Leitsatz (amtlich)
Zum Erlöschen der Pflichtmitgliedschaft eines Rentners bei einer Ersatzkasse infolge Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung.
Leitsatz (redaktionell)
Ende der Krankenversicherung eines Rentners (Mitgliedschaft) bei einer Ersatzkasse durch Aufnahme einer nach RVO § 165 Abs 1 Nr 1 versicherungspflichtigen Beschäftigung:
Durch die Aufnahme einer nach RVO § 165 Abs 1 Nr 1 versicherungspflichtigen Beschäftigung wird die aufgrund eines Rentenbezuges bestehende Mitgliedschaft (KVdR) bei einer Ersatzkasse beendet. Macht in einem solchen Falle der Rentenbezieher nicht von der Möglichkeit nach RVO § 517 (RVO § 518) Gebrauch, so wird er mit der Aufnahme der Beschäftigung Mitglied der zuständigen Ortskrankenkasse.
Normenkette
RVO § 165 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 6, § 257a Abs. 1 S. 1, § 514 Abs. 2, § 306 Abs. 1, §§ 312, 165 Abs. 1 Nr. 1 Fassung: 1945-03-17, § 517 Fassung: 1924-12-15, § 518 Fassung: 1930-07-26
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 4. Oktober 1972 geändert. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin 234,55 DM zu erstatten.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Die Beteiligten streiten darüber, welche Kasse für den Beigeladenen leistungspflichtig war.
Der Beigeladene G. ist seit 1939 Mitglied der klagenden Ersatzkasse, und zwar seit November 1968 kraft Versicherungspflicht nach § 165 Abs. 1 Nr. 3 der Reichsversicherungsordnung (RVO). Vom 1. Januar bis zum 30. November 1970 stand er in einem Beschäftigungsverhältnis, aufgrund dessen Pflichtbeiträge an die beklagte Allgemeine Ortskrankenkasse (AOK) entrichtet wurden. Während dieser Zeit erhielten G. und dessen Ehefrau von der Klägerin Krankenpflege. Die Klägerin forderte von der Beklagten Ersatz, weil sie die Beklagte für leistungspflichtig hielt.
Nach Ablehnung ihrer Forderung hat die Klägerin vor dem Sozialgericht (SG) Düsseldorf den Ersatz ihrer Aufwendungen in Höhe von 267,85 DM mit der Klage geltend gemacht. Sie hat die Auffassung vertreten, daß der Beigeladene zwar bis zum 31. Dezember 1969 und dann wieder ab 1. Dezember 1970, nicht aber in der streitigen Zwischenzeit ihr Mitglied gewesen sei. Die auf Rentenbezug beruhende Mitgliedschaft zur Ersatzkasse sei durch die Pflichtversicherung bei der Beklagten aufgrund des Beschäftigungsverhältnisses beendet worden und deshalb sei diese leistungspflichtig gewesen. Sie sei mit den Leistungen nur in Vorlage getreten.
Das SG hat die Klage abgewiesen und die Berufung zugelassen (Urteil vom 4. Oktober 1972): G. habe in der Zeit von Januar bis November 1970 beiden Kassen angehört. Mitglied der Beklagten sei er aufgrund des Beschäftigungsverhältnisses geworden und bei der Klägerin sei er aufgrund der vorherigen Zugehörigkeit Mitglied geblieben, denn er habe nicht seinen Austritt erklärt. Das Erlöschen der Versicherungspflicht nach § 165 Abs. 6 RVO führe nicht von selbst zum Ende der Mitgliedschaft. Da die Klägerin (auch) leistungspflichtig geblieben sei, könne sie keinen Ersatz beanspruchen. Darüber hinaus sei die Forderung der Klägerin in Höhe von 33,30 DM deshalb unbegründet, weil sie eine Leistung betreffe, die dem Beigeladenen erst nach Beendigung seiner Mitgliedschaft bei der Beklagten gewährt worden sei.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Sprungrevision der Klägerin, der die Beklagte zugestimmt hat. Sie hält die Vorschrift der §§ 165 Abs. 6, 513, 257a Abs. 1 RVO sowie die Grundsätze des allgemeinen Verwaltungsrechts über den öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch für verletzt. Das Gesetz über die Krankenversicherung der Rentner (KVdR) habe den Ersatzkassen die Rentner als Pflichtmitglieder zugewiesen und damit den sonst geltenden Grundsatz der freiwilligen Mitgliedschaft durchbrochen. Dem vom Gesetz angeordneten Erwerb entspreche der kraft Gesetzes eintretende Verlust der Mitgliedschaft. Eine solche Beendigung trete nach § 165 Abs. 6 RVO ein. Dazu bedürfe es ebensowenig einer Willenserklärung des Versicherten wie zur Begründung seiner Mitgliedschaft bei der Ersatzkasse aufgrund des Rentenbezuges.
Die Klägerin beantragt,
unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Beklagte zur Ersatzleistung an die Klägerin im Betrage von 267,85 DM zu verurteilen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Sie ist der Auffassung, daß zwischen "Versicherung" und "Mitgliedschaft" unterschieden werden müsse. Die RVO regele in § 165 nur die Frage der Versicherungspflicht, nicht aber die der Mitgliedschaft. Eine Doppelmitgliedschaft schließe das Gesetz nicht aus. Es hätte in der Hand des Beigeladenen gelegen, sich von der aufgrund seiner Beschäftigung eintretenden Versicherungspflicht bei der Beklagten durch einen Antrag nach § 517 RVO befreien zu lassen.
II
Die Sprungrevision ist statthaft (§§ 161 Abs. 1, 149, 150 Nr. 1 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -). Sie muß zur Änderung des angefochtenen Urteils führen, weil der Klägerin zwar ein Erstattungsanspruch zusteht, jedoch nicht in der von ihr geforderten Höhe.
Im vorliegenden Fall bedarf es keiner Erörterung, nach welchen Vorschriften der Beigeladene seit 1939 Mitglied der klagenden Ersatzkasse war; vom 1. November 1968 an unterlag er aufgrund des ihm gewährten Altersruhegeldes aus der Rentenversicherung der Versicherungspflicht nach § 165 Abs. 1 Nr. 3 RVO und gehörte kraft Gesetzes der Kasse als Pflichtmitglied an, bei der er zuletzt Mitglied gewesen war (§§ 257a Abs. 1 Satz 1, 514 Abs. 2 RVO), also der Klägerin.
Die durch Rentenbezug begründete Versicherungspflicht des G. endete, als er am 1. Januar 1970 aufgrund einer Beschäftigung gegen Entgelt nunmehr der Versicherungspflicht nach § 165 Abs. 1 Nr. 2 RVO unterlag. Diese Rechtsfolge sieht § 165 Abs. 6 RVO deshalb vor, weil der Versicherte bereits aufgrund seiner Beschäftigung einen umfassenden Versicherungsschutz erhält und demgemäß für ihn kein weiteres Schutzbedürfnis mehr besteht. Aufgrund der Subsidiarität der Rentnerkrankenversicherung (BSG 14, 181, 184) wird die aus ihr folgende Versicherungspflicht durch die aus einem Beschäftigungsverhältnis erwachsende verdrängt.
Der Wegfall der Versicherungspflicht zur KVdR muß nicht stets auch zum Ende der Mitgliedschaft bei der Ersatzkasse führen. Zwar bestimmt § 312 Abs. 1 RVO, daß die Mitgliedschaft zu einer Krankenkasse erlischt, sobald der Versicherte Mitglied einer anderen Krankenkasse wird, doch gilt diese Vorschrift, wie sich schon aus ihrer Stellung im Gesetz ergibt, nur für die Mitgliedschaft zu den sog. Pflichtkassen (§ 225 RVO). Für den Bereich der Ersatzkassen ordnet § 514 Abs. 2 RVO zwar die entsprechende Anwendung des § 312 Abs. 2 RVO, nicht aber die des Absatzes 1 an. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, daß grundsätzlich sowohl der Erwerb der Mitgliedschaft (vgl. § 504 RVO) wie auch deren Aufgabe - mit Ausnahme des hier nicht interessierenden Ausschlusses - bei den Ersatzkassen der Willensentscheidung des Mitglieds bedarf. Gerade dadurch unterscheiden sich die Ersatzkassen von den Pflichtkassen, die ihre Mitglieder kraft gesetzlicher Zuweisung erhalten. Dieser Grundsatz wird auch nicht dadurch beseitigt, daß versicherungspflichtige Rentner nach § 257a Abs. 1 Satz 1 RVO kraft Gesetzes Ersatzkassen zugewiesen werden können. Die Vorschrift bezweckt vielmehr, Mitgliedschaften kontinuierlich weiterzuführen, um einerseits dem Versicherten eine möglichst einfache Regelung zu bieten und andererseits im Interesse der Lastenverteilung zwischen den Kassen den Rentner der Kasse zuzuteilen, an die auch zuvor seine Beiträge geflossen sind. Der Zweck der Zuweisungsregelung des § 257a Abs. 1 Satz 1 RVO liegt mithin gerade darin, keine Zuständigkeiten neu zu schaffen, sondern auf frühere Mitgliedschaften zurückzugreifen. Da die frühere Mitgliedschaft bei einer Ersatzkasse in jedem Fall durch freiwilligen Beitritt begründet worden sein muß, läßt sich auch die mitgliedschaftliche Zuweisung von Rentnern zur Ersatzkasse als in ihrem Ursprung freiwillig begründet auffassen. Diesem Grundsatz entspricht es, daß der Rentner auch die Beendigung der Mitgliedschaft - infolge Erlöschens der Versicherungspflicht - durch sein Handeln zu beeinflussen vermag. Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß - bisher versicherungspflichtigen - Rentnern, wenn sie durch Aufnahme einer § 165 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 2 RVO unterfallenden Beschäftigung Pflichtmitglied einer AOK werden (vgl. §§ 306 Abs. 1, 234 Abs. 1 RVO), in gleicher Weise wie anderen Beschäftigten die Möglichkeit zusteht, sich nach § 517 RVO von der Mitgliedschaft bei der AOK befreien und ihre Versicherung allein bei einer Ersatzkasse durchführen zu lassen. Diese Rechtsfolge tritt jedoch nur dann ein, wenn der Versicherte in der vom Gesetz dafür bestimmten Weise (Einholung einer Bescheinigung der Ersatzkasse, § 518 RVO - Vorlage der Bescheinigung beim Arbeitgeber, § 517 Abs. 2 RVO) tätig wird. Der Senat braucht nicht zu entscheiden, ob für den Rentner darüber hinaus auch die Möglichkeit besteht, seine - bisherige - Mitgliedschaft bei der Ersatzkasse nach § 313 Abs. 2 RVO fortzusetzen, denn auch in diesem Fall muß der Versicherte in einer vom Gesetz vorgeschriebenen Weise (Anzeige oder Beitragszahlung binnen drei Wochen) tätig werden. In keinem Fall jedoch wird die Mitgliedschaft des Rentners bei der Ersatzkasse automatisch, ohne daß er sich erkennbar dafür entschieden hätte, fortgesetzt. Damit bleibt auch in diesem Fall der Grundsatz gewahrt, daß die Mitgliedschaft zur Ersatzkasse nur durch eine Willenserklärung des Versicherten hergestellt - hier: fortgesetzt - werden kann. Nimmt der Versicherte die vom Gesetz zur Verfügung gestellten Möglichkeiten nicht wahr, dann allerdings erlischt seine Mitgliedschaft zur Ersatzkasse.
Im vorliegenden Rechtsstreit hat das SG keine Tatsachen festgestellt - von den Beteiligten sind auch keine behauptet worden -, aus denen sich ergibt, daß der Beigeladene nach Beginn seiner versicherungspflichtigen Beschäftigung die Voraussetzungen für eine Fortsetzung seiner Mitgliedschaft bei der Ersatzkasse, sei es nach § 517 RVO, sei es nach § 313 Abs. 2 RVO, erfüllt hat. Sie ist demgemäß erloschen. Da er aufgrund seiner versicherungspflichtigen Beschäftigung jedoch Mitglied der beklagten AOK war, war diese verpflichtet, ihm Leistungen der Krankenpflege zu gewähren. Die Klägerin, die ihrerseits mit den Leistungen in Vorlage trat, verlangt daher von der Beklagten zu Recht den Ersatz ihrer Aufwendungen. Der Aufwendungsersatz ist allerdings nicht im geforderten Umfang begründet. Das SG hat festgestellt, daß die Klägerin Leistungen im Werte von 33,30 DM erst am 28. Dezember 1970 erbracht hat, also außerhalb der strittigen Zeit. Da gegen diese Feststellung keine Revisionsrügen erhoben worden sind, ist der Senat daran gebunden. Die Forderung von 267,85 DM vermindert sich daher um diesen Betrag, und die Erstattung beläuft sich mithin lediglich auf 234,55 DM. In diesem Umfang war das angefochtene Urteil zu ändern.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen