Verfahrensgang
Bayerisches LSG (Urteil vom 24.11.1988) |
SG Landshut (Urteil vom 08.12.1986) |
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 24. November 1988 aufgehoben.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 8. Dezember 1986 wird zurückgewiesen, soweit sie die Umlagepflicht der Klägerin zur Produktiven Winterbauförderung und die Nachforderung der Umlage für die Zeit vom 1. Dezember 1978 bis zum 31. Oktober 1980 betrifft. Im übrigen wird der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
I
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin ab 1. Dezember 1978 zur Produktiven Winterbauförderung umlagepflichtig ist.
Die klagende Firma (Klägerin) erstellt Fernmeldeanlagen und verlegt unterirdische Kabel. Seit 1962 führt sie im wesentlichen Aufträge der Deutschen Bundespost aus. Mit Bescheid vom 9. Dezember 1983 stellte die Beklagte die Umlagepflicht der Klägerin rückwirkend ab 1. Dezember 1978 fest und verlangte für die Zeit bis zum 31. Dezember 1983 die Zahlung der Umlage nebst Säumniszuschlägen (Leistungsbescheide vom 17. April 1984, 15. Mai 1984 und 30. Oktober 1984 sowie Änderungsbescheid vom 18. Dezember 1984). Die gegen diese Bescheide erhobenen Widersprüche wurden zurückgewiesen (Widerspruchsbescheid vom 9. Februar 1985).
Das Sozialgericht (SG) hat der Klage stattgegeben (Urteil des SG Landshut vom 8. Dezember 1986). Das Landessozialgericht (LSG) hat die erstinstanzliche Entscheidung aufgehoben und die Klage abgewiesen. Die Klägerin gehöre zu den Arbeitgebern des Baugewerbes, in deren Betrieben die ganzjährige Beschäftigung zu fördern sei (§ 1 Abs 2 Nr 23 der Baubetriebe-Verordnung -BaubetrV-). Die Deutsche Bundespost erteile während des ganzen Jahres Aufträge. So habe die Klägerin jeweils auch während der Zeit vom 1. November bis zum 31. März Aufträge erhalten. Es komme dabei allerdings nicht darauf an, ob die Förderung des Winterbaues im vorliegenden Falle zu keiner wesentlichen Belebung der Betriebstätigkeit während des Winters führen könne. Maßgeblich für die Zugehörigkeit zum Förderbereich sei nicht eine konkret meßbare wirtschaftliche Aktivierung, sondern die abstrakte Einordnung zum entsprechenden Baugewerbe iS der BaubetrV. Der Einwand der Klägerin, sie erhalte im Winter nur in geringem Umfang Aufträge zur Ausbesserung von Kabelfehlern, profitiere deshalb nur wenig von der Förderung und könne daher das Wirtschaftsleben kaum beflügeln, gehe deshalb fehl. Die Beklagte habe den Anspruch auf die Umlage auch nicht verwirkt. Die Klägerin berufe sich in diesem Zusammenhang zwar auf ein im April oder Mai 1979 fernmündlich geführtes Gespräch zwischen dem Zeugen W. … und dem damaligen Bediensteten des Arbeitsamts P. …, B. …. Dabei sei W. – wie die Klägerin geltend mache – mitgeteilt worden, sein Betrieb als „Elektrobaufirma” nehme nicht an der Produktiven Winterbauförderung teil. Eine Verwirkung als Verzicht auf eine rechtlich durchsetzbare Forderung setze den erkennbaren und objektiv zurechenbaren Willen zur Aufgabe dieses Anspruchs voraus und damit ein Verhalten des Gläubigers, auf das der Schuldner das Vertrauen gründen könne, mit der Forderung und ihrer Verwirklichung nicht mehr rechnen zu müssen. Im Hinblick auf die massive Selbstbeschneidung der Anspruchsgrundlage in der Person des Gläubigers könne ein Vertrauensschutz des Schuldners nur dann eintreten, wenn der Gläubiger unmißverständlich zu erkennen gebe, zur Aufgabe seiner Forderung endgültig entschlossen zu sein. Diese Voraussetzungen lägen hier nicht vor. Dem Zeugen W. sei – die Richtigkeit seiner Angaben unterstellt – nur gesagt worden, der Betrieb als „Elektrobaufirma” nehme an der Produktiven Winterbauförderung nicht teil. Dies stelle allenfalls eine unzutreffende Beratung oder Auskunft dar. Weil der Zeuge B. aber gerade davon ausgegangen sei, ein Umlageanspruch bestehe von vornherein nicht, habe seine Mitteilung nicht als Verwirkung, also als bewußter Verzicht auf eine Forderung, gewertet werden können. Die Rechtsfolgen falscher Beratung oder Auskunft seien aber ganz andere, als sie die Klägerin hier geltend mache.
Mit der – vom Senat zugelassenen – Revision rügt die Klägerin eine Verletzung der Vorschriften der §§ 76 und 186a des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) und des § 1 Abs 2 Nr 23 BaubetrV und macht geltend: Sie, die Klägerin, betreibe überwiegend Kabelbau. Ihre Auftraggeberin, die Deutsche Bundespost, erlaube jedoch im Winter nicht die Verlegung von Kabeln, da die hierzu bestimmten Kabel mit einer Kunststoffmantelung versehen seien und bei Frost praktisch nicht bearbeitet werden könnten. Im übrigen müßten der Aushub für den Graben – soweit er im Winter im Freien erfolge – mit Kompressoren vorgenommen werden. Die dadurch anfallenden Kosten würden das Zehnfache der Kosten betragen, die bei Ausführung der Grabarbeiten in herkömmlicher Art mit dem Bagger entständen. Damit seien zwar die Arbeiten auch in den fraglichen Wintermonaten möglich, doch mit solchen Schwierigkeiten verbunden, daß sie wegen der Überschreitung der Opfergrenze nicht mehr zumutbar und mithin wirtschaftlich unmöglich seien. Konkret bedeute dies, daß der Betrieb in den Wintermonaten lediglich 27,5 % des Lohnsummenanteils der übrigen Monate erreiche. Damit könnten aber die Aufträge der Bundespost die ganzjährige Beschäftigung der Arbeitnehmer nicht wesentlich fördern. Das LSG habe sich dagegen auf den Standpunkt gestellt, die Frage, ob die Förderung des Winterbaus im konkreten Betrieb zu einer wesentlichen Belebung der Bautätigkeit führen könne, sei nicht rechtserheblich. Diese Auffassung widerspreche dem Gesetz. Selbst wenn der Betrieb in der fraglichen Zeit umlagepflichtig gewesen sein sollte, könne die Beklagte die Zahlung der Umlage nicht mehr verlangen. Die Forderung sei verwirkt. Nach der Auskunft, die der Zeuge B. im April oder Mai 1979 telefonisch erteilt habe, seien mehrere Jahre vergangen, bis die Beklagte die Umlagepflicht festgestellt und rückwirkend die Umlage gefordert habe. Damit sei eine Voraussetzung des Verwirkungstatbestands erfüllt, nämlich daß die Forderung über einen längeren Zeitraum hinweg nicht geltend gemacht worden sei. Entgegen der Auffassung des LSG komme es für die Verwirkung nicht darauf an, ob das Verhalten der Beklagten als wirksame Verzichtshandlung anzusehen sei. Es genüge, wenn die Geltendmachung eines Rechts gegen Treu und Glauben über längere Zeit hinaus verzögert werde, obwohl bekannt sei, daß die Gegenseite darauf vertraue, daß von dem Recht kein Gebrauch gemacht werde und sich hierauf eingerichtet habe. Die erteilte Auskunft sei auch rechtlich verbindlich gewesen; denn der Beamte B. habe den Betrieb der Klägerin gekannt und sei deshalb in der Lage gewesen, die Sach- und Rechtslage zutreffend zu beurteilen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 24. November 1988 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 8. Dezember 1986 zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie führt zur Begründung aus: Es sei unerheblich, ob die Klägerin Mittel der Produktiven Winterbauförderung in Anspruch genommen habe oder nach Art und Organisation ihrer betrieblichen Tätigkeit auch nur habe in Anspruch nehmen können. Auf derartige individuelle Besonderheiten des einzelnen Betriebes könne es für die objektive Förderbarkeit, wie sie dem Katalog der BaubetrV zugrunde liege, und für die damit verbundene Heranziehung zur Winterbauumlage, nicht ankommen. Denn selbst wenn ein Betrieb – abweichend von dem Zweig des Baugewerbes, dem er zuzurechnen sei – nur Arbeiten ausführe, bei denen er nicht durch Mittel der Produktiven Winterbauförderung gefördert werden könne, habe dies auf die Umlagepflicht nach § 186a AFG keinen Einfluß und berechtige nicht zu einer entsprechenden restriktiven Auslegung der BaubetrV. Nach den unangefochtenen Tatsachenfeststellungen des LSG sei nicht ersichtlich, daß es eine nennenswerte und abgrenzbare Anzahl von Betrieben gebe, die im wesentlichen die gleichen Bauleistungen erbrächten wie die Klägerin, aber nicht durch Maßnahmen der Produktiven Winterbauförderung gefördert werden könnten. Der Anspruch auf die Umlageforderung sei auch nicht verwirkt. Die Besonderheiten des Einzelfalles und des Rechtsgebietes sprächen hier gegen die Annahme, daß der Grundsatz von Treu und Glauben die Geltendmachung der Umlageforderung ausschließe. Sie, die Beklagte, habe nämlich nicht die verspätete Erhebung dieser Forderung verursacht. Vielmehr hätte die Klägerin Beginn und Ende ihrer Umlagepflicht unverzüglich dem zuständigen Landesarbeitsamt melden müssen. Dies sei jedoch nicht geschehen. In diesem Zusammenhang könne sie sich nicht mit Erfolg auf das Gespräch des Bediensteten B. des Arbeitsamts P. berufen. Denn der Zeuge W. habe B. den Betrieb der Klägerin lediglich als solchen des „Elektrobaus” vorgestellt, ohne ihm die Art der betrieblichen Tätigkeiten im einzelnen zu schildern. B. sei deshalb davon ausgegangen, daß das Unternehmen ein Betrieb des Elektroinstallateur-Handwerks sei, und habe deswegen die Förderungsfähigkeit verneint.
Entscheidungsgründe
II
Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten sich hiermit einverstanden erklärt haben (§ 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-).
Die Revision führt zur Aufhebung des vorinstanzlichen Urteils. Soweit die angefochtenen Bescheide die Umlagepflicht der Klägerin zur Produktiven Winterbauförderung und die Nachforderung der Umlage für die Zeit vom 1. Dezember 1978 bis zum 31. Oktober 1980 betreffen, war die Berufung der Beklagten gegen das stattgebende Urteil des SG zurückzuweisen. Im übrigen läßt sich über den noch streitigen Anspruch nicht abschließend entscheiden, da hierzu die Tatsachenfeststellungen des LSG nicht ausreichen.
Der angefochtene Bescheid vom 9. Dezember 1983 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Februar 1985 stellt die Umlagepflicht ab 1. Dezember 1978 zeitlich unbegrenzt fest. Es handelt sich dabei um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung. Bei der isolierten Anfechtungsklage wird zwar grundsätzlich der Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Verwaltungsaktes als maßgebend erachtet (BSGE 15, 127, 131; 43, 1, 5). Dies gilt jedoch nicht für Verwaltungsakte mit Dauerwirkung. Denn bei ihnen wirkt die getroffene Regelung über den Zeitpunkt des Erlasses des Verwaltungsaktes fort, und die Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit eines solchen Verwaltungsaktes kann von nachträglichen Änderungen der Rechts- und Sachlage abhängen (vgl dazu BSGE 7, 129, 134 f). Deshalb müssen bei der Überprüfung von Verwaltungsakten mit Dauerwirkung alle Rechts- und Sachverhaltsänderungen, die vom Beginn der durch die Verwaltungsentscheidungen getroffenen Regelung bis zur Entscheidung in der Tatsacheninstanz eintreten, berücksichtigt werden (BSG SozR 4100 § 186a Nr 21 mwN).
Nach § 186a Abs 1 Satz 1 AFG idF des Zweiten Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Arbeitsförderungsgesetzes (2. AFG-ÄndG) vom 19. Mai 1972 (BGBl I, 791) und in der ab 1. Januar 1980 geltenden Fassung des Fünften Gesetzes zur Änderung des Arbeitsförderungsgesetzes (5. AFG-ÄndG) vom 23. Juli 1979 (BGBl I, 1189) werden die Mittel für die Produktive Winterbauförderung von den Arbeitgebern des Baugewerbes, in deren Betrieben die ganzjährige Beschäftigung durch Leistungen nach den §§ 77 bis 80 zu fördern ist (§ 76 Abs 2), durch eine Umlage aufgebracht. Arbeitgeber des Baugewerbes sind gemäß § 75 Abs 1 Nr 1 AFG natürliche und juristische Personen, Personenvereinigungen oder Personengesellschaften, die als Inhaber von Betrieben des Baugewerbes auf dem Baumarkt gewerblich Bauleistungen anbieten. Betriebe des Baugewerbes sind solche Betriebe oder Betriebsabteilungen, die überwiegend Bauleistungen erbringen (§ 75 Abs 1 Nr 2 AFG).
Nach den von der Revision nicht angegriffenen und damit für den Senat bindenden Tatsachenfeststellungen (§ 163 SGG) erstellt die Klägerin Fernmeldeanlagen und verlegt unterirdische Kabel. Bei diesen Arbeiten handelt es sich um Bauleistungen iS von § 75 Abs 1 Nr 3 AFG. Danach sind Bauleistungen alle Bauarbeiten, die der Herstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dienen. Nach der genannten Vorschrift ist nicht erforderlich, daß Leistungen erbracht werden, die architektonischen Regeln unterworfen sind. So hat das BSG auch die Montage von Leitplanken (BSG SozR 4100 § 75 Nr 7), die Aufstellung von Gerüsten für Arbeiten an Kraftwerkskesseln sowie an Rohr- und Überlandleitungen (BSG SozR 4100 § 186a Nr 23) und den Bau- und die Instandhaltung von Blitzschutzanlagen (BSG SozR 4100 § 75 Nr 8) als Bauleistungen angesehen. Das gleiche hat für die Erstellung von Fernmeldeanlagen und die Verlegung unterirdischer Kabel zu gelten. Denn Fernmeldeanlagen stellen in Verbindung mit den dazu gehörenden Kabeln entweder allein ein Bauwerk dar oder sind Teil eines Bauwerks. Das LSG hat daher auch mit Recht angenommen, daß das Unternehmen der Klägerin ein Betrieb des Baugewerbes ist.
Ob in diesem Betrieb in der hier fraglichen Zeit ab 1. Dezember 1978 die ganzjährige Beschäftigung durch Leistungen nach den §§ 77 bis 80 AFG zu fördern war, richtet sich bis zum 31. Juli 1979 nach § 76 Abs 2 AFG idF des 2. AFG-ÄndG bzw ab 1. August 1979 nach § 76 Abs 2 idF des 5. AFG-ÄndG iVm der BaubetrV (aF) vom 19. Juli 1972 (BGBl I 1257) und ab 1. November 1980 nach der BaubetrV (nF) vom 28. Oktober 1980 (BGBl I 2033). Gemäß § 76 Abs 2 Satz 1 AFG aF bestimmt der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung durch Rechtsverordnung, in welchen Betrieben und nach § 76 Abs 2 Satz 1 AFG nF in welchen Zweigen des Baugewerbes die ganzjährige Beschäftigung zu fördern ist. Er durfte nach § 76 Abs 2 Satz 2 AFG aF in die Förderung nur Betriebe einbeziehen, deren Bautätigkeit in der Schlechtwetterzeit dadurch voraussichtlich in wirtschafts- oder sozialpolitisch erwünschter Weise belebt werden wird. Nach § 76 Abs 2 Satz 2 AFG nF hat er jeweils zu berücksichtigen, ob dadurch die Bautätigkeit in der Schlechtwetterzeit voraussichtlich in wirtschafts- oder sozialpolitisch erwünschter Weise belebt werden wird. Von der Ermächtigung in § 76 Abs 2 AFG aF bzw nF hat der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung durch Erlaß der BaubetrV vom 19. Juli 1972 bzw 28. Oktober 1980 Gebrauch gemacht.
Entgegen der Auffassung des LSG und der Beklagten wurde der Betrieb der Klägerin nach der BaubetrV aF nicht als Betrieb erfaßt, der durch Leistungen der Produktiven Winterbauförderung zu fördern ist und unterlag schon daher bis zum 31. Oktober 1980 nicht der Umlagepflicht. Zwar stützt sich die Beklagte für ihre Auffassung auf § 1 Abs 1 Nr 1 Buchstaben w und z bb) und gg) BaubetrV aF. Diese Vorschriften gelten indessen für andere als von der Klägerin ausgeübte Tätigkeiten. Denn der von ihr überwiegend betriebene Kabelbau kann weder zu den Schacht- und Tunnelbauarbeiten (§ 1 Abs 1 Nr 1 Buchstabe w BaubetrV aF) gerechnet werden, noch fällt er unter den Begriff Straßenbauarbeiten, wie sich vor allem auch aus den in der Verordnung zur Erläuterung „insbesondere”) aufgeführten beispielhaften Aufzählungen ergibt (vgl § 1 Abs 1 Nr 1 Buchstabe z bb). Aber auch die Vorschrift des § 1 Buchstabe z gg) BaubetrV aF kann nicht auf den Kabelbau angewendet werden. Zwar erfordert die Verlegung unterirdischer Kabel auch Tief- und Erdbauarbeiten. Das ist hier aber nicht das Entscheidende. Die BaubetrV aF hat alle Betriebe, die überwiegend Kabelbau betreiben, ohne zwischen über- oder unterirdischer Verlegung zu differenzieren, durch die Spezialvorschrift des § 1 Abs 1 Nr 1 Buchstabe t von der Förderung ausgenommen.
Die Begründung zur BaubetrV aF (BABl 9/1972, S 529) gibt keinen weiteren Aufschluß darüber, ob hinsichtlich der Produktiven Winterbauförderung entgegen der Wortfassung zwischen über- und unterirdischem Kabelbau unterschieden werden sollte. Zur Auslegung der BaubetrV können indessen die Rahmentarifverträge für das Baugewerbe herangezogen werden, weil die BaubetrV den fachlichen Geltungsbereich dieser Tarifverträge weitestgehend übernimmt (Abschnitt I Nr 2 der Begründung zur BaubetrV aF – aaO – und Nr 3 der Begründung zur BaubetrV nF – BABl 1/1981, S 62; vgl dazu auch Hennig/Kühl/Heuer, AFG, Kommentar, § 75 Anm 7; Schmidt, BB 1972, 1232, 1233). Nach § 1 Nr 2 des Bundesrahmentarifvertrags für das Baugewerbe (BRT) vom 1. April 1971 sowie in den Fassungen vom 16. Oktober 1972 und 8. April 1974 wird der Kabelbau ebenfalls ohne Einschränkung vom fachlichen Geltungsbereich des BRT ausgenommen. Die Tarifvorschrift stimmt bis auf den Ausdruck „bauliche Leistungen” (statt „Bauleistungen”) mit § 1 Abs 1 Nr 1 Buchstabe t BaubetrV aF wörtlich überein. Sie lautet:
„Fachlicher Geltungsbereich … Montagebauarbeiten, die der Erstellung von Bauten aller Art oder der Ausführung sonstiger Bauleistungen dienen; nicht erfaßt werden reine Stahl-, Eisen-, Metall- und Leichtmetallbauarbeiten sowie der Fahrleitungs-, Freileitungs-, Ortsnetz- und Kabelbau; …”
Nach dem Inhalt des BRT ist daher davon auszugehen, daß Arbeiten – wie sie der Betrieb der Klägerin überwiegend ausführt – jedenfalls vom BRT nicht erfaßt werden sollte. Daraus ist zu schließen, daß die BaubetrV aF dementsprechend auch Betriebe dieser Art von der Förderung ausnehmen wollte.
Dies hat sich indessen mit Inkrafttreten der BaubetrV vom 28. Oktober 1980 am 1. November 1980 (§ 4 BaubetrV nF) geändert. Nunmehr hat der Verordnungsgeber die Verlegung unterirdischer Kabel ausdrücklich in den Katalog der zu fördernden Arbeiten aufgenommen. Nach § 1 Abs 2 Nr 23 BaubetrV nF gehören zu den zu fördernden Betrieben und Betriebsabteilungen auch solche, in denen Rohrleitungsbau-, Rohrleitungstiefbau-, Kabelleitungstiefbauarbeiten und Bodendurchpressungen verrichtet werden. Zu Unrecht macht deshalb die Beklagte geltend, die Neufassung der BaubetrV habe, soweit es um die Tätigkeiten im Betrieb der Klägerin geht, keine Änderung gebracht. Zwar trifft es zu, daß die neue BaubetrV weitestgehend den fachlichen Geltungsbereich der Bautarifverträge übernimmt (Nr 4 Satz 1 der Begründung zum Entwurf der neuen BaubetrV, aaO). In dem hier interessierenden Punkt ist aber der Verordnungsgeber nunmehr von den tarifrechtlichen Bestimmungen abgewichen und hat eine Spezialvorschrift für Kabelleitungstiefbauarbeiten geschaffen. Demgegenüber gehören Betriebe des Kabelbaus nunmehr nach § 2 Nr 13 BaubetrV nF weiterhin zu den ausgeschlossenen Betrieben.
Die Umlagepflicht nach § 186a AFG in der hier anwendbaren neuen Fassung entfällt für die Zeit ab 1. November 1980 nur, wenn der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung aufgrund der Regelung des § 76 Abs 2 AFG nF verpflichtet gewesen wäre, Betriebe, die solche Leistungen wie die Klägerin erbringen, von der Förderung auszunehmen, dh wenn die BaubetrV insoweit nicht von der gesetzlichen Ermächtigung gedeckt wäre. Dieser Frage ist das LSG nicht nachgegangen. Es hat vielmehr zu Unrecht angenommen, daß es nicht auf die objektive Förderungsfähigkeit ankommt, sondern allein darauf, ob der Betrieb von der BaubetrV erfaßt wird.
Das BSG hat bereits mehrfach entschieden, daß der Verordnungsgeber schon nach der bis zum 31. Juli 1979 gültig gewesenen Fassung des § 76 Abs 2 AFG nicht verpflichtet war, bei der Bestimmung des Kreises der zu fördernden Betriebe auf die Besonderheiten einzelner Betriebe, also ihre individuelle Betriebsgestaltung, abzustellen. Bereits nach früherem Recht hatte er einen Spielraum für eine praktikable, typisierende Abgrenzung des Kreises der förderungsfähigen Betriebe. Demgemäß hat auch das BSG bereits vor dem Inkrafttreten des 5. AFG-ÄndG die Regelung des § 76 Abs 2 Satz 1 AFG aF unbeschadet ihres Wortlauts „Betriebe des Baugewerbes”) nicht auf die Förderungsfähigkeit einzelner Betriebe bezogen, sondern ist davon ausgegangen, daß damit die Förderbarkeit von Betriebsgruppen – als Zusammenfassung von Betrieben mit im wesentlichen gleichartigen Bauleistungen – gemeint ist. Es hat den Verordnungsgeber schon nach damaligem Recht für ermächtigt gehalten, generalisierend und typisierend die zur Förderung zugelassenen Gruppen von Betrieben zu umschreiben. Diese Typisierung war allerdings dahin begrenzt, daß der Verordnungsgeber zu beachten hatte, ob innerhalb einer Branche eine nennenswerte, abgrenzbare Gruppe von Baubetrieben besteht, deren Bautätigkeit wegen der Art der verrichteten Arbeiten in der Schlechtwetterzeit nicht wesentlich gefördert werden kann. Diese Gruppe durfte dann nicht in die Förderung – und damit auch nicht in die Umlagepflicht nach § 186a Abs 1 AFG – einbezogen werden (BSG SozR 4100 § 186a Nrn 2, 4 und 7; SozR 4100 § 75 Nr 7). Abzustellen war demgemäß bereits nach bisherigem Recht auf die Förderbarkeit ganzer Betriebsgruppen. Nichts anderes hat der Gesetzgeber mit der Ersetzung des Begriffes „Betriebe des Baugewerbes” durch den Begriff „Zweige des Baugewerbes” in § 76 Abs 2 Satz 1 AFG nF ausdrücken wollen. Diese Gesetzesänderung hielt der Gesetzgeber – wie sich aus den Gesetzesmaterialien ergibt (vgl Beschlußempfehlung des BT-Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung, BT-Drucks 8/2914, Art 1 Nr 19b S 43; Kurzprotokoll der 63. Sitzung des vorgenannten Ausschusses vom 16. Mai 1979, S 21) – allein zur Klarstellung für erforderlich, weil sich „Mißverständnisse bei der Anwendung der Vorschrift in der Praxis und Rechtsprechung ergeben hätten”. Es sollte also in erster Linie klargestellt werden, daß es für die Einbeziehung in die Winterbauförderung nicht auf die Förderbarkeit des Einzelbetriebes, sondern der Gruppe, der er angehört, ankommen sollte (vgl BSG SozR 4100 § 76 Nr 13). Selbst wenn ein Betrieb – abweichend von dem Zweig des Baugewerbes, zu dem er zu rechnen ist – nur Arbeiten ausführt, bei denen er nicht durch Mittel der Produktiven Winterbauförderung gefördert werden kann, hat dies auf die Umlagepflicht nach § 186a AFG keinen Einfluß und berechtigt nicht zu einer restriktiven Auslegung der BaubetrV. Der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung hat zwar im Rahmen der ihm in § 76 Abs 2 Satz 1 AFG erteilten Ermächtigung die Förderungsfähigkeit als Voraussetzung für die Einbeziehung in die Winterbauförderung zu beachten. Dabei hat er jedoch einen weiten Spielraum für eine praktikable Abgrenzung des Kreises der förderungsfähigen Betriebe. Dieser Rahmen wird nur überschritten, wenn überhaupt keine Differenzierung nach Förderbarkeit erfolgt und innerhalb einer Branche eine abgrenzbare Gruppe von Betrieben erkennbar ist, die durch Leistungen der Winterbauförderung nicht wesentlich gefördert werden kann (BSG SozR 4100 § 186a Nrn 4 und 23).
Entgegen den Ausführungen der Beklagten in der Revisionserwiderung hat das LSG nicht festgestellt, ob es innerhalb der Betriebe, die die Verlegung von Kabeln betreiben, eine nennenswerte, abgrenzbare Gruppe von Baubetrieben (vgl BSG SozR 4100 § 76 Nr 13 S 9 unten) gibt, die – wie die Klägerin – überwiegend nur Telefonkabel für die Bundespost verlegen, und ob diese Tätigkeit mit Mitteln der Produktiven Winterbauförderung wesentlich gefördert werden kann. Hierauf kommt es aber entscheidend an. Das LSG wird die insoweit noch erforderlichen Tatsachenfeststellungen nachzuholen haben. Dabei wird es auch beachten müssen, daß rechtserhebliche Sachverhaltsänderungen, die während des hier interessierenden Zeitraums eingetreten sind, beachtet werden müssen (BSG SozR 4100 § 186a Nr 21).
Sollte das LSG aufgrund der nachgeholten Tatsachenfeststellungen zu dem Ergebnis kommen, daß in der Zeit ab 1. November 1980 die Voraussetzungen für die Umlagepflicht der Klägerin nach § 186a AFG nF durchgehend oder zeitweise erfüllt sind, wird es weiter zu prüfen haben, ob die Umlageforderung verwirkt sein könnte. Dabei darf aber – entgegen der Annahme des Berufungsgerichts – nicht verlangt werden, daß sich der Verzichtswille des Gläubigers aus den Umständen des Einzelfalles ergeben müsse. Dies gehört nicht zu den Voraussetzungen der Verwirkung (BSGE 47, 194, 196 ff; BSG SozR 2400 § 2 Nr 3). Im übrigen wird das LSG zu beachten haben, daß eine unrichtige Auskunft allein nicht zur Verwirkung der Umlageforderungen führen kann. Es müssen noch weitere Umstände hinzukommen (vgl dazu BSGE 44, 114, 121; 47, 194, 196 und 198).
Da die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Leistungsbescheide vom Bestehen der Umlagepflicht abhängt, waren das erstinstanzliche stattgebende Urteil wiederherzustellen und die Berufung zurückzuweisen, soweit sie die Umlagepflicht und die Nachforderung der Umlage für die Zeit vom 1. Dezember 1978 bis zum 31. Oktober 1980 betreffen. Im übrigen war der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.
Das Berufungsgericht wird auch über die gesamten Kosten des Rechtsstreits – einschließlich des Revisions- und des Beschwerdeverfahrens – (vgl dazu BSGE 65, 198, 203) zu entscheiden haben.
Fundstellen