Beteiligte
Bayerische Landesamt für Versorgung und Familienförderung – Landesversorgungsamt – Außenstelle Bayreuth |
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 19. August 1999 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Beklagte die Kosten für die Ausstattung des Kraftfahrzeuges (Kfz) des Klägers mit einem automatischen Getriebe zu bezuschussen hat.
Bei dem Kläger ist als Schädigungsfolge ua der Verlust des rechten Unterschenkels anerkannt. Sein Führerschein enthält die Auflage „beschränkt auf Kraftwagen mit Getriebeautomatik”. Im August 1997 kaufte der Kläger ein neues Kfz des Fabrikats Hyundai, Typ Accent 1,3 GS, fünftürig, Automatik, Listenpreis 25.340 DM. Die in der Ausstattung identische Modellversion GLS mit Fünfganggetriebe, jedoch anderer Motorleistung (55 statt 62 Kilowatt ≪kW≫), kostet laut Liste 23.640 DM.
Der Beklagte lehnte es ab, die Preisdifferenz als Mehrkosten für das Automatikgetriebe zu übernehmen, weil es zur Serienausstattung des gekauften Kfz gehöre (Bescheid vom 1. Oktober 1997, Widerspruchsbescheid vom 8. Mai 1998).
Mit Urteil vom 18. März 1999 hat das Sozialgericht Bayreuth die genannten Bescheide aufgehoben und den Beklagten verurteilt, den Antrag des Klägers unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden. Das Landessozialgericht (LSG) hat dieses Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt: Kriegsbeschädigte erhielten zur Ergänzung der Versorgung mit Hilfsmitteln zwar Zuschüsse zu den Änderungskosten bei Motorfahrzeugen. Da das vom Kläger gekaufte Fahrzeug jedoch serienmäßig mit einer Automatikeinrichtung versehen sei, sei keine „Änderung eines Motorfahrzeuges” erfolgt. Ob hier eine sog vorweggenommene Änderung iS des § 11 Abs 3 Nrn 1 und 4 Bundesversorgungsgesetz (BVG) vorliege, könne offenbleiben, weil das Fahrzeug nicht fabrikmäßig unter Aufschlag auf den Listenpreis mit einer Automatik, sondern unter einem eigenen Listenpreis vertrieben werde. Der Preisunterschied beziffere nicht den tatsächlichen Mehraufwand. Im übrigen unterscheide sich das vom Kläger gekaufte Kfz auch nicht nur durch den serienmäßigen Einbau eines Automatikgetriebes von dem mechanisch geschalteten vergleichbaren Modell, sondern sei auch mit einem leistungsstärkeren Motor ausgestattet. Dafür komme ein Zuschuß nicht in Betracht.
Mit der vom Senat zugelassenen Revision rügt der Kläger die Verletzung der §§ 11 Abs 3 Satz 1 Nr 1, 24a Buchst a BVG, §§ 22 Abs 1, 27 Orthopädie-Verordnung (OrthV) und macht geltend: In seinem Fall handele es sich um eine sog „vorweggenommene” Änderung des Kfz. Nach den Rundschreiben des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung (BMA) vom 9. August 1994 – VI 3-52222-5 (BArbBl 10/94 S 155 f) und vom 7. November 1995 – VI 3-52222-5 (BArbBl 1/96 S 88) sei auch in solchen Fällen eine Kostenübernahme möglich und in seinem Fall auch geboten. Dementsprechend habe das Bundessozialgericht (BSG) durch Urteil vom 20. Oktober 1999 – B 9 V 23/98 R – in einem vergleichbaren Fall entschieden. Daß sein Kfz eine geringfügig höhere Motorleistung aufweise, sei bei Klein- und Mittelklassewagen aus technischen Gründen erforderlich, damit diese eine dem vergleichbaren, mit Schaltgetriebe ausgerüsteten Fahrzeug jedenfalls in etwa entsprechende Fahrleistung erbringen könnten.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 19. August 1999 aufzuheben und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 18. März 1999 zurückzuweisen.
Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Anders als in dem vom BSG am 20. Oktober 1999 entschiedenen Fall unterscheide sich das vom Kläger gekaufte Fahrzeug nicht nur durch den serienmäßigen Einbau eines Automatikgetriebes von dem mechanisch geschalteten Vergleichsfahrzeug, sondern auch durch einen um 7 kW leistungsstärkeren Motor. Deshalb sei nicht feststellbar, ob die Preisdifferenz von 1.700 DM nur die Mehrkosten für das Automatikgetriebe oder auch erhöhte Kosten für den nicht identischen Motor umfasse. Mehrkosten für den Motor könnten nicht bezuschußt werden.
Beide Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil nach § 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) einverstanden erklärt.
II
Die Revision ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Übernahme der Kosten für das Automatikgetriebe.
Nach § 27 Abs 1 Nr 2 iVm § 22 Abs 1 OrthV vom 4. Oktober 1989 (BGBl I, 1834) idF der Verordnung vom 17. Oktober 1994 (BGBl I, 3009) werden als Ersatzleistungen iS des § 11 Abs 3 BVG die Kosten für die Sonderausstattung eines Motorfahrzeugs mit einem automatischen Getriebe oder einer ähnlichen Vorrichtung bis zu 2.100 DM übernommen. Nach § 27 Abs 2 Satz 1 1. Halbs OrthV ist ua erforderlich, daß der Beschädigte das Fahrzeug besitzt und daß die Sonderausstattung den Auflagen und Einschränkungen entspricht, unter denen die Fahrerlaubnis erteilt ist. Vorausgesetzt wird dabei, daß die Auflagen bzw Einschränkungen der Fahrerlaubnis auf einer der Heilbehandlung zugänglichen Gesundheitsstörung beruhen, dh also entweder auf einem Schädigungsleiden iS des § 10 Abs 1 Satz 1 BVG oder aber auf einem Leiden, für das der Beschädigte als Schwerbeschädigter nach § 10 Abs 2 iVm Absätzen 7 und 8 der Bestimmung Anspruch auf Heilbehandlung hat.
Der Senat hat in mehreren Urteilen vom 29. September 1993 (vgl 9 RV 12/93 in BSGE 73, 142 = SozR 3-3100 § 11 Nr 1 sowie die nicht veröffentlichten Entscheidungen zu den Aktenzeichen 9/9a RV 13/92; 9 RV 5/93 und 9 RV 17/93) Zweifel geäußert, ob die „Praxis der Versorgungsverwaltung”, Änderungskosten bei Motorfahrzeugen nach diesen Vorschriften zu übernehmen, ausreichend gesetzlich legitimiert ist. Mit Urteil vom 20. Oktober 1999 – B 9 V 23/98 R – (vgl BSGE 85, 75 ff) hat der Senat seine Rechtsprechung weiterentwickelt und entschieden, daß §§ 24a, 11 Abs 3 Satz 1 Nr 1 BVG für die Praxis der Versorgungsverwaltung eine ausreichende gesetzliche Grundlage bilden, Änderungskosten bei Motorfahrzeugen zu übernehmen, wenn der Beschädigte ein Kfz nach seiner Fahrerlaubnis nur mit besonderen Bedienungseinrichtungen wie zB einem automatischen Getriebe nach § 27 Abs 1 Nr 2 und Abs 2 OrthV führen kann und darf (vgl Rundschreiben des BMA vom 27. März 1954, BVBl 1954, 57 sowie zuletzt vom 9. August 1994, BArbBl 1994 Nr 10, 155, 156 und vom 7. November 1995, BArbBl 1996 Nr 1, 88).
Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde: Der Kläger hatte einen Kleinwagen mit einem Automatikgetriebe und einer Servolenkung als Sonderausstattung gegen Aufpreis erworben. Die Sonderausstattung war jedoch nur als „Paket” zum Preis von 2.665 DM erhältlich. Die vom Kläger nicht schädigungsbedingt benötigte Servolenkung konnte hingegen zum Preis von 895 DM auch allein erworben werden. Der Senat hat in diesem Fall die Versorgungsverwaltung verurteilt, dem Kläger 1.770 DM – den errechneten Preis für das Automatikgetriebe – zu erstatten, weil es sich dabei um eine Sonderausstattung iS des § 27 Abs 1 Nr 2 OrthV handelte und zugleich die Voraussetzungen einer Änderung des Motorfahrzeugs iS des § 11 Abs 3 Satz 1 Nr 1 BVG vorlagen. In der Entscheidung wird darauf abgestellt, daß das Schädigungsleiden in derartigen Fällen regelmäßig zu dem Mehraufwand führe. Das sei aber nur dann feststellbar, wenn der erworbene Fahrzeugtyp auch ohne Getriebeautomatik angeboten werde und dadurch für den Beschädigten eine Wahlmöglichkeit zwischen einem Schaltgetriebe und einer Getriebeautomatik bestehe. Der Ursachenzusammenhang zwischen Schädigungsleiden und dem Kauf eines Wagen mit Sonderausstattung sei aber dann nicht nachweisbar, wenn ein Fahrzeug bereits serienmäßig nur mit dem – schädigungsbedingt erforderlichen – Automatikgetriebe erworben werden könne (vgl das Urteil des Senats vom 29. September 1993 in BSGE 73, 142 ff = SozR 3-3100 § 11 Nr 1). Biete der Hersteller ein Ausstattungspaket an, zu dem neben dem schädigungsbedingt erforderlichen Automatikgetriebe andere Sonderausstattungen gehörten, bestehe jedenfalls dann ein Anspruch auf einen Zuschuß, wenn sich der Preis für die Automatik ohne weiteres aus dem Gesamtpaket herausrechnen lasse. Das sei regelmäßig der Fall, wenn die im Paket enthaltenen Teile auch einzeln erworben werden könnten. Dieser Fall sei dem vergleichbar, in dem der Hersteller zwei Versionen produziere, die sich nur durch die Ausstattung mit der benötigten Sonderausstattung unterschieden. In solchen Fällen sei die schädigungsgerechte Version einem „geänderten” oder „mit Sonderausstattung versehenen” Motorfahrzeug gleichzustellen. Denn der Käufer könne zwischen einem Fahrzeug, das seinen Behinderungen entsprechend ausgestattet sei, und einem sonstigen Fahrzeug, das bis auf die behinderungsgerechte Ausstattung mit diesem Fahrzeug identisch sei, wählen (vgl auch das Rundschreiben des Bundesarbeitsministeriums vom 7. November 1995 – Az: VI 3-52222-5 in BArbBl 1996 Nr 1, 88).
So liegt der hier zu entscheidende Fall jedoch nicht. Der Kläger hat, den Auflagen in seinem Führerschein entsprechend, einen Pkw mit Automatikgetriebe gekauft, und zwar die fünftürige Modellversion eines Hyundai Accent, 1,3 GS Automatik. Dieses Modell unterscheidet sich von seiner „Schwesterversion” (1,3 GLS, Fünftürer, Fünfgang-Schaltgetriebe) nicht nur bezüglich des Getriebes, sondern auch durch eine um 7 kW stärkere Motorleistung.
Das LSG hat zudem – anders als der Kläger mit seiner Revision geltend macht – festgestellt, daß der in der Automatikvariante eingebaute Motor mit einer Leistung von 62 kW nicht notwendige Voraussetzung für das Automatikgetriebe sei, vielmehr sei die Leistung des 55 kW-Motors für eine verkehrssichere Bewegung des Kfz ausreichend. Ob dies zutrifft, kann der Senat nicht überprüfen. Er ist an die Feststellung des LSG gebunden (§ 163 SGG). Der Kläger hat sie nicht mit zulässigen und begründeten Rügen angegriffen. Es kann daher dahinstehen, wie zu entscheiden wäre, wenn die stärkere Motorleistung für das Automatikgetriebe oder den verkehrssicheren Betrieb des erworbenen Kfz-Typs unerläßlich wäre.
Da der Wagen mit Automatikgetriebe nur mit höherer Motorleistung geliefert wird, steht nicht fest, welcher Anteil der Mehraufwendungen auf das schädigungsbedingt notwendige Automatikgetriebe entfällt. Der Einzelpreis für das Automatikgetriebe läßt sich dem Verkaufsprospekt des Herstellers nicht entnehmen. Zwar ließe er sich möglicherweise durch ein Auskunftsersuchen beim Hersteller des Kfz ermitteln. Der Senat hält derartige Ermittlungsbemühungen aber für unzweckmäßig. Dagegen sprechen vor allem Gesichtspunkte der Verwaltungspraktikabilität. Es wäre nämlich sehr aufwendig, wenn die Versorgungsverwaltung in solchen Fällen die auf die schädigungsbedingte Sonderausstattung entfallenden Mehrkosten feststellen müßte. Im übrigen könnten derartige Bemühungen schon daran scheitern, daß die Autohersteller zu Auskünften, die ihre Preispolitik im Rahmen des Wettbewerbs berühren, nicht verpflichtet und möglicherweise auch gar nicht in der Lage sind. Der vorliegende Fall ist deshalb nicht anders zu behandeln als die Fälle, in denen Ausstattungsvarianten nur unteilbar verbunden als Paket zu erhalten sind (vgl das Urteil des Senats vom 29. September 1993 – 9 RV 17/93 – unveröffentlicht).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen
Haufe-Index 585004 |
SozSi 2003, 144 |