Leitsatz (amtlich)

Die qualitative Bewertung des bisherigen Berufes darf nur nach den zZt seiner Ausübung maßgebenden Kriterien vorgenommen werden; nachträgliche Änderungen der Bewertungsmaßstäbe haben außer Betracht zu bleiben. Für die qualitative Bewertung der Verweisungstätigkeiten sind hingegen die Verhältnisse im Zeitpunkt der Rentenantragstellung maßgebend.

 

Normenkette

RVO § 1246 Abs. 2 S. 2 Fassung: 1957-02-23

 

Verfahrensgang

LSG für das Saarland (Entscheidung vom 01.12.1977; Aktenzeichen L 1 J 38/77)

SG für das Saarland (Entscheidung vom 11.07.1977; Aktenzeichen S 10/14 J 137/76)

 

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts für das Saarland vom 1. Dezember 1977 aufgehoben.

Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

 

Tatbestand

Streitig ist ein Anspruch des Klägers auf Gewährung einer Versichertenrente wegen Berufsunfähigkeit (BU-Rente).

Der am 11. September 1921 geborene Kläger erlernte das Schmiedehandwerk und war bis 1941 in diesem Beruf als Geselle tätig. Nach Kriegsdienst und Gefangenschaft war er zunächst wiederum 2 Monate lang bei den Saarbergwerken als Schmied und sodann bis 1947 in der Brückenmeisterei bei der Deutschen Bundesbahn beschäftigt. Danach schlug er die Lokomotivführerlaufbahn ein. Er erlernte zunächst das Reparieren von Lokomotiven und war später im Arbeitsverhältnis als Hilfsheizer tätig. Am 1. November 1954 wurde er zum Beamten ernannt. Mit Ablauf des 31.Januar 1977 trat er in den Ruhestand.

Seinen Antrag vom 29. September 1976 auf Gewährung einer Versichertenrente lehnte die Beklagte aufgrund eines Gutachtens der Bahnärztin Dr. T vom 18. Oktober 1976 mit Bescheid vom 15. November 1976 ab, weil die Erwerbsfähigkeit des Klägers durch die bei ihm bestehenden Gesundheitsstörungen zwar gemindert, er jedoch noch imstande sei, mittelschwere Arbeiten in dem vor Übernahme in das Beamtenverhältnis hauptsächlich ausgeübten Beruf des Schmiedes auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vollschichtig zu verrichten.

Das Sozialgericht (SG) für das Saarland hat nach Erhebung eines Gutachtens des Facharztes für innere Krankheiten Dr. Z in F vom 18. Mai 1977 die Klage abgewiesen (Urteil vom 11. Juli 1977). Das Landessozialgericht (LSG) hat ein Gutachten des Chefarztes der Orthopädischen Klinik des R Krankenhauses ... in S, Prof. Dr. F, vom 20. Oktober 1977 eingeholt und sodann die Berufung des Klägers zurückgewiesen (Urteil vom 1. Dezember 1977). Zur Begründung hat es ausgeführt:

Der Kläger sei nicht berufsunfähig. Nach den Feststellungen im Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. F könne er noch leichte bis mittelschwere Tätigkeiten vollschichtig verrichten. Damit sei er noch in der Lage, auch gehobene Hilfsarbeitertätigkeiten auszuführen. Bei dieser Sachlage könne dahinstehen, ob der Kläger als gelernter Schmied, der sich von diesem Beruf gelöst habe, um beamteter Lokomotivführer zu werden, auf den gesamten allgemeinen Arbeitsmarkt oder nur auf die herausgehobenen Tätigkeiten der unteren Berufsgruppe verwiesen werden könne. Denn er könne neben den vom SG genannten Arbeiten eines Aufsehers, Verwiegers oder Schaltpultwärters mindestens auch noch als Schiebebühnenführer, Wärter von elektrischen oder maschinellen Anlagen oder als Gepäckscheinsortierer arbeiten. Auch bei diesen Tätigkeiten handele es sich um herausgehobene Arbeiten im Bahnbetrieb, die Zuverlässigkeit, besondere Verantwortung oder Genauigkeit erforderten und dem Kläger deshalb zuzumuten seien.

Auf die Beschwerde des Klägers hat der Senat die Revision zugelassen. Der Kläger hat dieses Rechtsmittel eingelegt. Er rügt sinngemäß eine Verletzung des § 1246 der Reichsversicherungsordnung (RVO). Er habe auf der Höhe seines versicherungspflichtigen Arbeitslebens die Tätigkeit des Formschmiedes verrichtet und sei somit als qualifizierter Facharbeiter nach dem Tarifvertrag der Deutschen Bundesbahn einzuordnen. Daß er im Rahmen seiner Ausbildung zum Lokomotivführer als Heizer eingesetzt worden sei, sei für die Beurteilung des Versicherungsfalls und insbesondere der Verweisbarkeit unbedeutend, weil dies innerhalb einer Laufbahnausbildung geschehen und die Tätigkeit der Lohngruppe II (Beamtendienst, Triebwagenführer) zugeordnet gewesen sei. Entgegen der Auffassung des LSG könne er - der Kläger - nicht mehr als Führer von Diesel- oder Elektrolokomotiven eingesetzt werden. Dem stehe die Zurruhesetzung in diesem Amt durch die Deutsche Bundesbahn entgegen. Im übrigen müßten versicherungsfreie Tätigkeiten bei der Prüfung der Frage der Verweisbarkeit ausscheiden. Entgegen der Auffassung des LSG habe er sich durch Aufnahme der Tätigkeit eines Lokheizers nicht von seinem Beruf des Formschmiedes gelöst. Er habe diese Tätigkeit lediglich vorübergehend ausgeübt, weil sie Voraussetzung für die Übernahme in die Lokomotivführerlaufbahn gewesen sei. Auf Tätigkeiten als Schiebebühnenführer, Wärter usw könne er nicht verwiesen werden. Insofern habe das LSG versäumt, die zumutbaren Tätigkeiten nach den in den Urteilen des Bundessozialgerichts (BSG) vom 20. Januar 1976 - 5/12 RJ 132/75 - und vom 30. März 1977 - 5 RJ 98/76 - erläuterten Kriterien abzugrenzen. Die genannten Tätigkeiten höben sich nach ihrer tariflichen Einstufung aus dem Kreise der ungelernten Tätigkeiten nicht besonders hervor und hätten auch keine besondere Beziehung zu dem erlernten Beruf des Formschmiedes. Schließlich habe das LSG sein Urteil auf eine nur dem Vorsitzenden Richter, nicht jedoch seinem - des Klägers - Prozeßbevollmächtigten gegenüber abgegebene telefonische Erklärung des Facharztes für Orthopädie Dr. K gestützt, die ärztlich diagnostizierten Erwerbsbeschränkungen nicht berücksichtigt und die Einholung eines berufskundlichen Gutachtens unterlassen.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

die Urteile des Landessozialgerichts für das Saarland vom 1. Dezember 1977 und des Sozialgerichts für das Saarland vom 11. Juli 1977 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 15. November 1976 zu verurteilen, ihm ab Antragsmonat Versichertenrente wegen Berufsunfähigkeit zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie trägt vor, der Kläger habe sich mit dem Wechsel in den Hilfslokheizerdienst von seinem Beruf gelöst, ohne daß dafür gesundheitliche Gründe maßgebend gewesen seien, und sich einer versicherungspflichtigen Tätigkeit zugewandt, die allenfalls der Gruppe mit dem Leitberuf des "angelernten Arbeiters" zugerechnet werden könne. Er müsse sich daher ohne weiteres auf Tätigkeiten der Gruppe mit dem Leitberuf des "ungelernten Arbeiters" verweisen lassen. Zumindest komme eine Verweisung auf herausgehobene Tätigkeiten dieser Gruppe in Betracht, selbst wenn die Tätigkeit des Klägers als Hilfslokheizer dem Beruf des Facharbeiters zuzuordnen sei. Die Verweisungstätigkeiten könne der Kläger nach seinem Gesundheitszustand vollschichtig ausüben.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung nach § 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) einverstanden erklärt.

 

Entscheidungsgründe

Die durch den erkennenden Senat zugelassene und somit statthafte Revision des Klägers ist zulässig und im Sinne einer Zurückverweisung des Rechtsstreits an das LSG begründet.

Streitig ist der vom Kläger erhobene Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen Berufsunfähigkeit. Rechtsgrundlage dieses Anspruchs ist § 1246 RVO. Hiernach erhält Rente wegen Berufsunfähigkeit der Versicherte, der berufsunfähig ist, wenn die Wartezeit erfüllt ist (§ 1246 Abs 1 RVO). Berufsunfähig ist ein Versicherter, dessen Erwerbsfähigkeit infolge von Krankheit oder anderen Gebrechen oder Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte auf weniger als die Hälfte derjenigen eines körperlich und geistig gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten herabgesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit eines Versicherten zu beurteilen ist, umfaßt alle Tätigkeiten, die seinen Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihm unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs seiner Ausbildung sowie seines bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen seiner bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können (§ 1246 Abs 2 Sätze 1 und 2 RVO).

Ob die Voraussetzungen dieser Vorschrift in der Person des Klägers erfüllt sind, läßt sich noch nicht abschließend entscheiden. Vielmehr bedarf es hierfür zusätzlicher tatsächlicher Feststellungen.

Nicht durchgreifen kann die Rüge des Klägers, das LSG habe seine Entscheidung durch Berücksichtigung der telefonischen Auskunft des Facharztes für Orthopädie Dr. K auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt, zu denen sich die Beteiligten nicht hätten äußern können. Die telefonische Unterredung mit dem Facharzt Dr. K ist ausweislich der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vor dem SG vom 11. Juli 1977 bereits von dessen Vorsitzenden geführt worden. Ein etwa darin liegender Verfahrensmangel (vgl §§ 62, 128 Abs 2 SGG) haftet jedenfalls dem Verfahren des Berufungsgerichts nicht an. Fehl geht auch die Rüge des Klägers, das LSG habe ihn noch für fähig erachtet, als Führer von Diesel- oder Elektrolokomotiven eingesetzt zu werden. Dies trifft nicht zu. Das LSG hat insoweit in dem angefochtenen Urteil (S. 6) auf die diesbezüglichen Ausführungen im Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. F vom 20. Oktober 1977 lediglich Bezug genommen. Es hat sie aber seiner Entscheidung nicht zugrundegelegt, sondern hinsichtlich der Verweisbarkeit des Klägers eigene und andere Erwägungen angestellt (vgl S.7 des angefochtenen Urteils).

Hingegen hat sich das LSG der Feststellung im Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. F vom 20. Oktober 1977 angeschlossen, daß der Kläger "seine frühere Tätigkeit als Schmied oder auch als Heizer nicht mehr ausüben" könne. Es hat somit dahinstehen lassen, ob bisheriger Beruf des Klägers im Sinne des § 1246 Abs 2 Satz 2 RVO derjenige des Schmiedes oder derjenige des Heizers gewesen ist. Dies darf jedoch nicht unentschieden bleiben. Denn der "bisherige Beruf" ist entscheidend für die Bestimmung des Kreises der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit des Versicherten zu beurteilen ist (vgl BSGE 43, 243, 244; BSG SozR 2200 § 1246 Nr 29). Als bisheriger Beruf kann grundsätzlich nur eine pflichtversicherte Beschäftigung oder Tätigkeit angesehen werden, weil nur der pflichtversicherte Beruf das nach § 1246 RVO versicherte Risiko bestimmt (BSGE 41, 129, 130; vgl auch BVerfGE 47, 168, 176 ff = SozR 2200 § 1246 Nr 28). Dabei ist unter der Voraussetzung, daß sie nicht nur vorübergehend vollwertig ausgeübt worden ist, grundsätzlich von der zuletzt ausgeübten pflichtversicherten Beschäftigung oder Tätigkeit auszugehen (BSGE 41, 129, 130; BSG SozR 2200 § 1246 Nr 29 mwN). Sie hat lediglich dann außer Betracht zu bleiben, wenn der Versicherte sie aus gesundheitlichen und damit gerade aus jenen Gründen, für die die gesetzliche Rentenversicherung einzustehen hat, ergriffen und deswegen eine frühere rentenversicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit aufgegeben hat. In diesem Falle liegt im rentenrechtlichen Sinne eine Lösung von dem früher ausgeübten Beruf nicht vor (BSGE 2, 182, 187; 15, 212, 214; 38, 14, 15; BSG SozR Nr 33 zu § 1246 RVO; 2200 § 1246 Nr 29).

Unter Anlegung dieser rechtlichen Kriterien ist als bisheriger Beruf des Klägers derjenige des Hilfslokheizers anzusehen. Nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG hat der Kläger im Jahre 1947 die Lokomotivführerlaufbahn eingeschlagen, zunächst das Reparieren von Lokomotiven erlernt und sodann bis zu seiner Ernennung zum Beamten als Hilfsheizer im Arbeitsverhältnis gestanden. Diese für das Revisionsgericht bindenden tatsächlichen Feststellungen (§ 163 SGG) lassen die rechtliche Schlußfolgerung zu, daß bisheriger Beruf des Klägers seine bis zur Übernahme in das versicherungsfreie Beamtenverhältnis (vgl § 1235 Nr 1 RVO in der im Jahre 1954 maßgebenden Fassung) ausgeübte versicherungspflichtige Beschäftigung als Hilfslokheizer ist.

Diese Beschäftigung kann der Kläger nach den Feststellungen des LSG aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr ausüben. Damit stellt sich die Frage, ob und gegebenenfalls auf welche anderen Tätigkeiten der Kläger unter Verneinung von Berufsunfähigkeit zumutbar verwiesen werden kann. Hierzu muß das Berufungsgericht ergänzende tatsächliche Feststellungen treffen.

Wie der Senat in seinem Urteil vom 15. März 1978 (BSG SozR 2200 § 1246 Nr 29) im Anschluß an die Rechtsprechung des 4. Senats (BSG SozR 2200 § 1246 Nr 27) und des 5. Senats des BSG (BSGE 43, 243, 244 = SozR 2200 § 1246 Nr 16; BSGE 44, 288, 291 = SozR 2200 § 1246 Nr 23; BSG SozR 2200 § 1246 Nr 21) ausgeführt hat, bestimmt sich der Kreis der Tätigkeiten, die einem Versicherten im Sinne des § 1246 Abs 2 Satz 2 RVO zugemutet werden können, hauptsächlich nach dem qualitativen Wert seines bisherigen Berufs im Betrieb. Dieser qualitative Wert wird relativ zuverlässig durch die tarifliche Einstufung widergespiegelt. Sie ist demnach ein geeignetes Hilfsmittel zur Feststellung der Qualität des bisherigen Berufes und damit zugleich der nach § 1246 Abs 2 Satz 2 RVO "zumutbaren" Verweisung des Versicherten auf andere Tätigkeiten. Dabei ist zu berücksichtigen, daß sich in der Berufswelt auf der Grundlage der tariflichen Bewertung mehrere Gruppen von Arbeiterberufen auffinden lassen, welche durch "Leitberufe" - die des Vorarbeiters mit Leitungsfunktion, des Facharbeiters, des angelernten Arbeiters und des ungelernten Arbeiters - charakterisiert werden. Zumutbar im Sinne des § 1246 Abs 2 Satz 2 RVO sind dem Versicherten im allgemeinen nur Tätigkeiten der jeweils nächstunteren Gruppe, soweit sie ihn weder nach seinem beruflichen Wissen und Können noch bezüglich seiner gesundheitlichen Kräfte überfordern.

Auf der Grundlage dessen bedarf es zunächst der Feststellung der tariflichen Einstufung der Tätigkeit des Klägers als Hilfslokheizer. Dabei ist insoweit nicht von den gegenwärtig geltenden Verhältnissen und Tarifverträgen auszugehen. Maßgebend ist vielmehr die tarifliche Einstufung des bisherigen Berufes zur Zeit seiner Ausübung, im Falle des Klägers also unmittelbar vor seiner Übernahme in das Beamtenverhältnis am 1. November 1954. Denn es liegt im Wesen einer qualitativen Bewertung des "bisherigen" Berufes, daß sie nur nach den zur Zeit seiner Ausübung maßgebenden Kriterien vorgenommen werden kann und nachträglich eingetretene Änderungen der Bewertungsmaßstäbe außer Betracht bleiben müssen. Die Feststellung der tariflichen Einstufung des bisherigen Berufes liegt im wesentlichen auf tatsächlichem Gebiet. Sie ist damit dem Senat verwehrt. Das LSG wird sie nachzuholen haben. Bereits aus diesem Grunde ist der Rechtsstreit unter Aufhebung des angefochtenen Urteils an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG).

Dies ist auch aus einem weiteren Grunde geboten. Das LSG (S. 7 des angefochtenen Urteils) ist davon ausgegangen, daß der Kläger jedenfalls auf die herausgehobenen Tätigkeiten der unteren Berufsgruppe verwiesen werden und insofern als Schiebebühnenführer, Wärter von elektrischen oder maschinellen Anlagen oder als Gepäckscheinsortierer arbeiten könne. Für eine solche Entscheidung hat es jedoch an ausreichenden Grundlagen gefehlt. Die Bestimmung des Kreises der zumutbaren Verweisungstätigkeiten setzt notwendigerweise die Feststellung des in der tariflichen Einstufung zum Ausdruck kommenden qualitativen Wertes des bisherigen Berufes voraus. Diese Feststellung hat das Berufungsgericht bisher nicht getroffen. Aber selbst wenn nach dem Ergebnis der nachzuholenden Feststellungen der Kläger auf herausgehobene Tätigkeiten der unteren Berufsgruppe verwiesen werden könnte, so sind diese nach anderen als den vom LSG herangezogenen Merkmalen zu bestimmen. Zwar sind Zuverlässigkeit, besondere Verantwortung oder Genauigkeit als Indizien für die qualitative Bewertung einer Verweisungstätigkeit nicht ohne Belang. Von entscheidender Bedeutung ist jedoch auch insoweit die tarifliche Einstufung als Grundlage der Beurteilung des qualitativen Wertes der Tätigkeit im Betrieb (vgl insbesondere BSGE 44, 288, 291 = SozR 2200 § 1246 Nr 23). Dabei sind - anders als bei der Bewertung des bisherigen Berufes - die im Zeitpunkt der Rentenantragstellung maßgebenden Verhältnisse zu berücksichtigen und Tarifverträge heranzuziehen. Die Frage, ob und gegebenenfalls auf welche anderen Tätigkeiten der Versicherte zumutbar verwiesen werden kann, ist - projeziert auf den Zeitpunkt der Rentenantragstellung - notwendigerweise gegenwarts- und zukunftsgerichtet. Das LSG wird daher nach der Feststellung des qualitativen Wertes des bisherigen Berufes des Klägers unter Heranziehung zunächst der für diesen bisherigen Beruf nunmehr maßgebenden und gegebenenfalls auch anderer Tarifverträge (vgl hierzu insbesondere BSGE 43, 243, 247 = SozR 2200 § 1246 Nr 16; BSGE 44, 288, 291 = SozR 2200 § 1246 Nr 23) weiter festzustellen haben, auf welche dem bisherigen Beruf artverwandte und gegebenenfalls andere Tätigkeiten der Kläger qualitativ zumutbar verwiesen werden kann und ob ihm die Ausübung dieser Tätigkeiten nach seinem beruflichen Wissen und Können sowie nach seinen gesundheitlichen Kräften möglich ist. Auch zur Nachholung dieser Feststellung ist der Rechtsstreit an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens bleibt dem abschließenden Urteil vorbehalten.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1653740

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