Leitsatz (amtlich)
1. Ob der Vorderrichter bei der Ablehnung eines Antrags nach SGG §109 Abs 2 sein freies Ermessen überschritten hat, unterliegt der Nachprüfung durch das Revisionsgericht.
2. Der Versicherte, Versorgungsberechtigte oder Hinterbliebene hat ein Recht darauf die Höhe des Kostenvorschusses nach SGG § 109 Abs 1 Satz 2 für das ärztliche Sachverständigengutachten zu erfahren, bevor er eine Erklärung über die Kostenübernahme abgibt.
Normenkette
SGG § 109 Abs. 1 S. 2 Fassung: 1953-09-03, Abs. 2 Fassung: 1953-09-03
Tenor
Das Urteil des Landessozialgerichts ... vom 9. März 1955 wird aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen.
Tatbestand
Der ... geborene Kläger wurde am 8. November 1945 aus Kriegsgefangenschaft entlassen und beantragte am 28. November 1945 die Gewährung von Versorgung wegen eines im Wehrdienst erlittenen Kieferdurchschusses und wegen Erfrierung der linken Hand und des linken Fußes, die er sich in russischer Kriegsgefangenschaft zugezogen habe. In einer amtsärztlichen Bescheinigung des Versorgungsamts (VersA.) ... vom gleichen Tage wurde als Wehrdienstbeschädigung angegeben: "allgemeiner Erschöpfungszustand nach russischer Gefangenschaft (Unterernährung), Fisteleiterung an der rechten Wange nach Unterkieferdurchschuß, Beschwerden nach Erfrierung der linken Hand, rheumatische Beschwerden". Dementsprechend hat das VersA. ... am 28. November 1945 der Allgemeinen Ortskrankenkasse ... gegenüber für diese Leiden Heilfürsorge gewährt und Kostenersatz für die Kassenleistungen bis 31. März 1946 zugesichert. In einem amtsärztlichen Zeugnis vom 1. März 1946 wurde der Zustand nach Unterkieferdurchschuß mit Fistelbildung an der rechten Wange als Wehrdienstbeschädigung angenommen; für Beschwerden nach Erfrierung und rheumatischen Beschwerden wurde kein Befund festgestellt. Auf den Versorgungsantrag des Klägers vom 24. Januar 1949 nach dem Körperbeschädigtenleistungsgesetz (KBLG) hat die Landesversicherungsanstalt (LVA) ... mit Bescheid vom 1. Juli 1949 Narben nach Unterkieferdurchschuß als Leistungsgrund anerkannt und ausgeführt, daß Folgen von Erfrierungen sowie Rheumatismus nicht vorhanden seien. Rente wurde nicht gewährt, da die Erwerbsfähigkeit des Klägers durch die anerkannte Gesundheitsschädigung nicht um wenigstens 30 vH. gemindert sei.
Gegen diesen Bescheid hat der Kläger Berufung eingelegt, weil Rheumatismus als Leistungsgrund nach dem KBLG abgelehnt worden war. Das Oberversicherungsamt (OVA) ... hat Bescheinigungen der behandelnden Ärzte und Krankenhäuser seit Entlassung des Klägers aus Kriegsgefangenschaft beigezogen sowie vier ärztliche Gutachten eingeholt:
Dr. ... Krankenhaus ..., stellte in seinem Gutachten vom 24. November 1950 eine spondylotische Zacke an der Lendenwirbelsäule (L 3) fest,
Dr. ... fand nach seiner Beurteilung vom 9. Juli 1951 chirurgisch und röntgenologisch keinen Befund für die angegebenen Schmerzen,
Nervenarzt Dr. ... erklärte in seinem Gutachten vom 10. Januar 1952, daß neurologisch keine Ausfallerscheinungen vorhanden seien,
Prof. ... und Dr. ... nahmen in dem Gutachten vom 1. Februar 1952 eine Osteochondrose ohne Zusammenhang mit Einwirkungen im Wehrdienst und Kriegsgefangenschaft an.
Der Kläger hat mit Schreiben vom 25. März, 3. Juli und 1. November 1952 eine Begutachtung durch Prof. ... beantragt. Auch in der mündlichen Verhandlung vom 13. Februar 1953 beantragte der Vertreter des Klägers erneut die Einholung eines Gutachtens dieses Arztes.
Das OVA. ... hat mit Urteil vom 13. Februar 1953 die Berufung des Klägers zurückgewiesen, da seine Beschwerden nicht in ursächlichem Zusammenhang mit Wehrdienst und Kriegsgefangenschaft stünden. Die Erholung eines weiteren Gutachtens sei nicht erforderlich im Hinblick auf die herbeigeführte fachärztliche Begutachtung durch Prof. ....
Gegen dieses Urteil hat der Kläger am 10. März 1953 Rekurs beim Landesversicherungsamt ... eingelegt und mit Schreiben vom 4. Januar 1954 seinen schon im ersten Rechtszug gestellten Antrag auf Einholung eines fachärztlichen Gutachtens von Prof. ... wiederholt. Mit Schreiben vom 29. November 1954 hat der Berichterstatter für den Senatsvorsitzenden bei dem Vertreter des Klägers, ... angefragt, ob ein Gutachten nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) begehrt werde, und unter Hinweis, daß der Kläger die Kosten für die Einholung des Gutachtens tragen müsse, Frist für eine entsprechende Erklärung bis 20. Dezember 1954 gestellt. Unter dem 8. Februar 1955 teilte der Vertreter des Klägers mit, daß er wegen eines Verkehrsunfalls längere Zeit weder habe laufen noch schreiben können, er werde demnächst eine Stellungnahme abgeben. In der mündlichen Verhandlung am 9. März 1955 vor dem Landessozialgericht (LSGer.), auf das das Verfahren nach § 215 Abs. 3 SGG übergegangen ist, hat der Kläger Vertagung und erneut Begutachtung durch Prof. ... beantragt.
Das LSGer. hat diesem Antrag nicht stattgegeben, sondern mit Urteil vom gleichen Tage die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Es hat sich nach Würdigung der Feststellungen und eingeholten Gutachten der Beurteilung des Prof. ... angeschlossen, das Vorliegen einer Osteochondrose als wahrscheinlich angenommen und einen ursächlichen Zusammenhang dieses Leidens mit Einwirkungen des Wehrdienstes und der Kriegsgefangenschaft verneint. Es hat ferner ausgeführt, daß selbst, wenn man statt der Osteochondrose einen Bandscheibenvorfall annehmen würde, wie dies im Invalidenrentenverfahren geschehen sei, ein ursächlicher Zusammenhang auch dieses Leidens mit dem Wehrdienst nicht vorliege, da es an dem Nachweis einer traumatischen Entstehung der Bandscheibenschädigung fehle.
Im Hinblick auf die vorliegenden Gutachten sei die Einholung eines weiteren Gutachtens von Amts wegen nicht erforderlich gewesen. Der Kläger habe einen Antrag nach § 109 SGG innerhalb der ihm gesetzten Erklärungsfrist nicht eingebracht. In der mündlichen Verhandlung habe er zu seinem Antrag auf Einholung eines Gutachtens von Prof. ... keine Erklärung abgegeben, daß er bereit sei, einen Kostenvorschuß dafür zu leisten. Im übrigen sei es grobe Nachlässigkeit, wenn der Antrag erst in der mündlichen Verhandlung gestellt würde, nachdem der Kläger unter Fristsetzung vorher zu einer Erklärung darüber aufgefordert worden sei.
Die Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Urteils weist auf den Vertretungszwang hin und gibt die als Prozeßbevollmächtigte vor dem Bundessozialgericht zugelassenen Personen an; sie enthält keinen Hinweis auf die Erfordernisse des § 164 Abs. 2 SGG.
Mit persönlich unterzeichnetem Schreiben vom 3. Juni 1955, eingegangen am 6. Juni 1955, hat die Ehefrau des Klägers Revision gegen das dem Vertreter des Klägers mit Einschreibebrief vom 6. Mai 1955 übersandte Urteil des LSGer. eingelegt. Mit Schreiben vom 25. Juni 1955, eingegangen beim Bundessozialgericht ( BSGer .) am 27. Juni 1955, hat ein inzwischen vom Kläger bevollmächtigter Rechtsanwalt unter Vorlage eines Armutszeugnisses Bewilligung des Armenrechts, Beiordnung als Bevollmächtigter und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Revisionsfrist beantragt. Mit gleichem Schreiben hat er Revision eingelegt und beantragt,
"unter Aufhebung des angefochtenen Urteils und den ihm zugrundeliegenden Feststellungen die rheumatischen und weiteren Beschwerden des Klägers an sämtlichen Gelenken, Muskeln und sonstigen Körperteilen als Wehrdienstbeschädigung und Rentenzuerkennung anzuerkennen".
Mit Schreiben vom 11. August 1955, eingegangen beim BSGer . am 12. August 1955, hat der Prozeßbevollmächtigte des Klägers die Revision begründet. Er rügt Verletzung des § 109 SGG, mangelnde Sachaufklärung und Verletzung des § 1 Abs. 3 Bundesversorgungsgesetz (BVG) bei der Beweiswürdigung.
Der Beklagte hat Verwerfung der Revision beantragt.
Mit Beschluß vom 4. Februar 1956 wurde dem Kläger das Armenrecht bewilligt und ihm ein Rechtsanwalt als Prozeßbevollmächtigter beigeordnet.
Entscheidungsgründe
Die von der Ehefrau des Klägers mit persönlich unterzeichnetem Schreiben eingelegte Revision ist unwirksam, da sie nicht gemäß § 166 SGG von einem zugelassenen Prozeßbevollmächtigten unterzeichnet ist. Dagegen entspricht die Revisionseinlegung durch den Vertreter des Klägers der in § 164 Abs. 2 Satz 1 SGG vorgeschriebenen Form. Nach § 164 Abs. 1 Satz 1 SGG ist zwar die Revision binnen eines Monats nach Zustellung des Urteils einzulegen. Diese Frist war bei Eingang der formgerechten Revision unstreitig abgelaufen. Gemäß § 66 Abs. 2 SGG kann der Rechtsbehelf, hier die Revision, jedoch innerhalb eines Jahres seit Zustellung des Urteils eingelegt werden, wenn die Rechtsmittelbelehrung in dem angefochtenen Urteil unterblieben oder unrichtig erteilt ist.
Nach § 66 Abs. 1 SGG sind die Beteiligten über den Rechtsbehelf zu belehren. Wie das BSGer . bereits mehrfach - vgl. Urteil des 4. Senats vom 25.8.1955 - 4 RJ 21/54 - und des 3. Senats vom 23.9.1955 - 3 RJ 26/55 - entschieden hat, erfordert der Begriff der Belehrung mehr als die einfache Mitteilung, daß ein bestimmter Rechtsbehelf gegeben und bestimmte, im Gesetz aufgezählte Erfordernisse zu beachten seien. Es ist vielmehr notwendig, daß die Rechtsmittelbelehrung auf die grundlegenden Besonderheiten der Revision hinweist, soweit ihre Nichtbeachtung den Beteiligten zum Nachteil gereichen würde. Hierzu gehört die Belehrung über die Vorschriften des § 164 Abs. 2 SGG. Da diese Belehrung fehlt, ist die Rechtsmittelbelehrung insoweit unterblieben. Dies hat zur Folge, daß die Revision gemäß § 66 Abs. 2 SGG innerhalb eines Jahres eingelegt werden konnte. Dabei spielt es keine Rolle, daß die Unwirksamkeit der persönlichen Revisionseinlegung durch die Ehefrau des Klägers nicht durch die unterbliebene Rechtsmittelbelehrung über § 164 Abs. 2 SGG verursacht wurde; denn nach § 66 Abs. 2 SGG ist alleinige Voraussetzung für den Lauf der Jahresfrist, daß die Rechtsmittelbelehrung unterblieb oder unrichtig erteilt wurde. Die innerhalb der Jahresfrist eingelegte Revision des Prozeßbevollmächtigten des Klägers ist daher auch fristgerecht, ebenso entspricht die innerhalb der gleichen Frist abgegebene Revisionsbegründung den gesetzlichen Vorschriften. Einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bedurfte es daher nicht.
Da die Revision vom LSGer. nicht zugelassen wurde, war zu prüfen, ob sie gemäß § 162 Abs. 1 Nr. 2 SGG statthaft ist. Wie das BSGer . bereits mit Urteil vom 14. Juli 1955 - 8 RV 177/54 - entschieden hat, findet die Revision nur statt, wenn der gerügte wesentliche Mangel des Verfahrens vorliegt, die bloße Behauptung eines solchen Mangels genügt nicht. Der erkennende Senat schließt sich dieser Auffassung an.
Die Rüge des Klägers, sein Antrag in der mündlichen Verhandlung vor dem LSGer. auf Einholung eines Gutachtens von Prof. ... sei zu Unrecht abgelehnt worden, ist geeignet, einen wesentlichen Mangel im Verfahren des LSGer. darzutun. Nach § 109 SGG muß auf Antrag des Versorgungsberechtigten ein bestimmter Arzt gutachtlich gehört werden. Nach Abs. 1 Satz 2 a.a.O. kann die Anhörung davon abhängig gemacht werden, daß der Kläger die Kosten vorschießt und vorbehaltlich einer anderen Entscheidung des Gerichts endgültig trägt. Das Gericht kann den Antrag ablehnen, wenn durch die Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits verzögert würde und der Antrag nach der freien Überzeugung des Gerichts aus grober Nachlässigkeit nicht früher vorgebracht worden ist (Abs. 2 a.a.O.).
Der in der mündlichen Verhandlung vor dem LSGer. gestellte Antrag des Klägers auf Anhörung des Dr. ... wurde einmal mit der Begründung abgelehnt, der Kläger habe keine Erklärung abgegeben, daß er bereit sei, einen Kostenvorschuß zu leisten, außerdem sei es eine grobe Nachlässigkeit, daß der Antrag trotz Fristsetzung erst in der mündlichen Verhandlung gestellt wurde. Diese Ablehnung findet in den Vorschriften des § 109 SGG keine Stütze.
§ 109 SGG stellt es in das Ermessen des Gerichts, ob es die Anhörung des bestimmten Arztes von einem Kostenvorschuß des Klägers abhängig machen will. Es kann den angegebenen Arzt auch hören, ohne vom Antragsteller einen Kostenvorschuß zu verlangen.
Im vorliegenden Fall hat das LSGer. auf den in der mündlichen Verhandlung wiederholten Antrag des Klägers nach § 109 SGG nicht zu erkennen gegeben, ob es die Anhörung des Prof. ... von einem Kostenvorschuß abhängig machen wolle. Es war für den Kläger auch keineswegs ersichtlich, ob der Senat an der in dem Schreiben des Berichterstatters vom 29. November 1954 ausgesprochenen Kostenauflage festhalten würde. Außerdem hätte der Senat, wenn er schon bei der Vorschußpflicht verbleiben wollte, dem Kläger mindestens die Höhe dieses Vorschusses mitteilen müssen, damit er prüfen konnte, ob er ihn leisten könne und wolle. Solange der Kläger aber weder die Auffassung des Senats zu der Vorschußfrage noch die Höhe des notwendigen Betrages kannte, waren sein Vertreter und er selbst nicht gehalten, über die Vorschußleistung eine Erklärung abzugeben. Aus seinem Schweigen kann ihm kein Nachteil im Verfahren erwachsen. Die darauf gegründete Ablehnung des Antrags aus § 109 SGG durch das LSGer. ist daher rechtsirrig und unbegründet.
Das LSGer. hat den Antrag des Klägers nach § 109 Abs. 2 SGG weiterhin deshalb abgelehnt, weil es eine grobe Nachlässigkeit sei, daß der Antrag trotz Fristsetzung erst in der mündlichen Verhandlung gestellt wurde. Ob die Voraussetzungen für die Ablehnung des Antrags nach Abs. 2 a.a.O. gegeben sind, ist an sich in das Ermessen des Gerichts gestellt; doch sind die Grundlagen dieses Ermessens durch Aufzählung der Ablehnungsgründe im Gesetz fest umrissen. Voraussetzung ist hiernach, daß die Erledigung des Rechtsstreits durch die Zulassung des Antrags verzögert würde und daß der Antrag aus grober Nachlässigkeit nicht früher vorgebracht worden ist.
Ob das Gericht den Rechtsbegriff der groben Nachlässigkeit verkannt hat, ist in der Revisionsinstanz nachprüfbar, vgl. Baumbach-Lauterbach, ZPO 23. Aufl. Anm. 1 C zu § 279 ZPO; Rosenberg ZPO 6. Aufl. S. 328; HRR 1932 Nr. 999; JW. 1930 S. 549 Nr. 8. Grobe Nachlässigkeit bedeutet das Außerachtlassen jeder in der Prozeßführung erforderlichen Sorgfalt - Baumbach-Lauterbach a.a.O. Anm. 1 C zu § 279 ZPO; Rosenberg a.a.O. S. 328 -. Persönlichkeit und Rechtskunde des Antragstellers sind dabei von Bedeutung. Ein Verschulden des Prozeßbevollmächtigten ist ein solches des Klägers.
Das LSGer. hat eine grobe Nachlässigkeit darin gesehen, daß der Antrag trotz Fristsetzung erst in der mündlichen Verhandlung gestellt wurde.
Die vom LSGer. festgestellten Tatsachen können jedoch die Annahme grober Nachlässigkeit des Prozeßbevollmächtigten und damit des Klägers nicht rechtfertigen. Der Kläger hat nicht etwa die Anhörung des Dr. ... erstmals in der mündlichen Verhandlung, sondern, abgesehen von den gleichen Anträgen im Verfahren vor dem OVA., bereits mit Schreiben vom 4. Januar 1954, also vor der mit Schreiben des LSGer. vom 29. November 1954 erfolgten Fristsetzung, beantragt. Außerdem hat der Vertreter des Klägers am 8. Februar 1955, etwa 1 1/2 Monate nach Ablauf der ihm für die Erklärung gesetzten Frist, dem Gericht gegenüber begründet, warum er bisher nicht in der Lage war, eine Erklärung abzugeben, und seine Stellungnahme angekündigt. Daß die angegebene Begründung, er habe infolge Verkehrsunfalls längere Zeit weder laufen noch schreiben können, nicht den Tatsachen entspreche, und ab wann etwa die Behinderung durch den Verkehrsunfall weggefallen sei, hat das LSGer. nicht festgestellt. Es hat vielmehr den Kläger am 28. Februar 1955 zur mündlichen Verhandlung am 9. März 1955 geladen, ohne auf die Entschuldigung des klägerischen Vertreters einzugehen. Der Zeitraum zwischen dem Abgang der Entschuldigung vom 8. Februar 1955 und dem Empfang der Ladung beträgt etwa drei Wochen. Er ist nicht so lang, daß es dem Kläger oder seinem Vertreter als grobnachlässig angerechnet werden könnte, wenn sie innerhalb dieser Frist keine weitere Erklärung abgaben. Im Hinblick auf den kurz bevorstehenden Termin zur mündlichen Verhandlung und die ohne Antwort gebliebene Entschuldigung konnten der Kläger und sein Vertreter sehr wohl der Auffassung sein, daß der Antrag aus § 109 SGG noch rechtzeitig in der mündlichen Verhandlung zu stellen sei, zumal der gleiche Antrag bereits am 4. Januar 1954 vor dem LSGer. erstmals gestellt worden war, ohne daß über ihn entschieden wurde. Auch wenn der Antrag nach der Ladung, aber noch vor dem Termin eingegangen wäre, hätte nach Sachlage der Termin vom 9. März 1955 aufgehoben und ein späterer Termin angesetzt werden müssen. In dem Verhalten des Vertreters des Klägers, der nicht berufsmäßig Vertretungen vor Gericht durchführt, kann daher ein unentschuldbares, jede prozessuale Sorgfalt außer Acht lassendes Verhalten, das als grob nachlässig anzusehen wäre, nicht gefunden werden. Die Ablehnung des Antrags nach § 109 SGG durch den Vorderrichter entbehrt somit der gesetzlichen Grundlage und stellt einen wesentlichen Mangel im Verfahren dar. Die Revision ist daher nach § 162 Abs. 1 Nr. 2 SGG zulässig.
Die Revision ist auch begründet (§ 162 Abs. 2 SGG), da der wesentliche Mangel das Urteil des LSGer. maßgeblich beeinflußt hat, und die Möglichkeit besteht, daß das LSGer. nach Anhörung des benannten Arztes anders entschieden hätte (Urteil des BSGer . vom 9.2.1956 - 1 RA 57/55).
Das angefochtene Urteil war daher gemäß § 170 Abs. 2 SGG aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSGer. zurückzuverweisen. Da die Anhörung eines Arztes nach § 109 SGG ohnehin eine weitere Sachaufklärung hinsichtlich der behaupteten Gesundheitsschäden und damit die Notwendigkeit einer neuen Beweiswürdigung mit sich bringt, war auf die weitere Revisionsrüge der mangelnden Sachaufklärung und der Verletzung des § 1 Abs. 3 BVG nicht näher einzugehen. Bei der neuen Verhandlung wird sich das LSGer. jedenfalls nochmals mit der Art der Krankheit des Klägers zu befassen haben. Dies erscheint um so eher erforderlich, als die Natur der Erkrankung von den begutachtenden Ärzten nicht übereinstimmend beurteilt wurde, und das letzte ärztliche Gutachten drei Jahre vor Erlaß des angefochtenen Urteils erstattet worden ist, so daß etwaige Änderungen im Zustand des Klägers seit Erstattung dieses Gutachtens bis zum Erlaß des Urteils nicht berücksichtigt wurden. In diesem Zusammenhang wird das LSGer. insbesondere auch die Angaben des Klägers nach Entlassung aus Kriegsgefangenschaft im Jahre 1945 über "rheumatische" Beschwerden, wie sie in der amtsärztlichen Bescheinigung des Versorgungsamts ... vom 28. November 1945 festgelegt sind und wie sie offenbar auch bei der versorgungsärztlichen Begutachtung vom 1. März 1946 noch vorgebracht wurden, sowie seine weiteren Angaben über Gelenkrheumatismus, Kreuzschmerzen" usw. und seine ärztlichen Behandlungen in der Folgezeit (Dr. ... und Kreiskrankenhaus ...) zu würdigen haben in dem Sinne, ob sie als Brückenzeichen für die derzeitige Erkrankung des Klägers in Betracht kommen können.
Die Kostenentscheidung bleibt dem Endurteil vorbehalten.
Fundstellen