Verfahrensgang
LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 14.11.1989) |
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 14. November 1989 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander außergerichtliche Kosten für das Revisionsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Die Beteiligten streiten im Revisionsverfahren nur noch darüber, ob die Beklagte dem Kläger auch für die Monate März bis August 1987 Kindergeld für seine am 1. März 1961 geborene Tochter Iris zu zahlen hat.
Iris S… hat bis November 1986 studiert und das Universitäts-Abschlußzeugnis über die bestandene wissenschaftliche Prüfung für das Lehramt an Gymnasien im Dezember 1986 erhalten. Da sie nach den für Baden-Württemberg geltenden Vorschriften über den Vorbereitungsdienst für die Laufbahn des höheren Schuldienstes an Gymnasien den Vorbereitungsdienst (Referendarausbildung – zweiter Ausbildungsabschnitt) frühestens am 15. August 1987 beginnen konnte, blieb sie auch in der Folgezeit als sogenannte “Promotionsstudentin” an der Universität Heidelberg eingeschrieben; sie besuchte Vorlesungen in Geographie, Romanistik und Geologie.
Die Beklagte entzog dem Kläger mit dem Bescheid vom 17. März 1987 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Juni 1987 das Kindergeld gemäß § 48 des Sozialgesetzbuches – Zehntes Buch – (SGB X) rückwirkend ab Januar 1987; die für Januar und Februar 1987 gezahlten Beträge (insgesamt 100,-- DM) forderte sie zurück.
Der Kläger hat im ersten und zweiten Rechtszuge Kindergeld auch für die Zeit von Januar bis August 1987 beansprucht und geltend gemacht, das Studium seiner Tochter Iris sei auch während dieser Zeit Berufsausbildung iS des § 2 Abs 2 Satz 1 Nr 1 des Bundeskindergeldgesetzes (BKGG) gewesen; auch die Vorbereitung auf die Promotion an der Universität sei Berufsausbildung iS des BKGG, so daß die in § 2 Abs 2 Satz 4 BKGG für die Übergangszeit getroffene Regelung nicht anzuwenden sei, wenn der zweite Ausbildungsabschnitt erst nach Ablauf von vier Monaten begonnen werden könne und die Zwischenzeit sinnvoll für die Promotion genutzt werde. Andernfalls ergäben sich aus der in § 2 Abs 2 Satz 4 BKGG getroffenen Regelung gravierende Nachteile für den Hochschulstudenten, der wegen der Einstellungskriterien für die Zwischenzeit nicht auf untergeordnete Arbeiten verwiesen werden könne.
Das Sozialgericht (SG) Konstanz hat die Klage abgewiesen und die Berufung zugelassen. Das Landessozialgericht (LSG) hat die angefochtenen Bescheide aufgehoben, soweit die Beklagte den Anspruch auf das Kindergeld für die Monate Januar und Februar 1987 abgelehnt hat; im übrigen hat es die Klage abgewiesen: Zwar habe dem Kläger auch für die Monate Januar und Februar 1987 Kindergeld nicht zugestanden. Jedoch seien die rückwirkende Aufhebung des früheren Bewilligungsbescheides und die Rückforderung der für die zurückliegende Zeit gezahlten Leistungen nicht rechtmäßig, weil der Kläger nicht gegen § 48 Abs 1 Satz 1 Nr 2 oder Nr 4 SGB X verstoßen habe. Für die Zukunft sei das Kindergeld jedoch nicht zu zahlen, weil Iris sich in der Zeit von Januar bis August 1987 nicht in einer Berufsausbildung iS des § 2 Abs 2 Satz 1 Nr 1 BKGG befunden habe. Zwar könne ausnahmsweise die Promotionszeit als Berufsausbildung angesehen werden, wenn das Studium mit der Promotion anstelle eines Diplom- oder Staatsexamens abgeschlossen werden soll. Dies sei von Iris jedoch nicht beabsichtigt worden. Unerheblich sei, ob Berufsausbildung auch dann angenommen werden könne, wenn die Promotion im Wirtschaftsleben allgemein gefordert werde, weil der von Iris angestrebte Beruf nicht zu einer dieser Berufsgruppen gehöre.
Das Kindergeld stehe dem Kläger auch nicht gemäß § 2 Abs 2 Satz 4 BKGG zu, weil der nächste Ausbildungsabschnitt nicht schon im vierten auf die Beendigung des vorherigen Ausbildungsabschnittes folgenden Monat begonnen habe.
Der Kläger hält an seiner bisherigen rechtlichen Beurteilung fest und beantragt
das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 14. November 1989 und das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 10. Dezember 1987 sowie den Bescheid der Beklagten vom 17. März 1987 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Juni 1987 teilweise aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Kindergeld unter Berücksichtigung seiner Tochter Iris für die Monate März bis August 1987 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Entscheidungsgründe
II
Der Senat hat mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden (§ 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-).
Die Revision des Klägers ist nicht begründet. Die Beklagte hat dem Kläger zu Recht Kindergeld für die streitige Zeit nicht bewilligt.
Da die Tochter des Klägers das 16. Lebensjahr bereits vor Beginn der streitigen Zeit vollendet hatte, wird sie für das dem Kläger zu zahlende Kindergeld nur berücksichtigt, wenn sie sich in Schul- oder Berufsausbildung befunden hat (§ 2 Abs 2 Satz 1 Nr 1 BKGG) oder wenn die streitige Zeit eine Übergangszeit iS des § 2 Abs 2 Satz 4 BKGG ist.
Beides ist nicht der Fall.
Die von Iris nach der Entscheidung der Universität über die erfolgreiche Ablegung der Universitäts-Abschlußprüfung (Dezember 1986) verrichtete Tätigkeit – von der wegen der Teilrechtskraft des LSG-Urteils nur noch die Monate von März bis August 1987 entscheidungserheblichlich sind – war keine Berufsausbildung iS des § 2 Abs 2 Satz 1 Nr 1 BKGG. Der Begriff der Berufsausbildung hat in mehreren Rechtsbereichen des Sozialrechts seinen Niederschlag gefunden; er wird, soweit Unterschiede in der begrifflichen Abgrenzung nicht aus dem jeweiligen Rechtsgebiet folgen, übereinstimmend dahin verstanden, daß Berufsausbildung nur dann vorliegt, wenn es sich dem Wesen nach um eine Ausbildung handelt und diese dazu dient, Fähigkeiten zu erlangen, die die Ausübung des zukünftigen Berufes ermöglichen (vgl zu § 2 Abs 1 Satz 1 Nr 1 BKGG erkennender Senat in SozR 5870 § 2 Nrn 39, 41, 51, 53 jeweils mwN; ständige Rechtsprechung; vgl zusammenfassend auch Urteil vom 23. August 1989 – 10 RKg 12/88 –, SozR 5870 § 2 Nr 66).
An dieser Abgrenzung hält der erkennende Senat fest, zumal da die Revision hiergegen keine durchgreifenden rechtlichen Bedenken erhoben hat. Von ihr ist auch das LSG ausgegangen. Es hat deshalb zutreffend entschieden, daß die Tochter des Klägers sich in der streitigen Zeit nicht in Berufsausbildung befunden hat. Der Ausbildungsgang für die Laufbahn des höheren Schuldienstes an Gymnasien im Lande Baden-Württemberg ist gesetzlich im einzelnen geregelt. Maßgebend für die spätere Ausübung des Berufes eines Lehrers im höheren Schuldienst an Gymnasien sind daher allein die beiden Staatsprüfungen. Hingegen ist die Promotion weder in der gesetzlichen Regelung über den Ausbildungsgang vorgeschrieben, noch in sonstiger Weise erforderlich, um die Fähigkeit zu erlangen, später den Beruf eines Lehrers im höheren Schuldienst an Gymnasien auszuüben. Da nach den Feststellungen des LSG die Tochter Iris des Klägers die Laufbahn des höheren Schuldienstes an Gymnasien eingeschlagen hat, hat das LSG auch zutreffend offen gelassen, ob die Promotionszeit ausnahmsweise dann dem ersten Ausbildungsabschnitt zuzurechnen ist, wenn sie bei bestimmten Berufsgruppen – zB Ärzten oder Chemikern – berufstypisch ist. Dazu gehört nach den von der Revision nicht angegriffenen Tatsachenfeststellungen des LSG die Berufsgruppe der baden-württembergischen Gymnasiallehrer nicht. Ferner hat das LSG unangefochten festgestellt, daß die Tochter des Klägers nicht zu dem Personenkreis gehört, der sich auch während der Promotionszeit ausnahmsweise deshalb noch in Berufsausbildung befinden kann, weil er das Studium und damit die Berufsausbildung nicht mit einer staatlichen Prüfung, sondern mit der Promotion anstelle einer sonst erforderlichen staatlichen Abschlußprüfung abzuschließen beabsichtigt.
Der erkennende Senat befindet sich damit auch in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung der Rentensenate des Bundessozialgerichts (BSG), die hinsichtlich der inhaltsgleichen Begriffe der “Berufsausbildung” in §§ 583 Abs 3, 1259 Abs 1 Nr 4 der Reichsversicherungsordnung -RVO- (= § 36 Abs 1 Nr 4 des Angestelltenversicherungsgesetzes -AVG-), § 1262 Abs 3 Satz 2 RVO (= § 39 Abs 2 Satz 3 AVG) eine entsprechende Abgrenzung vorgenommen haben (vgl zB aus letzter Zeit: SozR 2200 § 583 Nr 6, SozR 2200 § 1259 Nr 100).
Dem Kläger steht das Kindergeld auch nicht deshalb zu, weil seine Tochter Iris sich in der streitigen Zeit in einer Übergangszeit zwischen zwei Ausbildungsabschnitten iS des § 2 Abs 2 Satz 4 BKGG befunden hat. Schon aus dem klaren Wortlaut dieser Vorschrift folgt, daß Übergangszeiten, die bereits von Anfang an länger als vier Monate betragen, von vornherein außer Betracht bleiben müssen. Nach den Feststellungen des LSG hat für Iris die Übergangszeit zwischen dem Universitätsabschluß und dem Beginn des Vorbereitungsdienstes von vornherein mehr als vier Monate betragen. Demgemäß hatte der Kläger für Iris für die Zeit ab Januar 1987 – und insbesondere für die hier allein streitige Zeit von März bis August 1987 – keinen Anspruch auf das nachgehende viermomatige Ausbildungskindergeld iS des § 2 Abs 2 Satz 4 BKGG.
Die Einwendungen, die der Kläger gegen die Anwendbarkeit dieser Vorschrift auf seinen Fall erhebt, gehen fehl. Zwar wird dem Kind, wie der Kläger zutreffend darlegt, zugemutet, sich im Falle des Fehlens der Voraussetzungen des § 2 Abs 2 Satz 4 BKGG notfalls auch um eine dem bisherigen Ausbildungsgang nicht entsprechende Tätigkeit zu bemühen. Gleichwohl verstößt diese Regelung aber nicht gegen Art 3 des Grundgesetzes (GG). Der Gesetzgeber hat zunächst die Berücksichtigung der Übergangszeit für alle Ausbildungsverhältnisse, die in mehrere Teilabschnitte zerfallen, gleich geregelt. Eine derartige Typisierung liegt noch im gesetzgeberischen Ermessen (vgl dazu BVerfG, Beschluß vom 10. Dezember 1987 – 1 BvR 1233/87 –, SozR 7833 § 1 Nr 2). Der Grundsatz der Gleichbehandlung wäre erst dann verletzt, wenn sich ein vernünftiger, aus der Natur der Sache ergebender oder sonst sachlich einleuchtender Grund für die vom Gesetzgeber vorgenommene Differenzierung nicht finden ließe, wenn also die Bestimmung des § 2 Abs 2 Satz 4 BKGG als willkürlich bezeichnet werden müßte (BVerfG ständige Rechtsprechung; vgl BVerfGE 1, 14, 52; 14, 142, 150; 18, 121, 124; 23, 258, 263). Der erkennende Senat hat in dem Urteil vom 24. September 1986 – 10 RKg 6/85 – (SozR 5870 § 2 Nr 46) bereits darauf hingewiesen, daß das Kindergeld nach seinem Ziel und nach dem System seiner Regelung allgemein dem sozialpolitischen Zweck des Familienlastenausgleichs dient; der durch Kinder bedingte höhere Aufwand soll teilweise ausgeglichen werden (BVerfGE 29, 71, 79). Der erkennende Senat (aaO) hat ferner bereits entschieden, daß angesichts dieser sehr allgemeinen Zielsetzung und im Hinblick darauf, daß es sich beim Kindergeld um eine Leistung der gewährenden Staatstätigkeit handelt, der Gesetzgeber über eine sehr weitgehende Gestaltungsfreiheit verfügt (vgl dazu BVerfGE 11, 50, 60; 23, 258, 264). Diese Gestaltungsfreiheit findet ihre äußerste Grenze im Willkürverbot. Die vom Gesetzgeber getroffene Regelung ist aber nicht darauf zu überprüfen, ob sie die gerechteste und zweckmäßigste Lösung darstellt (erkennender Senat aaO mwN). Im Hinblick auf das Ziel und das System der Kindergeldregelung ist die vom Gesetzgeber in § 2 Abs 2 Satz 4 BKGG getroffene Regelung nicht willkürlich. Wenn der Gesetzgeber den Anspruch auf das Ausbildungskindergeld während einer länger als vier Monate dauernden Übergangszeit versagt und deshalb dem über 16 Jahre alten Kind damit im Ergebnis zumutet, sich für die von vornherein länger als vier Monate andauernde Zeit der Nichtausbildung am die Sicherung seines Lebensunterhalts selbst zu bemühen, so ist dies weder willkürlich noch sachfremd. Vielmehr entspricht es gerade dem Zweck der Gewährung des Ausbildungskindergeldes, daß erkennbar längere Zeiträume der Unterbrechung dieser Ausbildung auch kindergeldrechtlich entsprechend relevant werden.
Eine andere Auslegung der Vorschrift ist auch nicht – wie die Revision meint – im Hinblick auf das Urteil des 4. Senats des BSG vom 2. Dezember 1970 – 4 RJ 479/68 – (BSGE 32, 120) geboten. Es kann dahingestellt bleiben, ob dieser für § 1267 RVO entwickelten Abgrenzung der Berufsausbildung zu folgen ist. Denn die vom 4. Senat des BSG (aaO) entwickelten Grundsätze betreffen einen anders gelagerten Fall, nämlich die Notwendigkeit, eine längere Übergangszeit ausnahmsweise dann der Ausbildung zuzuschlagen, wenn sich der Beginn des zweiten Ausbildungsabschnittes wegen besonderer Hinderungsgründe verzögert. Als derartige Verzögerung scheidet die freiwillige Entschließung zur Promotion im Anschluß an die Universitätsausbildung von vornherein aus.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen