Leitsatz (amtlich)
Die Schiffsjungen der Kaiserlichen Marine haben militärähnlichen Dienst iS von AVG § 28 Abs 1 Nr 1 (= RVO § 1251 Abs 1 Nr 1 ) in Verbindung mit BVG § 3 Abs 1 Buchstabe h geleistet. Ihre Dienstzeiten im ersten Weltkrieg sind Ersatzzeiten, soweit sie nach der Vollendung des 16. Lebensjahres zurückgelegt sind.
Normenkette
RVO § 1251 Abs. 1 Nr. 1 Fassung: 1957-02-23; AVG § 28 Abs. 1 Nr. 1 Fassung: 1957-02-23; BVG § 3 Abs. 1 Buchst. h Fassung: 1950-12-20
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 19. September 1967 dahin geändert, daß die Beklagte nur die Zeit von August 1915 bis September 1916 als Ersatzzeit bei der Berechnung des Altersruhegeldes des Klägers zu berücksichtigen hat.
Im übrigen wird die Revision zurückgewiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger die Hälfte der außergerichtlichen Kosten des Verfahrens zu erstatten.
Gründe
Die Beteiligten streiten über die Höhe des Altersruhegeldes, das die Beklagte dem Kläger (geboren 1899) seit August 1964 aus der Rentenversicherung der Angestellten (AnV) gewährt.
Bei der Berechnung berücksichtigte die Beklagte als Ersatzzeit nach § 28 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 Buchst. a des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) zwar die Kriegsdienstzeit des Klägers als Matrose von Oktober 1916 bis Januar 1920, nicht aber auch die dem Kriegsdienst vorausgegangene Zeit von Oktober 1914 bis September 1916, in welcher er Schiffsjunge in der Kaiserlichen Marine gewesen war (Bescheid vom 12. August 1964). Der Kläger war der Meinung, daß ihm auch die Zeit des Schiffsjungendienstes als militärähnlicher Dienst angerechnet werden müsse; die zweijährige Ausbildung auf einem Schulschiff und Linienschiff sowie auf einem Truppenübungsplatz sei - durch die Kriegszeit bedingt - besonders hart und derjenigen eines Soldaten ähnlich gewesen.
Das Sozialgericht (SG) Frankfurt wies die Klage ab (Urteil vom 29. April 1965). Das Hessische Landessozialgericht (LSG) gab der Berufung des Klägers statt; es verurteilte - unter Zulassung der Revision - die Beklagte, die Zeit vom 1. Oktober 1914 bis 30. September 1916 als Ersatzzeit beim Altersruhegeld des Klägers anzurechnen: Der Kläger habe in dieser Zeit als Schiffsjunge militärähnlichen Dienst geleistet. In § 3 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG), auf den § 28 Abs. 1 Nr. 1 AVG verweise, seien zwar die Schiffsjungen der Kaiserlichen Marine als solche nicht aufgeführt. Der Kläger müsse aber dem dort in Buchst. h genannten Personenkreis der Jungschützen, Jungmatrosen und Unteroffiziersschüler der Luftwaffe zugerechnet werden. Dem stehe nicht entgegen, daß das BVG nur Personen erfasse, die durch militärischen oder militärähnlichen Dienst des zweiten Weltkriegs oder durch Kriegseinwirkungen im Sinne der §§ 4 und 5 Körperschäden erlitten haben. Mit der Bezugnahme auf § 3 BVG in § 28 Abs. 1 Nr. 1 AVG habe - wie sich aus der Verwendung des unbestimmten Artikels "eines" vor dem Wort "Krieges" ergebe - nicht der Personenkreis ausgeschlossen werden sollen, der militärähnlichen Dienst während des ersten Weltkriegs geleistet habe. Nach den Auskünften des militärgeschichtlichen Forschungsamts in F, des Bundesarchivs - Militärarchivs - in K und der zentralen Nachweisstelle in Kornelimünster habe der Schiffsjunge - ebenso wie später der Jungschütze, Jungmatrose und Unteroffiziersschüler der Luftwaffe - als noch nicht wehrpflichtiger Jugendlicher auf Schulen der Wehrmacht eine vormilitärische Ausbildung erhalten. Auch in versorgungsrechtlicher Hinsicht seien beide Personenkreise gleichgestellt gewesen. Unter diesen Umständen sei eine unterschiedliche Behandlung im Rahmen des § 28 Abs. 1 Nr. 1 AVG nicht gerechtfertigt. Vielmehr müsse die Schiffsjungenzeit des Klägers als militärähnlicher Dienst behandelt werden. Da er während des ersten Weltkriegs geleistet worden sei, müsse die Zeit von Oktober 1914 bis September 1916 als Ersatzzeit beim Altersruhegeld des Klägers berücksichtigt werden (Urteil vom 19. September 1967).
Mit der Revision beantragte die Beklagte,
unter Aufhebung des Urteils des LSG die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG zurückzuweisen.
Sie rügte die Verletzung des § 28 Abs. 1 Nr. 1 AVG. Der Kläger habe erst am 13. August 1915 das 16. Lebensjahr vollendet und vorher noch keine Möglichkeit gehabt, Pflichtbeiträge oder freiwillige Beiträge zur Rentenversicherung zu leisten. Schon deshalb könne die Schiffsjungenzeit bis Juli 1915 nicht als Ersatzzeit angerechnet werden. Die folgende Zeit bis September 1916 könne ebenfalls nicht berücksichtigt werden, weil der Kläger als Schiffsjunge keinen militärähnlichen Dienst im Sinne von § 3 BVG geleistet habe. Die Schiffsjungen der Kaiserlichen Marine seien während ihrer Ausbildung nicht als Personen des Soldatenstandes, sondern als Zöglinge betrachtet worden, die erst nach Abschluß der Ausbildung auf die Kriegs-Artikel vereidigt und damit unter die militärischen Gesetze gestellt worden seien. Eine Gleichstellung mit den in § 3 Abs. 1 Buchst. h BVG genannten Personen sei nicht möglich; diese Vorschrift erfasse nicht jede vormilitärische Ausbildung. Sie bestimme im einzelnen erschöpfend, welche Tätigkeiten als militärähnlicher Dienst zu gelten haben.
Der Kläger war im Revisionsverfahren nicht vertreten.
Die Revision der Beklagten ist zulässig, aber nur teilweise begründet. Die Auffassung des LSG, der Kläger habe als Schiffsjunge der Kaiserlichen Marine in der Zeit von Oktober 1914 bis September 1916 - also während des ersten Weltkriegs - militärähnlichen Dienst im Sinne der 2. Alternative in § 28 Abs. 1 Nr. 1 AVG i. V. m. § 3 Abs. 1 Buchst. h BVG geleistet, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Dagegen trifft die Folgerung des LSG, daß die Zeit dieses militärähnlichen Dienstes als Ersatzzeit bei der Berechnung des Altersruhegeldes des Klägers anzurechnen sei, nur insoweit zu, als es sich um die Zeit nach der Vollendung des 16. Lebensjahres des Klägers (13. August 1915) handelt. Die davorliegende Zeit des Schiffsjungendienstes kann nicht als Ersatzzeit berücksichtigt werden.
Der Kläger hat, wie das LSG zutreffend ausgeführt hat, während seiner im Alter von 15 Jahren begonnenen zweijährigen Schiffsjungenzeit keinen militärischen Dienst auf Grund gesetzlicher Dienst- oder Wehrpflicht geleistet. Die Schiffsjungen der Kaiserlichen Marine waren regelmäßig keine Personen des Soldatenstandes, sondern Zöglinge, die zu Matrosen herangebildet werden sollten. Erst mit der Ernennung zum Matrosen begann die Soldatendienstzeit (vgl. auch RGZ 92, 285; RVersBl . 1930 V 31, 33 Nr. 37 Ziff. 3; Entsch. des RVA 1309, AN 1907, 463; ferner Arendts, Wehrmachtsversorgungsgesetz 1931, Anm. 2 und 3 zu § 9 und Arendts, Reichsversorgungsgesetz, 2. Aufl. 1929 S. 442, 448). Die für einzelne Schiffsjungenjahrgänge (1912/13 und 1917/18) getroffenen Sonderregelungen über den Beginn der aktiven Militärdienstzeit (vgl. Sammlung wehrrechtlicher Gutachten und Vorschriften des Bundesarchivs - Zentralnachweisstelle Kornelimünster - 1965 Heft 3 S. 65) treffen auf den Kläger (Jahrgang 1914) nicht zu. Die Voraussetzungen für die Anwendung der 1. Alternative in § 28 Abs. 1 Nr. 1 AVG (Zeiten des militärischen Dienstes im Sinne von § 2 BVG) liegen daher nicht vor, wie unter den Beteiligten auch nicht streitig ist. Jedoch ist der Schiffsjungendienst des Klägers von Oktober 1914 bis September 1916 als militärähnlicher Dienst während eines Krieges anzusehen; die Voraussetzungen der 2. Alternative in § 28 Abs. 1 Nr. 1 AVG für die Anrechnung der Ersatzzeit sind dem Grunde nach gegeben.
Anders als das früher geltende Recht, das eine eigene Regelung enthielt (§ 31 AVG aF i. V. m. § 1263 der Reichsversicherungsordnung - RVO - aF und mit § 4 Abs. 1 des Sozialversicherungsanpassungsgesetzes - SVAG - vom 17. Juni 1949 - WiGBl S. 99), nimmt § 28 Abs. 1 Nr. 1 AVG zur Erläuterung des Begriffs "militärähnlicher Dienst" auf § 3 BVG Bezug. In dieser Vorschrift sind 14 Tatbestände bzw. Tatbestandsgruppen aufgeführt, bei deren Vorliegen die Voraussetzungen des militärähnlichen Dienstes im Sinne von § 1 BVG gegeben sind. Mit der Bezugnahme auf diese Tatbestände sollte eine einheitliche Abgrenzung des Personenkreises und eine einheitliche Begriffsbildung in beiden Gesetzen erreicht werden (Jantz/Zweng, Anm. II 1 zu § 1251 RVO). Das darf aber nicht zu einer bloß wörtlichen Herübernahme in das AVG führen. Die Tatbestände, die § 3 BVG als militärähnlichen Dienst bezeichnet, sind in ihrer Wortfassung weitgehend auf die Verhältnisse zugeschnitten, die seit der Wiedereinführung der Wehrpflicht und der Aufstellung der Wehrmacht im Jahre 1935 bestanden haben. Besonders augenfällig kommt dies bei den Tatbeständen der Buchstaben i bis 0 in § 3 Abs. 1 BVG zum Ausdruck, in denen von Reichsarbeitsdienst, Notdienstverordnung, Wehrertüchtigungslager, Organisation Todt, Baustab Speer und Luftschutz die Rede ist. Daraus ist aber nicht zu schließen, daß ein militärähnlicher Dienst während des ersten Weltkriegs als Ersatzzeittatbestand nach § 28 Abs. 1 Nr. 1 AVG außer Betracht bleiben müßte. Dem steht, wie das LSG zutreffend ausgeführt hat, schon der Wortlaut dieser Vorschrift entgegen, der nur einen Dienst "während eines Krieges" verlangt. Auch würde eine die militärähnlichen Dienstleistungen während des 1. Weltkriegs nicht berücksichtigende Auslegung eine - sicher nicht beabsichtigte - Verschlechterung in der Anrechnung von Ersatzzeiten gegenüber dem bis zum 31. Dezember 1956 geltenden Recht bedeuten; denn hiernach galten als Ersatzzeiten die nicht mit Beiträgen belegten Zeiten, in denen der Versicherte in Mobilmachungs- und Kriegszeiten dem Deutschen Reich Kriegs-, Sanitäts- oder ähnliche Dienste geleistet hatte (§ 1263 Nr. 3 RVO aF). Das Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetz (AnVNG), auf dem die hier maßgebliche Fassung des § 28 Abs. 1 Nr. 1 AVG beruht, wollte aber insoweit an dem bisherigen Rechtszustand nichts ändern, ihn jedenfalls nicht verschlechtern, sondern nur das bestehende Recht neu ordnen. Danach erscheint der Schluß gerechtfertigt, daß die in § 28 Abs. 1 Nr. 1 AVG in Bezug genommene Vorschrift des § 3 BVG in der AnV sinngemäß anzuwenden ist, d. h. daß bei den einzelnen dort genannten Tatbeständen oder Gruppen jeweils zu prüfen ist, ob sie ohne Rücksicht auf den Wortlaut auch auf Verhältnisse anzuwenden sind, die im Zusammenhang mit dem ersten Weltkrieg stehen. Dies darf allerdings nicht zu einer Erweiterung der im Gesetz genannten Tatbestände ihrer Art nach führen, weil § 3 BVG insoweit eine erschöpfende Aufstellung bringt (BSG 10, 4; vgl. aber auch BSG 23, 156).
Von dieser Auffassung ist das LSG mit Recht ausgegangen. Seiner weiteren Auffassung, daß der Schiffsjungendienst des Klägers in der Kaiserlichen Marine dem Dienst der in § 3 Abs. 1 Buchst. h BVG genannten Jungschützen, Jungmatrosen und Unteroffiziersschülern der Luftwaffe entsprochen habe, tritt der Senat bei. Von der unterschiedlichen Benennung abgesehen ist ein begrifflicher Unterschied zwischen einem Jungmatrosen und einem Schiffsjungen nicht ersichtlich. Wie es in Nr. 5 der zu § 3 BVG ergangenen Verwaltungsvorschriften idF vom 23. Januar 1965 (BAnz. Nr. 19 vom 29. Januar 1965) heißt, erfaßt Buchst. h die noch nicht wehrpflichtigen Jugendlichen, die auf Schulen der Wehrmacht eine vormilitärische Ausbildung erhalten haben. Der 9. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) hat hierzu ausgeführt, diese Verwaltungsvorschrift gebe den Sinn und die Bedeutung des § 3 Abs. 1 Buchst. h BVG zutreffend wieder (BSG 23, 156). Dem ist zuzustimmen.
Der Gesichtspunkt der vormilitärischen Ausbildung trifft bei den Schiffsjungen der Kaiserlichen Marine in vollem Umfang zu. Nach den "Nachrichten in Betreff des freiwilligen Eintritts in die Schiffsjungenabteilung" (Beilage zu Nr. 19 des Marine-Verordnungsblattes vom 30. September 1874 S. 195) sollte die Schiffsjungenabteilung Matrosen und Unteroffiziere für die Kaiserliche Marine ausbilden. Die Ausbildung erfolgte an Bord von Seekadetten- und Schiffsjungenschulschiffen sowie von Schulkreuzern, die unter Kriegsflagge und unter dem Kommando eines aktiven See-Offiziers fuhren. Die Schiffsjungen unterstanden der militärischen Disziplin und wurden aus dem ordentlichen Marinehaushalt besoldet. Sie gehörten zur Besatzung eines Kriegsschiffes (§ 163 des Militärstrafgesetzbuches für das Deutsche Reich vom 20. Juni 1872) und bildeten als militärische Zöglinge einen organischen Bestandteil der Kaiserlichen Marine. Zu Personen des Soldatenstandes wurden sie allerdings erst mit der Ernennung zum Matrosen, die nicht vor der Vollendung des 17. Lebensjahres (Beginn der allgemeinen Wehrpflicht) ausgesprochen werden konnte.
Danach bestehen keine Bedenken, den Schiffsjungendienst in der Kaiserlichen Marine schon der Art nach als vormilitärische Ausbildung anzusehen, wie sie in Nr. 5 der Verwaltungsvorschriften zu § 3 BVG vorausgesetzt wird. Die Schiffsjungenausbildung war eine militärdienstliche Einrichtung, was sich auch darin zeigt, daß die Vorschriften des Reichsversorgungsgesetzes (RVG) bei einer in diesem Dienst erlittenen Beschädigung entsprechend anzuwenden waren (vgl. § 96 Abs. 1 Nr. 7 RVG idF der Bekanntm. vom 22. Dezember 1927 - RGBl I 515 -). Dieser Auslegung steht auch nicht entgegen, daß die Schiffsjungen, wie die Beklagte einwendet, in den amtlichen Verlautbarungen als "Zöglinge" bezeichnet wurden. Denn nach § 3 BVG kommt es in erster Linie auf die Art des Dienstes und weniger auf die Rechtsstellung oder die Bezeichnung desjenigen an, der den Dienst geleistet hat.
Erfüllt demnach der Schiffsjungendienst des Klägers in der Kaiserlichen Marine die Voraussetzungen in § 3 Abs. 1 Buchst. h BVG, so kann gleichwohl nicht die gesamte Zeit dieser Dienstleistung nach § 28 Abs. 1 Nr. 1 AVG als Ersatzzeit berücksichtigt werden. Ersatzzeiten sollen, wie schon der Name sagt, Beitragszeiten ersetzen; deshalb ist Voraussetzung für die Anrechnung, daß während der fraglichen Zeit Versicherungsfähigkeit, d. h. die Möglichkeit, Beiträge wirksam zu entrichten, bestanden hat (BSG in SozR Nr. 7 und Nr. 8 zu § 1251 RVO, BSG 25, 284). Diese Möglichkeit hatte aber der Kläger, wie die Beklagte in der Revisionsbegründung mit Recht geltend macht, erst vom vollendeten 16. Lebensjahr an (13. August 1915). Bis dahin ließen die Vorschriften über die Versicherungspflicht und über die Selbstversicherung die Begründung eines Versicherungsverhältnisses in der gesetzlichen Rentenversicherung regelmäßig nicht zu (§§ 1 und 14 des Invalidenversicherungsgesetzes vom 13. Juli 1899; §§ 1226, 1243 RVO idF vom 19. Juli 1911; §§ 1, 394 VGfA). Von der Anrechnung der Schiffsjungendienstzeit des Klägers als Ersatzzeit nach § 28 Abs. 1 Nr. 1 AVG muß daher die Zeit vor August 1915 ausgenommen werden. Dem steht die Entscheidung des 4. Senats des BSG vom 26. Mai 1965 (BSG 23, 89) nicht entgegen. Darin wurde aus § 150 Abs. 2 RVO gefolgert, daß Zeiten der Freiheitsentziehung (§ 43 BEG) als Ersatzzeiten nach § 1251 Abs. 1 Nr. 4 RVO bei einem Versicherten auch dann angerechnet werden können, wenn er zur Zeit der Verfolgung erst 12 Jahre alt war. Diese das besondere Schicksal der Verfolgten berücksichtigende Auslegung darf aber nicht verallgemeinert werden. Der Kläger ist nicht Verfolgter; seine Interessenlage erfordert nicht, für den Beginn der Ersatzzeitanrechnung die entfernt liegende Möglichkeit der Kinderarbeit heranzuziehen. Im übrigen hält der 4. Senat des BSG, wie sich aus den Gründen seines Urteils vom 24. Mai 1967 - 4 RJ 263/65 - ergibt, an der früheren Auffassung auch nicht mehr fest.
Die hiernach nicht als Ersatzzeit anzurechnende Schiffsjungenzeit (Oktober 1914 bis Juli 1915) kann auch nicht als Ausfallzeit im Sinne von § 36 Abs. 1 Nr. 4 AVG angerechnet werden. Der Berücksichtigung als Ausbildungszeit nach dieser Vorschrift steht zwar nicht schon allgemein der Umstand entgegen, daß der Kläger militärähnlichen Dienst geleistet hat. Eine "weitere Schulausbildung" im Sinne von Buchst. b dieser Vorschrift liegt aber deshalb nicht vor, weil hierunter nur der Besuch einer allgemein bildenden Schule zu verstehen ist (vgl. Koch-Hartmann/von Altrock/Fürst Bd. III Anm. 2 b zu § 36 AVG). Das trifft auf die spezielle Schiffsjungenausbildung nicht zu. Sie kann auch nicht einer (abgeschlossenen) Fachschulausbildung im Sinne dieser Vorschrift gleichgesetzt werden. Die somit allein noch in Betracht kommende 1. Alternative des § 36 Abs. 1 Nr. 4 AVG (Lehrzeiten), die erst das RVÄndG vom 9. Juli 1965 in das AVG eingeführt hat, betrifft aber einmal nur Zeiten nach der Vollendung des 16. Lebensjahres; außerdem gilt diese Vorschrift nur für Versicherungsfälle nach dem 30. Juni 1965 (Art. 5 § 3 RVÄndG). Beim Kläger ist der Versicherungsfall jedoch schon im Jahre 1964 eingetreten.
Aus diesen Gründen hat die Revision der Beklagten insoweit Erfolg, als sie auf das Altersruhegeld des Klägers nur die Zeit von August 1915 bis September 1916 als Ersatzzeit anzurechnen hat. Im übrigen aber ist die Revision zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen