Leitsatz (amtlich)
Ein Verschweigen iS KOV-VfG § 47 Abs 3 liegt nur vor, wenn über die äußere Tatsache des Nichtmitteilens hinaus auch die innere Tatsache festgestellt ist, daß der Empfänger der Versorgungsbezüge wesentliche Tatsachen in dem Bewußtsein nicht mitgeteilt hat, etwas zu verheimlichen, was zu offenbaren seine Pflicht gewesen wäre.
Leitsatz (redaktionell)
Ein auf KOV-VfG § 47 Abs 3 gestützter Bescheid läßt sich nicht nachträglich in einen solchen nach Abs 2 umdeuten, weil die Rückforderung nach Abs 3 unter schwereren Voraussetzungen als nach Abs 2 begründet ist.
Normenkette
KOVVfG § 47 Abs. 2 Fassung: 1955-05-02, Abs. 3 Fassung: 1955-05-02
Tenor
Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 27. Februar 1957 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.
Von Rechts wegen.
Gründe
Durch Bescheid vom 10. August 1951 gewährte das Versorgungsamt (VersorgA.) D der Klägerin vom 1. April 1951 an Elternrente nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG). Diese Elternrente betrug zunächst 13,- DM monatlich; sie erhöhte sich vom 1. Juli 1952 an auf 30,- DM und vom 1. August 1953 an auf 37,- DM monatlich. Hierbei ging das VersorgA. nach den Angaben, welche die Klägerin in ihrem Antrag vom 14. März 1951 gemacht hatte, davon aus, daß zum Lebensunterhalt der Klägerin lediglich ein Ruhegeld aus der Angestelltenversicherung (AV.) zur Verfügung stehe, das zunächst 57,- DM, später 58,10 DM betrug.
Mit Schreiben vom 1. Juni 1951 gewährte die frühere Arbeitgeberin des verstorbenen Ehemannes der Klägerin dieser vom 1. Mai 1951 an eine Unterstützung unter dem Vorbehalt des jederzeitigen Widerrufs von zunächst 30,- DM und vom 1. April 1953 an von 45,- DM monatlich. Von der Gewährung dieser Werksunterstützung gab die Klägerin dem VersorgA. erst im März 1955 durch Angaben in einem ihr zugesandten Fragebogen Kenntnis. Daraufhin erteilte das VersorgA. der Klägerin einen neuen Bescheid (vom 22. August 1955), zu dem sie ein teilweise überklebtes Formular zur Neufeststellung der Versorgungsbezüge nach § 62 BVG verwendete. Das VersorgA. bezeichnete diesen Bescheid in seiner Überschrift ausdrücklich als "Neufeststellung der Elternrente gemäß § 42 des Gesetzes über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung" (VerwVG) und führte dazu in Anlehnung an den Wortlaut des § 42 Abs. 1 Nr. 3 VerwVG aus, die Verwaltung habe auf Antrag oder von Amts wegen erneut zu entscheiden, wenn Tatsachen, die für die Entscheidung von wesentlicher Bedeutung gewesen wären, verschwiegen worden seien. Dem VersorgA. sei nicht bekannt gewesen, daß die Klägerin vom 1. Mai 1951 an eine widerrufliche Leistung von der früheren Arbeitgeberin ihres verstorbenen Ehemannes erhalten habe; es werde der Klägerin deshalb gemäß § 42 VerwVG ein neuer Bescheid erteilt. In dem nicht überklebten Teil des Bescheides wird dazu erwähnt, daß in den für die Festsetzung der Elternrente maßgebenden Verhältnissen insofern eine wesentliche Änderung im Sinne des § 62 Abs. 1 BVG eingetreten sei, als ab 1. Mai 1951 eine widerrufliche Leistung von der Maschinenfabrik B R. W gewährt wurde. In diesem Bescheid stellte das VersorgA. fest, daß der Klägerin in Anbetracht ihrer Einkünfte aus der AV. und aus der Werksunterstützung für die Zeit vom 1. Juli 1951 bis zum 31. Dezember 1954 Elternrente überhaupt nicht, für die Zeit vom 1. Januar 1955 nur in Höhe von 13,- DM monatlich und für die Zeit seit dem 1. April 1955 nur in Höhe von 5,- DM monatlich zugestanden habe, so daß ihr Elternrente in Höhe von 1.520,- DM zuviel gezahlt worden sei. Zugleich sprach das VersorgA. die Verpflichtung der Klägerin zur Rückerstattung des überzahlten Betrages aus. Zur Tilgung der Überzahlung wurde die laufende Rente einbehalten, und die Klägerin aufgefordert, monatlich 20,- DM an die Amtskasse zu entrichten.
Der gegen diesen Bescheid gerichtete Widerspruch sowie die Klage, mit denen die Klägerin lediglich ihre Verpflichtung zur Rückerstattung der 1.520,- DM bestritt, blieben ohne Erfolg. In beiden Verfahren wurde der angefochtene Bescheid als ein auf §§ 42, 47 VerwVG gestützter behandelt. Auf die Berufung hat das Landessozialgericht (LSG.) unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts (SG.) den Bescheid vom 22. August 1955 insoweit aufgehoben, als er die Rückzahlung der überzahlten 1.520,- DM anordnet.
Das LSG. ist davon ausgegangen, daß zwischen den Beteiligten kein Streit über das Vorliegen einer Rentenüberzahlung bestehe, und hat nur geprüft, ob der Beklagte berechtigt sei, von der Klägerin die Rückerstattung des überzahlten Betrages zu verlangen. Diese Berechtigung sei nach § 47 Abs. 3 VerwVG zu beurteilen, wonach Rentenüberzahlungen, die auf Grund eines auf § 42 VerwVG gestützten Bescheides eingetreten sind, nur dann zurückgefordert werden können, wenn entweder die Unrichtigkeit des früheren Bescheides darauf beruht, daß der Rentenempfänger für die Entscheidung wesentliche Tatsachen wissentlich falsch angegeben oder verschwiegen habe, oder wenn er beim Empfang der Bezüge gewußt habe, daß sie ihm nicht oder nicht in der gezahlten Höhe zustanden. Daß die Klägerin die Höhe ihrer Einkünfte nicht wissentlich falsch angegeben habe, gehe schon daraus hervor, daß ihr bei Stellung des Rentenantrags von der Zahlung der Unterstützung noch nichts bekannt gewesen sei. Sie habe den Bezug der Unterstützung auch weder wissentlich verschwiegen noch beim Empfang der Elternrente gewußt, daß ihr diese Rente zumindest in der gezahlten Höhe nicht mehr zustand. Ein wissentliches Verschweigen könne nur dann vorliegen, wenn eine Tatsache trotz Kenntnis von der Verpflichtung zur Mitteilung nicht bekanntgegeben werde. Die Klägerin sei sich einer derartigen Verpflichtung jedoch nicht bewußt gewesen, weil sie durch einen Juristen fälschlich dahingehend belehrt worden sei, daß es sich bei der ihr gewährten Unterstützung nicht um Einkünfte im Sinne des BVG handele, und diese Belehrung für das frühere, durch das Körperbeschädigtenleistungsgesetz (KBLG) geregelte Versorgungsrecht sogar richtig gewesen wäre. Da die gesetzlichen Voraussetzungen für die Rückforderung der überzahlten Rentenbeträge demnach nicht erfüllt seien, dürfe der Beklagte von der Klägerin nicht die Rückzahlung des überzahlten Betrages verlangen.
Das LSG. hat die Revision zugelassen.
Gegen das am 20. März 1957 zugestellte Urteil hat der Beklagte durch einen am 12. April 1957 beim Bundessozialgericht (BSG.) eingegangenen Schriftsatz Revision eingelegt und dieses Rechtsmittel gleichzeitig begründet.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Hessischen LSG. in Darmstadt vom 27. Februar 1957 aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG. Darmstadt vom 26. April 1956 als unbegründet zurückzuweisen,
hilfsweise,
das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die außergerichtlichen Kosten - an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Der Beklagte rügt die Verletzung des § 47 VerwVG. Die Klägerin habe dadurch, daß sie nicht das Vorliegen einer Überzahlung bestritten habe, anerkannt, daß das VersorgA. zu einer Anfechtung der Bewilligungsbescheide gemäß § 42 Abs. 1 Nr. 3 VerwVG berechtigt gewesen sei. Sie habe damit zugleich anerkannt, daß die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen für die Anfechtung erfüllt gewesen seien. Da nach § 47 Abs. 3 VerwVG die Berechtigung der Rückforderung von denselben tatbestandsmäßigen Voraussetzungen abhängig sei, wie die Berechtigung zur Erteilung eines Anfechtungsbescheides nach § 42 Abs. 1 Nr. 3 VerwVG, hätte das LSG. auch die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen für die Rückforderung als anerkannt ansehen und behandeln müssen. Im übrigen habe das LSG. § 47 Abs. 3 VerwVG auch dadurch verletzt, daß es davon ausgegangen sei, daß die Rückforderung nur bei einem wissentlichen Verschweigen gerechtfertigt sei. Da das Verschweigen begrifflich voraussetze, daß die Kenntnis, also das Wissen von einer Tatsache, vorhanden sei, sei die Rückforderung bereits dann berechtigt, wenn der Rentenempfänger eine ihm bekannte Tatsache verschwiegen habe. Die ihr bekannte Tatsache des Bezugs der Unterstützung habe die Klägerin aber verschwiegen, so daß der angefochtene Bescheid auch hinsichtlich der darin geltend gemachten Rückforderung rechtmäßig gewesen sei.
Die Klägerin hat beantragt, die Revision kostenpflichtig zurückzuweisen. Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und bemerkt, sie habe niemals anerkannt, daß das VersorgA. berechtigt gewesen sei, den Rentenbescheid wegen wissentlichen Verschweigens der Unterstützung zu berichtigen.
Die durch Zulassung statthafte Revision (§ 162 Abs. 1 Nr. 1 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -) ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 164, 166 Abs. 1 SGG) und daher zulässig. Sie ist jedoch nicht begründet.
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Beklagte berechtigt war, mit dem angefochtenen Bescheid gemäß § 47 VerwVG in der vor dem Ersten Neuordnungsgesetz geltenden und im vorliegenden Fall anzuwendenden Fassung von der Klägerin die Rückerstattung von Versorgungsleistungen in Höhe von 1.520,- DM zu fordern. Diese Berechtigung hängt zunächst davon ab, daß die Klägerin Versorgungsleistungen zu Unrecht erhalten hat.
Hierzu hat das LSG. unangefochten ausgeführt, es bestehe zwischen den Beteiligten kein Streit darüber, daß eine Rentenüberzahlung vorliege. Damit hat das LSG. zugleich die tatsächliche Feststellung getroffen, daß die Klägerin den Teil des angefochtenen Bescheides, der die rückwirkende Entziehung und Überzahlung der Elternrente ausspricht, nicht angegriffen hat, so daß mithin die in dem angefochtenen Bescheid enthaltene und auf § 42 Abs. 1 Nr. 3 VerwVG gestützte Rentenentziehung und Überzahlung rechtsverbindlich geworden ist. Da auch die vom LSG. mit 1.520,- DM festgestellte Höhe der sich aus der Neufeststellung ergebenden Überzahlung nicht angegriffen worden ist, hatte der erkennende Senat davon auszugehen, daß die Klägerin Versorgungsleistungen in Höhe von 1.520,- DM zu Unrecht erhalten hat.
Des weiteren ist Voraussetzung für die Rückerstattungspflicht von Leistungen aus einem Bescheid, der nach § 42 VerwVG berichtigt worden ist, daß der Rentenempfänger Tatsachen, die für die Entscheidung der Verwaltung von wesentlicher Bedeutung gewesen sind, wissentlich falsch angegeben oder verschwiegen hat, oder daß er beim Empfang der Bezüge von dem Nichtzustehen der Bezüge zumindest in der gezahlten Höhe gewußt hat, oder daß er den Mangel des Bewilligungsverfahrens gekannt oder ihn vorsätzlich herbeigeführt hat. Mit Recht hat das LSG. entschieden, daß nach dem festgestellten Sachverhalt die Voraussetzungen, von denen diese Vorschrift eine Rückforderung abhängig macht, nicht erfüllt sind, wobei wegen der Nichtanfechtung des die Überzahlung und die Neufeststellung der Versorgungsbezüge betreffenden Teils des Bescheides vom 22. August 1955 dahingestellt bleiben kann, ob das VersorgA. hierzu nach § 42 BVG berechtigt war. Nachdem das LSG. die tatsächlichen Feststellungen getroffen hat, daß die Klägerin weder wesentliche Tatsachen wissentlich falsch angegeben noch beim Empfang der Bezüge gewußt hat, daß sie ihr nicht oder nicht in dieser Höhe zustanden, und daß die Klägerin auch einen Mangel des Bewilligungsverfahrens weder kannte noch vorsätzlich herbeigeführt hat, wäre, wie das LSG. richtig erkannt hat, die von der Versorgungsverwaltung geltend gemachte Rückforderung nach der maßgeblichen Vorschrift des § 47 Abs. 3 VerwVG nur dann rechtmäßig, wenn die Klägerin die Tatsache des Bezugs einer Werksunterstützung, die für die Entscheidung der Verwaltung von wesentlicher Bedeutung gewesen wäre, bis 1955 verschwiegen oder wissentlich verschwiegen hätte.
Hierzu vertritt der Beklagte die Auffassung, das LSG. habe den § 47 Abs. 3 VerwVG zu Unrecht nicht als erfüllt angesehen; dessen Ansicht, jene Vorschrift sei nur dann erfüllt, wenn eine für die Entscheidung der Verwaltung wesentliche Tatsache "wissentlich" verschwiegen worden sei, verstoße gegen Wortlaut und Sinn dieser Vorschrift. Der Beklagte meint offenbar, überzahlte Versorgungsbezüge könnten nach jener Vorschrift bereits dann zurückgefordert werden, wenn feststeht, daß eine Tatsache, die für die Entscheidung der Verwaltung von wesentlicher Bedeutung gewesen wäre, tatsächlich nicht mitgeteilt worden ist. Diese Ansicht ist irrig. Es kann dahingestellt bleiben, ob nach dem Wortlaut des § 47 Abs. 3 das Wort "wissentlich" nur zu den Worten "falsch angegeben" oder auch zu dem Wort "verschwiegen" gehört. Jedenfalls setzt auch ein "Verschweigen" allein begrifflich mehr voraus, als lediglich ein Nichtmitteilen, ein äußerlich feststellbares Nichttätigwerden. Dies geht zudem aus dem Zusammenhang hervor, in welchem das Wort "verschwiegen" gebraucht ist. Nach § 47 Abs. 3 VerwVG ist bei Überzahlungen, die auf Grund eines unrichtigen, später berichtigten Bescheides eingetreten sind, die Rückforderung dann nicht ausgeschlossen, wenn die Unrichtigkeit des Bescheides auf einem von der Rechtsordnung nicht gebilligten strafbaren oder verwerflichen Tun oder Unterlassen des Empfängers der Versorgungsbezüge beruht. Dies ergibt sich aus dem Gesetz insofern, als es verlangt, daß der Empfänger der Versorgungsbezüge wesentliche Tatsachen wissentlich falsch angegeben hat oder daß er einen Verfahrensmangel gekannt oder vorsätzlich herbeigeführt hat, oder daß er tatsächlich gewußt hat, daß ihm die Versorgungsbezüge zumindest in der gewährten Höhe nicht zustanden. In diesem Zusammenhang muß ein Verschweigen mehr bedeuten als lediglich ein Nichtmitteilen, ein objektiv feststellbares Nichttätigwerden; es ist in diesem Sinne als das bewußte Vorenthalten einer für die Entscheidung wesentlich erkannten Tatsache zu verstehen (ebenso Schuster in KOV. 1960 S. 54, der allerdings vom Begriff des wissentlichen Verschweigens ausgeht; Leipziger Komm. zum StGB. 8. Aufl. 1958 § 154 Anm. 3 a und § 170 Anm. 2). Es erfordert also über die äußere Tatsache des Nichtmitteilens hinaus die Feststellung der inneren Tatsache, daß der Empfänger der Versorgungsbezüge wesentliche Tatsachen in dem Bewußtsein nicht mitgeteilt hat, etwas zu verheimlichen, was zu offenbaren seine Pflicht gewesen wäre.
Diese innere Tatsache hat das LSG. nicht feststellen können. Der Beklagte meint zwar, das LSG. habe diese innere Tatsache feststellen müssen, denn die Klägerin habe das Bewußtsein des Verheimlichens einer wesentlichen Tatsache, nämlich des Bezugs der Werksunterstützung, gehabt. Diesen Schluß hätte das LSG. deshalb ziehen müssen, weil die Klägerin den auf § 42 VerwVG gestützten Bescheid nicht angegriffen habe, soweit darin eine Überzahlung von 1.520,- DM festgestellt worden sei. Damit habe die Klägerin ein Verschweigen des Bezugs der Werksunterstützung zugegeben. Dieser Angriff gegen die Beweiswürdigung des Berufungsgerichts geht fehl. Dadurch, daß die Klägerin den Bescheid, soweit er den unrechtmäßigen Empfang der Rente (Überzahlung) betrifft, hat rechtsverbindlich werden lassen, hat sie nicht zugleich die Tatsachen zugestanden, welche der Beklagte zur Begründung des Bescheides angeführt hat, zumal die Klägerin stets hervorgehoben hat, nicht gewußt zu haben, daß sie den Bezug der Werksunterstützung anzugeben hatte und daß diese Werksunterstützung ihre Rente ganz oder zum Teil schmälern könne. Aus diesem Verhalten der Klägerin - insoweit sie den Bescheid nach § 42 VerwVG betreffend die Überzahlung, nicht angefochten hat -, kann nur entnommen werden, daß sie der Ansicht war, Einwände gegen die rückwirkende Neufeststellung der Versorgungsbezüge und damit gegen die daraus hergeleitete Überzahlung nicht wirksam erheben zu können. Das LSG. durfte daher trotz des prozessualen Verhaltens der Klägerin ohne Verstoß gegen die Beweiswürdigungsregeln zu der Überzeugung gelangen, es sei nicht nachgewiesen, daß die Klägerin die für die Entscheidung der Verwaltung wesentliche Tatsache des Bezugs einer Werksunterstützung verschwiegen habe. Da, wie bereits ausgeführt wurde, ein Verschweigen nur dann vorliegt, wenn eine für die Entscheidung als wesentlich erkannte Tatsache bewußt vorenthalten wird, durfte das LSG. aus der von ihm festgestellten Tatsache, daß die Klägerin von einem Juristen fälschlich dahin belehrt worden war, bei der Werksunterstützung handele es sich nicht um anzurechnende Einkünfte im Sinne des BVG, den Schluß ziehen, daß die Klägerin den Bezug der Werksunterstützung nicht als eine für die Entscheidung der Versorgungsbehörden wesentliche Tatsache erkannt und daher den Bezug der Unterstützung auch nicht im Sinne von § 47 Abs. 3 VerwVG verschwiegen hat. Soweit die Revision diese Feststellung bemängelt, bezeichnet sie keine Tatsachen und Beweismittel, aus denen sich ergeben könnte, daß diese Feststellung unter Verletzung der Verfahrensvorschriften getroffen worden ist; es sind insoweit also keine zulässig und begründete Revisionsgründe vorgebracht, welche die nach § 163 SGG eingetretene Bindung des Senats an diese Feststellung beseitigen könnten. Hiernach war, wie das LSG. zutreffend entschieden hat, die Rückforderung nicht aus § 47 Abs. 3 VerwVG begründet.
Der erkennende Senat hat weiterhin geprüft, ob die von der Versorgungsverwaltung geltend gemachte Rückforderung auf § 47 Abs. 2 VerwVG gestützt werden könnte. Das Revisionsgericht hat bei zulässigen Revisionen im Rahmen des vom Revisionskläger gestellten Antrags auch ohne Rüge zu überprüfen, ob das materielle Recht auf den festgestellten Sachverhalt richtig angewendet worden ist (ständige Rechtsprechung des RG. seit RGZ. 87 S. 5; vgl. RGZ. 123 S. 38 (39); 126 S. 261 (264); 149 S. 157 (165); Baumbach-Lauterbach, 25. Aufl., ZPO § 559 Anm. 3; Stein-Jonas-Schönke-Pohle, 18. Aufl. 1956, ZPO § 559 Anm. V; Rosenberg, Lehrbuch des deutschen Zivilprozeßrechts, 8. Aufl. 1960 § 143 II 2; für die Sozialgerichtsbarkeit Peters-Sautter-Wolff, Komm. zur Sozialgerichtsbarkeit, SGG § 170 Anm. 1; Mellwitz, SGG § 170 Anm. 4; Dapprich, Das sozialgerichtliche Verfahren, S. 186). Es war daher auch ohne ausdrücklichen Vortrag der Beklagten zu prüfen, ob sich der angefochtene Verwaltungsakt nicht nach einer anderen Vorschrift als der ursprünglich genannten als rechtmäßig darstellt (BSG. 7 S. 8 (12 f.); 11 S. 236 (239)), insbesondere ob sich die Rückforderung nach § 47 Abs. 2 VerwVG rechtfertigen läßt. Nach Ansicht des erkennenden Senats läßt sich jedoch die geltend gemachte Rückforderung auch nicht auf diese Vorschrift stützen. Diese ist nur in den Fällen anwendbar, in denen die Überzahlung auf einer wesentlichen Änderung der für die Feststellung der Versorgungsbezüge maßgeblichen Verhältnisse (§ 62 BVG) beruht. Die Frage, ob eine derartige wesentliche Änderung der Verhältnisse vorliegt, die zu einer Neufeststellung nach § 62 BVG berechtigt haben würde, kann hier indes dahingestellt bleiben. Die Neufeststellung der Versorgungsbezüge, auf der die Überzahlung im vorliegenden Falle beruht, ist allein auf § 42 VerwVG gestützt worden. Zwar ist in dem angefochtenen Bescheid auch § 62 Abs. 1 BVG erwähnt worden, jedoch beruht dies nur darauf, daß zur Bescheiderteilung ein Formular über die Neufeststellung der Versorgungsbezüge nach § 62 BVG verwendet wurde, dessen Inhalt, soweit er den Versorgungsbehörden als völlig ungeeignet für einen Berichtigungsbescheid erschien, mit einem maschinengeschriebenen Text überklebt worden ist. Daß nach dem Willen der Versorgungsbehörden die Neufeststellung der Versorgungsbezüge ausschließlich auf einer Berichtigung der Bewilligungsbescheide nach § 42 VerwVG beruhen soll, geht unzweideutig aus dem übrigen Inhalt des angefochtenen Bescheides und aus dem Verhalten des Beklagten im Rechtsstreit hervor. In dem angefochtenen Bescheid ist an zwei Stellen ausdrücklich ausgeführt, daß es sich um eine Neufeststellung der Elternrente nach § 42 VerwVG handele bzw. daß der nachfolgende Bescheid gemäß § 42 VerwVG erteilt werde. Auch im Widerspruchsbescheid wird ausgeführt, daß der angefochtene Bescheid sich auf § 42 Abs. 1 Nr. 3 VerwVG stütze. Auch im gerichtlichen Verfahren ist die geltend gemachte Rückforderung stets nur unter dem Gesichtspunkt erörtert worden, daß die zu Grunde liegende Überzahlung auf einem Berichtigungsbescheid nach § 42 VerwVG beruht. Im sozialgerichtlichen Verfahren ist es zwar, wie das BSG. in ständiger Rechtsprechung entschieden hat, grundsätzlich statthaft, rechtliche Begründungen für einen angefochtenen Verwaltungsakt noch im Laufe des Rechtsstreits nachzuschieben. Die Zulässigkeit eines derartigen Nachschiebens einer anderen rechtlichen Begründung, die - wie ausgeführt - auch vom Gericht vorgenommen werden kann, ist jedoch auf die Fälle beschränkt, in denen der Verwaltungsakt durch die nachgeschobene Begründung nicht in seinem Wesen verändert und die Rechtsverteidigung des Betroffenen nicht beeinträchtigt wird (BSG. 3 S. 209 (216); 7 S. 8 (12); 11 S. 236). Ein Nachschieben der rechtlichen Begründung, daß die Neufeststellung der Versorgungsbezüge und der Überzahlung nunmehr auf § 62 BVG gestützt wird, wäre mithin - abgesehen davon, daß der Bescheid insoweit schon rechtsverbindlich geworden war -, nur dann statthaft, wenn hierdurch weder der angefochtene Rückforderungsbescheid in seinem Wesen verändert noch die Klägerin in ihrer Rechtsverteidigung beeinträchtigt würde. Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt, weil die Klägerin in ihrer Rechtsverteidigung dadurch wesentlich beeinträchtigt würde, daß die Rückforderung bei einem auf § 47 Abs. 2 VerwVG gestützten Bescheid, d. h. bei einem Bescheid, bei dem die Überzahlung und die Neufeststellung der Versorgungsbezüge auf einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse gemäß § 62 BVG beruht, unter wesentlich leichteren Voraussetzungen begründet wäre, nämlich schon bei einem Wissenmüssen von der Überzahlung und bei wirtschaftlicher Vertretbarkeit der Rückforderung, während bei einem auf § 47 Abs. 3 VerwVG (i. V. §§ 41, 42 VerwVG) gestützten Bescheid die Rückforderung - wie oben ausgeführt - nur unter schwereren Voraussetzungen begründet ist, vornehmlich bei positivem Wissen von der Überzahlung oder beim Verschweigen von Tatsachen. Mithin läßt sich der auf § 47 Abs. 3 VerwVG gestützte Bescheid nicht nachträglich in einen, der auf § 47 Abs. 2 VerwVG gestützt wird, umdeuten.
Das LSG. hat somit zu Recht den angefochtenen Bescheid aufgehoben, als darin eine Rückforderung gegen die Klägerin festgestellt worden ist. Die Revision der Beklagten konnte daher keinen Erfolg haben und war nach § 170 Abs. 1 SGG als unbegründet zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen