Leitsatz (amtlich)
Ist ein eingeschriebener Student wegen eines Anspruchs auf Familienkrankenpflege von der Versicherungspflicht nach RVO § 165 Abs 1 Nr 5 befreit und entfallen die Voraussetzungen für den Anspruch auf Familienkrankenpflege während des Semesters, so ist die Krankenkasse nicht deshalb zur Weitergewährung der Familienkrankenpflege bis zum Ende des Semesters verpflichtet, weil gemäß RVO § 175 Nr 3 S 2 die Versicherungsfreiheit bis zu diesem Zeitpunkt besteht.
Normenkette
RVO § 165 Abs 1 Nr 5 Fassung: 1975-06-24, § 175 Nr 3 S 2 Fassung: 1975-06-24, § 205 Abs 3 S 2 Fassung: 1975-06-24
Verfahrensgang
Schleswig-Holsteinisches LSG (Entscheidung vom 11.05.1979; Aktenzeichen L 1 Kr 18/78) |
SG Lübeck (Entscheidung vom 19.06.1978; Aktenzeichen S 5 Kr 37/77) |
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist vorrangig streitig, ob der Anspruch auf Familienkrankenpflege für einen Studenten bis zum Ende des Semesters fortbesteht, wenn die Anspruchsvoraussetzungen während des Semesters entfallen (wegen Vollendung des 25. Lebensjahres). Hilfsweise macht der Kläger zu 2) für diese Zeit eine Versicherungspflicht nach § 165 Abs 1 Nr 5 der Reichsversicherungsordnung (RVO) geltend.
Der Kläger zu 1) ist Mitglied der beklagten Krankenkasse. Sein am 7. April 1952 geborener Sohn, der Kläger zu 2), war für das Sommersemester 1977 an der Universität H eingeschrieben. Die Beklagte stellte damals bescheidmäßig fest, bei Beginn des Semesters am 1. April 1977 habe Anspruch auf Familienkrankenpflege bestanden und deshalb sei der Kläger zu 2) gemäß § 175 Nr 3 RVO für das ganze Sommersemester von der Versicherungspflicht nach § 165 Abs 1 Nr 5 RVO befreit, der Anspruch auf Familienkrankenpflege bestehe jedoch nur bis zum 6. April 1977; eine Pflichtversicherung nach § 165 Abs 1 Nr 5 RVO sei erst mit dem Tage der Rückmeldung bei der Universität zum Wintersemester 1977/78, frühestens mit Semesterbeginn am 1. Oktober 1977 möglich. Gleichzeitig nahm sie den Kläger zu 2) entsprechend seinem Hilfsantrag gemäß § 176b Abs 1 Nr 2 RVO als freiwilliges Mitglied auf.
Gegen diese Entscheidung hat sich zunächst nur der Kläger zu 2) gewandt. Vor dem Sozialgericht (SG), an das sein Widerspruch abgegeben worden war, hat er außer der Aufhebung des angefochtenen Bescheides die Feststellung beantragt, daß er über den 6. April 1977 hinaus gemäß § 175 Nr 3 RVO Anspruch auf Familienkrankenhilfe habe, hilfsweise, gemäß § 165 Abs 1 Nr 5 RVO versicherungspflichtig sei. Das SG hat die Klage abgewiesen. Im anschließenden Berufungsverfahren ist der jetzige Kläger zu 1) als weiterer Kläger in das Verfahren eingetreten. Er hat sich dem bisherigen Vorbringen seines Sohnes angeschlossen. Beide Kläger haben jedoch nur noch die Aufhebung der angefochtenen Entscheidungen des SG und der Beklagten beantragt.
Das Landessozialgericht (LSG) hat diesem Antrag nicht entsprochen. Es ist zwar von einer - im Rahmen einer nachträglichen subjektiven Klagehäufung - zulässigen Klageerhebung des Klägers zu 1) ausgegangen, es hat aber sowohl diese Klage als auch die Berufung des Klägers zu 2) für unbegründet gehalten: Die im angefochtenen Bescheid der Beklagten getroffenen Entscheidungen entsprächen dem § 205 Abs 3 Satz 2 und dem § 175 Nr 3 RVO. Angesichts des eindeutigen Wortlauts dieser gesetzlichen Bestimmungen sei eine Auslegung im Sinne des Begehrens des Klägers nicht möglich. Es sei zwar zuzugeben, daß zwischen dem Ende des Anspruchs auf Familienkrankenpflege mit Vollendung des 25. Lebensjahres des Studenten und der erst zu Beginn des neuen Semesters wieder einsetzenden Pflichtversicherung nach § 165 Abs 1 Nr 5 RVO eine gewisse Lücke im System einer nahtlos ineinander übergehenden gesetzlichen Krankenversicherung bestehe, diese Lücke habe aber der Gesetzgeber ausdrücklich in Kauf genommen, um eine bessere Verwaltungspraktikabilität der studentischen Versicherung zu erreichen. Diese vom Gesetzgeber im Rahmen seiner Gestaltungsfreiheit getroffene Entscheidung sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, sie erscheine insbesondere weder gleichheits- noch sozialstaatswidrig. Es sei bereits zweifelhaft, ob der Gesetzgeber durch § 175 Nr 3 RVO gleichgelagerte oder verschiedenartige Sachverhalte rechtlich unterschiedlich gestaltet habe. In jedem Fall seien hierfür sachliche Erwägungen (Belange der Verwaltung im Hinblick auf eine einfach zu gestaltende Durchführung der Vorschriften) maßgebend gewesen. Derartige Gesichtspunkte hätten im Sozialversicherungsrecht häufig Einfluß auf Beginn und Ende der Versicherungspflicht, der Befreiung von ihr sowie einzelner Leistungsansprüche. Abgesehen davon erwiesen sich die nachteiligen Folgen der Regelung in Anbetracht der Möglichkeit der freiwilligen Versicherung nach § 176b Abs 1 Nr 2 RVO als unbeträchtlich.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der Kläger. Gerügt wird eine Verletzung von § 165 Abs 1 Nr 5, § 175 Nr 3 und § 205 RVO iVm Art 20 und 28 des Grundgesetzes (GG): Das LSG habe mit seiner am Wortlaut orientierten Auslegung des § 175 Nr 3 RVO Sinn und Zweck des Gesetzes über die Krankenversicherung der Studenten (KVSG) vom 24. Juni 1975 (BGBl I 1536) verkannt. Die Verdrängung einer Pflichtversicherung (§ 165 Abs 1 Nr 5 RVO) durch einen subsidiären Anspruch (§ 205 RVO) sei eine Besonderheit, die mit dem Versicherungsprinzip nicht übereinstimme. Offenkundig habe der Gesetzgeber in Ausfüllung des Sozialstaatsprinzips der Solidargemeinschaft Krankenversicherung die Aufgabe zugewiesen, die Eltern studierender Kinder dadurch finanziell zu entlasten, daß die Kinder bei Anspruch auf Familienkrankenpflege von der Versicherungspflicht nach § 165 Abs 1 Nr 5 RVO befreit werden und damit beitragsfrei bleiben. An sich müßte nach Wegfall des Befreiungstatbestandes die verdrängte Versicherungspflicht wieder einsetzen. Das sei allerdings nach dem Wortlaut des § 175 Nr 3 RVO offensichtlich nicht gewollt. Es sei aber mit Sinn und Zweck des KVSG vereinbar, daß der Krankenversicherungsschutz für Studierende aus § 205 RVO während der Dauer der Befreiung von der Versicherungspflicht bis zum Ende des Semesters erhalten bleibt.
Die Kläger beantragen,
das angefochtene Urteil des Schleswig-Holsteinischen
Landessozialgerichts vom 11. Mai 1979, das Urteil
des Sozialgerichts Lübeck vom 19. Juni 1978 und den
Bescheid der Beklagten vom 1. April 1977 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält die Entscheidungen der Vorinstanzen für zutreffend.
Entscheidungsgründe
Hinsichtlich der vom LSG zugelassenen Klageänderung bestehen keine prozeßrechtlichen Bedenken, die im Revisionsverfahren von Amts wegen zu beachten wären (bezüglich der Notwendigkeit der Beteiligung des Versicherten am Rechtsstreit über einen Anspruch auf Familienkrankenhilfe vgl BSG vom 30. Januar 1980 - 12 RK 58/78 - SozR 1500 § 75 SGG Nr 29).
Die Revision der Kläger ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben die Klagen zu Recht abgewiesen. Der angefochtene Bescheid der Beklagten entspricht dem durch das KVSG erweiterten und geänderten Recht der gesetzlichen Krankenversicherung, das hier maßgebend ist (§ 12 KVSG).
Der Kläger zu 2) war im Sommersemester 1977 von der durch das KVSG neu eingeführten Pflichtversicherung der Studenten (§ 165 Abs 1 Nr 5 RVO) befreit, weil für ihn bei Beginn des Semesters am 1. April 1977 ein Anspruch auf Familienkrankenpflege bestand (§ 175 Nr 3 RVO). Obwohl dieser Anspruch wegen Vollendung des 25. Lebensjahres des Klägers zu 2) bereits mit Ablauf des 6. April 1977 erlosch (§ 205 Abs 3 Satz 2 RVO), galt die Versicherungsfreiheit bis zum Ende des Semesters am 30. September 1977 fort (§ 175 Nr 3 Satz 2 RVO). Daß das vom Gesetzgeber gewollt war, wird auch von den Klägern in der Revisionsbegründung ausdrücklich anerkannt. In Anbetracht der Eindeutigkeit der gesetzlichen Regelung kann daran, wenn man von eventuellen verfassungsrechtlichen Bedenken zunächst absieht, kein Zweifel bestehen.
Das vorrangige Begehren der Kläger, den Versicherungsschutz aus § 205 RVO auf die gesamte Zeit der Befreiung von der Versicherungspflicht auszudehnen, läßt sich jedoch ebenfalls nicht gesetzlich begründen. Die Versicherungsfreiheit für das ganze Semester hat entgegen der Auffassung der Kläger nicht zur Folge, daß der die Befreiung von der Versicherungspflicht bedingende Anspruch auf Familienkrankenhilfe trotz eines zwischenzeitlichen Wegfalls der Anspruchsvoraussetzungen bis zum Ende des Semesters erhalten bliebe. Eine solche Schlußfolgerung führte zwar zu dem befriedigenden Ergebnis, daß ein ununterbrochener Versicherungsschutz gewährleistet wäre. Einer Auslegung in diesem Sinne sind jedoch die hier anzuwendenden gesetzlichen Vorschriften nicht zugänglich.
§ 175 Nr 3 RVO bestimmt, unter welchen Voraussetzungen und für welche Zeit die Versicherungspflicht nach § 165 Abs 1 Nr 5 und 6 RVO wegen eines Anspruchs auf Familienkrankenpflege entfällt. Diese Vorschrift enthält jedoch keine Regelung, die den Anspruch auf Familienkrankenpflege selbst betrifft. Sie setzt den Anspruch lediglich voraus. Ihr kann daher auch nichts über die Dauer des Anspruchs entnommen werden. Es ist deshalb auf § 205 RVO, also auf die Vorschrift zurückzugehen, die den Anspruch auf Familienkrankenhilfe umfassend regelt. Diese Vorschrift eröffnet aber nicht die Möglichkeit, die Krankenkassen zur Gewährung von Familienkrankenpflege für eine Zeit nach Wegfall der Anspruchsvoraussetzungen zu verpflichten. Das gilt auch, wenn ein bisher familienhilfeberechtigtes Kind - wie im vorliegenden Fall - die gesetzliche Altersgrenze erreicht. Für Kinder besteht der Anspruch bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres, er besteht längstens bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres, wenn sich das Kind in Schul- oder Berufsausbildung befindet oder ein freiwilliges soziales Jahr im Sinne des Gesetzes zur Förderung eines freiwilligen sozialen Jahres leistet (§ 205 Abs 3 Satz 2 RVO). Die Ausnahmen von diesem Grundsatz sind ausdrücklich geregelt (§ 205 Abs 3 Sätze 3 und 4 RVO). Für den Fall, daß der die Versicherungspflicht verdrängende Anspruch auf Familienkrankenpflege während eines Semesters erlischt, ist eine Ausnahmeregelung nicht getroffen worden.
Das Fehlen einer Ausnahmeregelung kann hier, wie das LSG zutreffend angenommen hat, nicht als eine Gesetzeslücke angesehen werden, die im Wege der ergänzenden Auslegung auszufüllen wäre. Das Schweigen des Gesetzes ist nicht darauf zurückzuführen, daß der Gesetzgeber einen regelungsbedürftigen Sachverhalt übersehen oder die Folgen der gesetzlichen Regelung nicht erkannt oder bedacht hat. Es spricht vielmehr alles dafür, daß insoweit eine Ausnahmeregelung bewußt unterblieben ist. Eine solche Entscheidung des Gesetzgebers haben Verwaltung und Rechtsprechung zu respektieren, vor allem dann, wenn es sich, wie bei dem KVSG, um neues Recht handelt, eine Angleichung an rechtliche oder tatsächliche Veränderungen daher nicht in Betracht kommt (vgl hierzu unter besonderer Berücksichtigung der Rechtsprechung der Sozialgerichtsbarkeit: Brackmann in DOK 1979, 269 ff). Die Versicherungsfreiheit nach § 175 Nr 3 RVO stellt auf den Familienkrankenpflege-Anspruch bei Beginn des Semesters ab, sie erstreckt sich aber auf das ganze Semester. Damit ergibt sich aus der gesetzlichen Regelung unmittelbar eine zeitliche Inkongruenz. Daß diese bewußt in Kauf genommen wurde, macht Satz 2 der Bestimmung besonders deutlich, denn hier wird davon ausgegangen, daß der Anspruch auf Familienkrankenpflege im Semester erlischt, und daran die Rechtsfolge geknüpft, daß die Versicherungsfreiheit bis zum Ende des Semesters bestehen bleibt. Hätte dem KVSG die Absicht zugrunde gelegen, in diesem Fall ausnahmsweise die Verpflichtung der Krankenkasse zur Gewährung von Familienkrankenpflege bis zum Ende des Semesters aufrechtzuerhalten, so hätte entweder dem § 175 Nr 3 RVO oder dem - ebenfalls durch das KVSG neu gefaßten - § 205 Abs 3 RVO eine entsprechende Regelung hinzugefügt werden müssen. Nachdem dies nicht geschehen ist, ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetz, daß die mögliche Unterbrechung des Versicherungsschutzes hingenommen wurde.
Dieser dem Gesetz zu entnehmende Regelungswille entspricht der Entstehungsgeschichte des KVSG. Wenn es auch bei der Auslegung eines Gesetzes nicht entscheidend auf die subjektive Vorstellung der am Gesetzgebungsverfahren beteiligten Organe ankommt, vielmehr der zum Ausdruck gebrachte objektive Wille des Gesetzgebers maßgebend ist, wie er sich aus dem Gesetzeswortlaut und dem Sinnzusammenhang ergibt, hat die Entstehungsgeschichte aber insofern Bedeutung, als sie die Richtigkeit einer Auslegung bestätigt und Zweifel ausräumt (vgl Brackmann aaO, S 271 mit Rechtsprechungsnachweisen).
Die Einführung der Pflichtversicherung für Studenten war für den Gesetzgeber Anlaß, die Altersgrenzen für die in die Familienhilfe einbezogenen Kinder über 18 Jahre verbindlich für alle Kassen festzulegen. Zur Begründung dieser Neuregelung haben die Koalitionsfraktionen (SPD/FDP) bei Vorlage des gemeinsamen Entwurfs ausgeführt, es solle damit sichergestellt werden, "daß für Studenten und Praktikanten bis zu den im Entwurf genannten Altersgrenzen bei allen Krankenkassen Anspruch auf Familienkrankenpflege besteht und sie dadurch von der Versicherungspflicht nach § 175 Nr 3 RVO befreit sind" (BT-Drucks 7/2993 S 9). Es wird also auf diese Altersgrenze auch in Bezug auf die Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 175 Nr 3 RVO abgestellt. Bei den Beratungen der eingebrachten Gesetzesentwürfe - außer den Koalitionsfraktionen hat auch der Bundesrat einen Entwurf vorgelegt - befaßte man sich mit der Frage, welche versicherungsrechtlichen Beziehungen bestehen sollen, wenn der Anspruch auf Familienkrankenpflege während des Semesters erlischt. Der mitberatende Ausschuß für Bildung und Wissenschaft schlug vor, daß "Studenten, die im Laufe eines Semesters ihren Anspruch auf Familienkrankenpflege verlieren, ... für den verbleibenden Zeitraum des Semesters in die Vergünstigungen des Gesetzes einbezogen werden" (BT-Drucks 7/3640 S 3). Man war sich also des Wegfalls des Anspruchs auf Familienkrankenpflege während des Semesters bewußt. Schließlich nahm dazu der Bundestagsausschuß für Arbeit und Sozialordnung ausdrücklich Stellung. Nach seinem Bericht wurde § 175 Nr 3 RVO aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität geändert (maßgebender Zeitpunkt des Anspruchs auf Familienkrankenpflege für die Versicherungsfreiheit: der Beginn des Semesters; Dauer der Versicherungsfreiheit: bis zum Ende des Semesters; BT-Drucks 7/3640 S 5 und 13). Der Ausschuß äußerte sich in diesem Zusammenhang auch zu der Frage, welcher Versicherungsschutz bei Wegfall des Anspruchs auf Familienkrankenpflege während des Semesters in Betracht kommt. Er verwies auf die Möglichkeit der freiwilligen Versicherung nach § 176b Abs 1 Nr 2 RVO (BT-Drucks 7/3640 S 5 und 6). Eine Verlängerung der Anspruchsdauer der Familienkrankenhilfe zog er nicht in Erwägung. Dabei blieb es auch bei der Verabschiedung des Gesetzes. Dementsprechend wurde den Krankenversicherungsträgern vom Verordnungsgeber die Verpflichtung auferlegt, die nach § 175 Nr 3 RVO von der Versicherungspflicht befreiten Studenten bei der Ausstellung der Versicherungsbescheinigung auf das Ende des Anspruchs auf Familienkrankenpflege und auf das Beitrittsrecht nach § 176b Abs 1 Nr 2 RVO hinzuweisen (§ 5 der Meldeverordnung für die Krankenversicherung der Studenten vom 30. Oktober 1975 - BGBl I 2709).
Hinsichtlich der Frage, ob und ggf in welcher Weise dem Umstand Rechnung zu tragen ist, daß ein Teil der Studenten bereits im Rahmen der Familienkrankenhilfe einen ausreichenden Krankenversicherungsschutz hat, wurden im Gesetzgebungsverfahren verschiedene Lösungsvorschläge gemacht. Der vom Land Rheinland-Pfalz dem Bundesrat zugeleitete Entwurf eines Gesetzes über die Krankenversicherung der Studierenden (KVSt) sah in einem § 173d vor, alleinstehende Studenten, die Familienangehörige iS von § 205 Abs 1 und 2 RVO von Versicherten sind, auf Antrag von der Versicherungspflicht - unwiderruflich - zu befreien (BR-Drucks 196/74 S 2). Diesen Vorschlag übernahm der Bundesrat nicht. Nach seinem dem Bundestag vorgelegten Entwurf sollte ein Anspruch auf Familienkrankenhilfe nicht zu einer Befreiung von der Versicherungspflicht der Studenten führen, denn eine solche gespaltene Pflichtversicherung sei mit dem System der gesetzlichen Krankenversicherung nicht zu vereinbaren, die Familienhilfeansprüche nach § 205 RVO müßten vielmehr gegenüber jeder Pflichtversicherung nachrangig bleiben (BR-Drucks 196/1/74 S 5 und 6; BT-Drucks 7/2519 S 4). Danach wären also auch Studenten, für die an sich ein Anspruch auf Familienkrankenhilfe bestanden hätte, beitragspflichtig gewesen, und zwar während der gesamten Studienzeit. Der von den Koalitionsfraktionen eingebrachte Entwurf sah bei Anspruch auf Familienkrankenpflege eine Befreiung von der Versicherungspflicht kraft Gesetzes vor, er stellte aber auf das jeweilige Semester ab (BT-Drucks 7/2993 S 3). Der Gesetzgeber folgte diesem Vorschlag, er sah sich aber veranlaßt, ihn den Bedürfnissen der Verwaltung anzupassen. Aus Gründen der Praktikabilität hielt er es für erforderlich, das Krankenversicherungsverhältnis des Studenten - ob Versicherungspflicht besteht oder nicht - am Beginn des Semesters für das ganze Semester zu bestimmen. Bei der Erfassung der versicherungspflichtigen Studenten sind die Krankenkassen auf die Hochschulverwaltungen angewiesen, diese können aber ohne Schwierigkeiten nur am Anfang des Semesters - bei der Einschreibung oder Rückmeldung - zuverlässige Verwaltungshilfe leisten. Der durch das KVSG eingefügte § 393d Abs 1 RVO schreibt daher in seinem Satz 3 vor, daß die Hochschule die Einschreibung oder die Annahme der Rückmeldung verweigert, wenn ein nach § 165 Abs 1 Nr 5 RVO zu Versichernder nicht die Erfüllung der ihm gegenüber der zuständigen Krankenkasse aufgrund der RVO auferlegten Verpflichtungen nachweist. So wird sichergestellt, daß mit der Erfassung des Studenten an der Hochschule (Einschreibung, Rückmeldung) auch dessen Krankenversicherungsverhältnis geregelt ist (BT-Drucks 7/3640 S 7 und 17). Aus demselben Grund hielt es der Gesetzgeber für erforderlich, bei der Befreiung von der Versicherungspflicht wegen eines Anspruchs auf Familienhilfe auf den Beginn des Semesters abzustellen, und die Rechtsfolge (Versicherungspflicht oder Befreiung) für das ganze Semester gelten zu lassen (BT-Drucks 7/3640 S 5, 6 und 12). Damit wurde in Kauf genommen, daß für eine Restzeit des Semesters entweder weiterhin Versicherungs- und Beitragspflicht nach § 165 Abs 1 Nr 5 RVO (trotz eventuellen Hinzutretens eines dem Grunde nach bestehenden Anspruchs auf Familienkrankenpflege) besteht oder (nach Wegfall des Anspruchs auf Familienkrankenpflege) die Versicherungspflicht nicht sofort, sondern erst am Beginn des neuen Semesters eintritt. Die bei der zweiten Alternative eintretende Unterbrechung des Versicherungsschutzes hat der Gesetzgeber, wie bereits dargelegt, nicht durch eine Verlängerung der Anspruchsdauer der Familienkrankenhilfe behoben, sondern hierfür nur die Möglichkeit einer freiwilligen Versicherung vorgesehen.
Diese gesetzliche Regelung hält der Senat in Übereinstimmung mit dem LSG für nicht verfassungswidrig. Das Sozialstaatsgebot (Art 20 Abs 1 GG), dessen Verletzung die Kläger rügen, enthält einen Gestaltungsauftrag an den Gesetzgeber (BVerfGE 50, 57, 108). Es verlangt staatliche Vor- und Fürsorge für einzelne oder für Gruppen der Gesellschaft, die aufgrund persönlicher Lebensumstände oder gesellschaftlicher Benachteiligung dieses Schutzes bedürfen (BVerfGE 45, 376, 387). Die Einbeziehung der Studenten in die gesetzliche KV beruht auf diesem Gebot. Bei der Ausführung des Auftrages steht dem Gesetzgeber jedoch eine weitgehende Gestaltungsfreiheit zu (BVerfGE 39, 316, 326). Ihm sind dabei typisierende Regelungen gestattet, die in einer Massenverwaltung unvermeidlich sind. Auch kann er den praktischen Erfordernissen der Verwaltung Rechnung tragen (BVerfGE 48, 227, 238, 239). Der allgemeine Gleichheitsgrundsatz verbietet zwar eine sachwidrige Differenzierung; das bedeutet jedoch nicht, daß sich die verfassungsrechtliche Prüfung eines Gesetzes auch darauf zu erstrecken hätte, ob die gerechteste und zweckmäßigste Lösung gefunden worden ist (BVerfGE 1979-01-17 - 1 BvR 446/77 und 1 BvR 1174/77 - in Die Sozialversicherung 1979, 134, 137). Eine Typisierung ist noch zulässig, wenn eine in ihrer Folge entstehende Ungerechtigkeit nur unter Schwierigkeiten vermeidbar wäre und der in ihr liegende Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz nicht sehr intensiv ist (BVerfGE 45, 376, 390).
Die Einbeziehung der Studenten in die gesetzliche Krankenversicherung unter gleichzeitiger Aufnahme zahlreicher Befreiungstatbestände war mit der Schwierigkeit der korrekten Anwendung des Gesetzes verbunden. Der Gesetzgeber mußte eine Regelung finden, die den Krankenkassen die Erfassung aller Studenten ermöglichte. Er machte deshalb die Einschreibung und Rückmeldung der Studenten an den Hochschulen von der Klärung der krankenversicherungsrechtlichen Verhältnisse abhängig (§ 393d Abs 1 RVO). Da eine Änderung der Versicherungsverhältnisse während des Semesters nicht zuverlässig oder nur mit Schwierigkeiten überwacht werden kann (zB beim Erlöschen des Anspruchs auf Familienkrankenpflege wegen Beendigung der Mitgliedschaft des dem Studenten unterhaltspflichtigen Versicherten), wird der versicherungsrechtliche Status eines Studenten bei Beginn des Semesters bis zu dessen Ende beibehalten.
Die Unterbrechung des Versicherungsschutzes bei Erlöschen des Anspruchs auf Familienkrankenpflege während des Semesters stellt keinen intensiven Verstoß gegen den Gleichheitssatz dar. Die freiwillige Versicherung, durch die für die Restzeit des Semesters der Versicherungsschutz ausreichend sichergestellt werden kann, ist zwar mit einer Beitragsbelastung verbunden, die in der Regel größer ist als die der pflichtversicherten Studenten (nicht unbedingt höherer Grundlohn, wohl aber höherer Beitragssatz; vgl § 180 Abs 3b und 4, § 381a RVO). Die größere Beitragsbelastung ist aber nur für wenige Wochen oder Monate bis zum Beginn des neuen Semesters hinzunehmen. Dieser vorübergehenden Schlechterstellung eines Teils der familienhilfeberechtigten Studenten steht die Vergünstigung gegenüber, daß bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres ein beitragsfreier Versicherungsschutz gewährt wird. Wäre der Versicherungspflicht nach § 165 Abs 1 Nr 5 RVO, was den Grundsätzen des Krankenversicherungsrechts entsprochen hätte, der Vorrang gegenüber der Familienkrankenhilfe eingeräumt worden, (so Gesetzesvorschlag des Bundesrates), so hätte Beitragspflicht nach § 381a Abs 1 iVm § 180 Abs 3b RVO während der gesamten Studienzeit bestanden. Macht allerdings der aus der Familienkrankenhilfe ausscheidende Student von dem Recht auf freiwillige Versicherung keinen Gebrauch, so entsteht, was unbefriedigend ist, eine Lücke im Versicherungsschutz. Es muß jedoch dem Gesetzgeber überlassen bleiben, ob und ggf auf welche Weise er die Möglichkeit einer solchen Lücke ausschließen will.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz.
Fundstellen