Verfahrensgang

Schleswig-Holsteinisches LSG (Urteil vom 23.07.1976)

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 23. Juli 1976 wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Der Kläger war vom 10. April 1967 bis zum 30. September 1973 als Verkäufer und Filialleiter bei der Firma Albrecht D. (D) mit einem monatlichen Gehalt von 1350,– DM beschäftigt. Die wöchentliche Arbeitszeit betrug 45 Stunden. Im Tarifvertrag war eine regelmäßige Arbeitszeit von wöchentlich 42,5 Stunden vorgesehen, die aber bis zu 45 Stunden verlängert werden konnte. Außerdem arbeitete der Kläger in der Zeit vom 1. April bis zum 30. September 1973 wöchentlich 24 Stunden gegen ein monatliches Entgelt von 664,– DM bei der Firma G. und H. (G. und H.); die regelmäßige betriebsübliche Arbeitszeit betrug hier 40 Stunden in der Woche. Ab 1. Oktober 1973 besuchte der Kläger die Akademie für praktische Betriebswirtschaft mit dem Ziel des geprüften Betriebswirts. Dafür bewilligte ihm das Arbeitsamt Hamburg mit den Bescheiden vom 18. Oktober 1973, 25. März, 20. September 1974 und 12. Februar 1975 Unterhaltsgeld (Uhg). Die Höhe errechnete es nach einem Einheitslohn von 310,– DM und für die Zeit vom 1. Oktober 1974 bis zum 31. Juli 1975 nach einem Einheitslohn von 345,– DM, wobei das Arbeitsamt allein die Beschäftigung bei der Firma D. berücksichtigte. Der Widerspruch gegen den ersten dieser Bescheide, mit dem der Kläger Bewilligung eines höheren Uhg verlangte, blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 15. November 1973). Mit der Klage begehrte der Kläger Bewilligung des Uhg nach einem Einheitslohn von 465,– DM, der sich errechnete aus dem durchschnittlichen Stundenlohn, vervielfacht mit der Zahl der 69 Arbeitsstunden, die er in beiden Arbeitsverhältnissen zusammen wöchentlich zu leisten hatte. Dagegen machte die Beklagte geltend, wenn ein Uhg-Berechtigter mehrere Arbeitsverhältnisse nebeneinander gehabt habe, sei das durchschnittliche Arbeitsentgelt in der Arbeitsstunde mit dem Durchschnitt aus den in Betracht kommenden tariflichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeiten – hier 42,5 Stunden – zu vervielfachen. Mindestens sei aber von dem Bemessungsentgelt auszugehen, das sich bei Berücksichtigung nur des günstigsten der Beschäftigungsverhältnisse ergebe.

Das Sozialgericht (SG) Lübeck hat die Klage mit Urteil vom 10. Februar 1975 abgewiesen und die Berufung zugelassen. Mit Urteil vom 23. Juli 1976 hat das Schleswig-Holsteinische Landessozialgericht (LSG) die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Es hat ausgeführt:

Nach dem bloßen Wortlaut des § 112 Abs. 2 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) sei sowohl die Auslegung des Klägers als auch die Auslegung der Beklagten möglich. Die Beklagte habe in ihrem Runderlaß 18/65.4 angeordnet, wenn der Arbeitslose im Bemessungszeitraum gleichzeitig in mehreren versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen gestanden habe, seien für die Berechnung des in der Arbeitsstunde durchschnittlich erzielten Arbeitsentgelts und der durchschnittlichen tariflichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit sämtliche Beschäftigungsverhältnisse heranzuziehen. Der Senat schließe sich dieser Auslegung an, denn sie entspreche dem Sinn des Gesetzes, willkürliche Ergebnisse zu vermeiden. Nach der Begründung zu Artikel I Nr. 9 des Entwurfs eines Zweiten Änderungsgesetzes zum Gesetz über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (AVAVG) sollten unbefriedigende Auswirkungen des damals geltenden Rechts, nämlich, daß ein zufälliger und ungewöhnlich hoher Verdienst innerhalb des Bemessungszeitraums zu einer unverhältnismäßig hohen Bemessungsgrundlage führen könnte, vermieden werden (BT-Drucks III, 1240 S. 13). Dies gelte nicht nur bei Überstunden in einem Beschäftigungsverhältnis, sondern sinngemäß genauso bei Übernahme einer weiteren Beschäftigung. Eine solche Übernahme würde praktisch eine Umgehung des Gesetzes bedeuten. Dagegen greife der Einwand des Klägers, daß er sich auf das hohe und – anders als eine Überstundenvergütung – vertraglich abgesicherte Entgelt eingerichtet habe, nicht durch; denn die Lohnersatzfunktion des Uhg sei im AFG nicht konsequent durchgeführt. Für das Uhg des Klägers ergebe sich bei einer tariflichen wöchentlichen Arbeitszeit im Vollbeschäftigungsverhältnis von 45 Stunden und 40 Stunden im Teilbeschäftigungsverhältnis eine durchschnittliche tarifliche regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit von 42,5 Stunden. Daraus errechne sich ein Einheitslohn von 285,– DM. Da dieser Einheitslohn niedriger sei als das sich allein aus der Vollbeschäftigung ergebende Arbeitsentgelt, habe die Beklagte dieses Arbeitsentgelt zugrunde gelegt. Dagegen bestünden keine Bedenken.

Mit der zugelassenen Revision macht der Kläger geltend, es sei zwar richtig, daß gelegentliche Mehrarbeitszeit außer Betracht zu bleiben habe. Maßgebend bleibe aber die vereinbarte Zahl der regelmäßigen Arbeitsstunden. Das seien bei ihm 69 Stunden gewesen. Nach dem Sinn des Gesetzes solle die Höhe des Uhg an die Höhe des durchschnittlich erzielten Arbeitsentgelts angelehnt werden, so daß dem Bildungswilligen die Erhaltung seines durchschnittlichen Lebensstandards ermöglicht wird.

Sinngemäß beantragt der Kläger,

die Urteile des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 23. Juli 1976 und des Sozialgerichts Lübeck vom 10. Februar 1975 aufzuheben sowie die Bescheide vom 18. Oktober 1973 und 15. November 1973, 25. März 1974, 20. September 1974 und 12. Februar 1975 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm ein Uhg nach einem Einheitslohn von 465,– DM wöchentlich ab 1. Oktober 1973 und nach einer entsprechenden Angleichung ab 1. Oktober 1974 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für richtig.

Beide Beteiligte haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes –SGG–).

 

Entscheidungsgründe

II

Die Revision des Klägers ist zulässig aber nicht begründet.

Mit Recht hat das LSG die Berufung zurückgewiesen. Das SG mußte die Klage abweisen, denn die angefochtenen Bescheide waren nicht rechtswidrig. Dem Kläger steht kein höheres Uhg zu.

Das Uhg bemißt sich gemäß § 44 Abs. 2 Satz 3 iVm § 112 Abs. 2 Satz 1 AFG nach dem im Bemessungszeitraum in der Arbeitsstunde durchschnittlich erzielten Arbeitsentgelt, vervielfacht mit der Zahl der Arbeitsstunden, die sieh als Durchschnitt der tariflichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit der Beschäftigungsverhältnisse im Bemessungszeitraum ergibt. Mit Recht hat das LSG nicht beanstandet, daß das Arbeitsamt nach der dem angefochtenen Bescheid zugrundeliegenden Berechnung das durchschnittliche Arbeitsentgelt nur mit einer Arbeitszeit von 45 Stunden vervielfacht und nicht die volle Arbeitszeit aus beiden Beschäftigungsverhältnissen zusammen zugrunde gelegt hat.

Eine für den Kläger günstigere Berechnung ergibt sich nicht aus dem Wortlaut des § 112 Abs. 2 Satz 1 letzter Halbsatz AFG.

Die Bestimmung regelt allerdings mit dem ausdrücklichen Gebrauch der Mehrzahl den Bemessungsfaktor auch bei mehreren Beschäftigungsverhältnissen im Bemessungszeitraum. Wenn danach der Durchschnitt der Arbeitszeit der Beschäftigungsverhältnisse zugrunde zu legen ist, so können damit aber sinngemäß nur zeitlich aufeinanderfolgende Beschäftigungsverhältnisse gemeint sein. Tatsächlich hat der Gesetzgeber nur an diese Fallgestaltung gedacht (BT-Drucks III 1240 S. 13; vgl. Schönefelder-Kranz-Wanka, Komm zum AFG § 112 Bem 20; Hennig-Kühl-Heuer, Komm zum AFG § 112 Bem 3). Dagegen wollten Fangmeyer-Ueberall auch bei mehreren gleichzeitig nebeneinander ausgeübten Beschäftigungen den Arbeitszeitfaktor grundsätzlich nach dem Durchschnitt aus den tariflichen wöchentlichen Arbeitszeiten aller Beschäftigungsverhältnisse bemessen (Gesetz über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung, Komm, 5. Aufl, § 90 Nr. 18). Dies führt aber zu einem unbefriedigenden Ergebnis, das dem Sinn des Gesetzes nicht entspricht, denn der Durchschnitt der tariflichen Arbeitszeiten mehrerer Beschäftigungsverhältnisse kann niedriger liegen als die für eines dieser Beschäftigungsverhältnisse geltende tarifliche Arbeitszeit. Der Arbeitslose würde also eine geringere Bemessungsgrundlage haben, nur weil er ein zweites Arbeitsverhältnis eingegangen ist, für das eine geringere tarifliche Arbeitszeit gilt.

Nach Ansicht des Klägers kommt es hier nicht auf die tarifliche Arbeitszeit an, sondern auf die vereinbarte Zahl der regelmäßigen Arbeitsstunden. Indessen kann nach § 112 Abs. 2 Satz 1 letzter Halbsatz AFG der Bemessung des Uhg keine längere Arbeitszeit als der Durchschnitt der tariflichen Arbeitszeit zugrunde gelegt werden. Die vereinbarte Arbeitszeit ist nur dann „als tarifliche regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit … zugrunde zu legen”, wenn weniger als die tariflichen oder üblichen regelmäßigen Arbeitsstunden vereinbart waren (§ 112 Abs. 4 Nr. 3 AFG).

Abzulehnen ist auch die denkbare Auslegung, daß die tariflichen Arbeitszeiten der mehreren nebeneinander ausgeübten Beschäftigungen zusammengerechnet werden und die Bemessungsgrundlage nur gemäß § 112 Abs. 4 Nr. 3 AFG – hier auf 69 Stunden – herabgesetzt wird. Der Durchschnitt der tariflichen Arbeitszeit kann nicht ihre Summe sein.

Eine Auslegung dahin, daß die Durchschnittsberechnung nur bei mehreren Beschäftigungsverhältnissen nacheinander anzustellen ist, und in Fällen wie dem des Klägers die tariflichen regelmäßigen Arbeitszeiten zu kumulieren seien, würde dem Sinn des Gesetzes widersprechen.

Durch den Faktor der durchschnittlichen tariflichen regelmäßigen Arbeitszeit sollen zunächst Schwankungen der Arbeitszeit ausgeglichen und die Berücksichtigung zufälliger und ungewöhnlich hoher Verdienste durch Mehrarbeit im Bemessungszeitraum vermieden werden (BT Drucks III 1240 S. 13; Schönefelder-Kranz-Wanka, aaO § 112 Bem 3). Der Kläger macht dazu geltend, die Ableistung von Überstunden sei nicht vergleichbar mit der Übernahme eines zweiten Arbeitsverhältnisses. Überstunden könnten von Fall zu Fall und je nach Bedarf in größerem oder geringerem Umfange abgeleistet werden, während sich der Arbeitnehmer mit einem zweiten Arbeitsverhältnis zu ständig gleichbleibender Mehrarbeit verpflichte. Dieser Einwand ist berechtigt. Die Bemessungsgrundlage kann der Arbeitnehmer durch ein zweites Arbeitsverhältnis nur manipulieren, wenn er es im Hinblick auf den späteren Bezug von Arbeitslosengeld (Alg) oder Uhg für eine vorübergehende Zeit eingeht. Es kann indessen nicht angenommen werden, daß der Gesetzgeber wegen dieser Manipulationsmöglichkeit die Berücksichtigung der Arbeitszeit eines zweiten Beschäftigungsverhältnisses wie die Berücksichtigung von Überstunden ganz ausschließen wollte. Im Regelfall, wie dem des Klägers, in dem das zweite Beschäftigungsverhältnis unabhängig vom späteren Alg- oder Uhg-Bezug eingegangen war, kann von Manipulation der Arbeitszeit im Bemessungszeitraum keine Rede sein. Deshalb ist dieser Gesichtspunkt nicht geeignet, die Auslegung des § 112 Abs. 2 Satz 1 letzter Halbsatz AFG bei Vorliegen mehrerer Arbeitsverhältnisse nebeneinander zu bestimmen. Der vom Kläger übernommenen Arbeitszeit von 69 Stunden kann zwar das Moment der Kegelmäßigkeit nicht abgesprochen werden.

Um zufällige und ungewöhnlich hohe Verdienste bei der Bemessung des Alg auszuschließen und aus Gründen der Vereinfachung hat der Gesetzgeber jedoch die Begriffe „tariflich regelmäßig” eingefügt. Die Begrenzung auf die tarifliche Arbeitszeit verbietet zunächst die Berücksichtigung von Arbeitszeiten, die die Höchstgrenzen der Arbeitszeitordnung (AZO) in der Fassung vom 24. Mai 1968 – BGBl I, 503 – mit einem oder auch mit mehreren nebeneinander bestehenden Arbeitsverhältnissen überschreiten. Mit der Begrenzung auf die tarifliche Arbeitszeit verknüpft das AFG nämlich die Bemessung des Alg mit den Bestimmungen der AZO. Nach § 3 AZO beträgt die regelmäßige werktägliche Arbeitszeit acht Stunden. Sie kann nach § 7 Abs. 1 AZO durch Tarifvertrag bis zu zehn Stunden täglich verlängert werden. Damit räumt das Gesetz den Tarifpartnern das Recht ein, die Grenze der Höchstarbeitszeit nach der gesetzlichen Arbeitsschutznorm hinauszuschieben. Ein solcher Tarifvertrag regelt nicht nur, wie lange der Arbeitgeber den Arbeitnehmer in seinem Betrieb beschäftigen darf, sondern auch, wie lange der Arbeitnehmer arbeiten darf. Wenn er an mehreren Stellen beschäftigt wird, so dürfen die einzelnen Beschäftigungen zusammen die gesetzliche Höchstgrenze nicht überschreiten (§ 2 Abs. 3 Satz 3 AZO). Diese Vorschrift kann nicht nur für die Höchstgrenze des § 3 AZO, sie muß auch für die Höchstgrenze gemäß § 7 Abs. 1 AZO gelten. Bestehen für die Arbeitsstellen verschiedene Arbeitszeiten, so ist maßgebend die Arbeitszeit der Arbeitsstelle, an der der Arbeitnehmer überwiegend beschäftigt ist (Denecke-Neumann AZO Komm 1976 § 2 RdNr. 21).

Wenn nach § 112 Abs. 2 Satz 1 letzter Halbsatz AFG die tarifliche Arbeitszeit Obergrenze für die Bemessung des Alg und des Uhg ist, dann wird dadurch gewährleistet, daß bei der Berechnung dieser Leistungen die Arbeitsschutznorm der AZO eingehalten wird. Dies gehört zum Sinn und Zweck des § 112 AFG, da die Bestimmung den Begriff der tariflichen Arbeitszeit verwendet. Daher kann, soweit keine tarifliche Arbeitszeit gilt und gemäß § 112 Abs. 4 Nr. 2 AFG die übliche Arbeitszeit heranzuziehen ist, diese ebenfalls nur im Rahmen der AZO berücksichtigt werden (Schönefelder-Kranz-Wanka, aaO, § 112 Bem 23). Die AZO verbietet es aber den Arbeitnehmern und Arbeitgebern – wie dargelegt – nicht nur, Arbeitsverhältnisse abzuschließen, die für sich genommen die zulässige Arbeitszeit überschreiten. Vielmehr schreiben die AZO und die Tarifverträge nach § 7 Abs. 1 AZO Höchstgrenzen auch für die individuelle Arbeitszeit aus mehreren nebeneinanderlaufenden Arbeitsverhältnissen zusammen vor.

Daraus ergibt sich, daß nach § 112 Abs. 2 Satz 1 letzter Halbsatz AFG der Bemessung des Alg und des Uhg keinesfalls eine höhere als die nach der AZO zulässige Arbeitszeit zugrunde gelegt werden darf. Die Arbeitszeit mehrerer Arbeitsverhältnisse eines Arbeitnehmers darf zusammen nur bis zu dieser Grenze berücksichtigt werden, also nur bis zu werktäglich acht Stunden und bei entsprechendem Tarifvertrag bis zu zehn Stunden täglich.

Diese Überlegungen gelten nicht ohne weiteres für Tarifverträge mit regelmäßigen Arbeitszeiten von weniger als werktäglich acht Stunden. Ob solche Tarifverträge überhaupt den Charakter von Arbeitsschutznormen haben, und ob sie die individuelle Arbeitszeit aus mehreren Arbeitsverhältnissen begrenzen können, ist fraglich. Diese Frage kann hier aber dahingestellt bleiben. Mit der Bezugnahme auf den Tarifvertrag bestimmt § 112 Abs. 2 Satz 1 letzter Halbsatz AFG jedenfalls eine zeitliche Höchstgrenze, die durch eine Norm und nicht durch Einzelvereinbarungen gestaltet ist. Der Tarifvertrag regelt normativ die Arbeitszeit des einzelnen Arbeitsverhältnisses (§§ 1, 4 des Tarifvertragsgesetzes – TVG – idF vom 25. August 1969 – BGBl I, 1323). Wenn er nichts anderes vorsieht, können die Parteien des Einzelarbeitsvertrages unter der tarifvertraglichen Grenze bleiben, können sie aber nicht überschreiten (§ 4 Abs. 3 TVG). Von dieser Rechtslage geht § 112 Abs. 2 Satz 1 letzter Halbsatz AFG aus. Nach seinem Sinn kann daher eine Bestimmung der Höchstgrenze der Arbeitszeit durch den einzelnen Arbeitnehmer auch dann nicht berücksichtigt werden, wenn sie durch Abschluß mehrerer Arbeitsverträge erfolgt, denn dadurch hat der Arbeitnehmer mit den mehreren Arbeitgebern, wenn auch nicht die Arbeitszeit der einzelnen Arbeitsverhältnisse, so doch die Gesamtarbeitszeit individuell gestaltet; die Gesamtarbeitszeit entspricht somit keiner normativen Regelung.

Der grundsätzliche Ausschluß einer Kumulierung der tariflichen Arbeitszeiten mehrerer Arbeitsverhältnisse ergibt sich auch aus dem Zusammenhang der Bestimmungen des § 112 AFG. Die Bemessung des Alg und des Uhg nach den Absätzen 2 und 3 dieser Vorschrift gelten nur für den Regelfall. Wäre es mit Rücksicht auf die von dem Arbeitslosen in den letzten drei Jahren vor der Arbeitslosmeldung überwiegend ausgeübten berufliche Tätigkeit unbillig hart, von dem Arbeitsentgelt nach den Absätzen 2 bis 6 auszugehen, so ist von dem am Wohn- oder Aufenthaltsort des Arbeitslosen maßgeblichen tariflichen oder mangels einer tariflichen Regelung von dem ortsüblichen Arbeitsentgelt derjenigen Beschäftigung auszugehen, für die der Arbeitslose nach seinem Lebensalter und seiner Leistungsfähigkeit unter billiger Berücksichtigung seines Berufs und seiner Ausbildung in Betracht kommt (§ 112 Abs. 7 AFG). Dies gilt gemäß § 44 Abs. 2 Satz 3 AFG entsprechend auch für die Gewährung des Uhg. Schon mit der Wahl der Einzahl der Beschäftigung in § 112 Abs. 7 AFG deutet das Gesetz darauf hin, daß hier nicht geltend gemacht werden kann, der Uhg-Empfänger würde für mehrere Beschäftigungsverhältnisse nebeneinander in Betracht kommen. In § 112 Abs. 7 AFG wird an eine feststehende Größe angeknüpft, nämlich in erster Linie an eine tarifliche Regelung. Dies gilt aber mindestens typischerweise nur für je eine Beschäftigung.

Aus allen diesen Gründen kann bei mehreren nebeneinander ausgeübten Beschäftigungen im Bemessungszeitraum sich der Arbeitszeitfaktor nach § 112 Abs. 2 Satz 1 letzter Halbsatz AFG grundsätzlich nur nach einem einzigen und nicht nach mehreren Tarifverträgen richten. Insbesondere dürfen die Arbeitszeiten mehrerer Tarifverträge nicht kumuliert werden. Die Bestimmung ist dahin auszulegen, daß in diesen Fällen die günstigste tarifliche regelmäßige Arbeitszeit zugrunde zu legen ist (vgl. Fangmeyer-Ueberall aaO), beim Kläger also 45 Stunden.

Nach § 112 Abs. 2 Satz 1 erster Halbsatz AFG ist diese Arbeitszeit zu vervielfachen mit dem im Bemessungszeitraum in der Arbeitsstunde durchschnittlich erzielten Arbeitsentgelt. Die Beklagte hat im angefochtenen Bescheid der Berechnung des Uhg einen Einheitslohn von 310,– DM zugrunde gelegt. Dies entspricht einem durchschnittlichen Arbeitsentgelt von 307,50 DM bis 312,49 DM (Anlage zu § 44 Abs. 2 AFG). Damit ist die Beklagte hier bei der Berechnung des durchschnittlichen Arbeitsentgelts nur vom Arbeitsentgelt und von der Arbeitszeit des günstigeren Beschäftigungsverhältnisses bei der Firma D. ausgegangen und hat das Beschäftigungsverhältnis bei der Firma G. und H. zu Gunsten des Klägers unberücksichtigt gelassen. Bei der Firma D. hatte der Kläger nämlich ein Arbeitsentgelt von durchschnittlich 6,92 DM in der Stunde; das ergab vervielfacht mit 45 Stunden einen Betrag von 311,40 DM und entsprach dem Einheitslohn von 310,– DM. Es kann dahingestellt bleiben, ob richtigerweise bei der Berechnung des durchschnittlichen Arbeitsentgelts beide nebeneinander bestehenden Beschäftigungsverhältnisse zu berücksichtigen waren, denn diese Berechnung würde im vorliegenden Fall zu einem für den Kläger ungünstigeren Ergebnis führen, nämlich zu einem Arbeitsentgelt von 6,73 DM in der Stünde, vervielfacht mit 45 Stunden = 302,85 DM; dies entspricht einem Einheitslohn von nur 305,– DM.

Nach allem war die Revision mit der Kostenfolge aus § 193 SGG zurückzuweisen.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI926292

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