Leitsatz (redaktionell)
1. Das FRG ist insoweit nicht grundgesetzwidrig, als es Danziger Beitragszeiten vom 1928-10-01 - 1939-12-31 für die Rentenberechnung nicht als "reichsgesetzliche Beitragszeiten" erfaßt oder diesen gleichstellt, sondern sie der Fremdrentenberechnung zuordnet.
2. Die Einstufung nach FRG § 22 erfolgt nach der Berufsbezeichnung, soweit sich nach den Merkmalen der ausgeübten Beschäftigungen nicht die Einstufung in eine andere Leistungsgruppe ergibt (hier: Verkaufsleiter, Prüfer eines Rechnungsamtes).
Normenkette
FRG § 14 Fassung: 1960-02-25, § 22 Fassung: 1960-02-25; AVG § 27 Abs. 1 Buchst. a Fassung: 1960-02-25; RVO § 1250 Abs. 1 Buchst. a Fassung: 1960-02-25; GG Art. 3 Fassung: 1949-05-23
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 9. Oktober 1963 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Der Kläger, geboren am 21. März 1896 in Ziessau bei Danzig, ist gelernter Bankangestellter. Er war vom 1. Oktober 1928 bis 30. November 1931 bei der S. GmbH in Danzig als Abrechner tätig, arbeitete anschließend bis zum 1. Mai 1935 als Abrechner und bis zum 31. März 1938 als Leiter eines Ausstellungs- und Verkaufsraumes bei dem Elektrizitätswerk in Zoppot, war dann bis zum 26. Oktober 1940 als Angestellter der Stadtverwaltung Zoppot Verkaufsleiter des Ladens der Stadtwerke sowie Prüfer im Rechnungsamt und bei der Punktverrechnungsstelle des Kreiswirtschaftsamtes und schließlich Disponent und ab 1. Juli 1941 bis zu seiner Einberufung zum Heeresdienst Ende November 1943 Geschäftsführer einer Lebens- und Genußmittelgroßhandlung in Posen.
Die Beklagte gewährte dem Kläger mit Bescheid vom 29. August 1961 das Altersruhegeld aus der Angestelltenversicherung ab 1. März 1961. Sie berücksichtigte hierbei die Zeiten vom 1. Oktober 1928 bis 31. Dezember 193 in denen der Kläger Beiträge zur Danziger Angestelltenversicherung entrichtet hat (Danziger Beitragszeiten), nach den Vorschriften des Fremdrentengesetzes - FRG - (idF des Fremdrenten- und Auslandsrenten-Neuregelungsgesetzes vom 25. Februar 1960 - FANG -). Sie legte für die Zeit vom 1. Oktober 1928 bis 30. April 1935 die Leistungsgruppe 3 und für die Zeit vom 1. Mai 1935 bis 31. Dezember 1939 die Leistungsgruppe 2 der Anlage 1 B zu § 22 FRG zugrunde.
Mit der Klage begehrte der Kläger ein höheres Altersruhegeld. Er machte geltend, die Danziger Beitragszeiten seien - wie "nach früheren Vorschriften der reichsgesetzlichen Rentenversicherung" geleistete Beiträge (§ 27 Abs. 1 Buchst. a des Angestelltenversicherungsgesetzes - AVG -) - nach den tatsächlich entrichteten, durch die Versicherungsunterlagen nachgewiesenen Beiträgen zu berechnen; bei der Berechnung dieser Beitragszeiten nach dem FRG sei jedenfalls für die Zeit vom 1. Oktober 1928 bis 30. April 1935 die Leistungsgruppe 2 und für die Zeit vom 1. Mai 1935 bis 31. Dezember 1939 die Leistungsgruppe 1 zugrundezulegen. Außerdem begehrte der Kläger die Berücksichtigung bestimmter Ausfallzeiten.
Das Sozialgericht (SG) Schleswig verurteilte die Beklagte in Abänderung des Bescheides vom 29. August 1961, dem Kläger die Schulzeit vom 21. März 1911 bis 31. August 1913 als Ausfallzeit anzurechnen; im übrigen wies es die Klage ab (Urteil vom 28.6.1962).
Die Berufung des Klägers wies das Schleswig-Holsteinische Landessozialgericht (LSG) mit Urteil vom 9. Oktober 1963 zurück: Die Beklagte habe die streitigen Danziger Beitragszeiten des Klägers zu Recht nach § 22 FRG berechnet; sie habe den Kläger für diese Beitragszeiten auch zutreffend in die Leistungsgruppen 2 und 3 der Anl. 1 B zu § 22 FRG eingestuft. Danziger Beitragszeiten seien ebenso wie die Beitragszeiten aller übrigen "Herkunftsländer" der vertriebenen Versicherten nach dem Fremdrentenrecht zu beurteilen; durch die Verordnungen über die Einführung der Deutschen Reichsversicherung in den Gebieten, die nach 1937 vorübergehend dem Deutschen Reich eingegliedert gewesen sind, sei zwar die Gleichstellung solcher Beitragszeiten mit den "reichsgesetzlichen" Beitragszeiten herbeigeführt worden; diese Gleichstellung sei aber auch für die Danziger Beitragszeiten durch das FANG (Art. 7 § 3 Abs. 1) ausdrücklich aufgehoben worden. Dies verstoße auch nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes (GG).
Das LSG ließ die Revision zu. Das Urteil wurde dem Kläger am 8. November 1963 zugestellt. Der Kläger legte am 4. Dezember 1963 Revision ein. Er beantragte,
die Urteile des SG Schleswig vom 28. Juni 1962 und des Schleswig-Holsteinischen LSG vom 9. Oktober 1963 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, bei der Berechnung seines Ruhegeldes die Zeit vom 1. Oktober 1928 bis zum 31. Dezember 1939 nach seinen tatsächlich entrichteten Beiträgen zu berücksichtigen, hilfsweise für die Zeit vom 1. Oktober 1928 bis 30. April 1935 die Leistungsgruppe 2 und für die Zeit vom 1. Mai 1935 bis zum 31. Dezember 1939 die Leistungsgruppe 1 der Anlage 1 B zu § 22 FRG zugrundezulegen.
Der Kläger begründete die Revision - nach Verlängerung der Revisionsbegründungsfrist - am 8. Februar 1964. Er rügte die Verletzung des Grundrechts der Gleichheit des Art. 3 GG und des § 22 FRG: Die streitigen Danziger Beitragszeiten des Klägers seien den "reichsgesetzlichen Beitragszeiten im Sinne des § 27 Abs. 1 Buchst. a AVG in der Fassung des FANG gleichzustellen. Nach dem Sinn und Zweck des Fremdrentengesetzes seien die Heimatvertriebenen so zu stellen, als ob sie ihr ganzes Arbeitsleben in Deutschland zurückgelegt hätten. Die Notwendigkeit der Gleichstellung von Danziger Beitragszeiten ergebe sich daraus, daß die Sozialversicherung in Danzig ursprünglich eine reichsgesetzliche Sozialversicherung gewesen sei und daß diese reichsgesetzliche Sozialversicherung auch nach der Errichtung des Freistaates Danzig im wesentlichen beibehalten bleiben sollte. Das LSG hätte den Kläger im übrigen bei der Berechnung der Danziger Beitragszeiten nach dem FRG unter Berücksichtigung der tatsächlich geleisteten Beiträge in eine höhere Leistungsgruppe einstufen müssen; es habe die Bedeutung des der Leistungsgruppe 1 der Anl. 1 B zu § 22 FRG verkannt; es habe bei der Entscheidung über die Einstufung auch das Recht der freien richterlichen Beweiswürdigung überschritten und seine Sachaufklärungspflicht verletzt (§§ 103, 128 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -).
Die Beklagte beantragte,
die Revision zurückzuweisen.
II
Die Revision des Klägers ist zulässig (§§ 162 Abs. 1 Nr. 1, 164 SGG); sie ist jedoch unbegründet.
Streitig ist, ob die Beklagte bei der Feststellung des Altersruhegeldes des Klägers (§ 25 Abs. 1 AVG) die Danziger Beitragszeiten des Klägers vom 1. Oktober 1928 bis 31. Dezember 1939 zu Recht (nur) nach den Vorschriften des Fremdrentenrechts berücksichtigt und für diese Beitragszeiten des Klägers die Leistungsgruppe 3 (für die Zeit vom 1. Oktober 1928 bis 30. April 1935) und die Leistungsgruppe 2 (für die Zeit vom 1. Mai 1935 bis 31. Dezember 1939) der Anlage 1 B zu § 22 FRG zugrundegelegt hat.
Der Senat hat bereits in seinem Urteil vom 5. März 1965 (SozR Nr. 8 zu § 1250 der Reichsversicherungsordnung - RVO -) entschieden, daß Beiträge, die für die Zeit von 1923 bis 1939 zur Danziger Rentenversicherung entrichtet worden sind, keine "nach früheren Vorschriften der reichsgesetzlichen Rentenversicherung" geleisteten Beiträge im Sinne des § 27 Abs. 1 Buchst. a AVG sind und daß Beitragszeiten dieser Art deshalb nach § 22 FRG zu berücksichtigen sind. Das bedeutet, daß insoweit für die Frage, welche Beitragsklasse bei der Ermittlung der persönlichen Rentenbemessungsgrundlage zugrundezulegen sind, abweichend von dem allgemeinen Rentenversicherungsrecht (§§ 32 AVG, 1265 RVO) hier nicht der - beitragsbelegte - wirkliche Arbeitsverdienst entscheidend ist; maßgebend ist vielmehr der Durchschnittsverdienst der Berufsgruppe im Reichs- bzw. Bundesgebiet, welcher der Versicherte nach seiner Tätigkeit im Herkunftsland angehört hat; dieser Durchschnittsverdienst ist nach Zuordnung zu Leistungsgruppen nach Tabellensätzen zu bestimmen (Anlage zu § 22 FRG). Der Senat hat in dem Urteil vom 5. März 1965 dargelegt, daß das Gesetz, auch soweit es die Danziger Beitragszeiten für die Rentenberechnung nicht als "reichsgesetzliche Beitragszeiten" erfaßt oder diesen gleichstellt sondern sie der Fremdrentenberechnung zuordnet, nicht Wegen Verstoßes gegen den Gleichheitsgrundsatz nichtig ist; er hat ua ausgeführt, der Gesetzgeber habe bei der Neuregelung des Fremd- und Auslandsrentenrechts (durch des FANG) die allgemeine Rentenformel der Rentenneuregelung von 1957 für die Bewertung "fremder Zeiten" aus sachgerechten Gründen modifiziert; wenn er bei der Ermittlung der persönlichen Bemessungsgrundlage fremde Beitragszeiten (§§ 15 17 Abs. 1, 22 FRG) anders als reichsgesetzliche Beitragszeiten (§ 27 Abs. 1 Buchst. a AVG), aber untereinander einheitlich behandelt habe, so habe dies im Rahmen seiner Gestaltungsfreiheit gelegen; der Gesetzgeber habe dabei auch für Danziger Beitragszeiten keine Ausnahme machen müssen; er habe seine Regelung nicht danach differenzieren müssen, inwieweit sich die rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse in den einzelnen Herkunftsländern der vertriebenen Versicherten von denen im Reichsgebiet unterschieden haben; die gesetzlich zulässige Typisierung sei nicht überschritten. Der Senat hält auch nach erneuter Prüfung der Rechtslage aufgrund des Vorbringens des Klägers an dieser Auffassung fest; er vermag insbesondere die Auffassung des Klägers, daß "das ganze FRG nur ergänzend, d. h. dort eingreife, wo die ausländischen Versicherungsunterlagen des einzugliedernden Versicherten keine direkte Berechnung ermöglichen", nicht zu teilen. Der Einwand des Klägers, die Bewertung seiner Danziger Beitragszeiten vom 1. Oktober 1928 bis 31. Dezember 1939 nach § 22 FRG verstoße gegen den Gleichheitssatz (Art. 3 GG) geht danach fehl. Das LSG hat die Berechnung der Beklagten insoweit zutreffend für rechtmäßig gehalten.
Das LSG hat auch die Einstufung der streitigen Beitragszeiten des Klägers in die Leistungsgruppen der Anlage 1 B zu § 22 FRG, wie sie die Beklagte vorgenommen hat, zutreffend als rechtmäßig angesehen. Es hat weder den materiellen Rechtsgehalt des § 22 FRG verkannt noch hat es bei der Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Einstufung Verfahrensvorschriften verletzt. Bei der Einstufung der streitigen Beitragszeiten nach § 22 FRG ist es nicht, wie der Kläger meint, in erster Linie - weil es sich um Danziger Beitragszeiten gehandelt hat - darauf angekommen, welche Beitrage der Kläger geleistet hat; die Einstufung nach § 22 FRG erfolgt vielmehr nach der Berufsbezeichnung, soweit sich nach den Merkmalen der ausgeübten Beschäftigungen nicht die Einstufung in eine andere Leistungsgruppe ergibt. Hiervon ist das LSG zutreffend ausgegangen. Zu Unrecht behauptet der Kläger, das LSG habe rechtsirrtümlich angenommen, die Leistungsgruppe 1 der Anlage 1 B zu § 22 FRG, die der Kläger hinsichtlich der Zeit vom 1. Mai 1935 bis 31. Dezember 1939 für sich in Anspruch nimmt, sei nur den "leitenden Männern der Wirtschaft, Direktoren usw." vorbehalten, es habe auch übersehen, daß "diese Spitzengruppe in der Wirtschaft" überhaupt aus der Sozialversicherung herausfalle. Wenn das LSG zu dem Ergebnis gekommen ist, es handele sich bei den Tätigkeiten des Klägers als Leiter des Ausstellungs- und Verkaufsraumes eines Elektrizitätswerkes, als Verkaufsleiter eines Ladens der Stadtwerke sowie als Prüfer des Rechnungsamtes und der Punktberechnungsstelle eines Wirtschaftsamtes (allenfalls) um Tätigkeiten, auf welche die Merkmale der Leistungsgruppe 2 zutreffen, nämlich um "Tätigkeiten eines Angestellten mit besonderen Erfahrungen und selbständigen Leistungen in verantwortlicher Stellung mit eingeschränkter Dispositionsbefugnis, der auch Angestellte anderer Tätigkeitsgruppen einzusetzen und zu unterweisen hat", so ist dies nicht zu beanstanden. Das LSG hat sich aus den Berufsangaben des Klägers und vor allem aus den vorgelegten Zeugnissen ein ausreichendes Bild über die Art der Tätigkeiten des Klägers und die für die Einstufung wesentlichen Merkmale machen dürfen; dies um so mehr als es sich bei diesen Tätigkeiten nicht um Tätigkeiten von besonderer Eigenart handelt, sondern um Tätigkeiten, die damals wie heute in ähnlicher und vergleichbarer Art nicht selten sind. Diese Tätigkeiten sind zwar ebenso wie die in der Leistungsgruppe 2 ausdrücklich aufgeführte Tätigkeiten, z. B. die eines Bilanzbuchhalters, eines Einkäufers ( über 45 Jahre), eines leitenden Wirtschafters in der Landwirtschaft und eines Oberarztes "durchaus bedeutungsvolle Posten"; sie qualifizieren aber noch nicht für die höchste Leistungsgruppe, die das Gesetz vorsieht, nämlich für die Gruppe der "Angestellten in leitender Stellung mit Aufsichts- und Dispositionsbefugnis"; die Tätigkeiten des Klägers haben jedenfalls nicht im wesentlichen leitende und beaufsichtigende Funktionen umfaßt; seine Aufgabenbereiche haben sich auch im Verhältnis zu den Gesamtaufgaben der Betriebe oder der Verwaltungen, denen er angehört hat, nur auf einen verhältnismäßig geringen Ausschnitt erstreckt. Wenn das Gesetz Oberärzte, die in der Regel Leiter einer Krankenstation sind, Bilanzbuchhalter über 45 Jahre, Einkäufer über 45 Jahre und "leitende Wirtschafter" der Leistungsgruppe 2 zuordnet und damit nicht als "Angestellte in leitender Stellung mit Aufsichts- und Dispositionsbefugnis" ansieht, dann kann auch der Kläger, der in den Jahren 1935 - 1939 das 39. - 43. Lebensjahr zurückgelegt hat, keine andere Qualifizierung seiner damaligen Tätigkeiten beanspruchen. Das LSG hat hiernach weder aus dem Vorbringen des Klägers noch aus den Unterlagen, rechtserhebliche Anhaltspunkte dafür entnehmen müssen , daß sich die Tätigkeiten des Klägers über die Leistungsgruppen, in die die Beklagte sie eingeordnet hat, herausgehoben haben, nur wenn das der Fall gewesen wäre, würde die Entscheidung des LSG auf einer Rechtsverletzung (§ 128 SGG) beruhen. Bei dieser Sachlage hat das LSG keinen zwingenden Anlaß mehr gehabt, über die Art der Tätigkeiten des Klägers weitere Ermittlungen anzustellen; es hat deshalb auch nicht gegen § 103 SGG verstoßen. Seine Feststellungen hinsichtlich der tatsächlichen Grundlagen für die Einstufung des Klägers in die Leistungsgruppen sind daher für das BSG bindend (§ 163 SGG).
Da das LSG die Sach- und Rechtslage zutreffend beurteilt hat, ist die Revision zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen