Entscheidungsstichwort (Thema)
Berechnung des Arbeitslosengeldes bei Leistungsminderung
Orientierungssatz
Es ist für die Anwendung des AFG § 112 Abs 8 unerheblich, ob die Leistungsminderung vor dem Bemessungszeitraum, in dem Bemessungszeitraum oder danach eingetreten ist. Maßgebend ist lediglich, ob der Arbeitslose während der Arbeitslosengeld-Bezugszeit die Anzahl von Arbeitsstunden wöchentlich erbringen kann, die im Bemessungszeitraum für seine Beschäftigungsverhältnisse bestimmend war. 2. Eine Anwendung des AFG § 112 Abs 7 in den Fällen, in denen der Arbeitslose infolge einer Minderung seiner Leistungsfähigkeit nicht mehr (oder nicht mehr voll) die Tätigkeit ausüben kann, die er im Bemessungszeitraum ausgeübt hat, aber eine andere Tätigkeit in vollem Umfange auszuüben vermag, läßt das AFG nicht zu.
Normenkette
AFG § 112 Abs 7 Fassung: 1969-06-25; AFG § 112 Abs 8 S 1 Fassung: 1969-06-25
Verfahrensgang
LSG Baden-Württemberg (Entscheidung vom 04.04.1979; Aktenzeichen L 3 Ar 75/78) |
SG Konstanz (Entscheidung vom 15.11.1977; Aktenzeichen S 7 Ar 100/77) |
Tatbestand
Der Kläger begehrt höheres Arbeitslosengeld (Alg). Der 1915 geborene Kläger, der keinen Beruf erlernt hat, war vom 29. Januar 1973 bis 31. Januar 1975 als Lagerist und Packer (Stundenlohn zuletzt 6,28 DM) und vom 1. Februar 1975 bis 31. Juli 1976 als Pförtner und Wächter beschäftigt (Arbeitsentgelt Mai 1976: 1.896,55 DM bei 242,5 Arbeitsstunden; Wochenarbeitszeit lt Tarif: 60 Stunden). Ab 1. Juni 1976 bezog der Kläger Krankengeld.
Nachdem er zum 27. September 1976 gesundgeschrieben worden war, meldete er sich arbeitslos und beantragte Alg. Mit Bescheid vom 15. Oktober 1976 bewilligte die Beklagte Alg ab 27. September 1976, ausgehend von einer wöchentlichen Arbeitszeit von 60 Stunden (Einheitslohn 470,-- DM). Nachdem eine ärztliche Untersuchung ergeben hatte, daß der Kläger keine Nacht-, Schicht- und Akkordarbeiten verrichten konnte, für leichte Arbeiten bei betriebsüblicher Arbeitszeit ganztags, wöchentlich aber nur 40 Stunden zur Verfügung stand, berechnete die Beklagte durch Bescheid vom 12. November 1976 das Alg ab 29. Oktober 1976 neu, und zwar ausgehend von einer Wochenarbeitszeit von 40 Stunden (Einheitslohn 315,-- DM). Widerspruch und Klage hatten keinen Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 27. Dezember 1976; Urteil des Sozialgerichts Konstanz -SG- vom 15. November 1977). Während des Klageverfahrens erhöhte die Beklagte das Bemessungsentgelt gemäß § 112a Arbeitsförderungsgesetz (AFG) ab 1. Juni 1977 und stellte die Zahlung ab 8. September 1977 ein, nachdem der Kläger an diesem Tage arbeitsunfähig erkrankt war. Auf seinen Antrag bewilligte die Beklagte ihm Alg ab 4. Oktober 1977 für restliche 15 Wochentage weiter, und zwar gemäß Bescheid vom 18. Oktober 1977 unverändert ausgehend von 40 Wochenstunden.
Auf die vom SG zugelassene Berufung hat das Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) durch Urteil vom 4. April 1979 die Beklagte unter Abänderung des Urteils des SG, des Bescheids vom 12. November 1976 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27. Dezember 1976 und des Bescheids vom 18. Oktober 1977 verurteilt, dem Kläger ab 29. Oktober 1976 höheres Alg zu gewähren und dabei ein monatliches tarifliches Bruttogehalt von 1.639,-- DM zugrundezulegen. Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, der Kläger habe seine letzte Tätigkeit aufgeben müssen, weil er die 60 Stundenwoche und den Schichtdienst nicht mehr habe durchstehen können. Als Tagesportier mit Telefondienst und Posteingang habe er aber noch 40 Stunden wöchentlich arbeiten können. Mit Recht habe die Beklagte der Alg Berechnung gemäß § 112 Abs 8 AFG nur eine Arbeitszeit von 40 Wochenstunden zugrundegelegt. Weder Wortlaut noch Sinn der Vorschrift verlangten, wie der Kläger meine, daß die Minderung der Leistungsfähigkeit schon im Bemessungszeitraum oder vor der Arbeitslosigkeit vorgelegen habe. Zu Unrecht habe die Beklagte dagegen gemäß § 112 Abs 2 AFG das im Mai 1976 erzielte Entgelt der Alg Berechnung zugrundegelegt, anstatt entsprechend § 112 Abs 7 AFG das Entgelt zu berücksichtigen, das der Kläger im Zeitpunkt der Arbeitslosmeldung als Tagesportier erzielen könne (1.639,-- DM bei 40 Stunden wöchentlich; Einheitslohn 405,-- DM). Zwar sei § 112 Abs 7 AFG nicht unmittelbar anwendbar, da das zuletzt erzielte Entgelt im Rahmen dessen liege, was der Kläger innerhalb der drei Jahre vor der Arbeitslosmeldung erzielt habe. Doch sei nach Sinn und Entstehungsgeschichte eine entsprechende Anwendung geboten, wenn sich eine unbillige Härte dadurch ergebe, daß der Arbeitslose nicht mehr die im Bemessungszeitraum erreichte Zahl der Arbeitsstunden verrichten könne. Die Gesetz gewordene Fassung des § 112 Abs 8 AFG gehe auf eine Anregung des Ausschusses für Arbeit zurück, mit der neben einer Verwaltungsvereinfachung auch generell eine Begünstigung der Arbeitslosen verfolgt worden sei. Dieses Ziel werde bei der von der Beklagten vorgenommenen Auslegung verfehlt. Daß bei einer atypisch langen tariflichen Gestaltung der Arbeitszeit ein Arbeitsloser selbst dann noch benachteiligt sei, wenn er trotz Leistungseinschränkung die allgemein übliche Arbeitszeit von 40 Wochenstunden erfüllen könne, habe der Gesetzgeber offensichtlich nicht bedacht. Die unbillige Härte, die sich durch entsprechende Anwendung des § 112 Abs 7 AFG vermeiden lasse, ergebe sich dadurch, daß die geringe Arbeitsintensität eines Wächters und Pförtners bei dem Stundenlohn Berücksichtigung gefunden habe.
Die Beklagte rügt mit der Revision eine Verletzung des § 112 AFG durch das LSG und bringt hierzu insbesondere vor: Der Grundgedanke der Härteregelung des § 112 Abs 7 AFG bestehe darin, für diejenigen Fälle einen Ausgleich zu schaffen, in denen der Arbeitslose gerade in dem verhältnismäßig kurzen Bemessungszeitraum ein wesentlich geringeres Arbeitsentgelt erzielt habe, als es seiner eigentlichen, während eines längeren Zeitraums ausgeübten Tätigkeit entspräche. Dieser Grundgedanke lasse sich nicht auf die Fälle des § 112 Abs 8 AFG entsprechend anwenden. Die Bemessung des Alg richte sich grundsätzlich nach dem Arbeitsentgelt, das im Bemessungszeitraum im Durchschnitt der tariflichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit erzielt worden sei. Von dieser Stundenzahl müsse in den Fällen des § 112 Abs 8 AFG abgewichen werden. Das bedeute für den Arbeitslosen regelmäßig eine Härte. Dennoch habe der Gesetzgeber nicht § 112 Abs 7 AFG für anwendbar erklärt. Hieraus folge, daß die Anwendung des Abs 7 bei der Bemessung nach § 112 Abs 8 AFG nicht beabsichtigt gewesen sei. Eine Lücke liege nicht vor; für eine Gesetzesanalogie sei kein Raum.
Die Beklagte beantragt sinngemäß,
das Urteil des LSG aufzuheben und die Berufung
zurückzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Er ist der Ansicht, eine Alg Berechnung nach § 112 Abs 8 AFG scheide aus. Im Bemessungszeitraum habe er entsprechend dem Tarifvertrag 60 Stunden gearbeitet; diese Stundenzahl sei der Berechnung zugrundezulegen. Der § 112 Abs 8 AFG setze voraus, daß die Minderung der Leistungsfähigkeit im Bemessungszeitraum eingetreten sein müsse. Auch wenn man mit dem LSG annehme, die Minderung könne während des Leistungsbezugs eintreten, komme die Vorschrift nicht zur Anwendung. Jedenfalls sei das Alg hilfsweise nach § 112 Abs 7 AFG zu berechnen.
Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz -SGG-).
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist begründet. Der Kläger hat entgegen der Auffassung des LSG keinen Anspruch auf höheres Alg als das von der Beklagten ab 29. Oktober 1976 festgesetzte.
Das Alg beträgt 68 vH des um die gesetzlichen Abzüge, die bei Arbeitnehmern gewöhnlich anfallen, verminderten Arbeitsentgelts (§ 111 Abs 1 AFG vom 25. Juni 1969, BGBl I 582, in der hier maßgeblichen Fassung des Gesetzes zur Verbesserung der Haushaltsstruktur im Geltungsbereich des Arbeitsförderungs- und des Bundesversorgungsgesetzes -HStruktG-AFG- vom 18. Dezember 1975, BGBl I 3113). Arbeitsentgelt in diesem Sinne ist das im Bemessungszeitraum in der Arbeitsstunde durchschnittlich erzielte Arbeitsentgelt, vervielfacht mit der Zahl der Arbeitsstunden, die sich als Durchschnitt der tariflichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit der Beschäftigungsverhältnisse im Bemessungszeitraum ergibt (§ 112 Abs 2 Satz 1 AFG); Bemessungszeitraum sind die letzten, am Tage des Ausscheidens des Arbeitnehmers aus dem Beschäftigungsverhältnis abgerechneten, insgesamt 20 Tage mit Anspruch auf Arbeitsentgelt umfassenden Lohnabrechnungszeiträume der letzten die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung vor der Entstehung des Anspruchs (§ 112 Abs 3 Satz 1 AFG). Maßgebend ist danach, daß der Kläger im letzten Lohnabrechnungszeitraum 242,5 Stunden gearbeitet und bei einer tariflichen wöchentlichen Arbeitszeit von 60 Stunden 1.896,55 erzielt hat, wovon die Beklagte zutreffend ausgegangen ist.
Zutreffend hat die Beklagte das im Bemessungszeitraum in der Arbeitsstunde durchschnittlich erzielte Arbeitsentgelt nicht mit 60, sondern gemäß § 112 Abs 8 Satz 1 AFG nur mit 40 vervielfältigt. Nach § 112 Abs 8 Satz 1 AFG ist bei der Feststellung des Arbeitsentgelts für die Zeit, während der der Arbeitslose wegen einer Minderung seiner Leistungsfähigkeit nicht mehr die Zahl von Arbeitsstunden leisten kann, die sich als Durchschnitt der tariflichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit der Beschäftigungsverhältnisse im Bemessungszeitraum ergibt, die Zahl von Arbeitsstunden zugrundezulegen, die der Arbeitslose wöchentlich zu leisten imstande ist. Entgegen der Ansicht des Klägers ist es für die Anwendung dieser Vorschrift unerheblich, ob die Leistungsminderung vor dem Bemessungszeitraum, in dem Bemessungszeitraum oder danach eingetreten ist. Maßgebend ist lediglich, ob der Arbeitslose während der Alg Bezugszeit die Anzahl von Arbeitsstunden wöchentlich erbringen kann, die im Bemessungszeitraum für seine Beschäftigungsverhältnisse bestimmend war. Das ergibt sich aus der vom Gesetz vorgesehenen Berechnung des Arbeitsentgelts nach § 112 Abs 2, 3 und 8 AFG.
Das Alg, das an die Stelle des Lohnes tritt, der dem Arbeitslosen infolge der Arbeitslosigkeit entgeht, richtet das Gesetz an dem Lohn aus, den der Arbeitslose erzielen könnte.
Zur Vereinfachung der Alg-Berechnung geht das Gesetz im Regelfall von dem Arbeitsentgelt aus, das der Arbeitslose bei Fortsetzung der bisherigen Beschäftigung erzielt hätte. Die Bestimmung der Bemessungsgrundlage nach § 112 Abs 2 und Abs 3 AFG zielt daher auf einen Wochenlohn ab, wie er für die Beschäftigungsverhältnisse des Arbeitslosen im Bemessungszeitraum typisch war. Daher ist das in der Arbeitsstunde durchschnittlich erzielte Arbeitsentgelt (unter Einschluß des Entgelts aufgrund von Überstunden und ihrer Anzahl) mit der Zahl der tariflichen regelmäßigen wöchentlichen oder einer üblichen Arbeitszeit bzw mit der Zahl der vereinbarten Stunden zu vervielfältigen, wenn nicht nur vorübergehend weniger als die tariflichen oder üblichen Arbeitsstunden vereinbart waren. Kann der Arbeitslose in der Zeit, für die ihm Alg zusteht, die für die Bemessung seines Alg maßgebliche Anzahl von Arbeitsstunden nicht mehr leisten, soll er nach § 112 Abs 8 Satz 1 AFG eine seiner Leistungsminderung entsprechende Minderung des Bemessungsentgelts hinnehmen. Maßgebend ist mithin, ob der Arbeitslose die dem Bemessungsentgelt zugrundeliegende wöchentliche Arbeitszeit während des Bezugs von Alg erbringen kann. Entsprechend sind auch Änderungen in der Leistungsfähigkeit während des Bezugs zu berücksichtigen (Krebs, AFG, § 112 RdNr 44, Februar 1980; Schönefelder/Kranz/Wanka, Kommentar zum AFG, § 112 RdNrn 29, August 1972), so zB ein Absinken der Leistungsfähigkeit auf 30 der maßgebenden 40 Wochenstunden und ein späterer Anstieg auf 35 Stunden. Der Kläger konnte nicht mehr die tariflichen regelmäßigen 60 Wochenstunden, sondern nur noch 40 Stunden wöchentlich arbeiten. Das hat das LSG, das die Rechtsansicht des Senats zu § 112 Abs 8 Satz 1 AFG teilt, festgestellt. Es hat nämlich ausgeführt, die Beklagte habe zutreffend nur die vom Kläger in Zukunft zu leistende Arbeitszeit von 40 Wochenstunden zugrundegelegt. Der Kläger hat diese Feststellung nicht angegriffen; der Senat ist daher an sie gebunden (§ 163 SGG). Die Berücksichtigung des Vervielfältigers 40 anstelle des Vervielfältigers 60 ergibt aufgerundet den Einheitslohn 315,-- DM.
Zu Unrecht hat das LSG demgegenüber angenommen, der Bemessung sei das Entgelt zugrundezulegen, das der Kläger erzielt hätte, wenn er im September 1976 als Tagesportier in Konstanz gearbeitet hätte. Ausnahmen, die eine Feststellung des Arbeitsentgelts abweichend von der Regelung der Absätze 2, 3 und 8 des § 112 AFG zulassen, liegen nicht vor.
Nach § 112 Abs 7 AFG kann das Arbeitsentgelt nicht festgestellt werden. Voraussetzung hierfür ist, daß es mit Rücksicht auf die von dem Arbeitslosen in den letzten drei Jahren vor der Arbeitslosmeldung überwiegend ausgeübte berufliche Tätigkeit unbillig hart wäre, von dem Arbeitsentgelt nach den Absätzen 2 bis 6 des § 112 AFG auszugehen. Eine unbillige Härte liegt dann vor, wenn die Bemessung des Alg aufgrund der Absätze 2 bis 6 von § 112 AFG den Arbeitslosen erheblich benachteiligen würde. Das ist der Fall, wenn das nach § 112 Abs 2 und 3 AFG ermittelte Bemessungsentgelt in einem Mißverhältnis zu dem Entgelt steht, das der Arbeitslose aus den innerhalb der letzten drei Jahre vor der Arbeitslosmeldung überwiegend ausgeübten beruflichen Tätigkeiten erzielt hat. Gegenüberzustellen und miteinander zu vergleichen sind die in Betracht kommenden Arbeitsentgelte (BSGE 45, 49, 54 = SozR 4100 § 112 Nr 6). Nach den allgemeinen Regeln des § 112 Abs 2 und 3 AFG richtet sich das Alg des Klägers daher nach der mit 1.896,55 DM entlohnten Beschäftigung bei 242,5 Arbeitsstunden. Das demnach durchschnittlich in der Arbeitsstunde erzielte Arbeitsentgelt von 7,82 DM ergibt vervielfacht mit der tariflichen regelmäßigen Arbeitszeit von 60 Stunden den Wochenbetrag (Einheitslohn) von 470,-- DM, der vor der ärztlichen Untersuchung des Klägers der Alg Bemessung zugrundegelegen hat. Der geringere Wochensatz von 315,-- DM, der seitdem gilt, ergibt sich erst aus der Anwendung des § 112 AFG, wie dies nach dem eindeutigen Wortlaut des § 112 Abs 7 AFG für dessen Anwendung erforderlich ist. Den Wochenbetrag, den der Kläger als Lagerist und Packer erzielt hat, hat das LSG nicht zahlenmäßig festgestellt. Es hat jedoch ausgeführt, das nach § 112 Abs 2 AFG der Berechnung des Alg zugrundegelegte Entgelt, das ist aber der Wochenlohn von 470,-- DM, habe sich im Rahmen dessen bewegt, was der Kläger als Lagerist und Packer erzielt habe. Damit hat das LSG sinngemäß festgestellt, daß das früher erzielte Arbeitsentgelt nicht höher bzw allenfalls unmaßgeblich höher als der Wochenlohn von 470,-- DM gewesen ist. Der Kläger hat diese Feststellung nicht angegriffen; sie ist daher für den Senat nach § 163 SGG bindend. Ob die berufliche Tätigkeit als Lagerist und Packer überwog, bedarf somit keiner Entscheidung. Es kann dahingestellt bleiben, ob eine berufliche Tätigkeit im Hinblick auf die Dreijahresfrist überwiegend erst dann ausgeübt ist, wenn sie länger als 1 /2 Jahre gedauert hat und ob, läßt man es genügen, wenn sie lediglich länger als die andere Tätigkeit ausgeübt wurde, längere Fehlzeiten wegen Krankheit unberücksichtigt bleiben können. Ob es unbillig hart erscheint, wenn man das Alg, das dem Kläger aufgrund seiner letzten Tätigkeit als Pförtner und Wächter (im Schichtdienst) zukommt, mit dem Alg vergleicht, das ihm zustände, wäre das Alg fiktiv nach einer Tätigkeit als Tagesportier zu bemessen, ist rechtlich unerheblich. Ein solcher Vergleich widerspricht dem Grundgedanken des § 112 Abs 7 AFG. Dieser besteht darin, einen Ausgleich für die Fälle zu schaffen, in denen der Arbeitslose gerade in dem verhältnismäßig kurzen Bemessungszeitraum ein wesentlich geringeres Arbeitsentgelt erzielt hatte, als es seiner eigentlichen, während des längeren Zeitraums ausgeübten Tätigkeit entsprochen hätte (vgl BSG SozR § 90 AVAVG Nr 5; BSGE 45, 49 = SozR 4100 § 112 Nr 6; Urteil vom 21. Mai 1980 - 7 RAr 43/79 -).
Eine entsprechende Anwendung des § 112 Abs 7 AFG in den Fällen, in denen der Arbeitslose infolge einer Minderung seiner Leistungsfähigkeit nicht mehr (oder nicht mehr voll) die Tätigkeit ausüben kann, die er im Bemessungszeitraum ausgeübt hat, aber eine andere Tätigkeit in vollem Umfange auszuüben vermag, läßt das AFG nicht zu. Dies folgt aus § 112 Abs 8 Satz 1 AFG. Die hier vorgeschriebene Berücksichtigung der Minderung der Leistungsfähigkeit des Arbeitslosen in der Bezugszeit durch Verringerung der Stundenzahl, mit dem das in der Arbeitsstunde durchschnittlich erzielte Arbeitsentgelt zu vervielfältigen ist, ist abschließend. Es kommt nur auf die Stundenzahl der Tätigkeit an, die der Arbeitslose noch zu erbringen vermag; dabei kann die Tätigkeit berücksichtigt werden, die den zeitlich längsten Einsatz des Arbeitslosen ermöglicht (Krebs, aaO RdNr 42; Schönefelder/Kranz/Wanka, aaO RdNr 29). Im übrigen bleibt die Minderung der Leistungsfähigkeit (zB Auswirkungen auf die Art der Arbeit und damit den Stundenlohn) auf die Bemessung des Alg ohne Einfluß (Krebs, aaO RdNr 40; Schönefelder/Kranz/Wanka, aaO; Hennig/Kühl/Heuer, AFG, § 112 Anm 15, Dezember 1979). Das Alg wird in diesen Fällen ggf nach einem Entgelt berechnet, das der Arbeitslose nicht mehr erzielen kann; gemessen an der Leistungsfähigkeit kann das Alg in diesen Fällen aber auch zu niedrig ausfallen. Diese gesetzliche Regelung ist abschließend. Das ergibt die Entstehungsgeschichte der Vorschrift. Die von der Bundesregierung ursprünglich vorgeschlagene Bemessung des Alg bei Minderung der Leistungsfähigkeit nach dem Arbeitsentgelt derjenigen Beschäftigung, für die der Arbeitslose nach Alter, Leistungsfähigkeit, Beruf und Ausbildung in Betracht kommt (vgl Regierungsentwurf § 101 Abs 8, BT-Drucks V/2291 S 22, 81) hat der Ausschuß des Deutschen Bundestages für Arbeit als zu zeitaufwendig und unpraktikabel abgelehnt (Begründung zu § 101 Abs 8 zu BT-Drucks V/4110 S 19). Statt dessen ist der Vorschlag des Ausschusses, die Minderung der Leistungsfähigkeit nur zu berücksichtigen, wenn der Arbeitslose die volle Zahl der Arbeitsstunden nicht mehr erbringen kann (vgl Ausschußentwurf § 101 Abs 8, BT-Drucks V/4110 S 49), Gesetz geworden. Dabei ist nicht übersehen worden, daß die Nichtanwendung des jetzigen § 112 Abs 7 AFG bei Leistungsminderung im Einzelfall sich auch nachteilig für den Arbeitslosen auswirken kann. Der Ausschuß hat nämlich ausgeführt, die von ihm vorgeschlagene Vereinfachung sei für den Arbeitslosen im allgemeinen günstiger als die des Regierungsentwurfs (vgl Begründung zu § 101 Abs 8, zu BT-Drucks V/4110 S 19). Wie sich aus den Worten "im allgemeinen günstiger" ergibt, hat der Ausschuß somit in Kauf genommen, daß in den Sonderfällen der Arbeitslose schlechter steht, als er nach dem Regierungsentwurf gestanden hätte. Die Entstehungsgeschichte der Vorschrift verbietet daher entgegen der Ansicht des LSG eine entsprechende Anwendung des § 112 Abs 7 AFG in Fällen der Leistungsminderung. Den so offenbar gewordenen Willen des Gesetzgebers hat die Rechtsprechung zu beachten. Die Regelung, die der Gesetzgeber getroffen hat, verstößt nicht gegen das Sozialstaatsprinzip des Art 20 des Grundgesetzes. Die Ausgestaltung des Sozialstaatsprinzips obliegt im wesentlichen dem Gesetzgeber (BVerfGE 1, 97, 105; 8, 274, 329; 36, 73, 84); ein Anspruch auf eine bestimmte Regelung besteht nicht.
Ist der Alg Bemessung ab 29. Oktober 1976 danach der Einheitslohn von 315,-- DM zugrundezulegen, ist der Bescheid der Beklagten vom 12. November 1976 idF des Widerspruchsbescheides vom 27. Dezember 1976 sowie der auf diese Regelung aufbauende Bescheid vom 18. Oktober 1977 nicht zu beanstanden.
Auf die Revision der Beklagten ist daher unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Berufung des Klägers gegen das zutreffend die Klage abweisende Urteil des SG als unbegründet zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen