Entscheidungsstichwort (Thema)
Inhalt der Sitzungsniederschrift. Würdigung ärztlicher Gutachten
Leitsatz (amtlich)
1. Die Revision findet nach SGG § 162 Abs 1 Nr 2 nur statt, wenn der gerügte wesentliche Mangel des Verfahrens vorliegt. Die bloße Behauptung eines solchen Mangels genügt nicht, selbst wenn sie substantiiert aufgestellt ist.
2. Eine bei klarem Verstand und freier Willensentschließung begangene Selbsttötung ist eine absichtlich herbeigeführte Gesundheitsschädigung im Sinne des KBLG Art 2 Abs 3, die den Anspruch auf Versorgung ausschließt. Der Begriff "Absicht" im Sinne dieser Vorschriften ist nicht gleichbedeutend mit dem Vorsatz. Absichtliches Handeln liegt vielmehr nur dann vor, wenn sich der Wille über das vorsätzliche Handeln hinaus auf ein bestimmtes Ziel, das erreicht werden soll, richtet.
Ein Versorgungsanspruch ist nach DV KBLG § 11 dann gegeben, wenn die Selbsttötung im Zustand der Bewußtlosigkeit oder in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden oder sie wesentlich beeinträchtigenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit begangen wird und dieser Zustand mit Wahrscheinlichkeit durch Einwirkungen im Sinne des KBLG Art 1 Abs 1 verursacht worden ist.
3. Bei der Prüfung des ursächlichen Zusammenhangs sind als Ursachen im Rechtssinne nur diejenigen Einzelbedingungen zu erachten, die wegen ihrer besonderen Beziehungen zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben.
Leitsatz (redaktionell)
1. Gegen den die Förmlichkeit betreffenden Inhalt der Sitzungsniederschrift ist nur der Nachweis der Fälschung, dh der vorsätzlichen falschen Beurkundung zulässig, nicht der Nachweis, daß die Niederschrift unrichtig sei.
2. Für eine einwandfreie Würdigung der Sach- und Rechtslage durch das Gericht bedarf es keines ausführlichen Eingehens auf jeden vom Kläger vorgebrachten Gesichtspunkt und keiner Auseinandersetzung mit allen in den Gutachten aufgeworfenen Fragen. Es genügt, daß das Urteil den Inhalt aller Gutachten berücksichtigt hat.
Normenkette
SGG § 162 Abs. 1 Nr. 2 Fassung: 1953-09-03; BVG § 1 Abs. 1 Fassung: 1950-12-20, Abs. 2 Fassung: 1950-12-20, Abs. 4 Fassung: 1950-12-20, Abs. 5 Fassung: 1950-12-20; KBLG BY Art. 2 Abs. 3, Art. 1 Abs. 1; KBLGDV BY § 11 Fassung: 1949-05-01; SGG § 128 Abs. 1 Fassung: 1953-09-03; ZPO § 164 Fassung: 1950-09-12
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 24. Mai 1954 wird als unzulässig verworfen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Von Rechts wegen.
Gründe
Der Ehemann der Klägerin, der Hauptlehrer ..., bezog nach dem 1. Weltkrieg wegen "Lungenerweiterung, chronischen Bronchialkatarrhs und asthmatischen Anfällen" als Dienstbeschädigungsfolgen nach dem Reichsversorgungsgesetz eine Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um 40 v. H.. Er war seither laufend in ambulanter und Kurbehandlung. Nach der Kapitulation im Mai 1945 wurde er als Mitglied der NSDAP aus dem Schuldienst entlassen und aus seiner Dienstwohnung ausgewiesen. Am 16. Oktober 1946 entfernte er sich aus seiner Wohnung und hinterließ einen Abschiedsbrief, in dem er seine Absicht kundtat, freiwillig aus dem Leben zu scheiden. Das Amtsgericht Würzburg stellte mit Beschluß vom 10. April 1947 seinen Tod und als Zeitpunkt des Todes den 16. Oktober 1946 fest. ... wurde am 3. Juni 1947 erschossen aufgefunden.
Der Antrag der Klägerin vom 26. Juli 1949 auf Witwenrente nach dem Gesetz über Leistungen an Körperbeschädigte (KBLG) vom 26. März 1947 (Bayerisches GVOBl. 1947 S. 107) wurde durch den Bescheid des Versorgungsamts Würzburg vom 4. Oktober 1950 mit der Begründung abgelehnt, daß die Selbsttötung nicht mit dem anerkannten Dienstbeschädigungsleiden oder anderen schädigenden Einwirkungen des im Dezember 1918 beendeten Militärdienstes in ursächlichem Zusammenhang stehe, sondern die Folge der Entlassung aus dem Schuldienst und der Ausweisung aus der Wohnung gewesen sei.
Auf die hiergegen eingelegte Berufung hat das Oberversicherungsamt ... am 11. Oktober 1951 den Beklagten verurteilt, der Klägerin vom 1. Juli 1949 ab Witwenrente zu zahlen. Das Oberversicherungsamt hat seine Entscheidung damit begründet, daß die freie Willensbestimmung des Verstorbenen im Zeitpunkt der Tat mit Wahrscheinlichkeit infolge des schweren Asthmaleidens und der dadurch bedingten nervösen Depressionszustände erheblich eingeschränkt, wenn nicht ausgeschlossen gewesen sei. Die Klägerin habe deshalb einen Anspruch auf Witwenrente.
Das Bayerische Landessozialgericht hat auf die Berufung des Beklagten am 24. Mai 1954 das Urteil des Oberversicherungsamts in ... vom 11. Oktober 1951 aufgehoben und die Klage gegen den Bescheid des Versorgungsamts ... vom 4. Oktober 1950 abgewiesen. Es hat ausgeführt, daß die freie Willensbestimmung des Ehemannes der Klägerin nicht ausgeschlossen und auch nicht durch das Versorgungsleiden wesentlich beeinträchtigt gewesen sei. Seine Handlung sei vielmehr aus seinem Charakter und der damaligen Lebenssituation zu erklären. Die Entlassung aus dem Schuldienst und die Ausweisung aus der Wohnung seien die wesentlichen Ursachen für den Entschluß zur Selbsttötung. Dagegen sei dem Asthmaleiden keine entscheidende Bedeutung beizumessen. Das Landessozialgericht habe sich deshalb der Auffassung der behandelnden Ärzte und des von ihm auf Antrag der Klägerin gehörten Professors ... nicht anschließen können. Es sei vielmehr der von der Nervenklinik der Universität ... und dem Gerichtsarzt des Oberversicherungsamts ... vertretenen Auffassung gefolgt, daß der durch das Asthmaleiden bedingte körperliche Zustand nicht als die wesentliche Ursache für den Entschluß zur Selbsttötung anzusehen sei. In der ausführlichen Rechtsmittelbelehrung hat das Landessozialgericht dargelegt, unter welchen Voraussetzungen gegen das Urteil Revision eingelegt werden könne. Im übrigen wird auf die Entscheidungsgründe des Urteils Bezug genommen.
Gegen dieses, der Klägerin am 6. August 1954 zugestellte Urteil hat ihr Prozeßbevollmächtigter durch einen beim Bundessozialgericht am 1. September 1954 eingegangenen Schriftsatz Revision eingelegt und beantragt,
unter Aufhebung des Urteils des Bayerischen Landessozialgerichts vom 24. Mai 1954 die Berufung gegen das Urteil des Oberversicherungsamts ... vom 11. Oktober 1951 zurückzuweisen und den Beklagten zu verurteilen, der Revisionsklägerin auch die Kosten des 2. und 3. Rechtszuges zu erstatten.
Der Prozeßbevollmächtigte hat die Revision durch einen beim Bundessozialgericht am 27. September 1954 eingegangenen Schriftsatz vom 16. September 1954 wie folgt begründet:
In der vom Bayerischen Landessozialgericht vorgenommenen Beweiswürdigung sei ein wesentlicher Mangel des Verfahrens zu erblicken. Nach den von der Revisionsklägerin in den Vorinstanzen vorgelegten Stellungnahmen der Ärzte ... ... ... ... und ... habe bei dem Verstorbenen im Zeitpunkt der Tat eine krankhafte Störung den Geistestätigkeit in Form von Depressionszuständen vorgelegen, die wesentlich durch das anerkannte Dienstbeschädigungsleiden verursacht worden sei. Die Depressionszustände seien die Hauptursache für den Entschluß zur Selbsttötung; die Entlassung aus dem Schuldienst und die Ausweisung aus der Wohnung hätten den Ehemann nicht in den Tod getrieben. Die gegenteilige Auffassung des Landessozialgerichts widerspreche auch der Erfahrung, da in der damaligen Zeit unter den gleichen Umständen Selbsttötungen nicht häufiger aufgetreten seien als heute unter normalen Lebensverhältnissen. Das Landessozialgericht hätte sich deshalb den von der Klägerin vorgelegten ärztlichen Stellungnahmen anschließen müssen. Ferner beruhe das Urteil des Landessozialgerichts auf einer unrichtigen Anwendung des Artikels 2 Abs. 3 KBLG in Verbindung mit § 11 der Durchführungsverordnung vom 1. Mai 1949 (Bayerisches GVOBl. 1949 S. 113). Im übrigen wird auf den Schriftsatz der Revisionsklägerin vom 16. September 1954 und die Ausführungen des Prozeßbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.
Der Revisionsbeklagte hat beantragt,
die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 24. Mai 1954 als unzulässig zu verwerfen,
hilfsweise als unbegründet zurückzuweisen.
Er hat ausgeführt, daß das Berufungsgericht bei der Urteilsfindung den Ursachenbegriff zutreffend angewendet habe. Die gerügte Gesetzesverletzung liege nicht vor, da bei den Motiven der Selbsttötung die anerkannten Schädigungsfolgen gegenüber den anderen Einwirkungen von untergeordneter Bedeutung gewesen seien.
Die fristgerecht eingelegte und den gesetzlichen Formerfordernissen entsprechende Revision ist nicht statthaft.
Der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Senat vorgetragen, daß das Landessozialgericht die Revision zugelassen habe und daß sie deshalb nach § 162 Abs. 1 Nr. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthaft sei. Diesem Vorbringen kann indessen rechtliche Bedeutung nicht beigemessen werden. Eine Zulassung der Revision ergibt sich weder aus der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vor dem Landessozialgericht noch aus den Gründen des angefochtenen Urteils. Nach § 122 Abs. 1 Satz 2 SGG sind die wesentlichen Vorgänge der Verhandlung in eine Niederschrift aufzunehmen. Dazu gehören nach § 122 Abs. 3 SGG in Verbindung mit § 160 Abs. 2 Nr. 5 u. 6 der Zivilprozeßordnung (ZPO) auch die ergangenen Entscheidungen des Gerichts sowie die Tatsache ihrer Verkündung. Nach § 164 ZPO kann die Beobachtung der für die mündliche Verhandlung vorgeschriebenen Förmlichkeiten nur durch das Protokoll bewiesen werden. Gegen den diese Förmlichkeit betreffenden Inhalt des Protokolls ist nur der Nachweis der Fälschung, das ist der vorsätzlichen falschen Beurkundung, zulässig, nicht aber der Nachweis, daß das Protokoll unrichtig sei (vgl. RGZ. 107 S. 142). Der Prozeßbevollmächtigte der Revisionsklägerin hat aber eine solche falsche Beurkundung nicht behauptet. Auch aus der Wortfassung der in den Urteilsgründen enthaltenen Rechtsmittelbelehrung, daß die Revision nur unter bestimmten Voraussetzungen zulässig sei, muß entnommen werden, daß das Landessozialgericht die Revision nach § 162 Abs. 1 Nr. 1 SGG nicht zugelassen und den Beteiligten den Rechtszug zum Bundessozialgericht nach dieser Vorschrift somit nicht eröffnet hat.
Auch die Voraussetzungen des § 162 Abs. 1 Nr. 2 SGG sind nicht erfüllt. Nach dieser Vorschrift ist die Revision dann statthaft, "wenn ein wesentlicher Mangel des Verfahrens gerügt wird". Die Frage, ob ein solcher Mangel vorliegen muß oder ob die bloße Behauptung oder eine wenigstens substantiierte Behauptung genügt, wird in der Rechtsprechung und im Schrifttum verschieden beantwortet. Das Bayerische Landessozialgericht fordert in den Urteilen vom 22. Juni 1954 (Amtsblatt des Bayerischen Staatsministeriums für Arbeit und soziale Fürsorge 1954 Teil B S. 179 ff.) und vom 5. November 1954 (Amtsblatt 1955 Teil B S. 95) im Zusammenhang mit § 150 Nr. 2 SGG, der dem § 162 Abs. 1 Nr. 2 SGG wörtlich entspricht, das tatsächliche Vorliegen eines solchen Mangels, während dieses Gericht im Urteil vom 28. Mai 1954 (Breithaupt, Sammlung von Entscheidungen, 1954 S. 1082) und auch das Landessozialgericht Berlin im Urteil vom 29. März 1955 (Mitteilungen des Landesversorgungsamts Berlin 1955 Nr. 6, Leitsatz 106/55) es für ausreichend erachtet haben, wenn das Vorbringen des den Mangel rügenden Beteiligten ernstlich begründet ist und die Annahme eines wesentlichen Verstoßes gegen grundsätzliche Rechtssätze des Verfahrensrechts gerechtfertigt erscheinen läßt. Von den Kommentaren zum Sozialgerichtsgesetz halten Peters-Sautter-Wolff, Kommentar zur Sozialgerichtsbarkeit, das Vorliegen des Mangels als Voraussetzung für die Statthaftigkeit der Revision für erforderlich (vgl. Anm. 2 zu § 162 SGG), während Hastler, Aufbau und Verfahren der Sozialgerichtsbarkeit, Anm. 4 b zu § 162 SGG, und Hofmann-Schroeter, Sozialgerichtsgesetz, Anm. 3 zu § 162 und Anm. 3 zu § 150, die Rüge genügen lassen wollen. Der Wortlaut des § 162 Abs. 1 Nr. 2 SGG gibt keinen Anhalt dafür, ob schon die bloße allgemeine Behauptung, es liege ein wesentlicher Mangel des Verfahrens vor, genüge, ob die substantiierte Rüge, d. h. die Rüge, bei der im einzelnen ausgeführt wird, welche Tatsachen den Mangel ergeben sollen, ausreiche oder ob der gerügte Mangel auch wirklich vorliegen müsse. Der Senat vor daher genötigt, nach der Absicht und dem Zweck des Gesetzes diese Vorschrift auszulegen.
Das Bundessozialgericht ist - wie grundsätzlich auch die übrigen oberen Bundesgerichte - zur Entscheidung über das Rechtsmittel der Revision berufen. Dieses Rechtsmittel, das die Nachprüfung allein nach der rechtlichen Seite ermöglicht ist aber nicht allgemein zugelassen, sondern nur in den in Abs. 1 des § 162 SGG hervorgehobenen Fällen. Hieraus ergibt sich eine - auch bei der Auslegung zu berücksichtigende - bewußte Einschränkung, die deshalb vorgenommen worden ist, weil sonst das Bundessozialgericht außerstande wäre, die ihm übertragenen Aufgaben der Wahrung der Rechtseinheit und der Fortbildung des Rechts in sachgemäßer Weise zu erfüllen. Bestätigt wird diese Auffassung durch die Begründung zu dem Entwurf eines Gesetzes über das Verfahren der Sozialgerichtsbarkeit (Sozialgerichtsordnung), in der ausdrücklich hervorgehoben ist, daß das Verfahren streng rechtsförmig gestaltet ist, ferner bemerkt ist, daß das Bundessozialgericht zur Erfüllung seiner Aufgaben freigestellt und seine Gleichwertigkeit mit den übrigen oberen Bundesgerichten hergestellt werden solle (vgl. Deutscher Bundestag, 1. Wahlperiode 1949, Drucksache Nr. 4357, B. 7. (S. 22)). Dieser Erfolg würde jedoch vereitelt werden, wenn man die bloße oder auch die substantiierte Behauptung eines wesentlichen Mangels des Verfahrens für die Statthaftigkeit der Revision genügen ließe. Bei dieser Auffassung würde selbst eine bewußt unwahre oder eine leichtfertig vorgebrachte Rüge die Revision statthaft machen, was der oben dargelegten Absicht des Gesetzes widerspräche. Schon dieser Gesichtspunkt deutet darauf hin, daß das Gesetz das tatsächliche Vorliegen des gerügten Verfahrensmangels voraussetzt. Diese Auffassung des Senats wird auch durch den Wortlaut des § 162 Abs. 1 Nr. 3 SGG gestützt. Hier wird für die Statthaftigkeit der Revision verlangt, daß bei der Beurteilung der Frage des ursächlichen Zusammenhangs einer Gesundheitsstörung oder des Todes mit einem Arbeitsunfall oder einer Berufskrankheit oder einer Schädigung im Sinne des Bundesversorgungsgesetzes das Gesetz verletzt ist. Die Revision ist also nicht schon dann statthaft, wenn behauptet oder auch substantiiert behauptet wird, daß das Gesetz verletzt sei. Genügt aber hier die bloße Rüge einer Gesetzesverletzung nicht, so muß entsprechend dem Aufbau und dem vorstehend dargelegten Zweck des Revisionsverfahrens bei § 162 Abs. 1 Nr. 2 SGG das tatsächliche Vorliegen des gerügten wesentlichen Mangels des Verfahrens als Voraussetzung für die Statthaftigkeit der Revision gefordert werden. Die von G in der Anmerkung zu dem Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 22. Juni 1954 vertretene gegenteilige Auffassung (vgl. Die Sozialgerichtsbarkeit 1955 S. 16, 17) kann nicht überzeugen, da er nicht berücksichtigt, daß Statthaftigkeit und Zulässigkeit des Rechtsmittels im Sozialprozeß anders geregelt sind als im Zivilprozeß. In diesem ist die Frage, ob eine Verfahrensrüge durchgreift, nicht schon bei der Prüfung, ob die Revision statthaft sei (§§ 546, 547 ZPO), zu erörtern, sondern erst bei der Prüfung, ob sie begründet ist. Deshalb genügt in diesem Verfahren die substantiierte Rüge eines Verfahrensmangels für die Zulässigkeit der Revision. Dagegen soll der Kläger im Sozialprozeß erst dann ein Recht auf sachliche Nachprüfung des Streitfalles durch das Revisionsgericht haben, wenn entweder wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Streitsache die Revision zugelassen worden ist oder wenn ein wesentlicher Mangel des Verfahrens oder eine Gesetzesverletzung tatsächlich vorliegen.
Der erkennende Senat konnte das Vorliegen eines - hier aus § 128 Abs. 1 SGG hergeleiteten - Verfahrensmangels nicht bejahen. Die Frage, ob bei dem Ehemann der Revisionsklägerin zur Zeit der Tat eine Beeinträchtigung der freien Willensbestimmung im Sinne des Artikels 1 Abs. 2 KBLG vorgelegen hat, liegt auf tatsächlichem Gebiet. Sie unterliegt der Nachprüfung durch das Revisionsgericht nur insoweit, als das Berufungsgericht bei der Beweiswürdigung entgegen § 128 Abs. 1 SGG nicht den gesamten Inhalt der Verhandlungen und des Ergebnisses der Beweisaufnahme berücksichtigt hat (vgl. RGZ. 162 S. 223 (230); RArbGer . in der Leipziger Zeitschrift für Deutsches Recht 1932 S. 1250; Rosenberg, Lehrbuch des Deutschen Zivilprozeßrechts, 6. Aufl., S. 514 mit weiteren Nachweisen; Baumbach-Lauterbach, Zivilprozeßordnung, 23. Aufl. Anm. 2 zu § 286 und Anm. 2 zu § 550). Ein solcher Vorwurf kann dem Landessozialgericht nicht gemacht werden. Sein Urteil ist in verfahrensrechtlich nicht zu beanstandender Weise begründet und läßt erkennen, daß es auf einen hinreichend aufgeklärten Sachverhalt gestützt ist und auf einer erschöpfenden Würdigung aller in Betracht kommenden Gesichtspunkte beruht. Das Berufungsgericht hat alle wichtigen Vorgänge, den Inhalt der Akten, das Tagebuch und den Abschiedsbrief des Verstorbenen in seine Prüfung einbezogen und einbeziehen müssen, ohne daß es seine Pflicht zu einer sachgemäßen Beurteilung verletzt hat. Aus den Urteilsgründen ergibt sich insbesondere, daß sich die Vorinstanz weder mit ungesetzlicher Willkür noch unter Verkennung des Sachverhalts über die ärztlichen Stellungnahmen, die das Asthmaleiden des Verstorbenen als die wesentliche Ursache für den Entschluß zur Selbsttötung ansehen, hinweggesetzt hat, sondern daß sie sämtliche Gutachten geprüft und gegeneinander abgewogen hat. Für eine einwandfreie Würdigung der Sach- und Rechtslage durch das Berufungsgericht bedurfte es keineswegs eines ausführlichen Eingehens auf jeden von der Klägerin vorgebrachten Gesichtspunkt und einer ausdrücklichen Auseinandersetzung mit allen in den Gutachten aufgeworfenen Fragen (vgl. BGHZ. 3 S. 162 (175); Rosenberg a. a. O. S. 514). Es genügt, daß das Urteil den Inhalt aller Gutachten berücksichtigt hat. Wenn das Landessozialgericht den Gutachten der Nervenklinik der Universität ... und des Gerichtsarztes des Oberversicherungsamts gefolgt ist, so hat es von dem ihm zustehenden Recht der freien Beweiswürdigung in gesetzlich nicht zu beanstandender Weise Gebrauch gemacht. Es findet sich auch kein Anhalt dafür, daß das Berufungsgericht gegen die Denkgesetze verstoßen hat. Entgegen der Meinung des Prozeßbevollmächtigten der Revisionsklägerin gibt es keinen Erfahrungssatz, daß in den Jahren nach der Kapitulation in ähnlichen Lebenslagen Selbsttötungen in verhältnismäßig geringem Umfange vorgekommen seien. Vielmehr sind gerade in der Zeit Selbsttötungen wegen wirtschaftlicher Schwierigkeiten, Entfernungen aus dem Dienst, aus politischen Gründen und damit im Zusammenhang stehenden Wohnungsausweisungen nicht selten gewesen. Das Revisionsgericht konnte hiernach das Vorliegen des vorgebrachten Verfahrensverstoßes nicht feststellen. Die Verfahrensrüge ist deshalb nicht begründet und die Revision, soweit sie sich auf § 162 Abs. 1 Nr. 2 SGG stützt, nicht statthaft.
Die weitere Revisionsrüge, daß das Berufungsgericht bei der Beurteilung des ursächlichen Zusammenhangs das Gesetz verletzt habe, ist ebenfalls unbegründet. Das Landessozialgericht hat zutreffend ausgeführt, daß die freie Willensbestimmung des Ehemannes der Revisionsklägerin zur Zeit der Tat trotz der vorhandenen Gemütsverstimmung nicht ausgeschlossen gewesen ist, daß er vielmehr eine aus seinem Charakter und der damaligen Lebenssituation durchaus erklärbare Handlung begangen hat. Es hat sich hierfür auf die Ereignisse vor der Tat und auf den Abschiedsbrief des Verstorbenen gestützt, in dem dieser nach Ordnung seiner Privatangelegenheiten seinen Angehörigen mitgeteilt hatte, daß er entschlossen sei, seinem Leben ein Ende zu machen, weil er das als die beste Lösung ansehe. Daraus konnte die Vorinstanz mit Recht den Schluß ziehen, daß er das Für und Wider abgewogen und den Entschluß zur Selbsttötung mit Überlegung gefaßt hat. Das Landessozialgericht hat eine solche bei klarem Verstand und aus freier Willensentschließung begangene Selbsttötung als eine absichtlich herbeigeführte Gesundheitsschädigung im Sinne des Art. 2 Abs. 3 KBLG (§ 1 Abs. 4 BVG) angesehen, die den Anspruch auf Versorgung ausschließt. Dies ist als zutreffend zu erachten. Absichtliches Handeln bedeutet, daß der Handelnde nicht nur einen bestimmten Erfolg gewollt oder in Kauf genommen hat, sondern daß er diesen Erfolg als Ziel seines Handelns erstrebt hat. Das frühere Reichsversicherungsamt hat in der Grundsätzlichen Entscheidung vom 23. März 1912 (Amtliche Nachrichten des RVA. (AN.) 1912 S. 823) darauf hingewiesen, daß in der Sozialversicherung die Absicht ähnlich wie im Strafrecht die Richtung des Willens auf ein bestimmtes Ziel, das erreicht werden soll, bedeute. Absicht gehe somit weiter als Vorsatz, zu dem das Bewußtsein von sämtlichen Tatbestandsmerkmalen genüge. Im Versorgungsrecht wurde der Begriff Absicht ebenso ausgelegt (vgl. Kommentar von Reichsversorgungsbeamten zum Reichsversorgungsgesetz, Anm. 58 zu § 2; Arendts, Kommentar zum Reichsversorgungsgesetz, 2. Aufl., Anm. 1 zu § 2). Diese Auffassung wird auch heute in der Rechtsprechung und im Schrifttum allgemein vertreten (vgl. Urteil des OVA. Karlsruhe vom 24.2.1949 - Breith. 1949 S. 96, Urteil des Landessozialgerichts Schleswig vom 26.3.1954 - Breith. 1954 S. 758; Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 23. März 1954 - Breith. 1954 S. 1167; Wilke in der Kriegsopferversorgung 1954 S. 33; Schieckel, Bundesversorgungsgesetz, 2. Aufl. Anm. 22 zu § 1; Thannheiser-Wende-Zech, Handbuch des Bundesversorgungsrechts, Anm. zu § 1 BVG, Bd. 1 S. 47). Der Senat ist in Übereinstimmung hiermit zu dem Ergebnis gelangt, daß eine vorsätzliche Handlung nur auf die Schädigung selbst, nicht aber auf die eigene Gesundheitsschädigung als Folge derselben gerichtet ist, während ein absichtliches Handeln dann vorliegt, wenn sich der Wille über das vorsätzliche Handeln hinaus auf ein bestimmtes Ziel, das erreicht werden soll, richtet. Die mit der Auffassung des Senats in Widerspruch stehende Ansicht des Landesversicherungsamts Württemberg-Baden im Urteil vom 20. März 1950 (Breith. 1951 S. 847, Absicht im Sinne von Art. 2 Abs. 3 KBLG sei gleichbedeutend mit Vorsatz, vermag nicht zu überzeugen. Daß schließlich Art. 1 Abs. 1 KBLG auf die Vorschriften der Unfallversicherung hinweist und § 556 der Reichsversicherungsordnung (RVO) bereits bei Vorliegen einer vorsätzlichen Selbstbeschädigung Leistungen ausschließt, ist hier ohne Bedeutung, da Art. 2 Abs. 3 KBLG eine Sondervorschrift ist, die erst bei absichtlichem Handeln einen Leistungsausschluß herbeiführt. Wenn im Versorgungsrecht ein Leistungsausschluß bereits bei einer vorsätzlich herbeigeführten Gesundheitsschädigung vorgesehen wäre, dann käme bei einem mißglückten Selbsttötungsversuch ein Versorgungsanspruch nie in Frage, weil der zur Selbsttötung Entschlossene auch eine Beschädigung seines Körpers mit in seine Vorstellung aufgenommen und gewollt, zum mindesten in Kauf genommen hat.
Das Berufungsgericht hat ferner ohne Rechtsirrtum festgestellt, daß die freie Willensbestimmung des Ehemannes der Revisionsklägerin auch nicht mit Wahrscheinlichkeit durch Einwirkungen im Sinne des Art. 1 Abs. 1 KBLG beeinträchtigt gewesen ist. Die Ausführungen im angefochtenen Urteil lassen erkennen, daß es den Begriff des ursächlichen Zusammenhanges richtig erkannt und die maßgebenden rechtlichen Gesichtspunkte erwogen hat. Zunächst ist wesentlich, daß die Selbsttötung nicht die Gesundheitsschädigung im Sinne des Art. 1 Abs. 1 KBLG, sondern die Folge einer solchen ist. Für eine Bejahung eines Leistungsanspruches muß also ein doppelter ursächlicher Zusammenhang vorliegen: zunächst einmal zwischen dem militärischen Dienst und der Gesundheitsstörung (Geistesstörung), ferner zwischen dieser Gesundheitsstörung und der Selbsttötung. Wie die Vorinstanz zutreffend festgestellt hat, ist die Anerkennung von Dienstbeschädigungsfolgen, auf die die Geistesstörung bei dem Verstorbenen zurückgeführt wird, im Hinterbliebenenrentenverfahren nicht bindend. Der Hinterbliebenenrentenanspruch ist ein selbständiger Anspruch, der von der Rechtskraft einer zu Lebzeiten des Beschädigten getroffenen Entscheidung nicht berührt wird (vgl. Rekursentscheidung des RVA. Nr. 1832, AN. 1901 S. 170; Entsch. des RVGer. Bd. 1 S. 191, Bd. 7 S. 225, Bd. 13 S. 185; Amtsblatt des Bayerischen Staatsministeriums für Arbeit und soziale Fürsorge 1950 S. 420, 1953 Teil B S. 169 (170)). Das Landessozialgericht durfte die Frage, ob das Asthmaleiden des Ehemannes der Revisionsklägerin durch die Verhältnisse des im ersten Weltkrieg geleisteten Militärdienstes verursacht worden ist, dahingestellt lassen, weil dieses Leiden nicht Ursache im Sinne des Versorgungsrechts für die Depressionszustände gewesen ist. Unter Ursache im erkenntnis-theoretischen Sinne versteht man die Gesamtheit aller Bedingungen des Erfolgs. Diese Begriffsbestimmung ist jedoch für die Rechtsordnung zu weitgehend. In den einzelner Rechtsgebieten werden entsprechend ihren unterschiedlichen Bedürfnissen verschiedene Ursachenbegriffe zu Grunde gelegt. Im Strafrecht herrscht die sogenannte Bedingungstheorie. Danach ist als Ursache eines strafrechtlich bedeutsamen Erfolges jede Bedingung anzusehen, die nicht hinweggedacht werden kann, ohne daß der Erfolg entfiele, also jede conditio sine qua non (vgl. RGSt. Bd. 69 S. 47, Bd. 76 S. 86; BGH in der Juristenzeitung 1951 S. 787). Nach dieser Bedingungstheorie genügt es, daß die Handlung im Einzelfall eine der Bedingungen des Erfolgs gewesen ist. Es ist hier nicht erforderlich, daß die Handlung die überwiegende Bedingung gewesen ist, viel mehr genügt es, wenn sie den Erfolg beschleunigt hat. Durch den Hinzutritt weiterer Bedingungen wird der ursächliche Zusammenhang nicht ausgeschlossen. Die Auswahl gewisser Bedingungen und ihre Anerkennung als allein rechtlich erhebliche Ursache wird im Strafrecht abgelehnt. Diese Bedingungstheorie, die den besonderen Eigenarten des Strafrechts gerecht wird, ist weder im zivilen Schadensrecht noch im Versorgungsrecht verwertbar, da sie eine zu weit gehende Haftung begründen würde. Im Zivilrecht ist in Rechtslehre und Rechtsprechung seit langem unstreitig, daß der Kreis derartiger, im logischen Sinne bestehenden Ursachen viel zu groß ist, als daß jede von ihnen als Ursache im Rechtssinne auf diesen Gebieten betrachtet werden könnte. Die Rechtslehre hat deshalb die Theorie der adäquaten Verursachung entwickelt, die auch das Reichsgericht in ständiger Rechtsprechung vertreten hat (vgl. die im folgenden angegebene Entscheidung BGHZ. Bd. 3 S. 267, in der die maßgeblichen Entscheidungen des Reichsgerichts angeführt sind). Der Bundesgerichtshof hat sich dieser Theorie angeschlossen. Er bejahrt einen adäquaten Zusammenhang dann, "wenn eine Tatsache im allgemeinen und nicht nur unter besonders eigenartigen, ganz unwahrscheinlichen und nach dem regelmäßigen Verlauf der Dinge außer Betracht zu lassenden Umständen zur Herbeiführung eines Erfolgs geeignet war" (vgl. BGHZ. Bd. 3 S. 267). Diese Lehre vom adäquaten Kausalzusammenhang hat auch die Rechtsprechung des RVA und des RVGer. beeinflußt. Danach sind nur solche Ursachen als adäquat und damit rechtserheblich anzusehen, die wegen ihrer besonderen Beziehungen zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben, während die sonstigen Glieder der Kausalreihe die nur rein philosophisch, nicht aber als Ursachen im Rechtssinne in Betracht kommen, auszuscheiden sind (vgl. AN. 1912 S. 930; Entsch. des RVGer. Bd. 3 S. 197). Haben mehrere Umstände zu einem Erfolg beigetragen, so sind sie rechtlich nur dann nebeneinander stehende Mitursachen, wenn sie in ihrer Bedeutung und Tragweite für den Eintritt des Erfolges annähernd gleichwertig sind. Kommt einem der Umstände gegenüber dem anderen eine überragende Bedeutung zu, so ist der betreffende Umstand allein Ursache im Rechtssinne. An diesem Begriff der wesentlichen Ursache haben die genannten Gerichte in ständiger Rechtsprechung festgehalten (vgl. AN. 1914 S. 411, 1926 S. 480; Entscheidungen und Mitteilungen des Reichsversicherungsamts (EuM.) Bd. 39 S. 265; Entsch. des RVGer. Bd. 9 S. 161). Auch der erkennende Senat hat keine Bedenken, an diesem Ursachenbegriff festzuhalten.
Das Berufungsgericht hat im vorliegenden Falle zutreffend festgestellt, daß die Entlassung aus dem Schuldienst und die Ausweisung aus der Wohnung die wesentlichen Ursachen für den Entschluß des Ehemannes der Revisionsklägerin zur Selbsttötung gewesen sind. Diese Feststellung sowie die weiteren, daß die seelischen Verstimmungen des Verstorbenen in der Zeit nach der Kapitulation im wesentlichen durch diese Ereignisse verursacht worden sind und daß demgegenüber seine Krankheit nur eine untergeordnete Rolle gespielt hat, lassen keinen Verstoß gegen das Gesetz erkennen. Das Berufungsgericht hat den gesamten Akteninhalt, insbesondere auch die zahlreichen Behandlungsscheine, die nach Durchführung der Kuren erstatteten Gutachten, aber auch sämtliche ärztlichen Gutachten sowie den Inhalt des Tagebuches, das bereits am 22. Juni 1946 die Eintragung enthält: "Der Kampf geht weiter, bis man eines Tages zu Tode gehetzt liegen bleibt", um die Anordnung der Räumung als "vernichtendes Ereignis" unter dem 14. Oktober 1946 zu verzeichnen und schließlich die Eintragung am 16. Oktober 1946 mit "Aus" enthält, bei der Prüfung des ursächlichen Zusammenhanges berücksichtigt. Das Landessozialgericht hat deshalb ohne Rechtsirrtum angenommen, daß das Asthmaleiden nicht die wesentliche Ursache für die Selbsttötung gewesen ist. Der erkennende Senat kam damit zu dem Ergebnis, daß das vorinstanzliche Urteil weder Artikel 2 Abs. 3 KBLG, den § 11 der Durchführungsverordnung vom 1. Mai 1949 noch eine sonstige Vorschrift des KBLG bei der Beurteilung des ursächlichen Zusammenhanges verletzt hat. Die Revision ist deshalb auch nicht nach § 162 Abs. 1 Nr. 3 SGG statthaft.
Sie war aus diesen Gründen als unzulässig zu verwerfen.
Kosten sind nicht zu erstatten, da die Aufwendungen des Beklagten nicht erstattungsfähig sind (§ 193 Abs. 1 Halbsatz 1, Abs. 4 SGG).
Fundstellen