Leitsatz (amtlich)
1. Rentenbescheide der Versorgungsbehörden ergehen grundsätzlich unter dem Vorbehalt der Kürzung. Das Ruhen der Rente kann daher rückwirkend auch für die Zeit angeordnet werden, für welche die Rente bereits bewilligt war.
2. Das Recht auf Versorgungsbezüge ruht - wenn beide Ansprüche auf der gleichen Ursache beruhen - auch bei kriegsblinden Pflegezulageempfängern in Höhe des Unterschieds zwischen der Versorgung nach allgemeinen beamtenrechtlichen Bestimmungen und aus der beamtenrechtlichen Unfallfürsorge.
3. Der Unterschied zwischen der Versorgung nach allgemeinen beamtenrechtlichen Bestimmungen und aus der beamtenrechtlichen Unfallfürsorge ist der von der Pensionsbehörde festgesetzte Bruttobetrag, um den das Ruhegehalt nach allgemeinen beamtenrechtlichen Bestimmungen überschritten wird. 4. SGG § 96 Abs 1 gilt nur für abändernde und ersetzende Verwaltungsakte, die nach dem 1953-12-31 ergangen sind.
Berufungen, die nach RVO § 1608 Abs 1 am 1953-12-31 bei den Oberversicherungsämtern rechtshängig waren, sind am 1954-01-01 as Klagen auf die Sozialgerichte übergegangen. Die Landessozialgerichte sind zur Entscheidung über solche Klagen nicht zuständig. Der Mangel der Zuständigkeit ist vom Revisionsgericht von Amts wegen zu berücksichtigen.
5. Entscheidet das LSG über eine Klage gegen einen vor dem 1954-01-01 erteilten Bescheid, dann hat das Revisionsgericht das Urteil wegen des Vorliegens eines unbedingten Revisionsgrundes SGG § 202, ZPO § 551 Nr 4 aufzuheben und über die Klage zu entscheiden, wenn die Sache entscheidungsreif ist. SGG § 170 Abs 1 S 2 findet in einem solchen Fall keine Anwendung.
Normenkette
BVG § 65 Abs. 1 Nr. 2 Fassung: 1953-08-07, § 31 Abs. 4 Fassung: 1950-12-20, § 33 Abs. 3 Fassung: 1953-08-07, Abs. 4 Fassung: 1955-01-19; SGG § 153 Abs. 1 Fassung: 1953-09-03, § 96 Abs. 1 Fassung: 1953-09-03, § 215 Abs. 2 Fassung: 1953-09-03, Abs. 4 Fassung: 1953-09-03, § 170 Abs. 1 S. 2 Fassung: 1953-09-03, § 202 Fassung: 1953-09-03; RVO § 1608 Abs. 1 Fassung: 1925-07-14; ZPO § 551 Nr. 4
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts in München vom 4. März 1955 insoweit aufgehoben, als es über die Klage gegen den Bescheid des Versorgungsamtes A vom 25. Juni 1952 entschieden hat. Diese Klage wird abgewiesen. Im übrigen wird die Revision als unbegründet zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Von Rechts wegen.
Gründe
Der am 12. Dezember 1909 geborene Kläger, der vor seiner Einberufung zum Wehrdienst Regierungsbauinspektor war, wurde als Angehöriger eines Grenadierregiments im März 1944 in Rußland schwer verwundet. Er bezieht seit 1. Februar 1947 wegen "Erblindung beider Augen, Taubheit beiderseits, Amputation des rechten Unterarmes und Hirnverletzung" Versorgung nach dem Bayer. Gesetz über Leistungen an Körperbeschädigte (KBLG) vom 26. März 1947 (GVBl. 1947 S. 107) und vom 1. Oktober 1950 ab nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) vom 20. Dezember 1950 (BGBl. I S. 791). Auf Grund seines Beamtenverhältnisses erhält er seit 1. Oktober 1946 Ruhegehalt.
Das Versorgungsamt (VersorgA.) A bewilligte dem Kläger mit Bescheid vom 25. April 1951 nach dem BVG Versorgungsbezüge in Höhe von 345,- DM monatlich (davon 75,- DM Grundrente und 90,- DM Ausgleichsrente). Am 1. Dezember 1951 teilte die Oberfinanzdirektion (OFD.) M - Zweigstelle A - dem VersorgA. mit, daß dem Kläger mit Wirkung vom 1. September 1948 ab nach Maßgabe der beamtenrechtlichen Unfallvorschriften ein Ruhegehalt in Höhe von 3.980,26 DM jährlich anstelle des bisher nach allgemeinen beamtenrechtlichen Grundsätzen bewilligten Ruhegehalts von 2.247,06 DM gezahlt werde.
Daraufhin setzte das VersorgA. A mit Bescheid vom 18. Dezember 1951 die Rente des Klägers mit Wirkung vom 1. September 1948 ab neu fest. Es errechnete für die Zeit vom 1. September 1948 bis 30. September 1950 eine Überzahlung von 1050,- DM und stellte fest, daß die Grund- und Ausgleichsrente (165,- DM) vom 1. Oktober 1950 ab nach § 65 Abs. 1 Nr. 2 BVG in Höhe von 144,44 DM monatlich ruhe. Der Kläger habe daher nur Anspruch auf Auszahlung einer monatlichen Rente von 20,56 DM. Für die Zeit vom 1. Oktober 1950 bis 31. Januar 1952 seien 2.311,04 DM, insgesamt vom 1. September 1948 ab 3.361,04 DM zu viel gezahlt. Dieser Betrag wurde dem VersorgA., ohne daß der Kläger Einwendungen erhob, von der Regierungshauptkasse M erstattet.
Vor der Entscheidung über die gegen diesen Bescheid beim Oberversicherungsamt (OVA.) A eingelegte Berufung ordnete das VersorgA. A mit einem weiteren Neufeststellungsbescheid vom 25. Juni 1952 an, daß die Rente vom 1. Oktober 1951 ab in voller Höhe ruhe, weil von diesem Zeitpunkt ab der Unterschied zwischen der Versorgung nach allgemeinen beamtenrechtlichen Vorschriften und der aus der beamtenrechtlichen Unfallfürsorge nach der Mitteilung der OFD. M vom 13. Juni 1952 171,30 DM monatlich betrage.
Das OVA. A hat die Berufung des Klägers mit Urteil vom 17. Juli 1952 mit der Begründung zurückgewiesen, daß § 65 Abs. 1 Nr. 2 BVG gegenüber §§ 31 Abs. 4, 33 Abs. 3 BVG eine Sondervorschrift sei. Der Bescheid vom 25. Juni 1952 ist im Urteil nicht erwähnt.
Das Bayerische Landessozialgericht (LSG.) hat durch Urteil vom 4. März 1955 die Berufung des Klägers (§ 215 Abs. 3 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -) gegen das Urteil des OVA. Augsburg "unter Bestätigung des Bescheids des VersorgA. Augsburg vom 25. Juni 1952" zurückgewiesen und die Revision zugelassen. Es hat ausgeführt: § 31 Abs. 4 BVG und § 33 Abs. 3 BVG (Abs. 4 in der vom 1.1.1955 ab geltenden Fassung des Art. I Nr. 7 d des Dritten Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des BVG vom 19.1.1955, BGBl. I S. 25) stünden der Anwendung des § 65 Abs. 1 Nr. 2 BVG, der eine Sondervorschrift sei, nicht entgegen. In den §§ 31 Abs. 4, 33 Abs. 3 BVG sei nur vorgeschrieben, daß Blinde stets die Rente eines Erwerbsunfähigen und beim Bezug einer Pflegezulage von mindestens der Stufe III stets die volle Ausgleichsrente erhalten. Der Kläger habe entgegen seiner Ansicht nach wie vor einen Anspruch auf Heilbehandlung und orthopädische Versorgung. Der Umstand, daß ihm monatlich insgesamt ein höherer Geldbetrag zur Verfügung stünde, wenn er keine Unfallfürsorge, dafür aber die ungekürzte Versorgungsrente erhielte, könne an dem gewonnenen Ergebnis nichts ändern. Bei der Berechnung des Unterschiedsbetrages i. S. des § 65 Abs. 1 Nr. 2 BVG sei in jedem Fall vom Bruttobetrag des Ruhegehalts auszugehen. Der Gesetzgeber habe auch in Kauf genommen, daß in Fällen der vorliegenden Art kein Anspruch auf Kapitalabfindung bestehe. Die gegen den Bescheid vom 18. Dezember 1951 zum OVA. eingelegte Berufung habe sich nach § 1608 Abs. 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO) auch auf den Neufeststellungsbescheid vom 25. Juni 1952 erstreckt. Auch wenn die Berufung gegen diesen Bescheid am 1. Januar 1954 als Klage auf das Sozialgericht (SG.) übergegangen sein sollte, könne das LSG. über den zweiten Bescheid entscheiden, weil der Sinn und Zweck des § 96 SGG für Übergangsfälle die weitere Anwendung des durch das SGG nicht ausdrücklich aufgehobenen § 1608 RVO nicht verbiete. Der Bescheid vom 25. Juni 1952 sei ebenso wie das Urteil des SG. nicht zu beanstanden.
Der Prozeßbevollmächtigte des Klägers hat gegen dieses ihm am 7. Juli 1955 zugestellte Urteil mit einem beim Bundessozialgericht (BSG.) am 5. August 1955 eingegangenen Schriftsatz Revision eingelegt und in der beim BSG. am 7. September 1955 eingegangenen Revisionsbegründung u. a. die Verletzung des § 65 Abs. 1 Nr. 2 BVG gerügt. Nach seiner Ansicht ergibt sich aus dem Wortlaut der §§ 31 Abs. 4 und 33 Abs. 3 (vom 1.1.1955 ab Abs. 4) BVG, daß die Grund- und Ausgleichsrente bei Kriegsblinden in keinem Fall gekürzt werden dürfe. Das müsse auch dann gelten, wenn ein Blinder Leistungen aus der beamtenrechtlichen Unfallfürsorge beziehe; sonst hätte in § 65 Abs. 1 Nr. 2 BVG ausdrücklich vorgeschrieben werden müssen, daß diese Vorschrift auch für Kriegsblinde gelte. Der schwerbeschädigte Kläger werde - folge man der Ansicht des LSG. - doppelt hart betroffen. Er habe nach der Ablehnung einer Kapitalabfindung für den Kauf eines Wohnhauses Darlehen aufnehmen müssen. Wegen dieser Ablehnung habe er auch keinen Anspruch auf Erlaß der Grunderwerbssteuer und auf Ermäßigung der Grundsteuer.
Der Kläger beantragt,
den Beklagten zur Zahlung der ungekürzten Grund- und Ausgleichsrente zu verurteilen.
Der Beklagte beantragt,
1.) die Revision, soweit sie sich gegen das Urteil des Bayer. LSG. vom 4. März 1955 richtet, als unbegründet zurückzuweisen;
2.) den Rechtsstreit, soweit das LSG. über den Bescheid vom 25. Juni 1952 entschieden hat, an das SG. Augsburg zurückzuverweisen.
Er hält das angefochtene Urteil, soweit es das Urteil des OVA. A vom 17. Juli 1952 bestätigt hat, für zutreffend. Das LSG. habe aber nicht über den Bescheid vom 25. Juni 1952 entscheiden dürfen. Die Berufung gegen diesen Bescheid sei nämlich am 1. Januar 1954 als Klage auf das SG. Augsburg übergegangen. § 96 SGG sei in solchen Fällen nicht anwendbar.
Die durch Zulassung statthafte Revision (§ 162 Abs. 1 Nr. 1 SGG) ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet (§ 164 SGG). Sie ist daher zulässig.
Die Revision ist teilweise begründet.
Bei einer zulässigen Revision hat das Revisionsgericht zunächst von Amts wegen zu prüfen, ob die Prozeßvoraussetzungen für das Klage- und Berufungsverfahren vorliegen (BSG. 2 S. 225; Urteil des 8. Senats vom 26.10.1956 - 8 RV 17/55 - mit weiteren Hinweisen). Zu den Prozeßvoraussetzungen für das Berufungsverfahren gehört die Zulässigkeit der Berufung. Das LSG. hat sie mit Recht bejaht. Der vom Kläger gegen das Urteil des OVA. beim Bayerischen Landesversicherungsamt (LVAmt) eingelegte Rekurs ist am 1. Januar 1954 als Berufung auf das Bayerische LSG. übergegangen (§§ 215 Abs. 3, 29 SGG). Die Zulässigkeit dieser Berufung richtet sich nach §§ 144 - 150 SGG (BSG. 1 S. 62, 208, 264). Die Berufung des Klägers war im vorliegenden Fall nicht nach § 148 Nr. 2 SGG ausgeschlossen, weil das Urteil des OVA., auf dessen Inhalt es ankommt (BSG. 1 S. 225, Urteile des 10. Senats des BSG. vom 24. August 1956, SozR. SGG § 148 Bl. Da 2 Nr. 6 und vom 11. Dezember 1956 - 10 RV 325/54 -), auch den Rentenanspruch des Klägers für die Zeit nach dem Erlaß dieses Urteils betrifft.
Die Rüge der Revision, das LSG. habe § 65 Abs. 1 Nr. 2 BVG verletzt, ist nicht begründet. Nach dieser Vorschrift ruht das Recht auf Versorgungsbezüge, wenn beide Ansprüche auf der gleichen Ursache beruhen, in Höhe des Unterschiedsbetrages zwischen der Versorgung nach allgemeinen beamtenrechtlichen Bestimmungen und aus der beamtenrechtlichen Unfallfürsorge. Das Berufungsgericht ist zunächst mit Recht davon ausgegangen, daß diese Ruhensvorschrift von der Versorgungsbehörde rückwirkend angewandt werden konnte. Das ergibt sich daraus, daß die Bescheide der Versorgungsämter, die über den Versorgungsanspruch entscheiden, stets unter dem Vorbehalt der Kürzung erlassen werden. Dieser vom Reichsversorgungsgericht in ständiger Rechtsprechung angewandte Grundsatz (RVGer. 9 S. 22, (24, 25) mit weiteren Nachweisen) gilt auch für die Feststellung der Versorgungsbezüge nach dem BVG. Wenn hier die Feststellung und die Regelung der Zahlung dieser Bezüge meist in demselben Verwaltungsakt erfolgt, so stellt die Feststellung doch einen gesonderten Verwaltungsvorgang dar, von dem die weitere Entscheidung darüber, ob Einkommen anzurechnen ist oder ob und inwieweit die Rente gegebenenfalls ruht, zu trennen ist. Da die Rente alsbald nach der Antragstellung unter Zugrundelegung der bei der Bescheiderteilung vorliegenden Einkommensverhältnisse festgesetzt wird und Einkommensänderungen, die sich auch auf den Zeitraum der Feststellung erstrecken, noch nicht berücksichtigt werden können, muß die Verwaltungsbehörde in der Lage sein, solche Änderungen nach ihrem Eintritt rückwirkend zu berücksichtigen. Im Falle des Ruhens der Rente endet die Pflicht zur Rentenzahlung kraft Gesetzes in dem Zeitpunkt, in welchem der Tatbestand, der das Ruhen zur Folge hat, eintritt. Der Ruhensbescheid stellt dies lediglich fest und kann sich daher auch auf die rückliegende Zeit beziehen, für welche die Rente vorher bewilligt war (vgl. Entsch. des RVA. Nr. 5294, AN. 1939 S. 246). Im vorliegenden Fall ruht die Rente nach dem BVG vom 1. Oktober 1950 ab in Höhe von 144,44 DM monatlich, weil das Ruhegehalt des Klägers aus der beamtenrechtlichen Unfallfürsorge von diesem Zeitpunkt ab um den genannten Betrag höher war als das Ruhegehalt nach allgemeinen beamtenrechtlichen Bestimmungen und die Ansprüche auf Rente und Ruhegehalt auf der gleichen Ursache (der Verwundung) beruhen (§ 65 Abs. 1 Nr. 2 BVG). Die Rüge der Revision, diese Vorschrift könne auf die blinden Schwerbeschädigten nicht angewendet werden, greift, wie das angefochtene Urteil mit Recht festgestellt hat, nicht durch. § 65 Abs. 1 Nr. 2 BVG bezweckt, daß eine Doppelversorgung aus öffentlichen Mitteln vermieden wird. Er ist als Ausnahmevorschrift eng auszulegen. Es muß daher davon ausgegangen werden, daß hier das Ruhen des Rechts auf Versorgungsbezüge für alle Versorgungsberechtigten abschließend geregelt ist. Hätte der Gesetzgeber den Personenkreis der Kriegsblinden und eines Teiles der Pflegezulageempfänger auch hinsichtlich des Ruhens der Versorgung bevorzugen wollen - wie er dies hinsichtlich des Bezuges der Rente getan hat -, dann hätte es hierfür einer ausdrücklichen Vorschrift bedurft. Die §§ 31 Abs. 4, 33 Abs. 3 (vom 1.1.1955 ab Abs. 4) BVG stützen die gegenteilige Ansicht der Revision, wie das LSG. zutreffend ausgeführt hat, nicht. § 31 Abs. 4 BVG, wonach Blinde stets die Rente eines Erwerbsunfähigen erhalten, besagt nur, daß dieser Personenkreis auch dann einen Anspruch auf die Rente (Grundrente) eines Erwerbsunfähigen hat, wenn die MdE. nach § 30 Abs. 1 BVG mit weniger als 100 v. H. zu bewerten ist. Diese Vorschrift ist insofern eine Ausnahme gegenüber §§ 29, 30 BVG, als sie die Prüfung des Grades der MdE. bei Blinden ausschaltet. Nach § 33 Abs. 3 BVG in der Fassung vom 20. Dezember 1950 erhalten Empfänger einer Pflegezulage von mindestens 100,- DM - sie wird Blinden nach § 35 Abs. 1 Satz 2 BVG in der Regel gewährt - stets die volle Ausgleichsrente. Der Gesetzgeber hat diese Regelung deshalb getroffen, weil diese Schwerstbeschädigten eine auf Erwerb gerichtete Tätigkeit regelmäßig nur unter Aufwendung außergewöhnlicher Tatkraft ausüben können. § 33 Abs. 3 BVG schließt deshalb die Prüfung der Voraussetzungen für die Gewährung der Ausgleichsrente aus. Eine Ausgleichsrente wird den Beziehern einer Pflegezulage in der genannten Höhe also auch dann gewährt, wenn sie die Grundvoraussetzungen für die Bewilligung der Ausgleichsrente nicht erfüllen oder wegen eines vorhandenen sonstigen Einkommens keinen Anspruch auf Ausgleichsrente haben. Dagegen ruht auch bei diesem Personenkreis, wie bei allen anderen Versorgungsberechtigten, das Recht auf Versorgungsbezüge, wenn die Voraussetzungen hierfür erfüllt sind.
Das Berufungsgericht hat auch mit Recht festgestellt, daß der Betrag, in dessen Höhe die Rente vom 1. Oktober 1950 bis 30. September 1951 ruht (144,44 DM), richtig berechnet ist. Der Unterschiedsbetrag zwischen der Versorgung nach allgemeinen beamtenrechtlichen Bestimmungen und aus der beamtenrechtlichen Unfallfürsorge kann nur der von der Pensionsbehörde festgesetzte Betrag sein, um den das Ruhegehalt nach allgemeinen beamtenrechtlichen Bestimmungen überschritten wird. Diese "Versorgung" im Sinne des § 65 Abs. 1 Nr. 2 BVG wird aus den ruhegehaltsfähigen Dienstbezügen errechnet. Ginge man von dem Betrag aus, der dem Ruhegehaltsempfänger nach Abzug der Einkommensteuer ausgezahlt wird, so wäre die Höhe des ruhenden Rentenbetrages von Umständen abhängig, die in diesem Zusammenhang keine Bedeutung gewinnen dürfen, nämlich von der Höhe der Einkommensteuer, die bei den einzelnen Ruhegehaltsempfängern je nach ihrem Familienstand, der Zahl der Kinder und dem steuerfreien Betrag verschieden hoch ist. Wenn sich aus der vom Gesetzgeber durch § 65 Abs. 1 Nr. 2 BVG getroffenen Regelung im Einzelfall Härten ergeben, so sind die Gerichte nicht in der Lage, diese auszugleichen. Das ist vielmehr eine Angelegenheit der Gesetzgebung. Es ist somit nicht möglich, hier auf das Vorbringen des Klägers einzugehen, das die in seinem Fall durch das Ruhen der Rente eingetretenen Härten schildert.
Das LSG. hat daher die Berufung des Klägers gegen das Urteil des OVA. Augsburg vom 17. Juli 1952 mit Recht zurückgewiesen. Die Revision ist deshalb insoweit als unbegründet zurückzuweisen (§ 170 Abs. 1 Satz 1 SGG).
Das angefochtene Urteil konnte aber insoweit nicht aufrechterhalten werden, als das Berufungsgericht über die Klage gegen den Bescheid vom 25. Juni 1952 entschieden hat. Dieser Bescheid galt nach § 1608 Abs. 1 RVO in Verbindung mit § 84 Abs. 3 BVG und Art. 33 KBLG als angefochten. Es war also im Zeitpunkt des Erlasses des Urteils des OVA. bei diesem auch ein Berufungsverfahren gegen den Bescheid vom 25. Juni 1952 anhängig. Das OVA. hat über diese Berufung bis 31. Dezember 1953 nicht entschieden. Auch das Bayerische LVAmt hat das Berufungsverfahren gegen den Bescheid vom 25. Juni 1952 nicht nach § 1608 Abs. 2 Satz 2 RVO während des Rekursverfahrens gegen das Urteil des OVA. an sich gezogen. Infolgedessen waren am 31. Dezember 1953 zwei voneinander getrennte Verfahren, und zwar der Rekurs des Klägers gegen das Urteil des OVA. A beim Bayerischen LVAmt und die Berufung des Klägers gegen den Bescheid des VersorgA. A vom 25. Juni 1952 beim OVA. A rechtshängig. Der Rekurs ist nach § 215 Abs. 3 SGG auf das Bayerische LSG., die Berufung dagegen nach § 215 Abs. 2, 4 SGG als Klage auf das SG. Augsburg übergegangen. Das LSG. konnte dieses Klageverfahren nicht nach § 1608 RVO an sich heranziehen. Diese Vorschrift ist zwar durch das SGG nicht ausdrücklich aufgehoben worden; nach § 224 Abs. 3 SGG sind aber mit dem 1. Januar 1954 alle Vorschriften früherer Gesetze und Verordnungen außer Kraft getreten, die denselben Gegenstand wie das SGG regeln. Um eine solche Vorschrift handelt es sich bei § 1608 RVO. § 96 SGG hat zwar ungefähr denselben verfahrensrechtlichen Inhalt wie § 1608 RVO; er enthält aber keine Vorschrift, wonach ein in der ersten Instanz rechtshängiges Verfahren von der Berufungsinstanz herangezogen werden kann. Da das SGG eine Verbindung von zwei in verschiedenen Rechtszügen anhängigen Verfahren auch sonst nicht vorsieht, widerspräche es dem Aufbau dieses Gesetzes, wenn man für die Übergangsfälle zuließe, daß das Berufungsgericht über Klagen entscheidet. § 1608 RVO ist daher mit dem Inkrafttreten des SGG in seinem ganzen Umfang als außer Kraft getreten anzusehen. § 96 SGG kann im vorliegenden Fall nicht angewendet werden, weil er nur für abändernde und ersetzende Verwaltungsakte, die nach dem 31. Dezember 1953 ergangen sind, gilt. Denn von Klagerhebung kann erst seit dem Inkrafttreten des SGG gesprochen werden. Die Übergangsregelung des § 215 Abs. 2 und 4 SGG gestattet es nicht, die vor dem 31. Dezember 1953 ergangenen Bescheide nach dem erst vom 1. Januar 1954 geltenden § 96 SGG zu behandeln. An diesem Ergebnis kann auch der Umstand nichts ändern, daß eine gleichzeitige Entscheidung über Berufung und Klage aus prozeßwirtschaftlichen Gründen zweckmäßig wäre (im Ergebnis ebenso Beschluß des 5. Senats des BSG. vom 7.12.1955 - 5 RKn 1/54 -).
Hiernach war das LSG. für die erstinstanzliche Entscheidung über die Klage gegen den Bescheid des VersorgA. Augsburg vom 25. Juni 1952 nicht zuständig. Das angefochtene Urteil leidet daher an einem wesentlichen Mangel des Verfahrens, weil es über die Klage entschieden hat, obwohl es funktionell nicht zuständig war. Dieser Mangel ist vom Revisionsgericht von Amts wegen zu berücksichtigen, weil es sich hier um einen in der Revisionsinstanz fortwirkenden Verstoß gegen eine Verfahrensvorschrift handelt (BSG. 1 S. 158 mit weiteren Hinweisen). Das Urteil des Berufungsgerichts beruht auch auf diesem Mangel. Dies folgt aus § 551 Nr. 4 der Zivilprozeßordnung (ZPO). Diese Vorschrift gilt nach § 202 SGG auch im Revisionsverfahren vor dem BSG. Der Senat schließt sich insoweit dem Urteil des 2. Senats vom 26. Juli 1956 - 2 RU 35/55 - an. Die in § 551 ZPO genannten Verfahrensverstöße betreffen die Grundlagen des Verfahrens und werden als so wesentlich angesehen, daß ein Einfluß auf die Sachentscheidung unwiderlegbar vermutet wird. Ein solcher Verstoß begründet unbedingt die Revision gemäß § 162 Abs. 2 SGG (vgl. zu dem mit § 162 Abs. 2 SGG fast gleichlautenden § 549 Abs. 1 ZPO: BGHZ. 2 S. 278 (280); Weismann, Lehrbuch des Deutschen Zivilprozeßrechts, 1903 I. Bd. § 100 V (S. 444, 445)). Er führt daher zwingend zur Aufhebung des angefochtenen Urteils gemäß § 170 Abs. 2 Satz 1 SGG; jede Prüfung, ob das Urteil von dem Formfehler beeinflußt ist, fällt fort (Nikisch, Zivilprozeßrecht, 2. Aufl., § 125 III 1., 2. (S. 497); RG. 18.11.1924, JR. 1925 II. Bd. Nr. 352; RG. in JW. 1928 S. 325 Nr. 6 und 1938 S. 1046 Nr. 44). § 170 Abs. 1 Satz 2 SGG, wonach die Revision als unbegründet zurückzuweisen ist, wenn die Entscheidungsgründe zwar eine Gesetzesverletzung ergeben, die Entscheidung sich aber aus anderen Gründen als richtig darstellt, ist nicht anwendbar, wenn ein unbedingter Revisionsgrund des § 551 ZPO vorliegt. In einem solchen Fall kann die Entscheidung nie richtig (gerechtfertigt) sein. Der prozessuale Verstoß kann zwar für den materiellen Inhalt der Entscheidung bedeutungslos sein, z. B. das nicht vorschriftsmäßig besetzte oder das sachlich unzuständige Gericht kann richtig entschieden haben. Das nicht vorschriftsmäßig besetzte oder unzuständige Gericht durfte aber überhaupt nicht entscheiden. Gegenüber einer auf § 551 ZPO gestützten Revision kann daher nicht geltend gemacht werden, daß die Entscheidung sich aus anderen Gründen als richtig darstelle (vgl. zu dem mit § 170 Abs. 1 Satz 2 SGG gleichlautenden § 563 ZPO: Seuffert-Walsmann, Kommentar zur Zivilprozeßordnung, 12. Aufl., 2. Bd., Anm. 1 zu § 551; Stein-Jonas-Schönke, Kommentar zur Zivilprozeßordnung, Anm. I 3 zu § 563, I 1 zu § 551 ZPO; Schönke-Schröder-Niese, Lehrbuch des Zivilprozeßrechts, 8. Aufl., § 88 III 3 und IV 2).
Das angefochtene Urteil ist daher insoweit aufzuheben, als es über die Klage gegen den Bescheid des VersorgA. Augsburg vom 25. Juni 1952 entschieden hat. Nach § 170 Abs. 2 Satz 1 SGG hat das Revisionsgericht grundsätzlich in der Sache selbst zu entscheiden. Diese Regelung weicht von § 565 ZPO ab, wonach die Zurückverweisung die Regel und die Sachentscheidung durch das Revisionsgericht die Ausnahme ist. Allerdings schreibt § 565 Abs. 3 Nr. 2 auch für den Zivilprozeß die Sachentscheidung durch das Revisionsgericht dann vor, wenn das Urteil wegen Unzuständigkeit des Gerichts oder wegen Unzulässigkeit des Rechtswegs aufgehoben wird. Im vorliegenden Fall kann das BSG. über die Klage sachlich entscheiden, weil die vom Berufungsgericht getroffenen tatsächlichen Feststellungen für die Entscheidung ausreichen. Der Verlust der Vorinstanzen dadurch, daß die Klage nun nicht an das SG. zur erstinstanzlichen Entscheidung gelangt, fällt nicht ins Gewicht; denn das SG. könnte bei einer Zurückverweisung keine anderen Tatsachen feststellen und die Rechtslage nicht anders beurteilen als das BSG. Würde im vorliegenden Fall das Verfahren über die Klage beim SG. beginnen, so würde dies neben einer Belastung dieses Gerichts nur ein unnötiges Hinausschieben der Entscheidung zur Folge haben. Nach den Feststellungen des LSG. beträgt der Unterschied zwischen der Versorgung nach allgemeinen beamtenrechtlichen Vorschriften und aus der beamtenrechtlichen Unfallfürsorge vom 1. Oktober 1951 ab 171,30 DM monatlich. Das VersorgA. hat daher im Bescheid vom 25. Juni 1952 ohne Rechtsirrtum das völlige Ruhen der Rente mit Wirkung vom 1. Oktober 1951 ab angeordnet. Die Klage gegen diesen Bescheid ist somit unbegründet und daher abzuweisen (§ 170 Abs. 2 Satz 1 SGG).
Die Kostenentscheidung ergeht nach § 193 SGG.
Fundstellen