Orientierungssatz
1. Zur Frage, ob bei der Berechnung der "Halbbelegung" nach AVG § 36 Abs 3 = RVO § 1259 Abs 3 (idF vor dem RVÄndG) österreichische Versicherungszeiten zu berücksichtigen sind.
2. In der Zeit von 1939 - 1945 in Österreich zur RfA entrichtete Beiträge können nicht bei der Berechnung der Halbbelegung (RVO § 1259 Abs 3) als deutsche Beitragszeiten berücksichtigt werden.
Normenkette
AVG § 36 Abs. 3 Fassung: 1957-02-23; RVO § 1259 Abs. 3 Fassung: 1957-02-23
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 12. Dezember 1966 wird zurückgewiesen.
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 12. Dezember 1966 insoweit aufgehoben, als die Beklagte verurteilt worden ist, bei der Feststellung des Altersruhegeldes des W L für Bezugszeiten bis zum 30. Juni 1965 die Zeiten von Oktober 1910 bis Februar 1911, von Oktober 1911 bis Februar 1912 und von Oktober 1912 bis Februar 1913 als Ausfallzeiten anzurechnen; auch insoweit wird die Klage abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten über die Höhe des dem ursprünglichen Kläger W L (L.) zustehenden Altersruhegeldes.
Der im Jahre 1892 geborene, am 1. Juni 1967 verstorbene Vater des jetzigen Klägers beantragte im Februar 1957 die Gewährung des Ruhegeldes wegen einjähriger Arbeitslosigkeit (§ 397 des Angestelltenversicherungsgesetzes - AVG - aF, § 25 Abs. 2 AVG nF). Er erhielt daraufhin von der Beklagten und - wegen österreichischer Versicherungszeiten - von dem österreichischen Versicherungsträger Rentenvorschüsse. Die Rente wurde auf Grund weiterer Sachermittlungen und Rechtsänderungen mehrfach umgerechnet. Mit Bescheid vom 2. Juni 1961 berechnete die Beklagte das Altersruhegeld nach Art. 6 § 6 des Fremdrenten- und Auslandsrenten-Neuregelungsgesetzes (FANG) vom 25. Februar 1960 (BGBl. I S. 93) neu. Den sich ergebenden Rentennachzahlungsbetrag behielt sie zur Verrechnung mit dem österreichischen Versicherungsträger ein. Der Kläger wandte sich gegen die Verrechnung der Rente. Während des Klageverfahrens beim Sozialgericht (SG) Darmstadt ersetzte die Beklagte den angefochtenen Bescheid durch einen neuen Bescheid vom 19. Dezember 1961. Der Kläger beanstandete auch diesen Bescheid.
Das SG verurteilte die Beklagte unter teilweiser Abänderung der Bescheide vom 2. Juni 1961 und 19. Dezember 1961,
a) ihrem Anerkenntnis entsprechend, die Zeit vom 23. November 1954 bis 10. Mai 1955 und vom 1. Februar 1956 bis 31. Januar 1957 als Ausfallzeit im Sinne des § 36 Abs. 1 Ziff. 3 AVG nF,
b) darüber hinaus die Zeit vom 15. Juli 1919 bis 14. März 1920 als Ersatzzeit im Sinne des § 28 Abs. 1 AVG nF anzurechnen und das Altersruhegeld danach neu festzustellen.
Im übrigen wies es die Klage ab (Urteil vom 28. März 1964).
Die Beklagte führte dieses Urteil mit Bescheid vom 12. Februar 1965 aus.
Der Kläger legte Berufung ein; das Landessozialgericht (LSG) verurteilte die Beklagte, dem Kläger ab 1. Januar 1959 eine höhere Versichertenrente unter rentensteigernder Berücksichtigung der Zeit vom 1. November 1918 bis 31. Mai 1919 als Ersatzzeit und der Zeiten vom Oktober 1910 bis Februar 1911, vom Oktober 1911 bis Februar 1912 sowie vom Oktober 1912 bis Februar 1913 als Ausfallzeiten zu gewähren. Im übrigen wies es die Klage ab und die Berufung zurück. Zur Begründung führte es aus: Die Zeit vom 1. November 1918 (Entlassung aus dem Kriegsdienst) bis zum 31. Mai 1919 sei statt als Ausfallzeit nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 AVG als Ersatzzeit nach § 28 Abs. 1 Nr. 1 AVG zu berücksichtigen, weil L. trotz eines Fachschulbesuches arbeitslos gewesen sei. Die Ausbildungszeit vom 15. Oktober 1910 bis Februar 1913 (mit Unterbrechungen) sei als Ausfallzeit nach § 36 Abs. 1 Nr. 4 AVG anrechenbar. Die zur Anrechnung erforderliche Halbbelegung sei - entgegen der Ansicht der Beklagten - erfüllt. Bei der Berechnung seien 71 Beiträge, die für L. in den Jahren 1939 bis 1945 bei den Reichswerken H G in L zur Reichsversicherung für Angestellte (RfA) entrichtet worden sind, aus der österreichischen Versicherungslast herauszunehmen und als deutsche Beitragszeiten anzusehen.
Die erforderliche Halbbelegung von 288 Monaten werde daher mit einer Gesamtbeitragssumme von 289 Monaten erreicht. Aber auch wenn man die gesamten österreichischen Versicherungszeiten außer Betracht lasse, sei die Halbbelegung erfüllt. Von der Gesamtversicherungsdauer von 584 Monaten müßten dann 178 Monate österreichische Versicherungslast abgezogen werden. Die erforderlichen 203 Beitragsmonate - 1/2 von 406 (584 weniger 178) - seien dann bei 211 nachgewiesenen Monaten vorhanden.
Die Berücksichtigung der Monate März 1911, 1912 und 1913 als Ausfallzeiten sei nicht möglich, weil diese Zeiten bereits als Beitragszeiten berücksichtigt worden seien.
Die von der Beklagten vorgenommene Kürzung von Versicherungszeiten nach § 19 Abs. 2 des Fremdrentengesetzes (FRG) sei berechtigt, weil nach den vom Kläger vorgelegten Originalzeugnissen nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststehe, daß die Beschäftigungszeiten von 1908 bis 1914 und von 1931 bis 1935 ohne jede Unterbrechung zurückgelegt worden seien.
Der Monat November 1916 könne nicht als Ersatzzeit rentensteigernd berücksichtigt werden, weil für diesen Zeitraum bereits ein Pflichtbeitrag berücksichtigt worden sei.
Ein Unterschiedsbetrag nach Art. 21 des deutsch-österreichischen Sozialversicherungsabkommens (SV-Abk.) vom 21. April 1951 stehe dem Kläger nicht zu, weil bei der Feststellung der nach innerdeutschen Rechtsvorschriften zu berechnenden Vergleichsrente - entgegen der Ansicht des Klägers - die Versicherungszeit von 1939 bis 1945 nicht als deutsche Beitragszeit berücksichtigt werden könne; die in die österreichische Versicherungslast gefallenen Zeiten hätten vielmehr bei der Berechnung außer Betracht zu bleiben.
Nach dem Antrag sei über den Anspruch auf die von der Beklagten vorerst einbehaltenen Rentennachzahlungsbeträge nicht zu entscheiden gewesen, zumal ein laufendes Verrechnen von Rentenleistungen mit dem österreichischen Versicherungsträger gegen die Grundsätze der Prozeßwirtschaftlichkeit verstoßen könnte und der Beklagten eine unnötige Belastung aufbürden würde.
Das LSG ließ die Revision zu (Urteil vom 12. Dezember 1966). Beide Beteiligten legten gegen dieses Urteil frist- und formgemäß die zugelassene Revision ein.
Der Kläger beantragte (sinngemäß),
unter Abänderung der vorinstanzlichen Urteile und des Bescheides der Beklagten vom 1. (muß heißen: 12.) Februar 1965, die Beklagte zu verurteilen,
a) dem Kläger über das bisher Zuerkannte hinaus ab
1. Februar 1957 eine höhere Rente zu gewähren
unter ungekürzter Anrechnung der Zeiten vom 1. Juni 1908 bis 29. September 1909, vom 1. Juli 1913 bis 31. Juli 1914, vom 1. November 1914 bis 31. Dezember 1914 sowie vom 17. November 1931 bis 5. März 1935, ferner unter Anrechnung des Kriegsdienstmonats November 1916 als Ersatzzeit, der Monate März 1911, März 1912 und März 1913 als Ausfallzeit und unter Zahlung des Unterschiedsbetrages nach Art. 21 des deutsch-österreichischen SV-Abk.,
b) von der zu zahlenden Rente keine Nachzahlungen zugunsten des österreichischen Versicherungsträgers einzubehalten,
hilfsweise
das angefochtene Urteil aufzuheben, soweit die Berufung zurückgewiesen worden ist, und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.
Er rügte, das LSG habe die Vorschriften des Art. 21 des deutsch-österreichischen SV-Abk., des Art. 6 § 6 Abs. 1 i.V.m. § 24 FANG, des Art. 41 der Vereinbarung zur Durchführung des deutsch-österreichischen SV-Abk. vom 21. April 1951 und des § 19 Abs. 2 FRG verletzt sowie gegen Grundsätze des allgemeinen Verwaltungsrechts verstoßen.
Die Beklagte beantragte,
die Revision des Klägers zurückzuweisen.
Mit ihrer eigenen Revision beantragte die Beklagte,
unter Änderung des angefochtenen Urteils die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG Darmstadt vom 28. August 1964 insoweit zurückzuweisen, als mit dem Rechtsmittel der Anspruch des Klägers auf Anrechnung folgender Zeiten als Ausfallzeiten für Bezugszeiträume der Rente bis zum 30. Juni 1965 begehrt wird:
von Oktober 1910 bis Februar 1911,
von Oktober 1911 bis Februar 1912 und
von Oktober 1912 bis Februar 1913.
Sie rügte eine Verletzung der Vorschrift des § 36 Abs. 3 AVG in der bis zum Inkrafttreten des Rentenversicherungs-Änderungsgesetzes (RVÄndG) geltenden Fassung und des Art. 18 Abs. 1 Nr. 2 des 1. SV-Abk.
Der ursprüngliche Kläger starb am 1. Juni 1967, sein Sohn nahm als Erbe den Rechtsstreit auf. Die Beteiligten erklärten sich mit einem Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden (§§ 124 Abs. 2, 153 Abs. 1, 165 SGG).
II.
Die Revision beider Beteiligten sind zulässig (§§ 162 Abs. 1 Nr. 1, 164 SGG), jedoch ist nur die Revision der Beklagten begründet. Die Revision des Klägers ist dagegen unbegründet.
Das LSG hat zu Recht einen Anspruch des Klägers auf Zahlung eines Unterschiedsbetrages nach Art. 21 des 1. SV-Abk. verneint. Die Auslegung des Art. 21 durch das LSG entspricht der bisherigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) (Urteile des 1. Senats vom 7. Juli 1964, BSG 21, 199, 202 und vom 25. Mai 1965, BSG 23, 74, 75, des 11. Senats vom 16. Januar 1968 - 11 RA 249/66 -), von der abzugehen der Senat keinen Anlaß sieht. Bei der Ermittlung der nach Art. 21 nach innerstaatlichen Vorschriften "ohne Berücksichtigung des Art. 17" - d.h. ohne Zusammenrechnung deutscher und österreichischer Zeiten - zu berechnenden Rente haben die nach Art. 24 des SV-Abk. in die österreichische Versicherungslast fallenden Beitragszeiten außer Betracht zu bleiben. Denn Art. 21 setzt die Verschiedenheit der Versicherungslasten und damit ihre Aufteilung nach Art. 23, 24 des SV-Abk. voraus. Erst den Vorschriften der Art. 23, 24 kann überhaupt entnommen werden, was deutsche und was österreichische Beiträge sind. Die vom Kläger in Österreich von 1939 bis 1945 zurückgelegten Versicherungszeiten sind, obwohl die Beiträge zur früheren RfA entrichtet worden sind, durch die Regelung des Art. 24 des SV-Abk. österreichische Zeiten geworden. Sie sind endgültig aus der deutschen Versicherung ausgeschieden und rückschauend so zu betrachten, als ob sie nie zur deutschen Versicherung gehört hätten (vgl. auch die Urteile des 4. Senats des BSG vom 22. November 1962, BSG 18, 113, 114; des 1. Senats vom 27. Mai 1964, BSG 21, 91, 94 und des 11. Senats vom 28. Juni 1966 - 11 RA 356/63).
Auch der Sinn des Art. 21 rechtfertigt es nicht, die von 1939 bis 1945 entrichteten Beiträge bei der Berechnung der nach innerdeutschen Vorschriften festzusetzenden Rente zu berücksichtigen. Er liegt allein darin, den Berechtigten vor Schaden zu bewahren, wenn die Summe der nach Art. 18 des SV-Abk. errechneten Renten geringer ist als der Leistungsanspruch allein nach innerstaatlichen Vorschriften.
Derartige Rentenminderungen konnten vor allem durch die in Art. 18 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b vorgesehene Kürzung der festen Rentenbestandteile nach der "pro-ratatemporis-Regel" eintreten (vgl. Memorandum zum SV-Abk., BABl. 1962 S. 78). Demgegenüber würde die vom Kläger für richtig gehaltene Rentenberechnung ganz unabhängig von diesem Zweck dazu führen, entgegen den Bestimmungen der Art. 18 und 24 des SV-Abk. bei der Ermittlung der Rentenhöhe österreichische Beitragszeiten - und dazu gehören die vom Kläger 1939 bis 1945 zurückgelegten - wie deutsche zu behandeln.
Das LSG hat auch zutreffend die Kürzung der vom Kläger in der Zeit von 1908 bis 1914 und von 1931 bis 1935 zurückgelegten Beschäftigungszeiten auf fünf Sechstel nach § 19 Abs. 2 FRG für zulässig erachtet. Insbesondere hat es nicht verkannt, daß eine solche Kürzung nur bei nicht nachgewiesenen Zeiten in Betracht kommt. Auch hat es den Begriff "nicht nachgewiesen" nicht unrichtig ausgelegt. Zu Recht hat es unter "nachgewiesen" den vollen Beweis verstanden, also die an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit, daß die Beschäftigungszeit in vollem Umfang zurückgelegt worden ist. Wenn es diesen Beweis trotz der vorgelegten Bescheinigungen als nicht erbracht angesehen hat, so ist dies eine Frage der freien richterlichen Beweiswürdigung. Daß das LSG insoweit die Grenzen seines Rechts, die Beweise frei zu würdigen, überschritten und dadurch § 128 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) verletzt hat, ist weder dargelegt noch ersichtlich.
Im übrigen ist nicht zu erkennen, daß das LSG die Vorschrift des § 19 Abs. 2 FRG - wie die Revision meint - auch auf Ausfall- und Ersatzzeiten angewandt hätte. Bei den gekürzten Zeiten von 1908 bis 1914 und von 1931 bis 1935 handelt es sich vielmehr um Beschäftigungszeiten.
Die Nichtberücksichtigung von Ausfall- und Ersatzzeiten, nämlich der Monate März 1911, 1912 und 1913 sowie des Monats November 1916 beruht nicht auf einer Kürzung nach § 19 Abs. 2 FRG, sondern auf einem Zusammentreffen mit für diese Monate angerechneten Beiträgen. Zu Unrecht glaubt der Kläger, neben den berücksichtigten Pflichtbeiträgen seien für dieselbe Zeit Ausfall- oder Ersatzzeiten anzurechnen. Einer gleichzeitigen Anrechnung von Ausfallzeiten und Pflichtbeiträgen stehen ebenso Wortlaut und Sinn der Vorschrift des § 36 AVG entgegen, wonach unverschuldete Lücken im Versicherungsleben auszugleichen sind, wie auch die ausdrückliche Bestimmung in § 35 Abs. 1 AVG, nach der Versicherungs- und Ausfallzeiten bei der Ermittlung der anrechnungsfähigen Versicherungsjahre zusammenzurechnen sind, "soweit sie nicht auf dieselbe Zeit entfallen". Die Aufrundungsvorschriften können sich also insoweit nicht auswirken. Dasselbe gilt für den bereits mit einem Pflichtbeitrag berücksichtigten Monat November 1916: In § 28 Abs. 2 AVG wird die Anrechenbarkeit von Ersatzzeiten ausdrücklich davon abhängig gemacht, daß Versicherungspflicht nicht bestanden habe. Der Kläger kann entgegen dieser Regel die zusätzliche Berücksichtigung des Monats November 1916 als Ersatzzeit auch nicht auf Grund der Behauptung verlangen, dieser Monat sei bereits in einem früheren Bescheid (neben einem Beitrag?) berücksichtigt worden. Da sich weder im angefochtenen Urteil eine entsprechende Feststellung des LSG findet, noch eine dahingehende Behauptung des Klägers wiedergegeben wird, handelt es sich insoweit um neues und in der Revisionsinstanz deshalb unbeachtliches Vorbringen. Außerdem wäre die Beklagte bei der Neufestsetzung der Rente nach den Vorschriften des FANG nicht an die früheren Berechnungselemente gebunden gewesen.
Schließlich hat das LSG auch zu Recht den höheren Rentenanspruch erst ab 1. Januar 1959 zugesprochen. Da es sich bei den zusätzlich zu berücksichtigenden Zeiten um Zeiten handelt, die erst auf Grund der Vorschriften des FANG i.V.m. denen des AVG in der Fassung des Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetzes (AnVNG) anrechenbar geworden sind, ergibt sich das aus der Vorschrift des Art. 6 § 24 FANG, nach der die sich nach dem FANG ergebenden höheren Renten erst vom 1. Januar 1959 an zu gewähren sind. Das gilt auch für die nach Art. 6 § 6 Abs. 1 FANG neu festzustellenden Renten. Zwar sind diese Renten vom Rentenbeginn an neu zu berechnen, doch bedeutet dies keine Ausnahme von der Regel des § 24. Denn die Verbesserungen durch das FRG sollten sich ausnahmslos erst mit dessen Inkrafttreten auswirken. Das zeigt insbesondere auch Art. 6 § 24 Abs. 1 Satz 3 und Abs. 2 Satz 1 FANG, der für die Berliner Renten zwischen den Verbesserungen unterscheidet, die auf der Neuordnung des Fremdrentenrechts beruhen, und denen, die sich aus der Einbeziehung der Berliner Beiträge in das Berechnungsschema der Rentenversicherungs-Neuregelungsgesetze ergeben. Nur hinsichtlich der letzteren sind Rentenerhöhungen schon für die Zeit vor dem 1. Januar 1959 ermöglicht worden. Dementsprechend besteht im Schrifttum darin Übereinstimmung, daß auch die nach Art. 6 § 6 Abs. 1 FANG festgestellten höheren Bezüge erst ab 1. Januar 1959 zu gewähren sind (vgl. Gesamtkommentar zur RVO, Stand: 1. April 1966, Anm. 4 zu Art. 6 § 6 FANG; Haensel/Lippert/Merkle/Michel, FANG Teil II, Stand: 28. Februar 1967, Anm. 5 zu Art. 6 § 6 S. 745; Jantz/Zweng/Eicher, "Das neue Fremdrenten- und Auslandsrentenrecht", 1960, Anm. 5 zu Art. 6 § 6; Verbandskommentar zur RVO, 4. und 5. Buch, 6. Aufl., Bd. II, Stand: 1966, Anm. 4 zu Art. 6 § 6). Auch die Rechtsprechung des BSG ist bisher hiervon ausgegangen (vgl. Urteil des 1. Senats vom 25. Mai 1965, SozR Nr. 2 zu Art. 6 § 6 = SozR Nr. 3 zu § 16 FRG). Der Senat sieht keinen Anlaß, von dieser Auffassung abzuweichen.
Die Frage, ob die Beklagte die Nachzahlungsbeträge zu Unrecht einbehalten hat, hat das LSG nicht als Streitgegenstand angesehen; es hat ausdrücklich gesagt, daß "im Rahmen des von dem Kläger gestellten Antrags" hierüber nicht zu entscheiden gewesen sei, und es hat insoweit nicht entschieden. Das BSG hätte zu einer Überprüfung dieser Frage nur kommen können, wenn der Kläger die Verfahrensrüge erhoben hätte, das LSG habe über den "erhobenen Anspruch" nicht vollständig entschieden, und wenn ein Mangel im Verfahren des LSG insoweit vorgelegen hätte. Eine solche Verfahrensrüge hat der Kläger nicht erhoben (§ 164 Abs. 2 Satz 2 SGG). Die Revision des Klägers war danach unbegründet und dementsprechend zurückzuweisen.
Die Revision der Beklagten ist dagegen begründet und muß in dem beantragten Umfang zur Aufhebung des angefochtenen Urteils führen.
Der Kläger kann für Rentenbezugszeiten bis zum 1. Juli 1965 nicht die Anrechnung der Ausbildungszeiten von Oktober 1910 bis Februar 1913 als Ausfallzeit nach § 36 Abs. 1 Ziff. 4 AVG verlangen. Die hierfür nach § 36 Abs. 3 AVG in der Fassung vor dem RVÄndG vom 9. Juni 1965 erforderliche Halbbelegung der Versicherungsdauer mit Pflichtbeiträgen wird mit den zu berücksichtigenden Beitragszeiten nicht erreicht.
Die Methode, nach der das LSG die Halbbelegung berechnet hat, hält einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. Zutreffend hat das LSG allerdings eine allgemeine Zusammenrechnung der österreichischen und deutschen Versicherungszeiten in diesem Rahmen für nicht zulässig erachtet.
Die Anrechnung von Ausfallzeiten betrifft nicht den Rentenanspruch als solchen, sondern ist allein eine Frage der Rentenhöhe. Nach welchen Vorschriften und unter Berücksichtigung welcher Zeiten diese zu errechnen ist, regelt Art. 18 Abs. 1 Ziff. 2 des 1 SV-Abk. Danach sind die Leistungen nach den für den feststellenden Versicherungsträger maßgebenden innerstaatlichen Vorschriften auf Grund der nach diesen Vorschriften zu berücksichtigenden Versicherungszeiten zu berechnen. Die innerstaatlichen Vorschriften sind demnach nicht nur für den eigentlichen Rechenprozeß, z.B. für die Höhe der zu gewährenden Steigerungsbeträge oder zugrunde zu legenden Werteinheiten maßgeblich, sondern auch für die Frage, welche Versicherungszeiten zu berücksichtigen sind. Eine Zusammenrechnung österreichischer und deutscher Zeiten findet bei der Feststellung der Rentenhöhe somit grundsätzlich nicht statt. Insoweit unterscheidet sich die Regelung des Art. 18 Abs. 1 Ziff. 2 des 1. SV-Abk. von der in Ziff. 1 getroffenen, nach der bei der Prüfung der Leistungsvoraussetzungen, also für den Anspruchsgrund - aber auch nur hierfür - die beiderseitigen Versicherungszeiten zusammenzurechnen sind.
Gegenüber dieser Spezialvorschrift für die Rentenberechnung kann auch nicht auf die allgemeine Bestimmung über die Zusammenrechnung in Art. 17 des 1. SV-Abk. zurückgegangen werden. Die dort vorgesehene Zusammenrechnung der beiderseitigen Versicherungszeiten für die Erfüllung der Wartezeit, sonstiger Mindestbeitragszeiten und für die Erhaltung der Anwartschaft könnte überdies schon deshalb nicht auf die Berechnung der Halbbelegung nach § 36 Abs. 3 AVG angewendet werden, weil es sich bei der Halbbelegung weder um die Erhaltung der Anwartschaft, noch um eine "sonstige Mindestbeitragszeit" im Sinne des Art. 17 des 1. SV-Abk. handelt und auch eine ausdehnende Auslegung insoweit nicht möglich erscheint.
Die Halbbelegung hat zwar rein formal Ähnlichkeit mit der früheren zur Anwartschaftserhaltung erforderlichen Halbdeckung; in ihrer Zielsetzung unterscheiden sich beide Tatbestände jedoch wesentlich voneinander. Mit der Anwartschaftserhaltung wurde der Verfall von Ansprüchen aus geleisteten Beiträgen vermieden. Demgegenüber soll durch die Halbbelegung nach § 36 Abs. 2 AVG die an sich versicherungsfremde Vergünstigung der Anrechnung beitragsloser Ausfallzeiten auf einen bestimmten - der Sozialversicherung verbundenen - Personenkreis begrenzt werden. Angesichts dieser unterschiedlichen Bedeutung läßt sich weder der Begriff der Anwartschaft auf die Halbbelegung nach § 36 Abs. 3 AVG ausdehnen, noch die für die Anwartschaftserhaltung und andere abschließend aufgezählte Tatbestände vorgesehene Regelung des Art. 17 des 1. SV-Abk. hierauf erstrecken.
Die Halbbelegung stellt auch keine "sonstige Mindestbeitragszeit" im Sinne des Art. 17 des 1. SV-Abk. dar. Denn hierunter können nur wartezeitähnliche, für den Anspruchsgrund erhebliche Mindestzeiten verstanden werden, da nach Art. 18 Abs. 1 Ziff. 1 des 1. SV-Abk. die Zusammenrechnung von Beitragszeiten nur bei der Prüfung der Leistungsvoraussetzungen Bedeutung hat. Dementsprechend wird auch im Memorandum zu Art. 17 als Beispiel für eine Mindestbeitragszeit auf den Knappschaftssold hingewiesen, für den neben der Erfüllung der Wartezeit eine Mindestbeitragszeit zurückgelegt sein mußte, in der wesentlich bergmännische Arbeiten verrichtet wurden.
Der in dem Kommentar zum 1. SV-Abk. von Gehrmann/Rudolph ("Die Sozialversicherung der Arbeiter und Angestellten in Österreich" IV. Teil, Wien 1957, Anm. 1 a) und b) zu Art. 17) vertretenen Ansicht, für die Anrechenbarkeit von Ausfallzeiten seien die österreichischen und deutschen Versicherungszeiten zusammenzurechnen, kann danach nicht gefolgt werden.
Entgegen der Ansicht des LSG können daher auch die vom Kläger in der Zeit von 1939 bis 1945 in Österreich zur RfA entrichteten Beiträge nicht bei der Berechnung der Halbbelegung als deutsche Beitragszeiten berücksichtigt werden. Diese Zeiten sind nach Art. 24 des SV-Abk. in die österreichische Versicherungslast gefallen und damit endgültig "Fremdzeiten" geworden. Diese bereits mehrfach vom BSG ausgesprochene Konsequenz des Art. 24 des SV-Abk. (vgl. die Urteile des 4. Senats vom 22. November 1962, BSG 18, 113, 114 und vom 9. September 1965, SozR Nr. 1 zu Art. 17, des 1. Senats vom 25. Mai 1965, BSG 23, 74, 76 und des 11. Senats vom 28. Juni 1966 - 11 RA 356/63 - und vom 16. Januar 1968 - 11 RA 249/66 -) kann bei der Frage der Anrechenbarkeit von Ausfallzeiten auch nicht etwa deshalb außer acht gelassen werden, weil es bei Art. 24 um die Verteilung der Versicherungslast gehe, während es sich bei der Berechnung der Halbbelegung nicht um die Leistung aus den erforderlichen Pflichtbeiträgen, sondern um einen bloßen Rechenvorgang handele. Denn die Regelung der Versicherungslast nach Art. 23 und 24 des SV-Abk. geht in ihrer Bedeutung über die Frage, welcher Versicherungsträger durch bestimmte Beiträge finanziell belastet wird, hinaus. Ihr liegt die Konzeption zugrunde, die vorübergehende Eingliederung Österreichs in das Deutsche Reich und die Verflechtung der Sozialversicherungssysteme auf sozialversicherungsrechtlichem Gebiet rückwirkend als nicht geschehen zu betrachten. Die von 1939 bis 1945 in Österreich ausgeübten Beschäftigungen werden behandelt, als ob sie von vornherein nicht von dem deutschen, sondern von dem österreichischen Versicherungssystem erfaßt worden wären. Die für diese Zeit entrichteten Beiträge sind deshalb nach keiner innerdeutschen Vorschrift mehr als anrechenbare Versicherungszeit zu behandeln. Sie haben somit auch bei der Berechnung der Halbbelegung nach § 36 Abs. 3 AVG außer Betracht zu bleiben. Eine dem Versicherten günstigere Berücksichtigung österreichischer Beitragszeiten bei der Berechnung der Halbbelegung würde zwar eher dem Gedanken der Einheit des Versicherungslebens entsprechen.
Angesichts der eindeutigen Beschränkung der Beitragszusammenrechnung auf den Anspruchsgrund durch Art. 18 Abs. 1 des SV-Abk. muß eine solche Anpassung des Abkommens an die später erlassenen Vorschriften des AVG i.d.F. des AnVNG jedoch dem Gesetzgeber überlassen bleiben. In der am 22. Dezember 1966 getroffenen neuen deutsch-österreichischen Vereinbarung über soziale Sicherheit ist auch eine für die Versicherten günstigere Regelung vorgesehen worden (Art. 29 Abs. 3 des Abk.); sie ist indessen bisher noch nicht in Kraft getreten.
In dem angefochtenen Bescheid sind danach zu Recht die vom Kläger 1939 bis 1945 zurückgelegten Beitragszeiten nicht als anrechenbare Pflichtbeiträge berücksichtigt worden.
Die Beklagte hat aber auch zutreffend die Versicherungsdauer vom Eintritt in die deutsche Versicherung bis zum Eintritt des Versicherungsfalles angenommen, ohne die österreichischen Versicherungszeiten hiervon abzuziehen. Ein solcher vom LSG für möglich gehaltener Abzug widerspricht der eindeutigen Regelung des § 36 Abs. 3 AVG in der Fassung vor dem RVÄndG vom 9. Juni 1965 und findet auch in keiner anderen gesetzlichen Vorschrift eine Grundlage.
Da sonach bei der vom LSG festgestellten Gesamtversicherungsdauer von 584 Monaten eine Halbbelegung von 292 Monaten erforderlich ist, aber nur 211 Beitragsmonate zurückgelegt sind, sind die Ausbildungszeiten von 1910 bis 1913 nicht als Ausfallzeiten anrechenbar. In dem von der Beklagten beantragten Umfang war deshalb das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage - es handelt sich insoweit um einen erst in der zweiten Instanz streitig gewordenen Punkt - abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen