Beteiligte
Kläger und Revisionskläger |
Beklagte und Revisionsbeklagte |
Tatbestand
I.
Streitig ist ein Beitragszuschuß zur Krankenversicherung der Rentner.
Der Kläger ist Rechtsnachfolger seines während des Klageverfahrens verstorbenen Sohnes P… Dieser bezog aus der Versicherung seiner Mutter Waisenrente und einen Beitragszuschuß zur Krankenversicherung der Rentner, der bis zum 30. Juni 1977 145,- DM, ab 1. Juli 1977 100,- DM und ab 1. Juli 1978 31,20 DM betrug. P… hatte im März 1978 beantragt, den Krankenversicherungszuschuß in alter Höhe weiterzugewähren, da er keine Krankenversicherung mit höheren Leistungen abschließen könne, weil er schwer erkrankt sei. Der Antrag wurde von der Beklagten abgelehnt (Bescheide vom 13. September 1978 und 2. Februar 1979).
Mit der hiergegen erhobenen Klage hat der Kläger, nachdem P… im Mai 1980 verstorben war, beantragt, die Beklagte unter Abänderung ihrer Bescheide zu verurteilen, für die Zeit von Juli 1977 bis Mai 1980 einen Beitragszuschuß zur privaten Krankenversicherung von monatlich 145,- DM zu zahlen. Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 10. Februar 1981). Das Landessozialgericht (LSG) hat die hiergegen eingelegte Berufung des Klägers als unzulässig verworfen (Urteil vom 24. November 1982). Es hat zur Begründung ausgeführt, die Regelung des § 146 Sozialgerichtsgesetz (SGG), nach der die Berufung, soweit sie die Rente für bereits abgelaufene Zeiträume betreffe, unzulässig sei, müsse auf den mit der Berufung verfolgten Anspruch auf Beitragszuschuß für zurückliegende Zeiträume entsprechend angewandt werden. Das Bundessozialgericht (BSG) habe zwar in drei näher bezeichneten Urteilen eine entsprechende Anwendung abgelehnt; wenn jedoch schon für die Rente selbst die Berufung ausgeschlossen sei, so müsse dies erst recht für die von der Rente abhängige Leistung gelten (Schluß a maiore ad minus). Dabei könne letztlich dahinstehen, inwieweit der Beitragszuschuß rentenähnlich sei oder nicht; entscheidend sei, daß er von dem Rentenanspruch abhängig und jedenfalls eine ergänzende Leistung sei. Während die Rente dazu gedacht sei, ausgefallenes Einkommen zur Deckung des allgemeinen Lebensbedarfs zu ersetzen, sei es Sinn des Beitragszuschusses, der Deckung eines besonderen Bedarfs, nämlich der Vorsorge für Krankheit, zu dienen.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision hat der Kläger beantragt, die Urteile der Vorinstanzen aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung ihrer Bescheide zu verurteilen, dem Kläger für die Zeit von Juli 1977 bis Mai 1980 einen Beitragszuschuß zur privaten Krankenversicherung in Höhe von monatlich 145,- DM zu gewähren, hilfsweise, den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.
Er rügt eine Verletzung der §§ 146, 158 Abs. 1 SGG und beruft sich für die Zulässigkeit der Berufung auf die Rechtsprechung des BSG.
Die Beklagte hat keinen Antrag gestellt, jedoch erklärt, daß sie sich den aufgezeigten Argumenten der BSG-Rechtsprechung nicht entziehen könne.
Beide Beteiligten haben einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision des Klägers war zurückzuweisen. Das LSG hat der Berufung des Klägers im Ergebnis zu Recht nicht entsprochen. Allerdings war seine Berufung nicht - wie geschehen - zu verwerfen, sondern zurückzuweisen.
Das LSG hat den allein in Betracht kommenden Berufungsausschließungsgrund des § 146 SGG zu Unrecht bejaht, so daß die Berufung nach der Grundregel des § 143 SGG zulässig ist. Der Berufungsausschließungsgrund des § 146 SGG betrifft schon nach dem Gesetzeswortlaut nur einen Streit um "Rente", während etwa § 148 Nr. 2 SGG für den Anspruch auf Versorgung schlechthin und § 144 SGG allgemein für den Anspruch auf einmalige oder wiederkehrende Leistungen gilt.
Das BSG hat es in der Regel abgelehnt, die Ausschlußvorschriften der §§ 145, 146 SGG entsprechend anzuwenden, wenn Leistungen für vergangene Zeit streitig sind, die diese §§ nicht ausdrücklich anführen (so der 6. Senat in SozR Nr. 27 zu § 144 SGG für kassenärztliche Altersunterstützungen, der 3. Senat in den unten angeführten drei Urteilen für Beitragszuschüsse aus der Rentenversicherung, der 2. Senat in BSGE 27, 188 für das Verletztengeld nach § 560 Reichsversicherungsordnung -RVO-, zwischenzeitlich als Übergangsgeld, heute wieder als Verletztengeld bezeichnet; der erkennende Senat in BSGE 46, 167 zum Übergangsgeld im Sinne des § 17 Angestelltenversicherungsgesetz -AVG- und in SozR 5866 § 12 Nr. 5 zur Ausgleichsleistung nach dem ZVALG; der 5. Senat im Urteil vom 10. September 1981 - 5 RKnU 3/80 - zur Übergangsleistung nach § 3 Abs. 2 BKVO). Nach Auffassung dieser Senate läßt der Ausnahmecharakter der Vorschriften selbst nach der Meinung, die nicht von vornherein die ausdehnende Auslegung von Ausnahmevorschriften ablehnt, eine entsprechende Anwendung auf ersichtlich nicht erfaßte Tatbestände nicht zu; insoweit liege auch keine Gesetzeslücke vor.
Als Beispiel einer analogen Anwendung nennt das LSG zu Unrecht das Urteil des 6. Senats vom 27. November 1959 (BSGE 11, 102 = SozR Nr. 16 zu § 144 SGG), da dort (aaO 107) der Honoraranspruch als "Anspruch des einzelnen gegen die öffentliche Hand" charakterisiert wird, so daß § 144 SGG unmittelbar anzuwenden war.
Soweit das BSG anderweitig vereinzelt eine entsprechende Anwendung dieser Vorschriften für möglich erachtet hat, lagen Gründe vor, die auf den Beitragszuschuß nicht zutreffen. Das gilt für die entsprechende Anwendung auf das Übergangsgeld nach den vor dem Reha-Angleichungsgesetz geltenden Vorschriften im Urteil des 12. Senats vom 27. September 1963 (SozR Nr. 11 zu § 146 SGG), die vor allem damit begründet wurde, das Übergangsgeld trete an die Stelle des Rentenanspruchs, was beim Beitragszuschuß zweifelsfrei nicht der Fall ist; wegen der im übrigen gegen dieses Urteil bestehenden Bedenken wird auf das bereits angeführte Urteil des Senats vom 27. April 1978 zum Übergangsgeld nach Inkrafttreten des Reha-Angleichungsgesetzes verwiesen (BSGE 46, 167, 169). Der 4. Senat hat eine entsprechende Anwendung des § 146 SGG auf den Erstattungsanspruch nach § 1531 RVO a.F. damit begründet, daß dieser pfandrechtartig den Rentenanspruch umfasse (SozR Nr. 27 zu § 146 SGG), so daß mittelbar der Rentenanspruch geltend gemacht werde; auch das trifft beim Beitragszuschuß nicht zu.
Auf den Beitragszuschuß zur Krankenversicherung der Rentner hat das BSG von Anfang an in steter Rechtsprechung eine analoge Anwendung des § 146 SGG abgelehnt (Urteile des 3. Senats vom 26. Januar 1967 - 3 RK 86/65 - BSGE 26, 73 = SozR Nr. 12 zu § 381 RVO; Urteil vom 23. August 1967 - 3 RK 73/67 - USK 6764; Urteil vom 31. Oktober 1967 - 3 EK 52/66 - SozEntsch BSG 1/4 § 146 Nr. 9 = USK 6792); hierauf haben sich die Beteiligten, insbesondere die Zulassungspraxis der Sozialgerichte, eingestellt, wozu hervorzuheben ist, daß eine fehlerhaft unterbliebene Zulassung nicht nachgeholt werden kann. Eine solche Rechtsprechung kann nicht ohne zwingende Gründe geändert werden (BSG SozR 1500 § 144 Nr. 6). Solche hat das LSG nicht aufgezeigt.
Der erkennende Senat schließt sich der Rechtsprechung des 3. Senats an, daß § 146 SGG auf den Beitragszuschuß nicht entsprechend angewandt werden kann. Einer entsprechenden Anwendung steht in erster Linie der Grundsatz der Rechtsmittelklarheit entgegen, der noch stärker als der Ausnahmecharakter der Regelung die Möglichkeiten einer erweiternden Auslegung und einer entsprechenden Anwendung einschränkt. Der Grundsatz, die Zulässigkeit von Rechtsmitteln möglichst von Zweifeln freizuhalten (vgl. Beschluß des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 16. März 1976 in SozR 1500 § 161 Nr. 18) erfordert eine restriktive, vornehmlich am Wortlaut orientierte Auslegung. Insoweit mag es richtig sein, daß es bei Schaffung des Sozialgerichtsgesetzes im Jahre 1953 den erst mit Gesetz vom 12. Juni 1956 eingeführten Anspruch auf Beitragszuschuß noch nicht gab, und daß der Gesetzgeber bei Änderung des § 146 SGG durch Gesetz vom 25. Juni 1958 möglicherweise an diesen Anspruch nicht gedacht hat. Desgleichen ist einzuräumen, daß der Anspruch auf Beitragszuschuß in mancher Hinsicht Ähnlichkeiten mit dem Rentenanspruch aufweist und daß er für Zeiten nach dem 1. Juli 1977 durch seine Begrenzung auf einen bestimmten Prozentsatz der Rente und die Aufwendungen für die freiwillige Krankenversicherung in seiner Bedeutung hinter den Rentenanspruch zurücktritt. All das kann jedoch wegen der bestehenden Unterschiede bei Anlegung des oben aufgezeigten strengen Maßstabes eine analoge Anwendung nicht rechtfertigen. Der Beitragszuschuß ist als selbständiger, neben die Rente tretender Anspruch ausgestaltet. Er dient nicht wie die Rente der Deckung des allgemeinen Lebensbedarfs, sondern der Krankheitsvorsorge, was insbesondere in der seit dem 1. Juli 1977 geltenden Beschränkung auf die Aufwendungen für die Krankenversicherung, worauf später noch einzugehen ist, zum Ausdruck kommt. Der Beitragszuschuß verhält sich zur Rente weder wie ein "Weniger" zum "Mehr" noch wie ein Neben- zum Hauptanspruch, wie der 3. Senat bereits ausgeführt hat.
Das LSG hat seine abweichende Auffassung vor allem damit begründet, daß der Beitragszuschuß vom Rentenanspruch abhängig und jedenfalls eine ergänzende Leistung sei. Damit wird unterstellt, daß der Gesetzgeber ausnahmslos oder doch regelmäßig eine ergänzende Leistung verfahrensrechtlich dem zugrundeliegenden Anspruch gleichstellt. Daß es einen solchen Grundsatz jedenfalls in Ansehung des Beitragszuschusses zur Krankenversicherung nicht gibt, zeigt schon der gegen den Arbeitgeber gerichtete Anspruch auf Beitragszuschuß nach § 405 RVO, der weder im Rechtsweg noch in den Rechtsmitteln dem zugrundeliegenden Anspruch auf Arbeitsentgelt folgt (vgl. hierzu Beschluß des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, SozR 1500 § 51 Nr. 2).
Dem Argument, was für die Rente selbst gelte, müsse erst recht für die von der Rente abhängige Leistung gelten, ist entgegen zu halten, daß nach der Fassung der Berufungsausschließungsgründe der §§ 144 bis 149 SGG es keine Seltenheit ist, daß der eigentlich streitige vorgreifende prozessuale Anspruch nicht berufungsfähig ist, wohl aber ein davon abhängiger weiterer Anspruch (vgl. SozR 1500 § 146 Nr. 9 zur Aufhebung des Rentenbescheides für rückliegende Zeit und Rückforderung der Rente). Sollte der "erst recht" Schluß jedoch nicht auf die Vorgreiflichkeit des Rentenanspruchs, sondern auf dessen wirtschaftliche Bedeutung bezogen werden, so ist dem entgegenzuhalten, daß der Beitragszuschuß keineswegs von vornherein für den Betroffenen von so gering wirtschaftlicher Bedeutung ist, daß er als Nebenanspruch angesehen werden kann, was im übrigen vom LSG auch nicht in Zweifel gezogen wird.
Bei der vom Gesetzgeber gewählten Lösung, die Zulässigkeit der Berufung nach Anspruchsart und Leistungsbereich zu regeln, sind gewisse Unstimmigkeiten nicht zu vermeiden. Wenn das LSG der Rechtsprechung des BSG entgegenhält, es sei innerlich nicht gerechtfertigt, Rente und Beitragszuschuß hinsichtlich der Rechtsmittelfähigkeit unterschiedlich zu behandeln, so muß es sich selbst nach einer Rechtfertigung fragen lassen, den Beitragszuschuß nach § 405 RVO anders, als den nach § 1304e RVO zu behandeln, obgleich die beiden Zuschußarten untereinander eine größere Ähnlichkeit als mit dem Rentenanspruch aufweisen.
Da somit die Berufung weder nach § 144 noch nach § 146 SGG ausgeschlossen ist, hätte das Berufungsgericht in der Sache entscheiden müssen. In einem solchen Fall kann das Revisionsgericht ausnahmsweise in der Sache entscheiden und die Klage abweisen, wenn diese schon nach dem Klagevorbringen zweifelsfrei unbegründet ist, ohne daß es weiterer Feststellungen des Berufungsgerichts hierzu bedarf (BSG Urteil vom 9. November 1982 - 11 RA 48/82 -; SozR 1500 § 170 Nr. 4 und BSGE, 25, 251). Das ist hier der Fall.
Der streitige Beitragszuschuß für die Zeit von Juli 1977 bis Mai 1980 richtet sich nach § 83e AVG (= § 1304e Abs. 1 Satz 1 RVO) i.d.F. des 20. Rentenanpassungsgesetzes (20. RAG) vom 27. Juni 1977 (BGBl 1 1040) und der Übergangsvorschrift des Art. 2 § 27a des Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetzes (AnVNG) ebenfalls i.d.F. des 20. RAG. Die Aufhebung dieser Vorschriften durch das 21. BAG vom 25. Juli 1978 (BGBl 1 1089) sollte erst zum1. Januar 1982 in Kraft treten, betrat also den hier streitigen Zeitraum nicht; überdies ist die Aufhebungsvorschrift des 21. RAG Ihrerseits vor ihrem Inkrafttreten durch das RAG 1982 aufgehoben worden. Nach den genannten Vorschriften beträgt der zuvor In Höhe von 145,- DM monatlich gezahlte Beitragszuschuß ab Juli 1977 100,- DM und ab Juli 1978 31,20 DM, da der Anspruch von da an auf die in dieser Höhe getätigten Aufwendungen für die private Krankenversicherung begrenzt ist. Der Kläger verkennt nicht, daß die Beklagte nach diesen Vorschriften den Beitragszuschuß richtig berechnet hat. Er hält es jedoch für verfassungswidrig, daß der Gesetzgeber bei geringeren Aufwendungen für die private Krankenversicherung den Beitragszuschuß auch in den Fällen auf zunächst 100,- DM und dann auf die geringere Höhe der eigenen Aufwendungen zurückgeführt habe, in denen der Versicherte bereits schwer erkrankt gewesen sei, daß er sich nicht durch eine Erhöhung seiner Aufwendungen für die private Krankenversicherung der neuen Rechtslage habe anpassen können. In Ansehung des Sozialstaatsprinzips habe der Gesetzgeber die Weiterzahlung des Zuschusses in seiner ursprünglichen Höhe, zumindest aber in Höhe von 100,- DM für den Fall vorsehen müssen, daß ein Abschluß einer höheren privaten Krankenversicherung nachweislich wegen schwerer Erkrankung oder höherem Lebensalter nicht mehr möglich sei. Dem steht indessen schon entgegen, daß das Sozialstaatsprinzip es grundsätzlich nicht erlaubt, Regelungen, deren Anwendung in bestimmten Fällen zu Härten oder Unbilligkeiten führt, zu modifizieren (vgl. Urteil des Senats vom 9. November 1982 - 11 RZLw 1/81 -; BVerfGE 59, 287, 301 m.w.N.). Überdies sind keine Gründe ersichtlich, diejenigen Versicherten, die ihren bis Juni 1977 gezahlten Beitragszuschuß nicht in voller Höhe bestimmungsgemäß für eine private Krankenversicherung genutzt haben, sondern lieber einen Teil des Krankheitsrisikos selber trugen, über die Regelungen der Sozialhilfe hinaus von den Folgen ihrer Entscheidung freizustellen.
Soweit der Kläger rügt, die Neuregelung des Beitragszuschusses durch das 20. RAG habe unter Verletzung der Art. 3 14 und 20 des Grundgesetzes in seinen Besitzstand eingegriffen, hat der Dreierausschuß des Bundesverfassungsgerichts in seinem Beschluß vom 13. Juli 1978 bereits eine Verfassungswidrigkeit verneint (SozR 2200 § 1304e Nr. 1).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Fundstellen
Haufe-Index 518352 |
Breith. 1984, 538 |