Entscheidungsstichwort (Thema)
Entschädigung von nicht in die BKVO aufgenommenen Krankheiten (Bronchialasthma und Hauterkrankung als Berufskrankheiten)
Leitsatz (redaktionell)
1. Tatbestände, die nach neuem Recht anspruchsbegründend sind, aber bereits vor Inkrafttreten des neuen Rechts abgeschlossen vorliegen, werden von der Rechtsänderung nicht erfaßt, wenn nicht das neue Recht selbst ausdrücklich oder dem Sinne nach seinen Geltungsbereich auf diese Sachverhalte erstreckt.
2. Nach BKVO 6 und 7 Anl 1 Nr 41 und 46 sind Bronchialasthma und schwere oder wiederholt rückfällige Hauterkrankungen, die ein Versicherter bei einer der in RVO §§ 539, 540 und 543 bis 545 genannten Tätigkeiten erleidet, Berufskrankheiten (RVO § 551 Abs 1), wenn sie zur Aufgabe der beruflichen Beschäftigung oder jeder Erwerbstätigkeit gezwungen haben.
3. Der Verordnungsgeber hat bei der Fassung der BKVO 6 und 7 Anl 1 Nr 41 und 46 die Ermächtigungsgrundlage des RVO § 551 Abs 1 nicht überschritten und gegen den Gleichheitssatz des GG Art 3 verstoßen, indem er die Anerkennung des Bronchialasthma und der schweren oder wiederholt rückfälligen Hauterkrankung als Berufskrankheit von dem Zwang der Aufgabe der beruflichen Beschäftigung oder jeder Erwerbstätigkeit abhängig gemacht hat.
Orientierungssatz
1. Mit der BKVO7ÄndV vom 1976-12-08 sind die Berufskrankheiten der BKVO 7 Anl 1 Nr 41 und 46 (Bronchialasthma und Hauterkrankungen) in ihren Tatbestandsmerkmalen neu gefaßt worden (jetzt BKVO Anl 1 Nr 4301, Nr 4302, Nr 5101). Diese Verordnung regelt jedoch nicht die rückwirkende Anwendung auf vor ihrem Inkrafttreten eingetretenen Versicherungsfälle. Die ab 1977-01-01 geltende Neuregelung ist daher auf zu diesem Zeitpunkt bereits bestehende Erkrankungen nicht anzuwenden (vgl BSG vom 1977-06-23 8 RU 16/77 = SozR 5677 Anl 1 Nr 41, Nr 2).
2. Es verstößt nicht gegen den Gleichheitssatz iVm dem Sozialstaatsgebot (GG Art 3 Abs 1, Art 20 Abs 1), daß als Arbeitsunfälle geltende Berufskrankheiten nur Krankheiten sind, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung aufgrund der ihr in RVO § 551 Abs 1 S 3 erteilten Ermächtigung als solche bezeichnet (vgl BSG vom 1978-01-26 2 RU 27/77 = SozR 2200 § 551 Nr 6 und BSG vom 1978-04-20 2 RU 79/77 = SozSich 1978, 216).
3. Es liegt innerhalb des Rahmens der in RVO § 551 Abs 1 S 2 und 3 erteilten Ermächtigung, daß nach der BKVO 7 Anl 1 Nr 41 und Nr 46 das Bronchialasthma und schwere oder wiederholt rückfällige Hauterkrankungen Berufskrankheiten nur sind, wenn sie zur Aufgabe der beruflichen Beschäftigung oder jeder Erwerbsarbeit gezwungen haben.
Normenkette
GG Art. 3 Abs. 1 Fassung: 1949-05-23, Art. 20 Abs. 1 Fassung: 1949-05-23, Art. 80 Abs. 1 S. 2 Fassung: 1949-05-23; RVO § 551 Abs. 1 S. 2 Fassung: 1963-04-30, S. 3 Fassung: 1963-04-30; BKVO 7 § 9 Fassung: 1968-06-20; BKVO 7 Anl 1 Nr. 41 Fassung: 1968-06-20, Nr. 46 Fassung: 1968-06-20; BKVO Anl 1 Nr. 4301 Fassung: 1976-12-08, Nr. 4302 Fassung: 1976-12-08, Nr. 5101 Fassung: 1976-12-08; BKVO § 9 Fassung: 1976-12-08; BKVO7ÄndV; BKVO 6 Anl 1 Nr. 41 Fassung: 1961-04-28, Nr. 46 Fassung: 1961-04-28
Verfahrensgang
LSG Rheinland-Pfalz (Entscheidung vom 31.08.1977; Aktenzeichen L 3 U 56/77) |
SG Speyer (Entscheidung vom 01.02.1977; Aktenzeichen S 6 U 56/76) |
Tenor
Das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 31. August 1977 wird aufgehoben. Der Rechtsstreit wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
Streitig ist, ob ein Bronchialasthma und eine Hauterkrankung des Klägers als Berufskrankheiten zu entschädigen sind.
Der 1931 geborene Kläger arbeitete als landwirtschaftlicher Arbeiter, Bauhilfsarbeiter, Handformer, Sägewerksarbeiter und Hilfskraft in verschiedenen Betrieben. Er beantragte im August 1973, ihm wegen einer seit 13 Jahren bestehenden Zementkrätze und eines Zementasthmas Entschädigung zu gewähren. Die Beklagte lehnte diesen Antrag ab, weil die durch die berufliche Tätigkeit verursachten Hautekzeme nicht zur Aufgabe jeder Erwerbstätigkeit geführt hätten und das Bronchialasthma nicht wahrscheinlich durch die Berufsarbeit des Klägers verursacht sei (Bescheid vom 25. Februar 1976).
Das Sozialgericht (SG) Speyer hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 1. Februar 1977). Der Kläger sei durch seine Erkrankungen nicht zur Aufgabe seines "Berufs" gezwungen worden. Er sei immer nur als ungelernter Arbeiter tätig gewesen und verrichte auch heute noch vollschichtig leichte und gelegentlich mittelschwere Arbeiten.
Das Landessozialgericht (LSG) Rheinland-Pfalz hat auf die Berufung des Klägers das Urteil des SG aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen (Urteil vom 31. August 1977).
Der erkennende Senat hat die Revision gegen dieses Urteil zugelassen (Beschluß vom 2. Februar 1978).
Die Beklagte und der Kläger haben Revision eingelegt.
Die Beklagte beantragt sinngemäß,
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1. |
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das Urteil des LSG Rheinland-Pfalz aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG zurückzuweisen. |
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2. |
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Die Revision des Klägers zurückzuweisen. |
Der Kläger beantragt,
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1. |
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Die Revision der Beklagten zurückzuweisen. |
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2. |
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Das angefochtene Urteil aufzuheben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen. |
Beide Beteiligten sind damit einverstanden, daß der Senat ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheidet (§ 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -).
Entscheidungsgründe
Die Revisionen des Klägers und der Beklagten sind insoweit begründet, als das angefochtene Urteil des LSG aufzuheben und der Rechtsstreit an das LSG zurückzuverweisen ist.
Der von dem LSG angenommene Verfahrensmangel des SG liegt nicht vor, so daß die Sache nicht an das SG (§ 159 SGG) zurückverwiesen werden durfte. Das LSG hätte aber auch ohne weitere Sachaufklärung in der Sache selbst nicht entscheiden dürfen.
Zutreffend rügt der Kläger, er mache Entschädigungsansprüche auch für die Zeit vor dem 1. Januar 1977, dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der Änderungen der 7. Berufskrankheitenverordnung (BKVO) vom 20. Juni 1968 (BGBl I 721) mit der Verordnung vom 8. Dezember 1976 (BGBl I 3329), geltend. Das LSG hat jedoch einen die Zurückverweisung rechtfertigenden Verfahrensmangel im Sinne von § 159 SGG darin gesehen, daß das SG es unterlassen habe, die rechtlichen und tatsächlichen Anspruchsvoraussetzungen nach der ab 1. Januar 1977 geltenden Fassung der BKVO zu prüfen. Nach seiner eigenen Auffassung hätte es daher selbst prüfen müssen, ob nach dem bis zum 31. Dezember 1976 geltenden Recht die Ansprüche des Klägers gerechtfertigt waren. Das hat es aber ausdrücklich dahingestellt sein lassen.
Im übrigen trifft aber auch die Auffassung des LSG nicht zu, die mit dem 1. Januar 1977 in Kraft getretenen Änderungen der BKVO (Art 4 Abs 1 der Änderungs-VO vom 8. Dezember 1976) seien für die geltend gemachten Entschädigungsansprüche des Klägers rechtserheblich. Nach nicht nur im Sozialversicherungsrecht geltenden allgemeinen Rechtsgrundsätzen werden Tatbestände, die nach neuem Recht anspruchsbegründend sind, aber bereits vor Inkrafttreten des neuen Rechts abgeschlossen vorliegen, von der Rechtsänderung nicht erfaßt, wenn nicht das neue Recht selbst ausdrücklich oder dem Sinne nach seinen Geltungsbereich auf diese Sachverhalte erstreckt (BSGE 7, 282, 284 f; 16, 177, 178 f; 23, 139, 140 f mit zahlreichen Nachweisen aus Rechtsprechung und Sachschrifttum; vgl auch BSG-Urt vom 25.4.1978 - 9/10 RV 43/77). Das widerspricht nicht dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 des Grundgesetzes (GG). Neuregelungen sind grundsätzlich nur für die Zukunft gedacht. Insbesondere brauchen neu eingeführte Vergünstigungen vom Gesetzgeber nicht auf abgeschlossene und in der Vergangenheit liegende Sachverhalte ausgedehnt zu werden (BSGE 11, 278, 287; 14, 95, 97; 23, 139, 141; SozR Nr 2 zu § 4 6.BKVO).
Mit der Änderungs-VO vom 8. Dezember 1976 sind die Berufskrankheiten der Nrn 41 und 46 der Anlage 1 zur 7. BKVO (Bronchialasthma und Hauterkrankungen) in ihren Tatbestandsmerkmalen neu gefaßt worden (jetzt Nrn 4301, 4302, 5101 der Anlage 1 zur BKVO). Diese Verordnung regelt jedoch nicht die rückwirkende Anwendung auf vor ihrem Inkrafttreten eingetretene Versicherungsfälle (vgl BR-Drucks 563/76, Begründung zu Art 4, Seite 2). § 9 der 7. BKVO ist unverändert geblieben. Auch er enthält nur Regelungen, die in bestimmten ausdrücklich genannten, hier aber nicht in Betracht kommenden Fällen eine Anwendung neuen Rechts auf alte Versicherungsfälle zulassen (vgl Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, Stand August 1977 Band II, Seite 492w I; Koetzing/Linthe, Die Berufskrankheiten, 2. Aufl, Anm 1 zu § 9 Seite 117). Nach den oben genannten Grundsätzen ist daher die ab 1. Januar 1977 geltende Neuregelung auf den Fall des Klägers nicht anzuwenden (vgl das Urteil des erkennenden Senats vom 23. Juni 1977, SozR 5677 Anl 1 Nr 41, Nr 2). Der Kläger litt nämlich schon bei der Antragstellung im August 1973 an einer Bronchial- und einer Hautkrankheit.
Es bleibt allerdings zu prüfen, ob nach dem bis zum 31. Dezember 1976 geltenden Recht der Kläger die Anspruchsvoraussetzungen für die Entschädigung einer oder mehrerer Berufskrankheiten erfüllt hat. Nach den Nrn 41 und 46 der Anlagen 1 sowohl zur 6. BKVO vom 28. April 1961 (BGBl I 505) als auch zur 7. BKVO sind Bronchialasthma und schwere oder wiederholt rückfällige Hauterkrankungen, die ein Versicherter bei einer der in den §§ 539, 540 und 543 bis 545 genannten Tätigkeiten erleidet, Berufskrankheiten und gelten als Arbeitsunfall (§ 551 Abs 1 RVO) wenn sie zur Aufgabe der beruflichen Beschäftigung oder jeder Erwerbstätigkeit gezwungen haben.
Die von dem Kläger insbesondere gegen die Rechtswirksamkeit des Tatbestandsmerkmals des Zwanges zur Aufgabe der beruflichen Beschäftigung oder jeder Erwerbstätigkeit erhobenen Bedenken greifen nicht durch. Wie der 2. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) bereits entschieden hat (Urteil vom 26. Januar 1978 - 2 RU 27/77 - zur Veröffentlichung bestimmt - und vom 20. April 1978 - 2 RU 79/77) verstößt es nicht gegen den Gleichheitssatz iVm dem Sozialstaatsgebot (Art 3 Abs 1, Art 20 Abs 1 des Grundgesetzes - GG -), daß als Arbeitsunfälle geltende Berufskrankheiten nur Krankheiten sind, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung aufgrund der ihr in § 551 Abs 1 Satz 3 Reichsversicherungsordnung (RVO) erteilten Ermächtigung als solche bezeichnet. Nach diesen Entscheidungen ist die der Bundesregierung erteilte Ermächtigung (§ 551 Abs 1 Sätze 2 und 3 RVO) nach Inhalt, Zweck und Ausmaß hinreichend begrenzt (Art 80 Abs 1 Satz 2 GG). Schließlich liegt es innerhalb des Rahmens der erteilten Ermächtigung, daß nach der Anlage 1 Nrn 41 und 46 der 7. BKVO das Bronchialasthma und schwere oder wiederholt rückfällige Hauterkrankungen Berufskrankheiten nur sind, wenn sie zur Aufgabe der beruflichen Beschäftigung oder jeder Erwerbsarbeit gezwungen haben. Der erkennende Senat sieht keinen Anlaß, von dieser Rechtsprechung abzuweichen.
Der 2. Senat hat in seinem Urteil vom 26. Januar 1978 - 2 RU 27/77 - ua ausgeführt, anders als bei einem Arbeitsunfall müsse der Kausalzusammenhang zwischen Erkrankungen und der versicherten Tätigkeit anhand statistisch relevanter Zahlen für eine Vielzahl von typischen Geschehensabläufen festgelegt werden. Erkrankungen beruhten auf verschiedenen Faktoren, die häufig nicht mit der versicherten Tätigkeit des Erkrankten zusammenhingen, sondern in seiner Person und seinen Lebensverhältnissen begründet seien. Nur durch eine Fülle gleichgelagerter Gesundheitsbeeinträchtigungen und eine langfristige zeitliche Überwachung derartiger Krankheitsbilder könne mit der notwendigen Sicherheit darauf geschlossen werden, daß die Ursache für die Krankheit in einem schädigenden Arbeitsleben liege. Dem tritt der erkennende Senat nach eigener Prüfung bei.
Der soziale Schutzgedanke im Rahmen des Sozialstaatsgebotes (Art 20 Abs 1 GG) berechtigt den Gesetzgeber, nur diejenigen Erkrankungen in den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung einzubeziehen, bei denen die versicherte Tätigkeit als wesentlich mitwirkende Ursache der Erkrankung nachgewiesen ist. Er überschreitet seinen Ermessensspielraum insoweit nicht, wenn er bei bestimmten Krankheitsbildern als Voraussetzung für ihre Aufnahme in eine Liste der Berufskrankheiten zusätzliche Voraussetzungen aufstellt, die der Abgrenzung zu Allgemein- und Verschleißerkrankungen dienen.
Die Ermächtigung in § 551 Abs 1 Satz 3 RVO hält sich im Rahmen der durch Art 80 Abs 1 GG gezogenen Grenzen. Dem Verordnungsgeber ist im einzelnen vorgeschrieben, unter welchen Voraussetzungen eine Krankheit Berufskrankheit ist. Es sind solche, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre Arbeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind. Das entspricht dem Zweck der Ermächtigung, Krankheiten in die gesetzliche Unfallversicherung einzubeziehen, die wesentlich durch die versicherte Tätigkeit mit verursacht sind.
Diese Ermächtigung hat der Verordnungsgeber dadurch nicht überschritten, daß er die in den Nrn 41 und 46 (ebenso Nr 43) der Anlage 1 zur 6./7. BKVO genannten Krankheiten nur dann als Berufskrankheiten bezeichnet hat, wenn sie zur Aufgabe der beruflichen Beschäftigung oder jeder Erwerbsarbeit gezwungen haben. Hierzu hat der 2. Senat des BSG in den genannten Entscheidungen ebenfalls dargelegt - auch insoweit schließt sich dem der erkennende Senat nach eigener Prüfung an -, daß dieses im Gegensatz zu anderen Berufskrankheiten einschränkende Tatbestandsmerkmal den Zielen des § 551 RVO entspreche, was sich insbesondere aus seiner Entstehungsgeschichte ergebe. Dieses einschränkende Merkmal findet sich erstmals vergleichbar in Nr 15 der Anlage zur 3. BKVO vom 16. Dezember 1936 (RGBl I 1117) bei schweren oder wiederholt rückfälligen beruflichen Hauterkrankungen. Diese gegenüber der vorausgehenden geänderten Fassung der Nrn 11, 12 und 13 der Anlage zur 2. BKVO vom 11. Februar 1929 (RGBl I 27) war deshalb für notwendig gehalten worden, weil es nicht angezeigt erschien, jede Hauterkrankung dem Versicherungsschutz zu unterstellen (Amtliche Begründung zur 3. BKVO, AN 1936 Seite 358 Nr 15). Geringfügige und schnell vorübergehende Erkrankungen der Haut sollten nicht als Berufskrankheit entschädigt werden, sondern nur diejenigen Hauterkrankungen, die nach Verlauf und Dauer als chronisch zu bezeichnen waren. Die Voraussetzung der Aufgabe der beruflichen Beschäftigung oder jeder Erwerbsarbeit ist auch bei zwei weiteren Berufskrankheiten der 6. BKVO als zusätzliche Voraussetzung des Versicherungsfalles aufgestellt worden, nämlich beim Bronchialasthma (Nr 41 der Anlage) und bei Erkrankungen der Sehnenscheiden, des Sehnengleitgewebes sowie der Sehnenoder Muskelansätze (Nr 43 der Anlage). Nach der Amtlichen Begründung zur Nr 41 (aaO Seite 7) bestand besonders bei dieser Erkrankung die Gefahr einer nicht mehr zu beherrschenden Ausweitung. Bei den unter Nr 43 der Anlage genannten Erkrankungen hatte es sich gezeigt, daß zwar die ärztlichen Anzeigen sehr zahlreich waren, daß aber eine Entschädigungspflicht in nur sehr wenigen Fällen anerkannt werden konnte. Die weitaus meisten Erkrankungen dieser Art waren durch ärztliche Behandlung günstig zu beeinflussen und klangen ohne bleibenden Schaden ab. Entsprechend diesem Grundgedanken sollten die leichteren Fälle der beruflich bedingten Gesundheitsstörungen bei diesen Krankheiten aus dem Schutz der Unfallversicherung herausgenommen werden. Entschädigt werden sollten nur diejenigen Erkrankungen, die zu einer längeren Arbeitsunfähigkeit führen oder eine Änderung der Berufstätigkeit oder der Lohnverhältnisse zur Folge haben. Das sind bei den in den Nrn 41, 43 und 46 der Anlage zur 6. und 7. BKVO aufgeführten Krankheiten regelmäßig die schweren Fälle, die dadurch gekennzeichnet sind, daß sie zur Aufgabe der beruflichen Beschäftigung oder jeder Erwerbsarbeit infolge der Erkrankung gezwungen haben. Durch dieses einschränkende Tatbestandsmerkmal wird in typisierender Betrachtung der Schweregrad der Krankheit beschrieben. Daneben dient es dem Zweck, ein Verbleiben des Versicherten auf dem ihn gefährdenden Arbeitsplatz zu verhindern und dadurch eine Verschlimmerung der Krankheit mit der Folge einer erhöhten Entschädigungsleistung zu verhüten. Der Versicherungsträger ist daher regelmäßig nur dann zur Entschädigung verpflichtet, wenn eine Erkrankung die medizinisch notwendige Aufgabe des Arbeitsplatzes bewirkt, und der Versicherte den Arbeitsplatz deshalb aufgegeben hat.
Die tatsächlichen Feststellungen des LSG reichen zu einer abschließenden Entscheidung nicht aus. Um entscheiden zu können, ob der Kläger an einer entschädigungspflichtigen Berufskrankheit im Sinne der Nrn 41 oder 46 der Anlage 1 der 6./7. BKVO leidet und wann der Versicherungsfall eingetreten ist, ist zunächst festzustellen, an welchen Krankheiten der Kläger leidet, wann sie erstmals aufgetreten sind und ob ein ursächlicher Zusammenhang mit einer von ihm ausgeübten Beschäftigung besteht. Hat der Kläger eine seiner Beschäftigungen, jedoch nicht jede Erwerbsarbeit, wegen einer solchen mit der Erwerbstätigkeit in ursächlichem Zusammenhang stehenden Krankheit aufgeben müssen, so ist zu prüfen, ob es sich dabei um eine "berufliche Beschäftigung" im Sinne der Nrn 41 oder 46 der Anlage 1 zur 6./7. BKVO gehandelt hat. Eine bündige Feststellung dahin, der Kläger sei immer nur als Hilfsarbeiter beschäftigt gewesen, würde dazu nicht ausreichen. Unter die Nrn 41 und 46 aaO fällt nicht nur der Zwang zum Wechsel oder zur Aufgabe einer erlernten, sondern unter bestimmten Voraussetzungen auch einer ungelernten Tätigkeit, sofern damit mehr als ein bloßer Wechsel des Arbeitsplatzes verbunden ist. Das ist insbesondere angenommen worden, wenn ein Versicherter genötigt war, eine Tätigkeit aufzugeben, durch die er entweder im Wege der Anlernung oder durch eine lange andauernde Tätigkeit besondere Kenntnisse, Fähigkeiten oder Fertigkeiten erlangt hatte und er hierdurch zu einer brauchbaren speziellen Arbeitskraft für Unternehmen gleicher Art geworden war, er diesen Vorteil infolge zwangsweiser Aufgabe seiner Beschäftigung aber künftig auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens nicht mehr nutzbringend verwerten konnte und er deshalb eine wirtschaftliche Einbuße erlitten hatte (BSGE 10, 278, 280 ff; 18, 98, 100 zu Nr 19 der Anlage zur 5. BKVO; Urteil vom 31. Mai 1967 - 2 RU 204/65 unveröffentlicht; Urteil des erkennenden Senats, SozR 5677 Anl 1 Nr 46, Nr 2 Seite 8).
Da das Revisionsgericht die fehlenden Feststellungen selbst nicht treffen kann, ist das angefochtene Urteil mit den ihm zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben und der Rechtsstreit zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG).
Die Kostenentscheidung bleibt dem den Rechtsstreit abschließenden Urteil vorbehalten.
Fundstellen