Beteiligte
…, Klägerin und Revisionsklägerin |
Bundesanstalt für Arbeit, Nürnberg, Regensburger Straße 104, Beklagte und Revisionsbeklagte |
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte die Klägerin zur Zahlung von Winterbauumlage heranziehen darf.
Die Klägerin betreibt in G. eine Niederlassung, deren Geschäftsgegenstand das Anbringen von Fahrbahnmarkierungen und die Montage von Leitplanken nebst den damit verbundenen Unterhaltungs- und Reparaturarbeiten ist. Die Fahrbahnmarkierungsarbeiten machten im Jahre 1981 nach den Tatsachenfeststellungen des Landessozialgerichts (LSG) weniger als die Hälfte des Gesamtumsatzes der Zweigniederlassung aus. Sie sind in der Folgezeit immer weiter zurückgegangen und werden seit Ende 1985 überhaupt nicht mehr ausgeführt. Die Klägerin beschäftigt in G. durchschnittlich 9 Arbeiter, von denen in den Wintermonaten regelmäßig 6 etwa Mitte Dezember entlassen und gegen Ende Februar des folgenden Jahres wieder eingestellt werden. Die verbleibenden Arbeitnehmer werden damit beschäftigt, den Maschinenpark zu reparieren, Renovierungsarbeiten vorzunehmen und Notreparaturen an Leitplanken durchzuführen.
Mit Bescheid vom 2. März 1983 stellte die Beklagte mit Wirkung ab 1. September 1981 die Umlagepflicht der Klägerin zur Produktiven Winterbauförderung fest, weil ihre Zweigniederlassung in G. zum Kreis der zu fördernden Betriebe gehöre. Widerspruch und Klage hatten keinen Erfolg.
Das LSG hat zur Begründung seiner Entscheidung ua ausgeführt, bei dem Zweigunternehmen der Klägerin in G. handele es sich um einen Betrieb des Baugewerbes, der überwiegend Bauleistungen erbringe. Bei diesem Betrieb sei auch die ganzjährige Beschäftigung zu fördern. Denn die Anbringung von Leitplanken durch Setzen der Tragepfosten und der Montage der Plankenelemente sowie deren Instandhaltung und Reparatur fielen unter den Oberbegriff "Straßenbauarbeiten" des § 1 Abs 2 Nr 31 der Baubetriebe-Verordnung (BaubetrV) vom 28. Oktober 1980 (BGBl I, 2033). Zwar stehe die Einbeziehung eines Betriebes in die Umlagepflicht unter dem Vorbehalt, daß die verrichteten Arbeiten jedenfalls der Art nach objektiv förderbar seien. Dabei komme es allerdings nicht auf die Förderbarkeit des Einzelbetriebes, sondern des entsprechenden Zweiges des Baugewerbes an. Die geringere Produktivität und die höheren Betriebskosten sowie für einzelne Bauabschnitte wegen des kürzeren Tageslichts und durch ungünstige, wintertypische Witterungsverhältnisse unvermeidbar auftretende Zeitverluste ließen sich durch Mehrkostenzuschüsse an den Arbeitgeber gemäß § 78 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) wenigstens teilweise ausgleichen. Aber auch technische Hilfsmittel kämen in Betracht, die gemäß § 77 AFG in Form von Investitionskostenzuschüssen gefördert werden könnten. Daß die Klägerin aus betrieblichen Gründen, möglicherweise auch weil die zuständigen Straßenbaubehörden im Winter weniger Aufträge erteilten, im wesentlichen nur dringliche Reparaturarbeiten ausführe, stehe dem nicht entgegen.
Mit der - vom Senat zugelassenen - Revision rügt die Klägerin eine Verletzung des § 186a AFG, des § 242 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) iVm Art 20 des Grundgesetzes (GG) und macht außerdem einen Verfahrensmangel des vorinstanzlichen Verfahrens geltend. Das LSG habe zu Unrecht die Förderbarkeit der Leitplankenarbeiten angenommen. Keine einzige Maßnahme nach den §§ 77 bis 80 AFG sei geeignet, diese Tätigkeit zu fördern oder die Durchführung zusätzlicher Arbeiten zu ermöglichen. Die Anschaffung von zusätzlichen Arbeitsgeräten sei nicht möglich, da in der Zweigstelle G. alle Geräte vorhanden seien, um die erforderlichen Arbeiten auch im Winter durchzuführen. Wenn sie, die Klägerin, mit der Durchführung beauftragt werde, bezahlten die Auftraggeber die Mehrkosten, die durch Arbeiten im Winter entständen. Auch die Zahlung von Wintergeld zur Anregung der Arbeitsbereitschaft habe keinerlei Einfluß auf die Tätigkeit der Zweigniederlassung. Diejenigen Arbeiter, die im Winter weiter beschäftigt würden, seien auch ohne diese zusätzliche Zahlung zur Arbeit bereit, und über die verbleibenden Arbeitskräfte hinaus bestehe kein Bedarf und auch keine Beschäftigungsmöglichkeit. Wegen der Zahlung des Wintergeldes könnten auch nicht alle Arbeitnehmer über den Winter hinaus beschäftigt werden. Dies würde zu völlig unvertretbaren Mehrkosten führen, so daß die Förderung in ihr Gegenteil umschlagen würde. Selbst wenn durch Förderung eine Ausweitung der Tätigkeit möglich wäre, würde diese durch die Haushaltsüberlegungen der öffentlichen Hand zunichte gemacht werden. Denn in den Monaten Januar und Februar würden wegen fehlender Geldmittel Aufträge nicht erteilt werden. Unter diesen Umständen sei die Heranziehung zur Umlagepflicht ein gravierender Verstoß gegen Treu und Glauben und gegen das Rechtsstaatsgebot (Art 20 GG).
Das angefochtene Urteil des LSG beruhe außerdem auf einem Verfahrensmangel. Das Berufungsgericht habe ohne weiteres eine Förderbarkeit der Leitplankenarbeiten angenommen, obwohl ausdrücklich vorgetragen und durch Einholung eines Sachverständigengutachtens unter Beweis gestellt worden sei, daß solche Arbeiten sich nicht fördern ließen. Aus dem angefochtenen Urteil lasse sich nicht entnehmen, ob das Gericht die notwendige Sachkunde besitze, über diese Frage ohne Sachverständigengutachten zu entscheiden.
Die Klägerin beantragt,das Urteil des LSG Rheinland-Pfalz vom 26. Juni 1987 sowie des Sozialgerichts (SG) Koblenz vom 18. September 1986 und den Bescheid der Beklagten vom 24 März 1983 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 10. Juni 1983 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,die Revision der Klägerin zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend und verweist ergänzend auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 22. März 1979 (SozR 4100 § 75 Nr 7), nach der Betriebe wie der der Klägerin förderungsfähig seien.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an die Vorinstanz. Ob die Beklagte zu Recht festgestellt hat, daß die Klägerin ab 1. September 1981 umlagepflichtig ist, läßt sich nach den bisherigen Tatsachenfeststellungen nicht abschließend entscheiden.
Nach § 186a Abs 1 Satz 1 AFG in der hier anwendbaren, ab 1. Januar 1980 geltenden Fassung des Fünften Gesetzes zur Änderung des Arbeitsförderungsgesetzes -5. AFG-ÄndG- vom 23. Juli 1979 (BGBl I, 1189) werden die Mittel für die Produktive Winterbauförderung einschließlich der Verwaltungskosten und der sonstigen Kosten, die mit der Gewährung der genannten Leistungen zusammenhängen, von den Arbeitgebern des Baugewerbes, in deren Betrieben die ganzjährige Beschäftigung durch Leistungen nach den §§ 77 bis 80 AFG zu fördern ist (§ 76 Abs 2), durch eine Umlage aufgebracht. Arbeitgeber des Baugewerbes sind gemäß § 75 Abs 1 Nr 1 AFG ua juristische Personen, Personenvereinigungen oder Personengesellschaften, die als Inhaber von Betrieben des Baugewerbes auf dem Baumarkt gewerblich Bauleistungen anbieten. Betriebe des Baugewerbes sind solche Betriebe oder Betriebsabteilungen, die überwiegend Bauleistungen erbringen (§ 75 Abs 1 Nr 2 AFG).
Die Klägerin, eine Personengesellschaft, ist Inhaberin eines Betriebes des Baugewerbes, denn ihre Zweigniederlassung in G. erbringt überwiegend Bauleistungen. Nach § 75 Abs 1 Nr 3 AFG sind Bauleistungen alle Bauarbeiten, die der Herstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dienen. Nach den - insoweit unangegriffenen und deshalb für den Senat bindenden (§ 163 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-) - Tatsachenfeststellungen des LSG hat die Klägerin im Jahre 1981 mehr als 50 % und seit 1985 ausschließlich Leitplankenarbeiten durchgeführt. Diese Arbeiten stellen Bauleistungen iS von § 75 Abs 1 Nr 3 AFG dar. Unter den Begriff Bauleistungen fallen allerdings nur Arbeiten am erdverbundenen Bau (BSG SozR 4670 § 2 Nr 2). Das Aufstellen und Reparieren von Leitplanken ist eine Arbeit am erdverbundenen Bau (vgl BSG SozR 4100 § 75 Nr 7). Dabei spielt es keine Rolle, ob die Arbeitnehmer der Klägerin selbst Pfosten in die Erde rammen und an ihnen die Leitplanken anbringen oder - vor allem bei Reparaturen - neue Leitplanken lediglich an schon vorhandene Pfosten montieren. Denn als mit dem Erdboden verbunden gelten auch Bauwerke, die lediglich auf Fundamente und Sockel gestellt und an diesen durch Schrauben oder ähnliches befestigt werden (BSG SozR 4100 § 75 Nr 7). Die Leitplankenarbeiten dienen auch der Herstellung oder Instandsetzung eines Bauwerkes, denn sie sind Teil der Straße, die ein Bauwerk ist.
Die Umlagepflicht nach § 186a Abs 1 Satz 1 AFG setzt ferner voraus, daß die Zweigniederlassung G. der Klägerin zu den Betriebsabteilungen gehört, in denen die ganzjährige Beschäftigung zu fördern ist (§ 186a Abs 1 Satz 1 AFG). Nach § 1 Abs 2 Nr 31 der aufgrund Verordnung über die Betriebe des Baugewerbes, in denen die ganzjährige Beschäftigung zu fördern ist (Baubetriebe-Verordnung vom 28. Oktober 1980 - BGBl I, 2033 -) zählen zu den zu fördernden Betrieben und Betriebsabteilungen diejenigen, in denen Straßenbauarbeiten verrichtet werden. Daß darunter auch Leitplankenarbeiten fallen, hat der 7. Senat bereits in seinem Urteil vom 22. März 1979 (BSG SozR 4100 § 75 Nr 7) angenommen. Dieser Auffassung schließt sich der erkennende Senat an.
Die Umlagepflicht würde aber gleichwohl nicht bestehen, wenn die Zweigniederlassung der Klägerin zwar unter § 1 Abs 2 Nr 31 der Baubetriebe-Verordnung fällt, aber tatsächlich zu einem Zweig von Betrieben gehörte, die nicht durch Maßnahmen der Produktiven Winterbauförderung gefördert werden können. Die genannte Regelung wäre dann insoweit unwirksam, weil sie nicht im Einklang mit der in § 76 Abs 2 AFG enthaltenen Ermächtigung zum Erlaß der Baubetriebe-Verordnung stünde. Nach § 76 Abs 2 Satz 2 AFG hat der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung bei der Einbeziehung von Zweigen des Baugewerbes in die Produktive Winterbauförderung nämlich zu berücksichtigen, ob dadurch die Bautätigkeit in der Schlechtwetterzeit voraussichtlich in wirtschafts- oder sozialpolitisch erwünschter Weise belebt wird. Die Klägerin hat die Möglichkeit einer Förderung der Leitplankenarbeiten bereits im Berufungsverfahren bestritten und ua vorgetragen, daß sie im Winter häufiger über längere Zeiträume ihre Arbeit einstelle, weil ihr die Ausführung von Leitplankenarbeiten bei schlechten Witterungsverhältnissen verboten sei. Dies könne unter keinen denkbaren Umständen durch Maßnahmen der Produktiven Winterbauförderung vermieden werden. Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 26. November 1986 hierzu die Einholung eines Sachverständigengutachtens beantragt. Das LSG ist diesem Antrag nicht gefolgt und hat angenommen, daß die Leitplankenarbeiten "grundsätzlich förderbar" seien. Denn auch im Winter könnten die genannten Arbeiten, wenn auch erschwert durch durchschnittlich ungünstigere Sicht- und Witterungsverhältnisse, durchgeführt werden.
Hieran ist der Senat nicht gebunden (§ 163 SGG). Die Klägerin rügt zu Recht, für diese Feststellungen sei eine spezielle Sachkunde erforderlich. Aus dem Urteil gehe aber nicht hervor, daß das Gericht diese Sachkunde habe. Das LSG hat mit seiner Entscheidung gegen § 103 SGG verstoßen. Denn nach dem Inhalt des angefochtenen Urteils ist davon auszugehen, daß das Berufungsgericht nicht die notwendige Sachkunde hatte. Es mußte sich deshalb aufgrund des Beweisantrages gedrängt fühlen, durch Einholung eines Sachverständigengutachtens die Frage zu klären, ob die Leitplankenarbeiten durch die Mittel der Produktiven Winterbauförderung gefördert werden können.
Bei der erneuten Entscheidung wird das LSG auch zu berücksichtigen haben, daß die Förderungsfähigkeit zu verneinen ist, wenn Leitplankenarbeiten zwar technisch mit Mitteln der Produktiven Winterbauförderung gefördert werden können, die Bautätigkeit aber deshalb nicht belebt werden kann, weil Leitplankenarbeiten während der Wintermonate wegen der ungünstigen Straßen- und Witterungsverhältnisse auf die dringend notwendigen Reparatur- und Instandsetzungsarbeiten beschränkt sind und im übrigen sogar ein Verbot solcher Arbeiten besteht. Auch solche Umstände können das Fehlen der Förderungsfähigkeit iS von § 76 Abs 2 Satz 2 AFG (vgl dazu auch § 74 Abs 1 AFG) begründen. Ob in diesem Zusammenhang auch zu berücksichtigen sein wird, daß die öffentliche Hand wegen der Haushaltslage für Januar und Februar keine Aufträge erteilt, läßt sich noch nicht übersehen. Dagegen spricht die Vorschrift des § 75 Abs 2 Nr 1 AFG. Danach ist Förderungszeit die Zeit vom 1. Dezember bis 31. März. Selbst wenn es zutreffen sollte, was die Klägerin bezüglich der Auftragsvergabe behauptet, so bestünde jedenfalls in den Monaten Dezember und März insoweit kein Hindernis für die Durchführung von Leitplankenarbeiten. Das LSG wird aber auch dieser Frage nachgehen und, falls Aufträge für Januar und Februar tatsächlich generell nicht erteilt werden, dies bei seiner Entscheidung über die Förderungsfähigkeit der Gruppe von Betrieben, die Leitplankenarbeiten durchführen, berücksichtigen müssen.
Zwar hat der 7. Senat in der Entscheidung vom 22. März 1979 (SozR 4100 § 75 Nr 7) die Förderungsfähigkeit von Betrieben bejaht, die überwiegend Leitplanken aufstellen und instand setzen. Dies hat aber für den vorliegenden Rechtsstreit keine Bedeutung. Denn die Frage, ob in einem Zweig von Betrieben die Bautätigkeit durch die Winterbauförderung belebt werden kann, beruht weitgehend auf tatsächlichen Feststellungen. Insoweit können sich die Verhältnisse jedoch im Laufe der Jahre ändern.
Das LSG wird bei seiner Entscheidung ferner zu berücksichtigen haben, daß die Beklagte im vorliegenden Fall die Umlagepflicht der Klägerin zeitlich unbeschränkt festgestellt hat. Bei dem Bescheid handelt es sich damit um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung. Bei der Überprüfung der Rechtmäßigkeit des Bescheides hat das Gericht deshalb alle bis zur Entscheidung in der letzten Tatsacheninstanz eintretenden Rechts- und Sachverhaltsänderungen zu berücksichtigen (BSGE 61, 203, 205).
Das Berufungsgericht wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.
Fundstellen