Verfahrensgang
Bayerisches LSG (Urteil vom 21.07.1976) |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 21. Juli 1976 aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
I
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger nach Art. 2 § 44 a Abs. 3 Satz 1 des Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetzes (AnVNG) Beiträge für eine Zeit nachentrichten kann, während der er aufgrund eines Stipendiums an einem Forschungsauftrag mitgearbeitet hat.
Der Kläger hat nach dem Studium der Physik und dem Abschluß der Promotion in der Zeit vom 1. Januar 1929 bis 30. Juni 1932 als Stipendiat der Notgemeinschaft der deutschen Wissenschaft an einem Forschungsauftrag unter der Anleitung von Prof. Dr. … mitgearbeitet. Ab 1. Oktober 1933 war er Assistent an einem Hochschulinstitut.
Die Beklagte ließ für die Zeit der Tätigkeit als Hochschulassistent die Nachentrichtung von Beiträgen nach Art. 2 § 44 a Abs. 3 Satz 1 AnVNG zu. Eine Nachentrichtung für die Zeit als Stipendiat lehnte sie hingegen ab (Bescheid vom 26. Juli 1973). Der Widerspruch blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 13. Dezember 1973).
Auf die Klage hat das Sozialgericht (SG) die Beklagte unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide verpflichtet, die Nachentrichtung für die streitige Zeit zuzulassen (Urteil vom 7. Juni 1974). Die Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht –LSG– durch Urteil vom 21. Juli 1976 zurückgewiesen. Das LSG hat dazu ausgeführt: Art. 2 § 44 a AnVNG eröffne die Nachentrichtung von Beiträgen grundsätzlich nur für solche Zeiten, in denen entweder nicht versicherungspflichtige Beschäftigungen oder frühere Dienstzeiten öffentlich-rechtlicher Art vorgelegen hätten. Der Kläger habe nicht in einem Beschäftigungsverhältnis gestanden, weil er keinen Arbeitgeber gehabt habe und Stipendien kein Entgelt darstellten. Auch habe kein öffentlich-rechtliches Verhältnis vorgelegen. Die Vorschrift des Art. 2 § 44 a Abs. 3 Satz 1 AnVNG sei aber auf den vorliegenden Sachverhalt entsprechend anzuwenden. Die Tätigkeit als Stipendiat stehe der Tätigkeit eines wissenschaftlichen Hilfsassistenten in der Rechtsstellung eines Beamten auf Widerruf nahe. Während der Laufzeit des Stipendiums sei der Kläger wie ein Hilfsassistent an Weisungen des Institutsleiters Prof. Dr. K. gebunden gewesen. Auch sei das Verhältnis zu der deutschen Forschungsgemeinschaft durch gegenseitige Rechte und Pflichten in ähnlicher Weise gekennzeichnet gewesen, wie das eines Beamten auf Widerruf zu seinem Dienstherrn.
Mit der Revision rügt die Beklagte eine Verletzung des Art. 2 § 44 a Abs. 3 AnVNG. Sie führt dazu aus: Den Gesetzgebungsmaterialien zu Art. 2 § 44 a Abs. 3 AnVNG sei zu entnehmen, daß diese Vorschrift nur für Zeiten gelten solle, die – obwohl alle Merkmale für eine abhängige versicherungspflichtige Beschäftigung erfüllt waren – nicht der Versicherungspflicht zur Angestelltenversicherung unterlagen, sondern mit Rücksicht auf die wissenschaftliche Ausbildung für den zukünftigen Beruf versicherungsfrei blieben. Es sei deshalb gerechtfertigt, die Regelung des Art. 2 § 44 a Abs. 3 AnVNG als in sich streng geschlossenen Sonderfall zu begreifen, der weder einer ausdehnenden Auslegung noch einer Analogie fähig sei.
Die Beklagte beantragt,
die Urteile des LSG und des SG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision der Beklagten ist begründet. Das Urteil des LSG muß aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden.
Nach Art. 2 § 44 a Abs. 3 Satz 1 AnVNG sind Personen, die vor dem 1. März 1957 während der wissenschaftlichen Ausbildung für ihren künftigen Beruf nicht pflichtversichert waren, auf Antrag berechtigt, abweichend von § 140 Abs. 1 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) Beiträge für die Zeiten der Versicherungsfreiheit, längstens jedoch bis zum 1. Januar 1924 zurück, nachzuentrichten, soweit diese Zeiten nicht bereits mit Beiträgen belegt sind. Voraussetzung für das Recht zur Nachentrichtung ist danach, daß in den Zeiten, für die Beiträge nachentrichtet werden sollen, ein der wissenschaftlichen Ausbildung dienendes Beschäftigungsverhältnis bestanden hat. Dabei ist unerheblich, ob die Beschäftigung wegen Unentgeltlichkeit von vornherein nicht von der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung erfaßt wurde oder ob für ein der Rentenversicherungspflicht unterliegendes Beschäftigungsverhältnis aufgrund einer besonderen Vorschrift Versicherungsfreiheit angeordnet war.
Dafür spricht bereits, daß nach dem Wortlaut des Art. 2 § 44 a Abs. 3 Satz 1 AnVNG alle diejenigen Personen zur Nachentrichtung von Beiträgen berechtigt sind, die „nicht pflichtversichert waren”. Dem kann nicht entgegengehalten werden, daß die Zeiten, für die Beiträge nachentrichtet werden können, jedoch auf solche beschränkt seien, in denen „Versicherungsfreiheit” bestanden hat. Im Hinblick auf den Sinn und Zweck und die Entstehungsgeschichte der Vorschrift läßt sich eine lediglich auf im technischen Sinne versicherungsfreie Beschäftigungen zur wissenschaftlichen Ausbildung begrenzte Anwendung nicht rechtfertigen.
Sinn und Zweck des Art. 2 § 44 a Abs. 3 Satz 1 AnVNG liegt erkennbar darin, dem einzelnen die Möglichkeit zu geben, Beiträge für solche Zeiten nachzuentrichten, für die wegen ungünstigerer früherer Regelungen keine Beiträge entrichtet werden konnten, die aber nach heutigem Recht der Versicherungspflicht unterliegen würden. Im AVG in der Fassung der Bekanntmachung vom 31. Mai 1924 – AVG aF – (BGBl I 563), das auch noch für die hier streitigen Zeiten galt, war die Versicherungspflicht wesentlich ungünstiger als heute geregelt. Nach § 12 Nr. 4 AVG aF waren Beschäftigungen zur wissenschaftlichen Ausbildung für den zukünftigen Beruf gegen Entgelt versicherungsfrei und Beschäftigungen ohne Entgelt unterlagen nach § 1 Abs. 3 AVG aF von vornherein nicht der Versicherungspflicht. Außerdem ist zu berücksichtigen, daß es seinerzeit noch in sehr vielen Beschäftigungsverhältnissen, die der Ausbildung dienten, nicht üblich war, ein Entgelt zu zahlen. Nach den Regelungen im AVG vom 23. Februar 1957 (BGBl I, 88) sind Beschäftigungen zur wissenschaftlichen Ausbildung in der Rentenversicherung nicht mehr versicherungsfrei und Beschäftigungen zur Ausbildung unterliegen allgemein der Rentenversicherungspflicht auch dann, wenn ein Entgelt nicht gezahlt wird (§ 2 Nr. 1 AVG). Überdies ist die Zahlung einer Ausbildungsvergütung in nahezu allen Ausbildungsverhältnissen inzwischen selbstverständlich geworden.
Diese Entwicklung der Gesetzgebung spricht dafür, daß Art. 2 § 44 a Abs. 3 Satz 1 AnVNG nicht nur den Zweck hat, den Wegfall der Versicherungsfreiheit für entgeltliche Beschäftigungen zur wissenschaftlichen Ausbildung durch Schaffung eines Nachentrichtungsrechts zu ergänzen, sondern darüber hinaus auch denjenigen Personen zu einem Ausgleich für die Nachteile aus dem früheren Rentenrecht zu verschaffen, die darauf beruhen, daß für Beschäftigungen zur wissenschaftlichen Ausbildung früher im großen Umfang kein Entgelt gezahlt wurde und deshalb schon die Betroffenen nicht pflichtversichert waren.
Die vom Senat vorgenommene Auslegung wird auch durch die Gesetzesmaterialien gestutzt. Der Art. 2 § 44 a AnVNG wurde erst durch den Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung in den Gesetzentwurf eingefügt. In dem Bericht hierzu (zu Bundestags-Drucks, VI/3767 S. 19 zu Nr. 10 – § 46 a ArVNG) wird ausgeführt: Es könnten nach dieser Wortfassung Beiträge für Zeiten nachentrichtet werden, in denen die berechtigten Personen nicht pflichtversichert waren, „weil sie entweder im öffentlichen Dienst standen oder weil sie trotz einer abhängigen Beschäftigung vor dem 1. März 1957 von der Versicherungspflicht nicht erfaßt wurden”. Diese Begründung weist deutlich darauf hin, daß der Ausdruck „Versicherungsfreiheit” in Art. 2 § 44 a Abs. 3 Satz 1 AnVNG nicht in dem Sinne gemeint war, daß nur solche Personen einbezogen werden sollten, die aufgrund besonderer Vorschriften von an sich bestehender Versicherungspflicht frei waren. In die gleiche Richtung deutet die von der Beklagten zitierte Äußerung des damaligen Parlamentarischen Staatssekretärs beim Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung in der 43. Sitzung des Deutschen Bundestags am 15. Juni 1973 (vgl. Anlage 24 zum Protokoll über die 43. Sitzung vom 15. Juni 1973). Auch dort wird generell von den Personen in wissenschaftlicher Ausbildung gesprochen, die trotz eines Beschäftigungsverhältnisses nicht von der Versicherungspflicht erfaßt wurden. Dabei werden auch die Referendare erwähnt, die – zumindest in großer Zahl – seinerzeit unentgeltlich beschäftigt wurden.
Allerdings kann der Auffassung des Klägers nicht gefolgt werden, daß für das Recht zur Nachentrichtung von Beiträgen gem Art. 2 § 44 a Abs. 3 Satz 1 AnVNG nicht einmal das Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses – sei es entgeltlich oder unentgeltlich – verlangt werden könne und es ausreichend sei, wenn eine Tätigkeit – sei sie selbständig oder unselbständig – zur wissenschaftlichen Ausbildung für den zukünftigen Beruf vor dem 1. März 1957 nachgewiesen werde. Für eine derartige Ausdehnung des Nachentrichtungsrechts gibt es weder im Wortlaut noch in der Entstehungsgeschichte der Vorschrift einen hinreichenden Anhalt, und es ist auch nicht erkennbar, daß nach Sinn und Zweck des Gesetzes ein Ausgleich auch insoweit beabsichtigt war. Auch heute sind Ausbildungen, die nicht in einem Beschäftigungsverhältnis erfolgen, nicht versicherungspflichtig. Es gibt auch keinen Anhalt dafür, daß früher wissenschaftliche Ausbildungen in größerem Umfang außerhalb eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses stattfanden, als dies heute der Fall ist. Derartige Fälle können auch nicht im Wege der entsprechenden Anwendung des Art. 2 § 44 a Abs. 3 Satz 1 AnVNG einbezogen werden. Eine solche Analogie setzt nämlich voraus, daß im Gesetz eine Lücke vorhanden ist, die nach einem erkennbaren gesetzgeberischen Plan durch Analogie geschlossen werden müßte. Anhaltspunkte für das Bestehen einer solchen Gesetzeslücke sind aber nicht gegeben. Dem Gesetzeszusammenhang und der historischen Entwicklung der hier anzuwendenden Vorschrift ist vielmehr nach allem zu entnehmen, daß der Gesetzgeber das Nachentrichtungsrecht nur solchen Personen einräumen wollte, die nach dem heutigen Stand der Gesetzgebung bei einer Beschäftigung zur wissenschaftlichen Ausbildung pflichtversichert wären.
Voraussetzung des Nachentrichtungsrechts des Klägers ist somit, daß in den streitigen Zeiten ein – wenn auch unentgeltliches – abhängiges Beschäftigungsverhältnis vorlag, das der wissenschaftlichen Ausbildung für den zukünftigen Beruf diente. Das Berufungsgericht hat zwar unangegriffen festgestellt, daß die Tätigkeit des Klägers in der streitigen Zeit der wissenschaftlichen Ausbildung für seinen zukünftigen Beruf diente; seinen Feststellungen kann jedoch nicht entnommen werden, ob ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis vorlag. Insoweit sind die Ausführungen des LSG widersprüchlich. Im angefochtenen Urteil wird zwar zunächst ausgeführt, es habe während der Zeit der Tätigkeit des Klägers als Stipendiat kein Beschäftigungsverhältnis vorgelegen, weil der Kläger keinen Arbeitgeber gehabt habe. Im nächsten Absatz wird dann aber festgestellt, der Kläger sei gegenüber Prof. Dr. K. wie ein Hilfsassistent weisungsgebunden gewesen. Bei weisungsgebundener Beschäftigung, die der eines Hilfsassistenten entspricht, liegt aber ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis vor (vgl. das zur Veröffentlichung bestimmte Urteil des erkennenden Senats vom 31. Mai 1978 – 12 RK 62/76 –). Es ist auch nicht eindeutig erkennbar, worauf sich das LSG bei diesen Feststellungen gestützt hat. Das Berufungsgericht wird deshalb noch Feststellungen zu der Frage treffen müssen, ob der Kläger während des Bezugs des Stipendiums vom 1. Januar 1929 bis 30. Juni 1932 zur wissenschaftlichen Ausbildung selbständig tätig war oder in einem – wenn auch unentgeltlichen – abhängigen Beschäftigungsverhältnis – möglicherweise zu Prof. Dr. K. – gestanden hat. Die Stipendienbedingungen der Notgemeinschaft der deutschen Wissenschaft reichen hierfür jedenfalls nicht aus, da sie es durchaus zulassen, daß das Verhältnis zwischen dem Kläger und Prof. Dr. K. in Form einer Kooperation unter selbständigen Forschern durchgeführt wurde. Umgekehrt läßt sich aber aus der Tatsache, daß der Kläger Forschungsarbeit leistete, auch nicht ohne weiteres folgern, daß er selbständig tätig gewesen sein müsse. Der Auffassung des Bayerischen LSG in dem Urteil vom 19. Juli 1967 – L 4 Ar 19/65 – (Meuer, Beitragsrecht 299 A 76 a 47) kann nicht gefolgt werden, soweit es annimmt, im Hinblick auf die in Art. 5 Abs. 3 des Grundgesetzes (GG) garantierte Forschungsfreiheit könne ein Beschäftigungsverhältnis nicht bestehen.
Das Bestehen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses setzt nicht stets ein Weisungsrecht hinsichtlich der Ausführung der vereinbarten Arbeit voraus. Es gibt Aufgaben – und dazu gehört die Forschung –, die sich ihrer Art nach und nach der Stellung des Betroffenen innerhalb des Arbeitsprozesses der Einflußnahme Dritter entziehen. In diesen Fällen verfeinert sich die Weisungsgebundenheit zu einer funktionsgerechten, dienenden Teilhabe am Arbeitsprozeß (st. Rspr. BSGE 16, 289, 294; BSG SozR 2200 § 1227 Nr. 4 S. 3 und Nr. 8 S. 16). Das ist auch bei einem Wissenschaftler der Fall, der an einer Hochschule eingestellt wird mit der Verpflichtung, auf einem bestimmten Gebiet Forschung zu betreiben. Er unterliegt in diesen Tätigkeiten keinerlei Weisungen. Dennoch ist er ein abhängig Beschäftigter; denn er nimmt funktionsgerecht (dienend) teil an der Aufgabe der Hochschule, durch Forschung die Erkenntnisse der Wissenschaft zu erweitern und damit zugleich die Voraussetzung für eine wissenschaftlich fundierte Lehre zu schaffen (vgl. BVerfGE 35, 79, 113). Im übrigen unterliegt er außerhalb seiner Tätigkeit als Forscher, nämlich soweit er Verwaltungsaufgaben wahrnimmt, dem Weisungsrecht seines Arbeitgebers.
Die Forschungsfreiheit, die auch in der hier streitigen Zeit durch Art. 142 der Reichsverfassung vom 11. August 1919 garantiert war, schließt die Forschung durch hierarchisch gegliederte Forschungseinrichtungen oder Forschergruppen nicht aus. Forschungsfreiheit können zwar auch weisungsabhängige, mit Forschung betraute Personen beanspruchen, denn es handelt sich um ein individuelles Freiheitsrecht, das jedem zusteht, der forschend tätig ist … (BVerfGE 325, 79, 112). Ein solches Freiheitsrecht verbietet es jedoch nicht, Organisationsformen zu finden oder beizubehalten, die für die Forschung sachlich geboten oder im Einzelfall zweckmäßig sind. Dazu gehört die Möglichkeit, daß mehrere Forscher ihre Forschungsarbeit im Rahmen eines Forschungsprojekts nach den Vorstellungen eines Projektleiters ausrichten. Dies schließt notgedrungen Weisungen ein. Es kann im vorliegenden Fall dahingestellt bleiben, wie auch in solchen Organisationsformen Forschungsfreiheit des einzelnen Mitarbeiters durch Einfluß auf die vier Grundentscheidungen im Rahmen der Forschung (Fragestellung, Methode, Bewertung, Verbreitung) oder durch Freiräume für eigene Forschungstätigkeit sicherzustellen ist. Pur den vorliegenden Fall genügt es festzuhalten, daß abhängige Forschungstätigkeiten nach den Weisungen eines anderen Forschers durch den Gedanken der Forschungsfreiheit nicht von vornherein ausgeschlossen sind. Die damit notwendige Abgrenzung zwischen selbständiger und unselbständiger Forschertätigkeit richtet sich – wie auch sonst bei der Abgrenzung zwischen selbständiger und unselbständiger Arbeit – nach dem Gesamtbild der Tätigkeit (vgl. st. Rspr. BSG SozR 2200 § 1227 Nr. 8). Im Vordergrund steht hierbei, in welchem Umfang der Kläger den Weisungen von Prof. Dr. K. nachkommen mußte. Stellt sich dabei heraus, daß Weisungen nur in geringem Umfang erteilt wurden, so ergibt sich daraus allerdings noch nicht, daß es sich um eine selbständige Tätigkeit gehandelt hat, weil es sich dann immer noch um ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis handeln kann, in dem ein Weisungsrecht hinsichtlich der Ausübung der Forschertätigkeit nicht besteht. Normalerweise ist in solchen Fällen die Zahlung von Entgelt ein wesentliches Indiz für die Abhängigkeit. Wenn aber die Tätigkeit unentgeltlich ausgeübt wird, so muß ermittelt werden, in wessen Interesse vorwiegend die Forschungsarbeit des Klägers erbracht wurde. Diente die Forschungsarbeit in erster Linie der Erstellung seiner Doktorarbeit und war die Auswertung durch den Institutsleiter für seine Zwecke nur ein Nebenprodukt, so spricht dies für das Vorliegen einer selbständigen Tätigkeit des Klägers. Erfolgte die Beschäftigung Jedoch überwiegend oder gar ausschließlich für die Lösung von Teilaufgaben eines vom Institutsleiter betriebenen Forschungsprojekts und waren die Veröffentlichungen durch den Kläger nur Nebenprodukt dieses Zwecks, so spricht dies für eine abhängige Beschäftigung. Für die Abgrenzung ist auch maßgeblich, ob dem Kläger ein abgeschlossener, größerer Komplex zu eigenverantwortlicher Forschung übertragen wurde, oder ob er jeweils nur unterschiedliche kleinere abgegrenzte Teilfragen zu lösen hatte.
Schließlich ist auch die besondere historische Situation der Stipendiaten der Notgemeinschaft der deutschen Wissenschaft zu berücksichtigen. Das LSG muß feststellen, ob die Stipendiaten von der Notgemeinschaft in erster Linie deshalb unterstützt wurden, um den Hochschulen die Assistenten zur Verfügung zu stellen, die diese für eine ordnungsgemäße Forschungsarbeit benötigten, die aber wegen der damaligen Finanzkrise vom Staat nicht eingestellt werden konnten. Sollte dies der Fall sein, so spricht das dafür, daß die Stipendiaten ebenso in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis gearbeitet haben, wie die Assistenten, die sie ersetzt haben.
Unter Beachtung dieser Grundsätze wird das Berufungsgericht noch Beweis zu erheben haben über den Zweck des dem Kläger gewährten Stipendiums und über die Bedeutung seiner Arbeit im Rahmen des Forschungsprojekts von Prof. Dr. K. durch Einholung entsprechender Gutachten. Es muß außerdem den Umfang der tatsächlich gegebenen Weisungen ermitteln, und zwar durch Vernehmung von Zeugen, soweit sich hierfür solche noch auffinden lassen.
Die Kostenentscheidung bleibt dem abschließenden Urteil vorbehalten.
Fundstellen