, |
1.12 |
wer eine Dienstzeit von 25, 40 oder 50 Jahren vollendet hat, erhält die Jubiläums Zuwendung in Höhe des jeweils steuerfreien Betrages. Das sind z.Z. 600,– DM, 1.200,– DM, 1.800,– DM oder 2.400,– DM.” |
Nach Prüfung der Geschäfts- und Rechnungsführung und erfolglosem Hinweis auf einen Erlaß des Ministers für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen vom 12. März 1973 forderte die Beklagte mit Anordnung vom 24. Februar 1975 die Klägerin auf, den Vorstandsbeschluß vom 18. Dezember 1972 aufzuheben und mit der Haßgabe neu zu fassen, daß bei zehnjähriger Dienstzeit keine Jubiläums Zuwendung mehr gezahlt werde und die Zuwendungen im übrigen die im Erlaß vom 12. März 1973 genannten Sätze – 500,– DM bei einer 25jährigen Dienstzeit, 800,– DM bei einer 40jährigen Dienstzeit und 1.000,– DM bei einer 50jährigen Dienstzeit – nicht überschritten. Das Sozialgericht (SG) Köln hat die angefochtene Aufsichtsanordnung aufgehoben (Urteil vom 10. November 1975).
Das Landessozialgericht (LSG) für das Land Nordrhein-Westfalen hat auf die Berufung der Beklagten unter Abänderung des SG-Urteils die Klage abgewiesen und die Revision zugelassen (Urteil vom 20. Januar 1977).
Die Klägerin hat gegen dieses Urteil Revision eingelegt. Sie hält die §§ 30, 355 Abs. 2 und 363 der Reichsversicherungsordnung (RVO) für verletzt. Anders als bei der Genehmigung einer Dienstordnung (DO) durch die Aufsichtsbehörde (§ 355 Abs. 2 RVO) bedürfe es bei der Gewährung von Geldleistungen auf der Grundlage des § 27 Abs. 5 der DO zur Rechtswirksamkeit eines Vorstandsbeschlusses nicht der Genehmigung der Aufsichtsbehörde; diese dürfe vielmehr nach § 30 RVO nur eingreifen, wenn der Selbstverwaltungsträger die allgemeinen Grundsätze der Mittelverwendung mißachte oder in anderer Weise gegen gesetzliche Vorschriften verstoße. Das treffe hier jedoch nicht zu. Die tarifvertraglich festgesetzten Jubiläumszuwendungsbeträge seien Mindestbeträge. Angesichts der bei der Klägerin gegenüber vergleichbaren Kassen vorhandenen nennenswert niedrigen Personalbesetzung erfordere es der Grundsatz der Sparsamkeit geradezu, Leistungsanreize zu schaffen. Dabei sei die Anlehnung an die steuerlich vorgegebenen Sätze eine vernünftige und legitime Überlegung. Im übrigen habe das Bundessozialgericht (BSG) bereits entschieden, daß die Gewährung einer Weihnachtszuwendung in doppelter Höhe der im öffentlichen Dienst gewährten Zuwendung keine Verletzung des § 363 RVO darstelle (BSGE 31, 247). Mithin seien die beanstandeten Jubiläums Zuwendungen weder verschwenderisch oder willkürlich gewesen, noch hätten sie die Leistungsfähigkeit der Klägerin gefährdet. Wolle man gleichwohl die Notwendigkeit der Rücksichtnahme auf die Besoldungsverhältnisse im gesamten öffentlichen Dienst vertreten, so werde damit das Recht der Klägerin zur Selbstverwaltung in den ihr noch verbliebenen Bereichen, zu denen der in der DO nicht geregelte Bereich der Jubiläumszuwendungen gehöre, zu einer inhaltslosen Formel.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
unter Aufhebung des Urteils des LSG Nordrhein-Westfalen vom 20. Januar 1977 die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG Köln vom 10. November 1975 zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurück zuweisen.
Die Beteiligten sind mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung durch Urteil (§ 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes –SGG–) einverstanden.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision der Klägerin ist nicht begründet. Sie ist zurückzuweisen.
Zutreffend hat das LSG die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Aufsichtsanordnung nach der im Zeitpunkt ihres Erlasses noch geltenden Bestimmung des § 30 Abs. 1 RVO beurteilt. Danach erstreckt sich das Aufsichtsrecht der Aufsichtsbehörde darauf, daß Gesetz und Satzung beachtet werden (nunmehr nach § 87 Abs. 1 SGB IV darauf, daß Gesetz und sonstiges für die Versicherungsträger maßgebendes Recht beachtet werden). Innerhalb dieser Grenzen des Aufsichtsrechts ist die Beanstandung des Vorstandsbeschlusses der Klägerin vom 18. Dezember 1972 aus zwei Gründen gerechtfertigt.
Soweit es sich um die DO-Angestellten der Klägerin handelt, fehlt zur Rechtswirksamkeit des Beschlusses über die Gewährung von Jubiläums Zuwendungen die Zustimmung der Vertreterversammlung. Sie war gemäß § 346 Abs. 2 Nr. 1 RVO erforderlich, wonach die vom Vorstand geänderte DO für die Angestellten (§ 355 RVO) der Zustimmung der Vertreterversammlung bedarf.
Nach § 351 Abs. 1 RVO wird für die von den Krankenkassen besoldeten Angestellten, die nicht nach Landesrecht staatliche oder gemeindliche Beamte sind, eine DO aufgestellt. Diese regelt die Rechts- und die allgemeinen Dienstverhältnisse der Angestellten (§ 352 RVO) und enthält einen Besoldungsplan (§ 353 Abs. 1 RVO). Die Klägerin ist somit verpflichtet, die Rechts- und die allgemeinen Dienstverhältnisse ihrer Angestellten in der DO zu regeln. Das gilt, wie der Senat im Urteil vom 27. April 1978 – 8/3 RK 37/76 – bereits entschieden hat, jedenfalls dann, wenn es sich um abstrakt-generelle Regelungen ohne zeitliche Begrenzung und nicht etwa nur um einmalige Leistungen für einen feststehenden konkreten Personenkreis handelt. Abstrakt-generell ist aber auch die von der Beklagten beanstandete Regelung. Darin werden nämlich Ansprüche auf in längeren zeitlichen Abständen wiederkehrende Zuwendungen bei Vollendung bestimmter Dienstzeiten zuerkannt. Die Regelung soll für die bei ihrem Erlaß nicht übersehbare Zahl derjenigen gegenwärtigen und künftigen Angestellten der Klägerin gelten, die eine oder auch mehrere der darin genannten Dienstzeiten als Voraussetzungen für die daran geknüpften Ansprüche erreichen. Schon unter diesem Gesichtspunkt muß verneint werden, daß es sich etwa nur um einmalige Leistungen für einen feststehenden konkreten Personenkreis handelt. Auf die in der Regelung vorgesehene Wiederholung von Zuwendungen bei Vollendung weiterer Dienstzeiten kommt es mithin für die Charakterisierung der getroffenen Regelung als abstrakt-generell und damit als DO-pflichtig nicht mehr an. Zwar sind die Jubiläums Zuwendungen kein Bestandteil der Besoldung, der gemäß § 353 Abs. 1 RVO in den Besoldungsplan der DO aufzunehmen wäre (vgl. hierzu BSGE 31, 247, 255 sowie die §§ 80b und 83 des Bundesbeamtengesetzes). Dies ändert jedoch nichts an der Regelungsbedürftigkeit in der DO gemäß § 352 RVO (vgl. hierzu Kastner/Immand, Das Personalrecht der Krankenkassen, Stand Juli 1977, Anm. 1 zu § 352 RVO; Peters, Handbuch der Krankenversicherung, Stand: Mai 1978, § 353 Anm. 2). Die Beklagte hat den Vorstandsbeschluß der Klägerin vom 18. Dezember 1972 schon deshalb zu Recht beanstandet, weil die Gewährung der hier vorgesehenen Zuwendungen in Gestalt einer abstrakt-generellen Regelung nicht der Vorstand allein beschließen konnte. Dem Beschluß, der die DO für die Angestellten änderte, mußte gemäß § 346 Abs. 2 Nr. 1 zunächst die Vertreterversammlung zustimmen, bevor die neue Regelung schließlich nach § 355 Abs. 2 und 4 RVO der Beklagten zur Genehmigung vorgelegt werden konnte.
Die fehlende Zustimmung der Vertreterversammlung ist auch nicht durch deren Zustimmung zu den jeweiligen Haushaltsvoranschlägen ersetzt worden. Denn die Zustimmung nach § 346 Abs. 2 Nr. 1 RVO hätte hier auf einer Willensbildung der Vertreterversammlung dahin beruhen müssen, daß auch sie den Angestellten der Klägerin die vom Vorstand festgelegten Jubiläums Zuwendungen unter den dort genannten Voraussetzungen gewähren wollte. Die Zustimmung zum Haushaltsvoranschlag umfaßt diese Willensbildung aber nicht. Sie sagt nur aus, daß die im Haushalt vorgesehenen Mittel sachgerecht verwendet werden dürfen. Mit der Zustimmung zum Haushaltsvoranschlag schafft die Vertreterversammlung jedoch keinen eigenen Verpflichtungsgrund. Darüber hat sie vielmehr vorab in einem – hier unterbliebenen – selbständigen Verfahren zu beschließen.
Auch aufgrund des § 27 Abs. 5 der DO der Klägerin war die Zustimmung ihrer Vertreterversammlung zu der beabsichtigten Regelung über Jubiläums Zuwendungen nicht entbehrlich. Die dort getroffene Bestimmung besagt, daß gesetzlich oder in der DO nicht geregelte Zulagen nur gewährt werden dürfen, soweit der Voranschlag Mittel dafür zur Verfügung stellt. Eine generelle und ohne Beachtung der gesetzlichen Bestimmungen wirksame Ermächtigung zur Einführung solcher Zulagen ist darin nicht enthalten. Die Bestimmung bedeutet vielmehr nur, daß jede Zulage oder Zuwendung, die nicht im Gesetz oder in der Satzung vorgesehen ist, zusätzlich zu den allgemeinen Voraussetzungen ihrer Wirksamkeit noch davon abhängig sein soll, daß der Voranschlag Mittel dafür zur Verfügung stellt.
Soweit sich die beabsichtigte Regelung auch auf die nicht von der DO erfaßten Bediensteten der Klägerin erstreckte, hatte die Beklagte ebenfalls Anlaß zur Beanstandung. Als Träger einer öffentlich-rechtlichen Aufgabe und damit als Verwaltungsträger, namentlich als Träger der Sozialversicherung, unterliegt die Klägerin dem für die gesamte öffentliche Verwaltung geltenden Grundsatz der wirtschaftlichen und sparsamen Verwendung der zur Verfügung stehenden Mittel (BSGE 31, 247, 257), der in der gesetzlichen Krankenversicherung seinen Niederschlag in den §§ 25 ff, 182 Abs. 2, 363, 385 RVO gefunden hat. Dieser Grundsatz bildet, wie in der genannten Entscheidung bereits ausgeführt ist, ebenso eine Rechtsschranke für die Ausübung des Selbstverwaltungsrechts, wie die Notwendigkeit, Rücksicht auf die Verhältnisse im gesamten öffentlichen Dienst zu nehmen. Bei Prüfung der Frage, welche Jubiläums Zuwendungen sie ihren Bediensteten unter Beachtung dieser Gesichtspunkte zu gewähren vermochte, durfte sich die Klägerin nicht mit dem Hinweis auf Zeitablauf über die im Erlaß des Ministers für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen vom 12. März 1973 bezeichneten tarifvertraglich für den Bereich der Krankenversicherung vereinbarten Sätze hinwegsetzen, zumal solche Regelungen einer Anpassung an veränderte wirtschaftliche Verhältnisse unterzogen werden, wenn sie den Tarifpartnern angezeigt erscheint. Auch die Jubiläumszuwendungsverordnung (JZV) des Landes Nordrhein-Westfalen in der Fassung der Bekanntmachung vom 9. September 1971 (GVBl NW 1971 Seite 258), die eine einheitliche Regelung für die Beamten der Gemeinden, Gemeindeverbände und die anderen der Aufsicht des Landes unterstehenden Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts mit Sätzen von 200,–, 350,– und 500,– DM für die 25jährige, 40jährige und 50jährige Dienstzeit trifft, mußte als Hinweis auf die Beträge beachtet werden, die in dem dem Beamtenrecht angenäherten DO-Recht in Betracht zu ziehen waren. Die Klägerin konnte deshalb aus ihrem Selbstverwaltungsrecht nicht die Befugnis herleiten, für ihre Bediensteten, namentlich auch für ihre weitgehend den Beamten gleichgestellten DO-Angestellten, eine Jubiläumszuwendung schon nach zehnjähriger Dienstzeit und für die übrigen Dienstjubiläen Beträge festzulegen, die weit über den tarifvertraglich für den Bereich der Krankenversicherung vereinbarten Sätzen lagen und ein Mehrfaches der in der JZV vorgesehenen Beträge ausmachten. Bei Beachtung des Grundsatzes wirtschaftlicher und sparsamer Mittelverwendung sowie bei Berücksichtigung der Verhältnisse im gesamten öffentlichen Dienst durfte die Klägerin nicht über die entsprechende Anwendung der tariflichen Absprachen hinausgehen. Die Orientierung an steuerlich sinnvoll erscheinenden Sätzen lag deshalb nicht mehr im Rahmen des Selbstverwaltungsrechts der Klägerin, weil sie erkennbar zu einer Belastung der für Jubiläumszuwendungen vorzusehenden Verwaltungsmittel mit dem Mehrfachen dessen führen mußte, was bei Beachtung der tariflichen Vereinbarungen und der im übrigen öffentlichen Dienst gegebenen Verhältnisse vorzusehen war. Soweit die Klägerin in diesem Zusammenhang darauf verweist, daß das BSG (BSGE 31, 247) eine Weihnachtszuwendung in doppelter Höhe der im öffentlichen Dienst gewährten Zuwendung als nicht rechtswidrig bezeichnet habe, wird verkannt, daß die dortige Beurteilung eine einmalige Zuwendung betraf. Sie kann nicht auf abstrakt-generelle Regelungen der hier vorliegenden Art. übertragen werden. Denn sowohl die Belastung des Verwaltungshaushalts als auch der Einfluß auf die Verhältnisse im gesamten öffentlichen Dienst ist bei abstrakt-generellen Regelungen, die im Gegensatz zu einmaligen Leistungen weder zeitlich noch hinsichtlich der Zahl der Begünstigten begrenzt sind, weitaus nachhaltiger, insbesondere, wenn es sich um die Einführung wiederkehrender Ansprüche handelt. Ein Anhaltspunkt dafür, daß es auch im normativen Bereich rechtlich nicht zu beanstanden ist, wenn von der Selbstverwaltung Ansprüche begründet werden, die das Doppelte der im öffentlichen Dienst gegebenen Ansprüche erreichen oder übersteigen, ist der von der Klägerin angezogenen Entscheidung jedenfalls nicht zu entnehmen. Auch sachlich ist mithin der Beschluß des Vorstandes der Klägerin vom 18. Dezember 1972 von der Beklagten zu Recht und ohne unzulässigen Eingriff in das Selbstverwaltungsrecht der Klägerin beanstandet worden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen