Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Unfallversicherung. Höhe des Verletztengeldes. Sonderrechtsnachfolge. Berufskrankheit. pflichtversicherter Unternehmer. Satzung. Versicherungssumme. Jahresarbeitsverdienst. Vergleichsberechnung. Wiedererkrankung. allgemeiner Gleichheitssatz. Gleichbehandlungsgebot
Leitsatz (amtlich)
Die Höhe des Verletztengeldes eines nach der Satzung des Unfallversicherungsträgers pflichtversicherten Unternehmers, der infolge dieser Tätigkeit eine Berufskrankheit erlitten hat, bestimmt sich nach seinem unter Berücksichtigung des § 84 SGB 7 berechneten Jahresarbeitsverdienst.
Normenkette
SGB VII § 45 Abs. 1, §§ 46, 47 Abs. 1, 5, §§ 81, 83 S. 1, § 84; SGB V § 47 Abs. 1-2
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 12. August 2004 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat der Klägerin ihre außergerichtlichen Kosten auch im Revisionsverfahren zu erstatten.
Tatbestand
I
Streitig ist die Höhe des Verletztengeldes des am 9. Januar 2000 verstorbenen Versicherten C… R….
Der Versicherte, der mit der Klägerin verheiratet war, war seit 1969 als selbstständiger Fuhrunternehmer und dabei in der Zeit von 1973 bis 1984 asbestexponiert tätig. Im März 1999 erkrankte er an einem Bronchialkarzinom und war wegen der Folgen dieser von der Beklagten später mit Bescheid vom 11. Mai 2000 als Berufskrankheit (BK) nach Nr 4104 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung anerkannten Erkrankung vom 16. März 1999 bis zu seinem Tode arbeitsunfähig. Nach § 3 Abs 1 Nr 1 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) iVm § 39 der Satzung der Beklagten war er damals als Unternehmer mit einer Versicherungssumme von 39.000 DM pflichtversichert; im Jahre 1984 betrug die Versicherungssumme 30.000 DM, eine Zusatzversicherung bestand nicht.
Die Beklagte gewährte der Klägerin wegen des Todes ihres Ehegatten infolge der BK Hinterbliebenenrente, wobei sie den Jahresarbeitsverdienst (JAV) für die Berechnung dieser Leistung “gemäß § 84 SGB VII” ermittelte, dh die Versicherungssumme des Jahres 1984, in dem die schädigende Tätigkeit zuletzt ausgeübt worden war, zugrunde legte und um die bis zum 1. Juli 1999 angefallenen Anpassungsfaktoren erhöhte, sodass sich ein JAV in Höhe von 42.127,33 DM ergab (Bescheid vom 11. Mai 2000).
Außerdem zahlte die Beklagte der Klägerin als Sonderrechtsnachfolgerin des Versicherten mit Bescheid gleichen Datums Verletztengeld für die Zeit vom 16. März 1999 bis 9. Januar 2000. Der Berechnung dieser Leistung legte sie als JAV die Versicherungssumme, die “gemäß Satzung zum Zeitpunkt des Versicherungsfalls DM 39.000” betrug, zugrunde; es ergab sich ein Verletztengeld in Höhe von täglich 86,67 DM (450. Teil des JAV) und ein Gesamtbetrag von 25.567,65 DM. Der Widerspruch der Klägerin, mit dem sie die Berechnung des Verletztengeldes nach einem JAV in derselben Höhe wie bei der Hinterbliebenenrente erstrebte, war erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 1. Juni 2001).
Das Sozialgericht Bremen (SG) hat die von der Klägerin hiergegen erhobene Klage abgewiesen (Urteil vom 11. Oktober 2001). Auf die Berufung der Klägerin hat das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen (LSG) das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und die Beklagte verurteilt, das Verletztengeld nach einem JAV unter Berücksichtigung der Regelung des § 84 SGB VII zu berechnen (Urteil vom 12. August 2004). Bestimmungen über die Berechnung der Geldleistungen, für die der JAV maßgeblich sei – wie das Verletztengeld für Unternehmer –, enthalte § 81 SGB VII, der den Anwendungsbereich des JAV regele und sich schon dem Wortlaut nach auch auf § 84 SGB VII beziehe. Sinn und Zweck weder dieser Vorschrift noch des Verletztengeldes rechtfertigten die von der Beklagten vertretene Auslegung, nach der diese Bestimmung nicht auf die Berechnung des Verletztengeldes anzuwenden sei. Der ihr zugrunde liegende Gedanke, für die Berechnung des JAV der mit einer sich nur allmählich entwickelnden BK häufig einhergehenden Einkommenseinbuße durch eine Zurückverlegung des Versicherungsfalles Rechnung zu tragen, treffe nicht nur für die Verletztenrente, sondern auch für das Verletztengeld zu, das wie diese Einkommensersatzfunktion habe und damit auch dem Ausgleich eines Einkommensverlustes diene. Einer – von der Beklagten angenommenen – Verzögerung der Auszahlung dieser Leistung aufgrund der Notwendigkeit umfangreicher Ermittlungen bei Abstellen auf den letzten Tag der beruflich bedingten schädigenden Einwirkung könne durch Zugrundelegen des letzten JAV und spätere Neuberechnung ausgeglichen werden. Auch treffe es nicht zu, dass bei Zugrundelegung eines fiktiven Zeitpunkts des Versicherungsfalles im Jahre 1984 die im Jahre 1999 eingetretene Arbeitsunfähigkeit als Wiedererkrankung mit der Folge der Berücksichtigung der zu diesem Zeitpunkt maßgeblichen Versicherungssumme als JAV anzusehen sei, weil der fiktive Zeitpunkt iS des § 84 SGB VII nur für den JAV, nicht aber für die sonstigen Voraussetzungen der jeweiligen Geldleistung gelte. Die Ungleichbehandlung der Arbeitnehmer, bei denen diese Günstigkeitsregelung nicht zur Anwendung komme, im Vergleich zu den Unternehmern sei nicht sachwidrig. Da hier die Berechnung nach § 84 SGB VII für den Versicherten günstiger sei als die auf der Grundlage des in § 9 Abs 5 SGB VII genannten Zeitpunkts (hier der 16. März 1999), erhöhe sich das Verletztengeld auf 27.273,05 DM gegenüber dem von der Beklagten gewährten Betrag von 25.567,65 DM, sodass die Klägerin noch Anspruch auf Zahlung von 1.705,40 DM bzw 871,96 € habe.
Mit ihrer – vom LSG zugelassenen – Revision rügt die Beklagte eine Verletzung des § 47 SGB VII. Das Berufungsgericht habe bei der Berechnung des Verletztengeldes unter Anwendung von § 84 SGB VII auf den JAV bei einem fiktiven Versicherungsfall aus dem Jahre 1984 abgestellt, obwohl nach § 47 Abs 1 SGB VII iVm § 47 Abs 1 und 2 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) nicht der Versicherungsfall, sondern grundsätzlich der Beginn der Arbeitsunfähigkeit maßgeblich sei. Sinn und Zweck des Verletztengeldes sei die Sicherstellung der aktuellen Lebensverhältnisse des Versicherten. Dass sich in dieser Leistung die aktuell bestehenden Einkommensverhältnisse widerspiegeln sollten, ergebe sich auch aus § 47 Abs 1 Satz 2 SGB VII. Zwar gelte für die Berechnung des Verletztengeldes bei Unternehmern Abs 5 aaO; da dort indes der für die Bestimmung des JAV maßgebliche Zeitpunkt nicht geregelt sei, müssten § 47 Abs 1 SGB VII und § 47 SGB V herangezogen werden, wonach der Beginn der Arbeitsunfähigkeit und damit der zu diesem Zeitpunkt gültige JAV maßgeblich sei. Nicht einschlägig seien hingegen die an den Versicherungsfall anknüpfenden §§ 82, 84 SGB VII; der Verweis auf den JAV in § 47 Abs 5 SGB VII ziele bei kraft Satzung versicherten Unternehmern nicht auf diese Bestimmungen, sondern auf die Regelung in § 83 SGB VII ab, nach welcher der JAV ohne Bezugnahme auf einen bestimmten Zeitpunkt durch die Satzung bestimmt werde. Daher sei für die Festlegung des Bezugspunktes auf § 47 SGB VII als lex specialis mit der Folge abzustellen, dass maßgeblich der Zeitpunkt der ersten Arbeitsunfähigkeit sei. Auch aus § 48 SGB VII, wonach bei einer Wiedererkrankung auf diesen Zeitpunkt abzustellen sei, lasse sich ableiten, dass das Gesetz offensichtlich für alle Absätze des § 47 SGB VII vom Bezugspunkt der erstmaligen Arbeitsunfähigkeit bei erstmaliger Erkrankung ausgehe, die mithin nicht nur für den Anspruch auf Verletztengeld, sondern auch bei dessen Berechnung erheblich sei.
Das LSG habe zudem die Zweckbestimmung des Verletztengeldes unzureichend gewürdigt. Es missachte den Wortlaut des § 84 SGB VII, weil dieser für seine Anwendung ausschließlich auf den Versicherungsfall abstellende Tatbestände zum Gegenstand haben könne, was beim Verletztengeld gerade nicht der Fall sein könne. Außerdem ergäben sich Wertungswidersprüche in Bezug auf § 48 SGB VII, weil bei der erstmaligen Arbeitsunfähigkeit § 84 SGB VII anzuwenden und damit nach der Vergleichsberechnung uU ein JAV aus langer Vergangenheit maßgeblich, bei Wiedererkrankung aber nach dem eindeutigen Wortlaut des § 48 SGB VII der JAV aus dem Jahr vor der Wiedererkrankung ohne Vergleichsberechnung zugrunde zu legen wäre. Darüber hinaus sei zu bedenken, dass die Anwendung des § 84 SGB VII bei der Verletztengeldberechnung für Unternehmer zu einer ungerechtfertigten Ungleichbehandlung im Vergleich zu Arbeitnehmern führen würde, bei denen diese Vorschrift ausschließlich bei der Verletztenrente zur Anwendung komme.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 12. August 2004 aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts zurückzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und weist ergänzend darauf hin, dass § 47 Abs 1 SGB VII bereits aus gesetzessystematischen Gründen nicht als lex specialis gegenüber Abs 5 aaO angesehen werden könne und dass der Zweck der Günstigkeitsregelung in § 84 SGB VII in der Auslegung der Beklagen unterlaufen würde.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Die Klägerin hat Anspruch auf Verletztengeld gegen die Beklagte für die Zeit vom 16. März 1999 bis zum 9. Januar 2000 auf der Grundlage eines nach § 84 SGB VII ermittelten JAV, wie das LSG zutreffend entschieden hat.
Gegenstand des Revisionsverfahrens ist allein die Frage, ob der Klägerin als Sonderrechtsnachfolgerin des verstorbenen Versicherten iS des § 56 Abs 1 des Sozialgesetzbuches Erstes Buch (SGB I) ein höheres Verletztengeld des Versicherten zusteht als es ihr die Beklagte bisher gezahlt hat. Hinsichtlich der übrigen in dieser Sache getroffenen Feststellungen und Entscheidungen sind mangels Einlegung von Rechtsbehelfen – Widerspruch wurde ausschließlich hinsichtlich der Höhe des Verletztengeldes eingelegt – die Bescheide der Beklagten in der Sache bindend geworden (§ 77 des Sozialgerichtsgesetzes ≪SGG≫):
Die Grundlage für den auf die Klägerin übergegangenen Anspruch des Versicherten auf Verletztengeld für den Zeitraum seiner Arbeitsunfähigkeit vom 16. März 1999 bis zum 9. Januar 2000 bildet § 45 Abs 1 SGB VII. Der Versicherte war bei der Beklagten als Unternehmer gemäß § 3 Abs 1 Nr 1 SGB VII iVm § 39 ihrer Satzung pflichtversichert. Ihm stand nach dem Bescheid der Beklagten vom 11. Mai 2000 Verletztengeld für die Zeit vom 16. März 1999 bis 9. Januar 2000 zu, weil er aufgrund der Folgen einer BK arbeitsunfähig krank war (§§ 45 Abs 1, 46 SGB VII iVm § 42 der Satzung der Beklagten).
Die Höhe des Verletztengeldes richtet sich bei Arbeitnehmern und bei Unternehmern mit Arbeitseinkommen nach § 47 Abs 1 SGB VII grundsätzlich nach dem Regelentgelt. Besondere Regelungen gelten ua für Versicherte, die – wie hier der Ehemann der Klägerin – den Versicherungsfall infolge einer Tätigkeit als Unternehmer erlitten haben. Sie erhalten nach § 47 Abs 5 Satz 1 SGB VII “abweichend von Abs 1” Verletztengeld je Kalendertag in Höhe des 450. Teils des JAV; ist es für einen ganzen Kalendermonat zu zahlen, ist dieser mit 30 Tagen anzusetzen (Satz 2 aaO). Für die Berechnung des der Leistung danach zugrunde zu legenden JAV enthält die Vorschrift keine Hinweise.
Nach der “Einweisungsvorschrift” (vgl Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Unfallversicherungs-Einordnungsgesetz ≪UVEG≫, BT-Drucks 13/2204, S 95 zu § 81) des § 81 SGB VII gelten für Leistungen in Geld, die nach dem JAV berechnet werden, die Vorschriften des Dritten Abschnitts des Dritten Kapitels des SGB VII, dh die §§ 82 ff SGB VII. Diese Vorschrift legt den Anwendungsbereich des JAV fest (vgl etwa Schmitt, SGB VII, 2. Aufl 2004, § 81 RdNr 2; Kater in Kater/Leube, SGB VII, Anm zu § 81). Das LSG hat zutreffend darauf hingewiesen, dass bereits nach dem klaren Wortlaut dieser Vorschrift zu den genannten Geldleistungen auch das – nach dem ebenfalls klaren Wortlaut des § 47 Abs 5 SGB VII nach dem JAV zu berechnende – Verletztengeld für Unternehmer, die den Versicherungsfall in dieser Eigenschaft erlitten haben, zu zählen ist. Dies wird auch – soweit ersichtlich – einhellig in der Fachliteratur vertreten (vgl nur Burchardt in Brackmann/Krasney, Handbuch der Sozialversicherung, SGB VII, Stand Januar 2004, § 81 RdNr 7; Ricke in Kasseler Kommentar, Stand September 1999, § 81 RdNr 2; Schmitt, aaO).
Der JAV bemisst sich danach grundsätzlich nach den Arbeitsentgelten und Arbeitseinkommen des Versicherten in den zwölf Kalendermonaten vor dem Monat, in dem der Versicherungsfall eingetreten ist (§ 82 Abs 1 SGB VII). Für ua kraft Gesetzes versicherte selbständig Tätige und für kraft Satzung versicherte Unternehmer – wie den verstorbenen Versicherten – hat dagegen die Satzung des Unfallversicherungsträgers die Höhe des JAV zu bestimmen (§ 83 Satz 1 SGB VII). Diese Regelung soll die bei Selbstständigen regelmäßig schwierige Ermittlung des tatsächlichen jährlichen Arbeitsverdienstes erübrigen, indem durch Satzungsregelung, bei deren Abfassung dem Unfallversicherungsträger wie auch sonst in diesem Bereich ein weiter Gestaltungsspielraum zusteht, ein bestimmter Betrag – regelmäßig die “Versicherungssumme” – festgesetzt wird. Im vorliegenden Fall steht aufgrund der insoweit nicht angefochtenen Bescheide der Beklagten und der bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) fest, dass der Versicherte aufgrund Satzung als selbstständiger Unternehmer versicherungspflichtig war und dass für ihn im Jahre 1984 eine Versicherungssumme in Höhe von 30.000,00 DM und am 16. März 1999 eine solche von 39.000,00 DM galt. § 83 SGB VII trifft keine Anordnung darüber, welcher Zeitpunkt für die Festsetzung des JAV gilt. Maßgeblich ist nach allgemeinen Grundsätzen der bei Eintritt der Arbeitsunfähigkeit aktuelle JAV (vgl Ricke, aaO, § 47 SGB VII RdNr 14 mwN). Dies wäre hier der von der Beklagten als Berechnungsgrundlage herangezogene im März 1999 geltende JAV in Höhe von 39.000,00 DM.
Eine Sonderregelung für die Festsetzung des JAV bei BKen findet sich indes in § 84 SGB VII. Danach gilt bei BKen für die Berechnung des JAV als Zeitpunkt des Versicherungsfalls der letzte Tag, an dem die Versicherten versicherte Tätigkeiten verrichtet haben, die ihrer Art nach geeignet waren, die BK zu verursachen, wenn diese Berechnung für die Versicherten günstiger ist als eine Berechnung auf der Grundlage des in § 9 Abs 5 SGB VII genannten Zeitpunktes (Satz 1 aaO). Da der Versicherte nach den bindenden Feststellungen des LSG seine asbestexponierte Tätigkeit, die ihrer Art nach geeignet war, die später anerkannte BK zu verursachen, letztmalig im Jahre 1984 ausgeübt hatte, ist danach der damals geltende JAV von 30.000,00 DM einschlägig, der im Rahmen der Berechnung des Verletztengeldes durch die in § 47 Abs 7 SGB VII iVm § 47 Abs 5 SGB V in der im Zeitpunkt des Entstehens des Verletztengeldanspruchs (16. März 1999) geltenden Fassung angeordnete Anpassung für die Zeit von 16. März 1999 bis zum 31. Dezember 1999 auf 41.586,70 DM und für die anschließende Zeit bis zum 9. Januar 2000 auf 42.127,33 DM zu erhöhen ist. Da nach den nicht gerügten Feststellungen des Berufungsgerichts die Berechnung der Leistung nach diesem JAV günstiger ist als die nach dem JAV des Versicherungsfalls am 16. März 1999, gilt hier der nach § 84 SGB VII festgesetzte JAV als Berechnungsgrundlage des Verletztengeldes.
Der Auffassung der Beklagten, § 84 SGB VII sei bei der Festsetzung des JAV als Berechnungsgrundlage für Verletztengeld nicht anzuwenden, vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Das LSG hat bereits zutreffend darauf hingewiesen, dass nach dem klaren Wortlaut des § 81 SGB VII auf die Vorschriften des gesamten Dritten Abschnitts für nach dem JAV zu berechnende Leistungen und damit auch für das auf diese Weise festzusetzende Verletztengeld für Unternehmer unter den Voraussetzungen des § 47 Abs 5 SGB VII verwiesen wird. Dazu gehört auch § 84 SGB VII, für den eine Ausnahme jedenfalls nicht ausdrücklich angeordnet ist. Dem Argument, diese Vorschrift sei bereits deshalb nicht für die Festsetzung des JAV im Rahmen der Berechnung von Verletztengeld heranzuziehen, weil dies nicht auf den Versicherungsfall abstelle, kann nicht gefolgt werden, weil auch die Leistung “Verletztengeld” vom Eintritt des Versicherungsfalls Arbeitsunfall oder BK abhängig ist, da im wesentlichen Anwendungsbereich dieser Norm die Arbeitsunfähigkeit als Voraussetzung dieser Leistung – wie hier – auf einen solchen Versicherungsfall zurückzuführen sein muss (vgl § 45 Abs 1 Nr 1 SGB VII).
Sinn und Zweck des Verletztengeldes verbieten die Anwendung des § 84 SGB VII zur Feststellung der Berechnungsgrundlage nicht. Das LSG hat zutreffend darauf hingewiesen, dass die Entgeltersatzfunktion dieser Leistung, mithin der Zweck, einen durch einen Versicherungsfall der gesetzlichen Unfallversicherung bedingten Einkommensverlust auszugleichen, gerade beim Vorliegen einer Arbeitsunfähigkeit infolge der Folgen einer BK erst hinreichend erfüllt wird, wenn bei der Festsetzung des JAV als Berechnungsgrundlage auf einen Zeitpunkt abgestellt wird, zu dem die Folgen der sich beim Versicherten allmählich einstellenden BK noch keine einschneidende einkommensmindernde Wirkung entfalten konnten.
Auch das Argument, das Abstellen auf einen fiktiven Versicherungsfall iS des § 84 SGB VII sei unzulässig, weil für das Verletztengeld nach den insoweit als lex specialis vorgehenden Vorschriften des § 47 Abs 1 SGB VII iVm § 47 Abs 1 und 2 SGB V nicht der Versicherungsfall, sondern grundsätzlich der Beginn der Arbeitsunfähigkeit maßgeblich sei, ist nicht zutreffend. Da § 47 Abs 5 SGB VII gerade ausdrücklich für Versicherte, die den Versicherungsfall infolge einer Tätigkeit als Unternehmer erlitten haben, eine von der allgemeinen Vorschrift in § 47 Abs 1 SGB VII abweichende Regelung treffen will, stellt sie vielmehr selbst gegenüber dieser Norm eine Spezialvorschrift dar, welche die Anwendung der allgemeinen Vorschrift ausschließt.
Schließlich hat das LSG auch zutreffend dargetan, dass bei Zugrundelegung eines fiktiven Zeitpunkts des Versicherungsfalles im Jahre 1984 gemäß § 84 SGB VII die am 16. März 1999 eingetretene Arbeitsunfähigkeit nicht als Wiedererkrankung mit der Folge der Berücksichtigung der zu diesem Zeitpunkt maßgeblichen Versicherungssumme als JAV anzusehen ist, weil der fiktive Zeitpunkt iS des § 84 SGB VII nur für den JAV, nicht aber für die sonstigen Voraussetzungen der jeweiligen Geldleistung, insbesondere das Vorliegen von berufskrankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit gilt.
Die Auffassung der Beklagten, bei Anwendung des § 84 SGB VII auf die Berechnung des Verletztengeldes ergäben sich “Wertungswidersprüche”, weil dann bei erstmaliger Arbeitsunfähigkeit des versicherten Unternehmers auf den uU lange Zeit zurückliegenden JAV, bei Wiedererkrankung aber nach der zwingenden Vorschrift des § 48 SGB VII auf den JAV aus dem Jahr vor der erneuten Erkrankung abzustellen sei, trifft nicht zu. Denn auch in diesem Fall ist § 84 SGB VII – nicht § 48 SGB VII – als Spezialnorm für die Festsetzung des JAV als Berechnungsgrundlage für das aufgrund der Wiedererkrankung zu leistende Verletztengeld heranzuziehen, sodass insoweit regelmäßig keine ohne sachlichen Grund in der Höhe weit voneinander abweichenden JAV-Beträge entstehen werden.
Ein Verstoß gegen das aus dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 des Grundgesetzes abzuleitenden Gleichbehandlungsgebot wegen einer möglichen Begünstigung pflichtversicherter Unternehmer gegenüber versicherten Arbeitnehmern, bei denen § 84 SGB VII schon deshalb nicht angewandt werden kann, weil ihre Leistungen nach geltendem Recht nicht nach dem JAV, sondern im Wesentlichen wie das Krankengeld aus der gesetzlichen Krankenversicherung nach dem Regelentgelt zu berechnen sind (§ 47 Abs 1 SGB VII iVm § 47 Abs 1 und 2 SGB V), ist nicht ersichtlich. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) ist es mit dem Gleichbehandlungsgebot unvereinbar, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und von solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (BVerfGE 55, 72, 88; 81, 156, 205/206 = SozR 3-4100 § 128 Nr 1; BVerfGE 93, 386, 397; 102, 41, 54 = SozR 3-3100 § 84a Nr 3). Hier sind die Gruppe der gegen Arbeitsunfall und BK versicherten Arbeitnehmer und die Gruppe der ebenso versicherten Unternehmer miteinander zu vergleichen. Da sowohl die Voraussetzungen für das Vorliegen des Versicherungsverhältnisses als auch insbesondere die Berechnung der Geldleistungen für beide Gruppen insgesamt in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise (vgl BVerfG SozR Nr 70 zu Art 3 GG zum freiwillig versicherten Unternehmer) unterschiedlich geregelt sind, ist in der Gestaltung einzelner Elemente der jeweiligen Berechnungsart für eine der Gruppen keine sachwidrige Ungleichbehandlung der anderen Gruppe zu sehen.
Die Revision der Beklagten war nach alledem zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen