Leitsatz (amtlich)
Scheidet der Beschädigte infolge Schädigungsfolgen vorzeitig aus dem Erwerbsleben aus, so ist bei der Beurteilung des Ausmaßes des besonderen beruflichen Betroffenseins iS des BVG § 30 Abs 2 auch die an den Beschädigten gezahlte Erwerbsunfähigkeitsrente zu berücksichtigen (Fortentwicklung von BSG 1961-11-14 9 RV 304/56 = BSGE 15, 223 und BSG 1969-07-08 9 RV 788/67 = SozR Nr 39 zu § 30 BVG).
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Feststellung des Grades der Erhöhung der MdE nach BVG § 30 Abs 2 bedarf der Schätzung (vergleiche BSG 1956-11-29 2 RU 121/56 = BSGE 4, 147); diese obliegt in erster Linie der Versorgungsbehörde. Ihre Einschätzung kann von den Sozialgerichten nur in dem eingeschränkten Rahmen des SGG § 54 Abs 2 S 2 überprüft werden.
2. Erfordert die Höherbewertung der MdE nach BVG § 30 Abs 2 um 10 vH bereits "besondere" berufliche Nachteile (vergleiche BSG 1969-02-19 10 RV 561/66 = BSGE 29, 139), dann kann ein Zuschlag um mehr als 10 vH nur in Betracht kommen, wenn die berufliche Schädigung "außergewöhnlich groß" ist (vergleiche BSG 1970-10-22 9 RV 736/69 = VersorgB 1971, 53).
3. Das Ausmaß dieser Schädigung kann nur beurteilt werden, wenn die wirtschaftlichen und sonstigen Nachteile des Beschädigten in Betracht gezogen werden (vgl BSG aaO). Dabei sind neben dem Alter und den persönlichen und beruflichen Verhältnissen des Betroffenen insbesondere seine Einkommensverhältnisse zu berücksichtigen.
4. Als Einkünfte hat die Grundrente aus der Kriegsopferversorgung grundsätzlich unberücksichtigt zu bleiben (vergleiche BSG 1969-07-08 9 RV 788/67 = SozR Nr 39 zu § 30 BVG).
5. Hat der Mindestverdienst bei einem Vergleich zwischen mutmaßlichen Arbeitsverdienst und Gesamteinkommen (hier: Erwerbsunfähigkeitsrente und Berufsschadensausgleich) im Durchschnitt nicht mehr als 20 vH betragen, ist eine außergewöhnliche berufliche Schädigung und damit eine MdE-Erhöhung um mehr als 10 vH abzulehnen (vergleiche BSG 1970-10-22 9 RV 736/69 = VersorgB 1971, 53.
Normenkette
BVG § 30 Abs. 2; SGG § 54 Abs. 2 S. 2
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 31. Januar 1974 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Revisionsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
Bei dem im Jahre 1910 geborenen Kläger ist eine "Lungentuberkulose" als Schädigungsfolge im Sinne der Verschlimmerung anerkannt. Für die Zeit vom 1. März 1967 bis 31. Juli 1970 bezog er eine Versorgungsrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 100 v. H. Durch Neufeststellungsbescheid vom 1. Juni 1970 wurde die Rente vom 1. August 1970 an auf 80 v. H. herabgesetzt. Hierbei wurde ein besonderes berufliches Betroffensein mit einer MdE um 10 v. H. berücksichtigt, weil der Kläger wegen der anerkannten Schädigungsfolgen vorzeitig aus dem Erwerbsleben ausscheiden mußte.
Der Kläger war von 1930 bis 1938 Musiker. Nach dem Kriege war er von 1948 bis März 1967 als Werkmeister tätig; zuletzt hatte er ein Bruttoeinkommen von 900,- DM monatlich. Seit dem 1. November 1967 erhält er von der Seekasse - Rentenversicherung für Seeleute - eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit (EU). Diese Rente betrug im Jahre 1970 588,20 DM, ab Januar 1971 620, 20 DM und ab Januar 1972 659,20 DM. Außerdem erhält der Kläger einen Berufsschadensausgleich (ab August 1970 264,- DM, ab Januar 1971 391,- DM und ab Januar 1972 382,- DM monatlich).
Gegen den Neufeststellungsbescheid erhob der Kläger Widerspruch und machte u. a. geltend, die besondere berufliche Betroffenheit habe mit einer MdE um 10 v. H. keine ausreichende Berücksichtigung erfahren. Das Landesversorgungsamt wies den Widerspruch durch Bescheid vom 26. November 1970 zurück. Das Sozialgericht (SG) hat die Klage durch Urteil vom 28. November 1972 abgewiesen. Das Landessozialgericht (LSG) hat die - vom SG zugelassene - Berufung des Klägers durch Urteil vom 21. Januar 1974 zurückgewiesen. In den Entscheidungsgründen wird ausgeführt, der Beklagte habe das Vorliegen eines besonderen beruflichen Betroffenseins mit einer MdE um 10 v. H. anerkannt. Eine Erhöhung der MdE über diesen Prozentsatz hinaus komme nur in Betracht, wenn die berufliche Schädigung außergewöhnlich sei. Bei Prüfung dieser Frage dürfe die Sozialversicherungsrente (SV-Rente) nicht unberücksichtigt bleiben. Das Bundessozialgericht (BSG) habe zwar wiederholt entschieden, daß SV-Renten in derartigen Fällen nicht in den Einkommensvergleich einzubeziehen seien. Dies könne nach Auffassung des LSG jedoch nur dann gelten, wenn eine SV-Rente neben Arbeitseinkommen gezahlt werde. Der Kläger habe jedoch nur Rente wegen EU bezogen, die einem Altersruhegeld gleichzusetzen sei. In dem hier streitigen Zeitraum ab August 1970 habe das Mindereinkommen des Klägers bei einem Vergleich zwischen dem mutmaßlichen Arbeitsverdienst und dem tatsächlichen Einkommen (EU-Rente und Berufsschadensausgleich) im Durchschnitt nicht mehr als 20 v. H. betragen. Dieser Minderverdienst sei mit einer Erhöhung der MdE um 10 v. H. ausreichend bewertet.
Das LSG hat die Revision zugelassen.
Der Kläger hat gegen dieses Urteil form- und fristgerecht Revision eingelegt und diese auch rechtzeitig begründet (§§ 164, 166 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -).
Der Kläger beantragt,
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1. |
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unter Aufhebung des Urteils des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 31. Januar 1974 und des Urteils des Sozialgerichts Hannover vom 28. November 1972 sowie des Bescheides des Beklagten vom 1. Juni 1970 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 26. November 1970 den Beklagten zu verurteilen, dem Kläger ab 1. August 1970 wegen der anerkannten Schädigungsfolge unter Berücksichtigung einer höheren besonderen beruflichen Betroffenheit Rente nach einer MdE um 90 v. H. zu gewähren; |
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2. |
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den Beklagten ferner zu verurteilen, dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten des Klage-, Berufungs- und Revisionsverfahrens zu erstatten. |
In seiner Revisionsbegründung rügt der Kläger eine Verletzung des § 30 Abs. 2 Satz 2 Buchst. a des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) und macht dazu geltend, die bereits anerkannte berufliche Betroffenheit müsse um weitere 10 v. H. erhöht werden. Die außergewöhnliche berufliche Schädigung könne nicht ausschließlich an der Höhe des schädigungsbedingten Minderverdienstes gemessen werden und somit allein von finanziellen Erwägungen abhängig sein. Wenn bereits die teilweise Behinderung im Beruf oder die Verhinderung eines weiteren beruflichen Aufstiegs als besondere berufliche Betroffenheit im Sinne des § 30 Abs. 2 BVG die Erhöhung der MdE um 10 v. H. rechtfertige, dann könne es nicht fehlerhaft sein, die als Folge der Schädigung eingetretene absolute Verhinderung jeglicher Berufstätigkeit und die dadurch gegebene Erwerbsunfähigkeit als ein außergewöhnliches berufliches Betroffensein zu klassifizieren und dieses Ergebnis mit einer MdE um wenigstens 20 v. H. zu berücksichtigen. Aber selbst bei anderer Rechtsauffassung erweise sich die Entscheidung des LSG als fehlerhaft, weil sie dem Einkommen des Klägers unzulässigerweise die EU-Rente aus der Rentenversicherung (RV) hinzugerechnet habe. Das BSG habe wiederholt entschieden, daß bei der Prüfung der Frage, ob eine besondere berufliche Betroffenheit i. S. des § 30 Abs. 2 BVG wegen eines schädigungsbedingten Minderverdienstes anzunehmen sei, die dem Beschädigten wegen der Schädigungsfolgen aus der gesetzlichen RV gewährte Rente nicht in den Einkommensvergleich einbezogen werden dürfe. In Fällen, in denen der Beschädigte - wie der Kläger - neben SV-Rente kein Arbeitseinkommen mehr beziehe, sei die Notwendigkeit der Nichtberücksichtigung der SV-Rente sogar noch dringender, weil der Beschädigte wegen des fehlenden Arbeitseinkommens durch die Anrechnung besonders hart und ungerecht getroffen würde. Die vorzeitige EU-Rente beruhe zweifellos auf den von dem Beschädigten und seinem Arbeitgeber gezahlten Versicherungsbeiträgen und würde daher im Falle ihrer Anrechnung den Schädiger auf Kosten des Geschädigten ungerechtfertigt entlasten. Die vom LSG an den Bezug von Altersruhegeld geknüpften Überlegungen müßten hier unbeachtlich bleiben. Ohne die Berücksichtigung der dem Kläger gewährten EU-Rente hätte sich eine wesentlich größere Belastung des Klägers ergeben. Dem mutmaßlichen Einkommen des Klägers hätte dann nicht ein monatlicher Einkommensverlust von nur 200,- DM, sondern ein solcher von über 800,- DM gegenübergestanden.
Der Beklagte beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Er hält das Urteil des LSG für zutreffend und trägt weiter vor, nach der in Lehre und Rechtsprechung übereinstimmend vertretenen Meinung sei eine besondere berufliche Betroffenheit in solchen finanziellen und wirtschaftlichen Nachteilen zu erblicken, die sich in der Lebensführung des Betroffenen erheblich auswirkten. § 30 Abs. 2 verbiete es nicht, die SV-Rente zu berücksichtigen. Die Nichtanrechnung dieser Rente würde in nahezu jedem Falle einen erheblichen finanziellen Ausfall ergeben.
Entscheidungsgründe
Die durch Zulassung gemäß § 162 Abs. 1 Nr. 1 SGG statthafte Revision ist nicht begründet.
Der Beklagte hat in dem Neufeststellungsbescheid vom 1. Juni 1970 das Vorliegen eines besonderen beruflichen Betroffenseins i. S. des § 30 Abs. 2 BVG bei dem Kläger anerkannt, weil dieser wegen der anerkannten Schädigungsfolgen vorzeitig aus dem Erwerbsleben ausgeschieden ist, und die aus medizinischen Gründen mit 70 v. H. bewertete MdE um 10 v. H. auf 80 v. H. erhöht. Im Streit ist lediglich noch die Frage, ob dieser Prozentsatz auf 20 v. H. und dementsprechend die Gesamt-MdE auf 90 v. H. erhöht werden muß. Dieser Streit beschränkt sich auf den Zeitraum seit dem Inkrafttreten des Neufeststellungsbescheides, d. h. seit dem 1. August 1970, da der Kläger bis zum 31. Juli 1970 die Rente eines Erwerbsunfähigen (100 v. H., vgl. § 31 Abs. 3 BVG) bezogen hat.
Nach § 30 Abs. 2 BVG - dessen Fassung seit dem 3. Neuordnungsgesetz - NOG - vom 28. Dezember 1966, BGBl I S. 750, unverändert geblieben ist -, "ist" die MdE höher zu bewerten, wenn der Beschädigte durch die Art der Schädigungsfolgen in seinem vor der Schädigung ausgeübten oder begonnenen Beruf, in seinem nachweisbar angestrebten oder in dem Beruf besonders betroffen ist, den er nach Eintritt der Schädigung ausgeübt hat oder noch ausübt. Schon aus dem Gesetzeswortlaut geht hervor, daß es sich insoweit nicht um eine Ermessensentscheidung der Versorgungsverwaltung handelt, sondern daß diese bei Vorliegen der besonderen Voraussetzungen des § 30 Abs. 2 BVG verpflichtet ist, die nach § 30 Abs. 1 BVG ermittelte MdE zu erhöhen. Das Gesetz enthält allerdings keine eindeutige Regelung, um welchen Prozentsatz die MdE im Einzelfall höher zu bewerten ist. Ebensowenig bestehen allgemeine Hinweise oder Richtlinien, wie sie in der Verwaltungsvorschrift (VV) Nr. 4 zu § 30 Abs. 1 BVG und in den "Anhaltspunkten für die Ärztliche Gutachtertätigkeit im Versorgungswesen" niedergelegt sind, um eine möglichst einheitliche Bewertung von Gesundheitsschäden zu ermöglichen (vgl. BSG 29, 41). Die Feststellung des Grades der Erhöhung bedarf daher der Schätzung (vgl. BSG 4, 147); diese obliegt in erster Linie der Versorgungsbehörde. Ihre Einschätzung kann von den SGen nur in dem eingeschränkten Rahmen des § 54 Abs. 2 Satz 2 SGG überprüft werden. Dabei ist vom Revisionsgericht insbesondere zu prüfen, ob die Versorgungsbehörde und die Tatsachengerichte von zutreffenden rechtlichen Erwägungen bei der Höherbewertung der MdE ausgegangen sind.
Dem Kläger ist darin zuzustimmen, daß im Rahmen des § 30 Abs. 2 BVG eine rein schematische Höherbewertung der MdE um 10 v. H. - z. B. bei einem Zwang zur Aufgabe jeder Erwerbstätigkeit - nicht zulässig ist (s. auch BSG 23, 253). Wenn der Gesetzgeber eine derartige Rechtsfolge beabsichtigt hätte, dann hätte dies im Gesetz eindeutig zum Ausdruck gebracht werden müssen. Allerdings führt auch nicht jede berufliche Einschränkung oder Benachteiligung zu einer Erhöhung der MdE. Nach dem Gesetzeswortlaut kommt eine Erhöhung nur dann in Betracht, wenn der Beschädigte in seinem Beruf "besonders" betroffen ist, d. h. wenn er "erheblich größere Nachteile" als im allgemeinen Erwerbsleben hinnehmen muß (vgl. BSG 29, 139 = SozR BVG Nr. 37 zu § 30). In dieser Entscheidung hat der erkennende Senat ausgesprochen, daß ein erheblicher wirtschaftlicher Nachteil als Ausdruck einer besonderen Berufsbetroffenheit im Regelfall nur dann vorliegt, wenn der Minderverdienst etwa 20 v. H. erreicht oder wenn wegen der geringen Höhe des Einkommens dennoch der Minderverdienst von erheblicher Bedeutung für den Betroffenen ist. - Lediglich erläuternd soll darauf hingewiesen werden, daß ein besonderes berufliches Betroffensein auch dann vorliegen kann, wenn ein Beschädigter zwar seinen früheren Beruf trotz der Schädigung weiterhin ausübt und auch keinen Minderverdienst gegenüber gesunden Angehörigen dieses Berufes hat, seine Arbeit jedoch nur unter außergewöhnlicher Energie und unter Gefährdung seiner Gesundheit weiter verrichten kann (vgl. BSG 13, 20). - Im Regelfall wird aber die Verdiensteinbuße einen brauchbaren Maßstab für das Vorliegen und den Umfang einer beruflichen Schädigung geben können (vgl. BSG aaO). Erfordert aber die Höherbewertung der MdE nach § 30 Abs. 2 BVG um 10 v. H. bereits "besondere" berufliche Nachteile, dann kann ein Zuschlag um mehr als 10 v. H. nur in Betracht kommen, wenn die berufliche Schädigung "außergewöhnlich groß" ist (vgl. Urteil BSG vom 22. Oktober 1970 - 9 RV 736/69 -). Das trifft bei dem Kläger nicht zu.
Nach den Feststellungen des LSG hat der Kläger, nachdem er bereits den vor dem Kriege ausgeübten Beruf eines Musikers wegen der Schädigungsfolgen aufgegeben hatte, auch den nach dem Kriege ausgeübten und als sozial gleichwertig anzusehenden Beruf eines Angestellten (Werkmeister) wegen einer Verschlimmerung der als Schädigungsfolge anerkannten Lungentuberkulose aufgeben müssen. Der Fall des Klägers ist also nach § 30 Abs. 2 Satz 2 Buchst. a BVG zu beurteilen. In dieser Vorschrift werden allerdings nur die Fälle direkt angesprochen, in denen der Beschädigte infolge der Schädigung "weder seinen bisher ausgeübten, begonnenen oder den nachweisbar angestrebten noch einen sozial gleichwertigen Beruf ausüben kann". Dem Beschädigten wird insoweit, wie insbesondere die letzte Alternative zeigt, ein "Berufsschutz" zugebilligt. Ist aber eine Erhöhung der MdE bereits dann vorzunehmen, wenn ein sozial gleichwertiger Beruf nicht mehr ausgeübt werden kann, dann ist dem Kläger auch darin zuzustimmen, daß der Zwang zur Aufgabe jeder Erwerbstätigkeit infolge der Schädigungsfolgen zu einer außergewöhnlichen beruflichen Schädigung - mit der Folge, daß die MdE um mehr als 10 v. H. zu erhöhen ist - führen kann. Das Ausmaß dieser Schädigung kann aber wiederum nur beurteilt werden, wenn die wirtschaftlichen und sonstigen Nachteile des Beschädigten in Betracht gezogen werden (vgl. BSG 29, 139). Dabei sind neben dem Alter und den persönlichen und beruflichen Verhältnissen des Betroffenen insbesondere seine Einkommensverhältnisse zu berücksichtigen.
Als Einkünfte stehen dem Kläger nach den Feststellungen des LSG seine von der Seekasse gezahlte EU-Rente und der von der Versorgungsverwaltung gezahlte Berufsschadensausgleich zur Verfügung. - Die Grundrente aus der KOV hat grundsätzlich unberücksichtigt zu bleiben (vgl. BSG SozR BVG Nr. 39 zu § 30). - Der 9. Senat des BSG hat zwar wiederholt entschieden, daß eine Rente, die der Beschädigte aus der gesetzlichen RV bezieht und die ihm wegen der Schädigungsfolgen zuerkannt ist, im Rahmen der Prüfung nach § 30 Abs. 2 BVG nicht, insbesondere nicht im Wege der Vorteilsausgleichung, anzurechnen ist (vgl. BSG 15, 223; SozR BVG Nr. 39 zu § 30; Urteile vom 11. Juni 1970 - 9 RV 416/69 - und vom 8. Juli 1970 - 9 RV 304/69 -). Der erkennende Senat trägt Bedenken, ob diese Rechtsprechung weiterhin aufrechterhalten werden kann; einer Anfrage an den 9. Senat bedurfte es jedoch im vorliegenden Rechtsstreit nicht. Sämtliche vom 9. Senat entschiedenen Fälle waren nämlich dadurch gekennzeichnet, daß der Beschädigte weiterhin im Erwerbsleben stand und Arbeitslohn erhielt und lediglich daneben eine Rente aus der gesetzlichen RV bezog. Dagegen ist der Kläger des vorliegenden Verfahrens aus dem Erwerbsleben ausgeschieden und auf die EU-Rente als einziges Einkommen - mit Ausnahme der Versorgungsbezüge - angewiesen. In Fällen dieser Art würde es überhaupt an einem Vergleichsmaßstab für die Beurteilung der wirtschaftlichen Situation des Beschädigten fehlen, wenn die SV-Renten, die seit der Rentenreform von 1957 recht erheblich sein können, außer Betracht blieben. In nahezu allen Fällen würde sich ein erheblicher finanzieller Ausfall ergeben, der eine prozentuale Staffelung der MdE kaum noch zuließe. Ferner kommt jedenfalls der EU-Rente eine "Lohnersatzfunktion" zu, denn sie soll den Rentner befähigen, von der Rente - statt vom Arbeitslohn - seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Die frühere Beitragszahlung durch den Rentner steht der Anrechnung insoweit nicht entgegen, denn auch die Beamtenpension - deren Berücksichtigung unbestritten ist - wird als "selbstverdientes" Ruhegehalt angesehen.
Entscheidend ist aber nach Auffassung des Senats ein weiterer Gesichtspunkt: Gemäß § 30 Abs. 5 bzw. Abs. 6 BVG ist der durch die Erhöhung gemäß § 30 Abs. 2 BVG erzielte Mehrbetrag der Grundrente auf den Berufsschadensausgleich anzurechnen. Das bedeutet, daß dem Beschädigten eine Rentenerhöhung nach § 30 Abs. 2 BVG finanziell nicht zugute kommt, wenn er - wie der Kläger - einen darüber hinausgehenden Berufsschadensausgleich erhält. Andererseits bestimmt aber § 9 der Durchführungsverordnung (DVO) zu § 30 Abs. 3 und 4 BVG, daß als derzeitiges Bruttoeinkommen alle Einnahmen in Geld oder Geldeswert gelten und daß zu den Einnahmen aus früherer unselbständiger oder selbständiger Tätigkeit insbesondere "Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung" gehören. Vom wirtschaftlichen Ergebnis, von der Konzeption des Gesetzes und der finanziellen "Verzahnung" zwischen § 30 Abs. 2 und § 30 Abs. 3 und 4 BVG her gesehen erscheint es wenig sinnvoll oder geradezu widersprüchlich, bei der Ermittlung des Einkommensverlustes nach § 30 Abs. 3 und 4 BVG kraft ausdrücklicher Vorschrift die Rente aus der gesetzlichen RV zu berücksichtigen - mit der Folge, daß der Berufsschadensausgleich entsprechend niedriger festgesetzt wird -, während andererseits die gezahlte EU-Rente bei der Bewertung des Grades der MdE nach § 30 Abs. 2 BVG nicht berücksichtigt werden soll, obwohl der bei dieser Berechnung erzielte Mehrbetrag auf den Berufsschadensausgleich in voller Höhe angerechnet werden muß. In Fällen der vorliegenden Art kann daher das Ausmaß der "besonderen" oder "außergewöhnlichen" beruflichen Betroffenheit nur dann richtig beurteilt werden, wenn auch die an den Beschädigten gezahlte EU-Rente mit berücksichtigt wird. Eine Abweichung von der oben erwähnten Rechtsprechung des 9. Senats i. S. des § 42 SGG liegt insoweit nicht vor, da der 9. Senat über anders gelagerte Sachverhalte zu entscheiden hatte und mit dem hier maßgebenden Problem nicht befaßt war.
Nach den Feststellungen des LSG, die vom Kläger mit Revisionsrügen nicht angegriffen und daher für den Senat bindend sind (vgl. § 163 SGG), hat der Minderverdienst des Klägers bei einem Vergleich zwischen seinem mutmaßlichen Arbeitsverdienst und seinem Gesamteinkommen (EU-Rente und Berufsschadensausgleich) in dem hier maßgebenden Zeitraum von August 1970 bis Ende 1973 im Durchschnitt nicht mehr als 20 v. H. betragen. Eine außergewöhnliche berufliche Schädigung, die für eine weitere Erhöhung des MdE-Grades nach § 30 Abs. 2 BVG erforderlich wäre (vgl. Urteil BSG vom 22.10.1970 - 9 RV 736/69-), ist daher von der Versorgungsverwaltung und vom LSG zu Recht abgelehnt worden.
Ein anderes Ergebnis ist auch nicht deshalb gerechtfertigt, weil der Kläger, wie er vorträgt, wegen seines vorzeitigen Ausscheidens aus dem Erwerbsleben mit einem niedrigeren Altersruhegeld rechnen muß. Nach der übereinstimmenden Rechtsprechung der KOV-Senate des BSG (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 16.10.1974 - 10 RV 615/73 - und Urteil des 9. Senats vom 17.10.1974 - 9/8 RV 593/72 -) ist ein Berufsschadensausgleich auch dann zu gewähren, wenn das Renteneinkommen (Pensionseinkommen) durch die Schädigungsfolgen gemindert ist. Damit ist aber in der KOV eine Berücksichtigung der beruflichen Schädigung auch über das 65. Lebensjahr hinaus gewährleistet (vgl. auch Urteil des erkennenden Senats BSG 36, 21 = SozR BVG Nr. 66 zu § 30).
Die Revision des Klägers erweist sich daher als unbegründet und muß zurückgewiesen werden (§ 170 Abs. 1 Satz 1 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen