Entscheidungsstichwort (Thema)
Behinderter – Werkstatt für Behinderte – Eingliederungshilfe – Arbeitsbereich – Arbeitstrainingsbereich – Versicherungspflicht – Ausbildungsgeld – Arbeitsentgelt – Krankengeldanspruch – Lohnersatzfunktion – Beschäftigung – Taschengeld – Versicherungskonkurrenz
Leitsatz (amtlich)
1. Die in einer Werkstatt für Behinderte beschäftigten Personen unterliegen auch dann der Versicherungspflicht nach § 5 Abs 1 Nr 7 SGB 5, wenn sie nicht im Arbeitsbereich, sondern im Arbeitstrainingsbereich eingesetzt werden (Anschluß an BSG vom 11.6.1980 – 12 RK 34/78 = SozR 5085 § 1 Nr 2).
2. Das dem Teilnehmer an einer Trainingsmaßnahme von der Bundesanstalt für Arbeit nach der RehaAnO gezahlte Ausbildungsgeld ist kein Arbeitsentgelt iS von § 14 Abs 1 SGB 4 und begründet demzufolge keinen Anspruch auf Krankengeld.
Stand: 17. September 2001
Normenkette
SGB IV § 7 Abs. 1, § 14 Abs. 1; SGB V § 5 Abs. 1 Nr. 7, § 44 Abs. 1 Sätze 1-2, § 47 Abs. 1; RehaAnO § 24 Abs. 5; SchwbG § 54 Abs. 1, 2 S. 1
Beteiligte
Landeswohlfahrtsverband Württemberg-Hohenzollern |
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 3. Dezember 1999 wird zurückgewiesen.
Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Der klagende Landeswohlfahrtsverband begehrt von der beklagten Krankenkasse die Erstattung von Kosten, die er als überörtlicher Träger der Sozialhilfe im Zusammenhang mit einem Arbeitstraining des Beigeladenen in einer Werkstatt für Behinderte aufgewendet hat.
Der 1969 geborene Beigeladene, der bei der Beklagten krankenversichert ist, leidet an einer paranoid halluzinatorischen Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis. Er ist durch die Krankheit in seiner psychischen Belastbarkeit stark eingeschränkt und auf fremde Betreuung angewiesen. Im September 1994 wurde er in eine Rehabilitationseinrichtung in Stuttgart mit dem Ziel aufgenommen, durch ein Arbeitstraining in der dortigen Werkstatt für Behinderte die Voraussetzungen für eine berufliche und soziale Eingliederung zu schaffen. Die zunächst auf ein Jahr befristete und später bis Januar 1997 verlängerte Maßnahme im Eingangsverfahren und im Arbeitstrainingsbereich der Werkstatt wurde von der Bundesanstalt für Arbeit als berufliche Bildungsmaßnahme gefördert; neben den Maßnahmekosten zahlte das Arbeitsamt ein Ausbildungsgeld von DM 95 (ab September 1995 DM 115) monatlich. Die Unterbringungskosten in dem der Werkstatt angeschlossenen Wohnheim trug der Kläger; dieser gewährte dem Beigeladenen außerdem einen monatlichen Barbetrag, den er in Abhängigkeit von der Höhe des Ausbildungsgeldes auf DM 149 (ab September 1995 DM 137) monatlich festsetzte.
Ab 17. August 1995 befand sich der Beigeladene wegen einer akuten Dekompensation seiner Psychose in stationärer Behandlung. Die Trainingsmaßnahme wurde wegen der nicht absehbaren Dauer der Erkrankung am 24. September 1995 abgebrochen und nach der Krankenhausentlassung am 6. Februar 1996 wieder aufgenommen. In der Zwischenzeit vom 25. September 1995 bis 5. Februar 1996 erhielt der Beigeladene kein Ausbildungsgeld. Der Kläger gewährte für diese Zeit den vollen Barbetrag von DM 158 monatlich; außerdem zahlte er, um dem Beigeladenen seinen Wohnheimplatz bis zur Rückkehr freizuhalten, an die Behinderteneinrichtung ein Bettengeld, welches sich anfangs auf DM 109,60 und ab November 1995 auf DM 110,40 kalendertäglich belief. Im Hinblick auf diese Aufwendungen machte er gegenüber der Beklagten einen Erstattungsanspruch geltend, den er damit begründete, daß dem Beigeladenen für die Zeit vom 25. September 1995 bis 5. Februar 1996 Krankengeld anstelle des zuvor bezogenen Ausbildungsgeldes zustehe. Mit dem Krankengeld habe der Beigeladene zu den Kosten der Sozialhilfe beizutragen, so daß der entsprechende Betrag von DM 513,22 (ein Dreißigstel von DM 115 für 134 Tage) an ihn, den Kläger, auszuzahlen sei.
Die Beklagte lehnte eine Erstattung ab, weil ein Krankengeldanspruch nicht bestehe. Sozialgericht (SG) und Landessozialgericht (LSG) haben sich mit unterschiedlicher Begründung dieser Auffassung angeschlossen und die Zahlungsklage abgewiesen. Während das SG argumentiert hat, das vom Arbeitsamt bezogene Ausbildungsgeld sei kein zu ersetzendes Arbeitsentgelt iS des § 14 Abs 1 iVm § 7 Abs 1 und 2 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV), hat das LSG die Ausschlußvorschrift des § 44 Abs 1 Satz 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) für einschlägig gehalten. Bei Werkstätten für Behinderte müsse, was den Krankenversicherungsschutz der dort Beschäftigten angehe, zwischen der Tätigkeit im Arbeitstrainingsbereich und der Tätigkeit im Arbeitsbereich unterschieden werden. Nur die letztere löse eine Versicherungspflicht nach § 5 Abs 1 Nr 7 SGB V aus, wohingegen die im Arbeitstrainingsbereich Beschäftigten wie andere Rehabilitanden nach § 5 Abs 1 Nr 6 SGB V versichert seien und damit keinen Anspruch auf Krankengeld hätten. Aber auch wenn man mit dem Kläger davon ausgehe, daß der Beigeladene nach § 5 Abs 1 Nr 7 SGB V versichert gewesen sei, ändere sich nichts. In diesem Fall müsse die Ausschlußregelung des § 44 Abs 1 Satz 2 SGB V auf den genannten Personenkreis analog angewandt werden, denn es gebe keinen sachlichen Grund, Rehabilitanden hinsichtlich des Anspruchs auf Krankengeld unterschiedlich zu behandeln, je nachdem, ob die berufliche Rehabilitation in einer herkömmlichen Bildungseinrichtung oder unter den besonderen Bedingungen einer Werkstatt für Behinderte durchgeführt werde.
Mit der Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 44 Abs 1 SGB V. Für die Krankenversicherung der in anerkannten Werkstätten tätigen Behinderten enthalte das Gesetz in § 5 Abs 1 Nr 7 SGB V eine abschließende Sonderregelung, die auch diejenigen Personen erfasse, die im Arbeitstrainingsbereich einer Werkstatt ausgebildet werden. Die nach § 5 Abs 1 Nr 7 SGB V versicherten Behinderten habe der Gesetzgeber bewußt nicht vom Krankengeldbezug ausgeschlossen. Die vom Berufungsgericht unterstellte Gesetzeslücke bestehe nicht, so daß für eine analoge Anwendung des § 44 Abs 1 Satz 2 SGB V kein Raum sei. Der Krankengeldanspruch könne auch nicht mit der Begründung verneint werden, daß das von der Arbeitsverwaltung gezahlte Ausbildungsgeld kein Arbeitsentgelt sei. Der Sozialversicherungsschutz der in einer Werkstatt für Behinderte Beschäftigten könne, wenn er nicht leerlaufen solle, weder an ein reguläres Arbeits- oder Ausbildungsverhältnis noch an ein (leistungsgerechtes) Entgelt gebunden sein.
Der Kläger beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 3. Dezember 1999 und des Sozialgerichts Stuttgart vom 30. Oktober 1997 aufzuheben und die Beklagte zur Zahlung von DM 513,22 nebst 4 % Zinsen hieraus seit 1. August 1996 zu verurteilen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung.
Der Beigeladene hat keine Anträge gestellt und sich nicht zur Sache geäußert.
II
Die Revision des Klägers ist nicht begründet.
Der geltend gemachte Erstattungsanspruch aus § 104 Abs 1 Satz 4 iVm Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch bestünde nur, wenn der Beigeladene für die Zeit der stationären Behandlung Krankengeld zu beanspruchen und dieses gemäß § 43 Abs 1 Satz 2 Bundessozialhilfegesetz als Beitrag zu den Kosten der ihm vom Kläger gewährten Eingliederungshilfe einzusetzen hätte. Das ist jedoch nicht der Fall, denn dem Beigeladenen steht entgegen der Ansicht des Klägers kein Krankengeld zu.
Die in § 44 Abs 1 Satz 1 SGB V geregelten Grundvoraussetzungen für diese Leistung sind allerdings erfüllt. Danach erhalten Versicherte ua Krankengeld, wenn sie wie der Beigeladene auf Kosten der Krankenkasse stationär in einem Krankenhaus behandelt werden. Der Anspruch ist hier auch nicht nach § 44 Abs 1 Satz 2 SGB V ausgeschlossen, denn zu den in dieser Vorschrift genannten Personengruppen, deren Versicherung kraft Gesetzes von vornherein keinen Anspruch auf Krankengeld umfaßt, gehört der Beigeladene nicht. Die anderslautende Rechtsansicht des Berufungsgerichts teilt der Senat nicht.
Keinen Anspruch auf Krankengeld haben gemäß § 44 Abs 1 Satz 2 SGB V die nach § 5 Abs 1 Nr 5, 9 und 10 sowie die nach § 10 SGB V Versicherten, ferner die nach § 5 Abs 1 Nr 6 SGB V Versicherten, sofern sie nicht Anspruch auf Übergangsgeld haben. Der Ausschluß betrifft danach Jugendliche, die in Einrichtungen der Jugendhilfe für eine Erwerbstätigkeit befähigt werden sollen (Nr 5), Teilnehmer an berufsfördernden Maßnahmen zur Rehabilitation sowie an Berufsfindung und Arbeitserprobung (Nr 6), Studenten (Nr 9), Praktikanten und Personen, die zu ihrer Berufsausbildung ohne Arbeitsentgelt beschäftigt sind (Nr 10), sowie Familienversicherte (§ 10). Dagegen sind die nach § 5 Abs 1 Nr 7 und 8 SGB V versicherten Behinderten nicht grundsätzlich vom Krankengeldbezug ausgeschlossen. Zu diesem Personenkreis gehört der Beigeladene, denn er zählt zu den von § 5 Abs 1 Nr 7 SGB V erfaßten Behinderten, die in nach dem Schwerbehindertengesetz (SchwbG) anerkannten Werkstätten für Behinderte tätig sind. Für die Versicherungspflicht dieser Personengruppe differenziert das Gesetz nicht danach, ob die Beschäftigung im Produktions- bzw Arbeitsbereich oder wie im Fall des Beigeladenen im Arbeitstrainingsbereich der Werkstatt für Behinderte erfolgt.
Das LSG verweist freilich mit Recht auf die auch rechtlich bedeutsamen Unterschiede zwischen den beiden Beschäftigungsformen, die sich aus der unterschiedlichen Zielsetzung von Arbeitstrainingsmaßnahmen auf der einen und der Beschäftigung als Arbeitnehmer auf der anderen Seite ergeben. § 54 Abs 1 SchwbG definiert die Werkstatt für Behinderte als eine Einrichtung zur Eingliederung Behinderter in das Arbeitsleben, die denjenigen Behinderten, die wegen der Art oder Schwere der Behinderung nicht, noch nicht oder noch nicht wieder auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt beschäftigt werden können, einerseits eine angemessene berufliche Bildung und eine Beschäftigung zu einem ihrer Leistung angemessenen Arbeitsentgelt aus dem Arbeitsergebnis anzubieten und ihnen andererseits zu ermöglichen hat, ihre Leistungsfähigkeit zu entwickeln, zu erhöhen oder wiederzugewinnen und dabei ihre Persönlichkeit weiterzuentwickeln. Die Werkstatt steht nach § 54 Abs 2 Satz 1 SchwbG allen Behinderten unabhängig von Art oder Schwere der Behinderung offen, sofern erwartet werden kann, daß sie spätestens nach Teilnahme an Maßnahmen im Arbeitstrainingsbereich wenigstens ein Mindestmaß wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung erbringen werden. Die auf der Grundlage des § 57 Abs 2(früher Abs 3) SchwbG als Werkstättenverordnung Schwerbehindertengesetz (SchwbWV) erlassene Rechtsverordnung der Bundesregierung vom 13. August 1980(BGBl I 1365) sieht entsprechend den verschiedenen Aufgabenstellungen der Werkstätten für Behinderte eine Gliederung in drei Bereiche – Eingangsverfahren, Arbeitstrainingsbereich, Arbeitsbereich – vor (§§ 3 bis 5 SchwbWV). Während im Arbeitsbereich eine der Behinderung und der herabgesetzten Leistungsfähigkeit angepaßte arbeitnehmerähnliche Tätigkeit verrichtet wird, die den dort Tätigen auch eine arbeitnehmerähnliche Rechtsstellung verschafft (§§ 54b und 54c SchwbG idF des Gesetzes vom 23. Juli 1996 – BGBl I 1088), werden im Arbeitstrainingsbereich berufsfördernde Bildungsmaßnahmen (Einzelmaßnahmen und Lehrgänge) zur Verbesserung der Eingliederungsmöglichkeiten in das Arbeitsleben unter Einschluß angemessener Maßnahmen zur Weiterentwicklung der Persönlichkeit des Behinderten durchgeführt. Durch sie sollen die Teilnehmer in die Lage versetzt werden, wenigstens ein Mindestmaß wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung zu erbringen (§ 4 Abs 1 SchwbWV). Die Arbeitstrainingsmaßnahmen sind danach den gemäß § 5 Abs 1 Nr 6 SGB V zur Versicherungspflicht führenden berufsfördernden Rehabilitationsmaßnahmen bei Nichtbehinderten vergleichbar, mit dem Unterschied, daß sie nicht die Ausbildung für einen bestimmten Beruf, sondern allgemein die Befähigung zur Leistung einer sinnvollen und wirtschaftlich verwertbaren Arbeit zum Gegenstand haben. Im konkreten Fall ist die Maßnahme zudem nach den Feststellungen des LSG im Sinne der § 1 Abs 1 und § 11 Abs 2 Satz 1 Nr 4 des Gesetzes über die Angleichung der Leistungen zur Rehabilitation (RehaAnglG) darauf ausgerichtet gewesen, dem Beigeladenen zu einer angemessenen und geeigneten Erwerbs- oder Berufstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu verhelfen. Zu diesem Zweck hat die Bundesanstalt für Arbeit als Rehabilitationsträger im Sinne des § 2 RehaAnglG die seinerzeit in § 56 Abs 1 Satz 1, § 58 Abs 1a Arbeitsförderungsgesetz (AFG) vorgesehen Leistungen erbracht. Da ein Anspruch auf Übergangsgeld nicht bestand, hat der Beigeladene nach § 24 Abs 5 der Anordnung des Verwaltungsrats der Bundesanstalt für Arbeit über die Arbeits- und Berufsförderung Behinderter (A-Reha) vom 31. Juli 1975 (ANBA S 994) idF der Änderungsanordnung vom 15. Oktober 1992 (ANBA S 1767) Ausbildungsgeld erhalten.
Dennoch bietet das Gesetz keine Handhabe, bezüglich der Versicherung der in Werkstätten für Behinderte tätigen Personen nach der Art der Beschäftigung zu differenzieren und in die Versicherungspflicht nach § 5 Abs 1 Nr 7 SGB V nur diejenigen Behinderten einzubeziehen, die wie Arbeitnehmer im Produktionsbereich der Werkstatt beschäftigt werden. Das Bundessozialgericht (BSG) hatte schon zu dem früheren Gesetz über die Sozialversicherung Behinderter (SVBehindertenG) vom 7. Mai 1975(BGBl I 1061), das in seinem § 1 Abs 1 Satz 1 die Versicherungspflicht der in Behindertenwerkstätten Beschäftigten vergleichbar den jetzigen § 5 Abs 1 Nr 7 SGB V und § 1 Satz 1 Nr 2 Buchst a SGB VI geregelt hatte, entschieden, daß darin Sonderregelungen für die genannten Einrichtungen zu sehen sind, die als speziellere Normen nach den für eine Gesetzeskonkurrenz geltenden Grundsätzen die allgemeinen Vorschriften der Reichsversicherungsordnung über die Versicherungspflicht der Rehabilitanden verdrängen(Urteil des 12. Senats vom 11. Juni 1980 – SozR 5085 § 1 Nr 2). Nachdem der Gesetzgeber die Regelungen aus § 1 und § 2 SVBehindertenG in Kenntnis dieser Rechtsprechung inhaltlich unverändert als Sondervorschriften in das SGB V(§ 5 Abs 1 Nr 7 und 8) und das SGB VI(§ 1 Satz 1 Nr 2 Buchst a und b) übernommen hat, ist für eine allein auf gesetzessystematische Erwägungen gestützte teleologische Reduktion des § 5 Abs 1 Nr 7 SGB V, wie sie das Berufungsgericht vorgenommen hat, kein Raum.
Die Zugehörigkeit des Beigeladenen zur Gruppe der nach § 5 Abs 1 Nr 7 SGB V Versicherten und die damit verbundene Nichtanwendbarkeit des § 44 Abs 1 Satz 2 SGB V wird auch nicht durch die Konkurrenzvorschrift in § 5 Abs 6 Satz 2 SGB V in Frage gestellt. Danach geht bei einem Zusammentreffen der Versicherungspflicht nach § 5 Abs 1 Nr 6 mit einer Versicherungspflicht nach § 5 Abs 1 Nr 7 oder Nr 8 SGB V die Versicherungspflicht vor, nach der die höheren Beiträge zu zahlen sind. Diese Regelung greift hier von vornherein nicht ein. Die angesprochene Konkurrenzsituation kann nur auftreten, wenn bei dem Betroffenen zwei zur Versicherungspflicht führende Tatbestände zusammentreffen, indem er etwa im Produktionsbereich einer Werkstatt für Behinderte beschäftigt ist und zeitlich getrennt davon noch eine berufliche Rehabilitationsmaßnahme durchläuft, die ihn zu einer Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt befähigen soll. Dagegen kann ein und derselbe Sachverhalt, wie hier die Tätigkeit des Beigeladenen im Arbeitstrainingsbereich der Werkstatt für Behinderte, nicht gleichzeitig mehrere der in § 5 Abs 1 SGB V geregelten Versicherungspflichttatbestände erfüllen. Diese sind vielmehr so gegeneinander abgegrenzt, daß sie sich gegenseitig ausschließen.
Zählt der Beigeladene nach alledem zum Personenkreis der nach § 5 Abs 1 Nr 7 SGB V Versicherten, so scheidet auch eine analoge Anwendung des § 44 Abs 1 Satz 2 SGB V, wie sie das Berufungsgericht hilfsweise erwogen hat, aus. Für eine Analogie, also die Übertragung der Ausschlußvorschrift auf einen Sachverhalt, der vom Wortsinn der betreffenden Bestimmung nicht erfaßt wird, fehlt es an der erforderlichen Gesetzeslücke. Die Tatsache, daß sich die Versicherungspflicht der in Werkstätten für Behinderte Beschäftigten auch auf Behinderte im Arbeitstrainingsbereich der Werkstatt erstreckt, war dem Gesetzgeber seit langem bekannt. Wenn er diese Personengruppe gleichwohl nicht gesondert von der Krankengeldberechtigung ausgenommen hat, kann dies in Ermangelung sonstiger Anhaltspunkte nicht ohne weiteres als Versehen gewertet werden. Die Annahme eines Irrtums verbietet sich vor allem deshalb, weil die Ausschlußregelung auch sonst nicht abschließend ist, der Gesetzgeber vielmehr auch bei anderen Versichertengruppen, wie etwa den Rentnern, auf einen Teilausschluß und eine Differenzierung innerhalb des betroffenen Personenkreises verzichtet hat.
Im Ergebnis ist dem LSG in seiner Beurteilung gleichwohl zuzustimmen. Die im Arbeitstrainingsbereich einer Werkstatt für Behinderte im Rahmen einer von der Bundesanstalt für Arbeit geförderten beruflichen Bildungsmaßnahme tätigen Versicherten sind de facto vom Krankengeldbezug deshalb ausgeschlossen, weil sie kein durch Krankengeld zu ersetzendes Arbeitsentgelt erhalten.
Daß Krankengeld nur zu gewähren ist, wenn vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit bzw vor Beginn der stationären Behandlung Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen bezogen wurde, folgt aus der Lohnersatzfunktion des Krankengeldes und daraus, daß die Voraussetzungen des § 47 SGB V nur erfüllt werden können, wenn dem Versicherten wegen der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen entgeht. Die zuvor erörterte Regelung in § 44 Abs 1 Satz 2 SGB V ist Ausdruck dieses Grundsatzes, denn sie schließt pauschal diejenigen Versichertengruppen vom Krankengeldbezug aus, bei denen es an einer entgeltlichen Beschäftigung oder Tätigkeit fehlt und die deshalb im Falle der Arbeitsunfähigkeit regelmäßig kein Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen einbüßen. Aber auch bei Versicherten, die keiner dieser Gruppen angehören, kann Krankengeld nur als Entgeltersatz beansprucht werden. Nach § 47 Abs 1 SGB V ist für die Bemessung des Krankengeldes das Regelentgelt maßgebend, das sich aus dem vor der Bezugszeit erzielten Arbeitsentgelt errechnet. Mittelbar bildet das Arbeitsentgelt auch dann den Anknüpfungspunkt für das Krankengeld, wenn im Zeitpunkt des Eintritts der Arbeitsunfähigkeit bereits eine andere Lohnersatzleistung bezogen wurde und das Krankengeld an deren Stelle tritt(vgl etwa § 47b Abs 1 SGB V zu den Leistungen bei Arbeitslosigkeit; ferner: BSGE 47, 71, 76 f = SozR 2200 § 200a Nr 3 S 11 f). Aus § 47 Abs 4 Satz 2 SGB V ergibt sich nichts anderes. Danach gilt bei Versicherten, die nicht Arbeitnehmer sind, als Regelentgelt der Betrag, der zuletzt vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit für die Beitragsbemessung maßgebend war. Damit wird jedoch nicht auf das Erfordernis verzichtet, daß dem Versicherten aus der Beschäftigung oder Tätigkeit, an deren Ausübung er durch die Arbeitsunfähigkeit gehindert ist, ein Verdienst zugeflossen sein muß. Das zeigen schon die anderen in § 47 Abs 4 SGB V geregelten Sonderfälle der Krankengeldberechnung, die sämtlich Tätigkeiten mit Arbeitseinkommen zum Gegenstand haben. Die Lohnersatzfunktion des Krankengeldes bleibt auch in diesen Fällen gewahrt; es wird nur das Regelentgelt nach anderen Kriterien bestimmt, als sie in § 47 Abs 2 SGB V für Arbeitnehmer vorgesehen sind. Versicherte, die tatsächlich kein Arbeitsentgelt erhalten und bei denen beitragspflichtige Einnahmen lediglich fingiert werden, wie dies für die nach § 5 Abs 1 Nr 7 und 8 versicherungspflichtigen Behinderten in bestimmten Fällen vorgesehen ist(§ 235 Abs 3 SGB V), werden von der Vorschrift nicht erfaßt.
Als Arbeitsentgelt bezeichnet das Gesetz in § 14 Abs 1 SGB IV alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung, gleichgültig ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen besteht, unter welcher Bezeichnung und in welcher Form sie geleistet werden und ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt werden. Beschäftigung im Sinne dieser Vorschrift ist gemäß § 7 Abs 1 SGB IV die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis; ferner gilt als Beschäftigung auch der Erwerb beruflicher Kenntnisse, Fertigkeiten und Erfahrungen im Rahmen betrieblicher Berufsbildung(§ 7 Abs 2 SGB IV). Diese Voraussetzungen erfüllt eine berufliche Eingliederungsmaßnahme im Arbeitstrainingsbereich einer Werkstatt für Behinderte nicht, denn sie ist weder auf die Erbringung einer Dienstleistung noch auf einen konkreten Arbeitserfolg gerichtet und vermittelt auch keine spezifischen berufsbezogenen Kenntnisse. Ihr Ziel ist es, den Behinderten an die Anforderungen des Arbeitslebens heranzuführen und ihn in die Lage zu versetzen, nach Abschluß der Maßnahme ein Mindestmaß an wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung zu erbringen(vgl § 54 Abs 2 Satz 1 SchwbG). Die Lehrgänge sind gemäß § 4 Abs 3 SchwbWV in einen Grund- und einen Aufbaukurs zu gliedern. Dabei sollen im Grundkurs Fertigkeiten und Grundkenntnisse verschiedener Arbeitsabläufe gelernt sowie das Selbstwertgefühl des Behinderten und die Entwicklung seines Sozial- und Arbeitsverhaltens gefördert werden(§ 4 Abs 4 SchwbWV). Der Aufbaukurs hat die Vermittlung von Fertigkeiten mit höherem Schwierigkeitsgrad, insbesondere im Umgang mit Maschinen, und von vertieften Kenntnissen über Werkstoffe und Werkzeuge zum Gegenstand; außerdem sollen die Fähigkeit zu größerer Ausdauer und Belastung sowie zur Umstellung auf unterschiedliche Beschäftigungen im Arbeitsbereich geübt werden(§ 4 Abs 5 SchwbWV). Die Maßnahme im Arbeitstrainingsbereich der Werkstatt für Behinderte hat somit nach Zielsetzung und Inhalt ausschließlich rehabilitativen Charakter. Dabei wird nicht verkannt, daß der Sozialversicherungsschutz der in einer Behindertenwerkstatt Beschäftigten weder an ein reguläres Arbeits- oder Ausbildungsverhältnis noch an ein (leistungsgerechtes) Entgelt gebunden ist, sondern den unter Umständen stark eingeschränkten Möglichkeiten und Fähigkeiten der dort Beschäftigten Rechnung tragen muß. Infolgedessen dürfen an die Annahme einer Beschäftigung keine hohen Anforderungen gestellt werden, und es muß genügen, wenn, wie das Gesetz es ausdrückt, noch ein Mindestmaß an wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung erbracht wird. Durch die Trainingsmaßnahmen soll die Fähigkeit hierzu aber gerade erst geschaffen werden, so daß die Teilnahme daran eindeutig weder die Kriterien des § 7 Abs 1 noch die des § 7 Abs 2 SGB IV erfüllt. Da es sich nicht um eine Beschäftigung im Sinne des Gesetzes handelt, kann das vom Arbeitsamt gewährte Ausbildungsgeld auch nicht als Arbeitsentgelt gewertet werden. Das SG hat darin mit Recht eine fürsorgerische Leistung mit Taschengeldcharakter gesehen. An dieser Bewertung ändert auch nichts, daß das Ausbildungsgeld nach § 22 Abs 4 Satz 3 A-Reha ähnlich wie Arbeitsentgelt im Falle der Arbeitsunfähigkeit für eine begrenzte Zeit (früher sechs Wochen, jetzt drei Monate) weitergezahlt wird.
Entgegen der Auffassung des Klägers ergibt sich aus dem Urteil des BSG vom 25. Juli 1979(BSGE 48, 283 = SozR 2200 § 182 Nr 50) nichts anderes. Soweit der 3. Senat seinerzeit entschieden hat, Behinderte, die nach § 1 SVBehindertenG gegen Krankheit versichert sind, hätten bei Arbeitsunfähigkeit Anspruch auf Krankengeld, bezog sich das nach der Fallgestaltung auf einen Behinderten, der im Produktionsbereich der Werkstatt tätig war und für seine Beschäftigung ein Entgelt erhielt. Zu der Beschäftigung im Arbeitstrainingsbereich enthält das Urteil keine Aussage.
Da nach alledem kein Erstattungsanspruch gegen die Beklagte besteht, war die Revision zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs 1 und 4 Sozialgerichtsgesetz.
Fundstellen
Haufe-Index 631021 |
FA 2001, 351 |
FEVS 2002, 5 |
NZS 2002, 88 |
SozR 3-2500 § 44, Nr. 8 |
SozVers 2002, 82 |
br 2002, 9 |
AuS 2001, 50 |
KVuSR 2001, 70 |
SozSi 2003, 71 |