Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtsweg bei Streitigkeit über Beitragserstattungen nach § 74 G 131

 

Leitsatz (amtlich)

Für Streitfälle, die Beitragserstattungen nach G 131 § 74 betreffen, ist der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit auch dann gegeben, wenn die Beteiligten nicht über Grund, Höhe oder Fälligkeit des versicherungsrechtlichen Erstattungsanspruchs, sondern darüber streiten, in welchem Währungsverhältnis die Erstattungssumme auszuzahlen ist.

 

Orientierungssatz

1. Nur bei Änderung des Verfahrensrechts selbst muß bei der Rechtsanwendung zwischen Zeiten vor und Zeiten nach der Änderung unterschieden werden. Hat sich dagegen lediglich die Auslegung von Verfahrensvorschriften geändert, unterliegen auch die zurückliegenden Verfahrensbehandlungen der geänderten Beurteilung.

2. An erster Stelle ist die Zulässigkeit der Berufung zu prüfen, weil das Urteil erster Instanz, wenn die Berufung unzulässig ist, mit der Verkündung rechtskräftig geworden ist und nicht mehr nachgeprüft werden kann.

3. Die Frage, ob die Berufung als unzulässig zu verwerfen ist, geht deshalb der Frage, ob die Klage als unzulässig abzuweisen ist - was zu geschehen hätte, wenn das Fehlen einer unverzichtbaren Prozeßvoraussetzung festgestellt würde -, notwendig voraus.

 

Normenkette

G131 § 74 Fassung: 1951-05-11; SGG § 51 Fassung: 1953-09-03, § 143 Fassung: 1953-09-03, § 144 Fassung: 1953-09-03, § 145 Fassung: 1958-06-25, § 146 Fassung: 1958-06-25, § 147 Fassung: 1958-06-25, § 148 Fassung: 1958-06-25, § 149 Fassung: 1958-06-25

 

Tenor

Das Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 26. August 1958 wird aufgehoben.

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 19. September 1957 wird als unzulässig verworfen.

Kosten für das Berufungs- und Revisionsverfahren sind nicht zu erstatten.

Von Rechts wegen

 

Gründe

Der Kläger, der früher im Sowjet-Sektor von B wohnte, beansprucht nach § 74 des Gesetzes zur Regelung der Rechtsverhältnisse der unter Art. 131 des Grundgesetzes (GG) fallenden Personen (G 131) die Erstattung der Beiträge, die für ihn auf Grund seiner Beschäftigung in W zur Rentenversicherung entrichtet worden sind; dabei verlangt er den Nennbetrag der Beitragsanteile für die Zeit vom 21. März 1949 bis 30. September 1951 in DM-West. Nach Auffassung der Beklagten unterliegen diese Beitragsanteile dem Lohnumtausch nach Ziff.9 der Dritten Verordnung zur Neuordnung des Geldwesens (Währungsergänzungsverordnung - WEV -) vom 20. März 1949 (VOBl. für Groß-Berlin Teil I S. 86) in der Fassung der Änderungsbestimmung Nr. 2 vom 23. August 1950 zur WEV (VOBl. I S. 381). Sie entsprach deshalb dem Erstattungsantrag des Klägers in der Weise, daß sie u.a. die auf die angegebene Zeit entfallenden Beiträge (im Gesamtbetrag von 978,78 DM) zu 20% in DM-West (= 195,75 DM) und zu 80% in DM-Ost (= 783,03 DM) festsetzte und den letzteren Betrag - umgerechnet zum Tagesmittelkurs (= 230,89 DM) - in DM-West erstattete (Bescheid vom 1.Oktober 1954).

Der Widerspruch des Klägers gegen die Anwendung der WEV blieb erfolglos (Bescheid der Widerspruchsstelle vom 22.12.1954). Das Sozialgericht Berlin trat dem Standpunkt der Beklagten bei und wies die Klage ab; es ließ in seinem Urteil vom 19.September 1957 die Berufung nicht ausdrücklich zu, sondern erteilte eine Rechtsmittelbelehrung, derzufolge die Berufung nach §§ 143, 149 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässig sei.

Das Landessozialgericht Berlin lud im Verlaufe des vom Kläger anhängig gemachten Berufungsverfahrens die Lohnausgleichskasse B bei, weil deren Interessen durch die Entscheidung berührt würden. Die Beigeladene rügte die mangelnde Zuständigkeit des Gerichts und machte geltend, der Rechtsstreit sei von den Gerichten der allgemeinen Verwaltungsgerichtsbarkeit zu entscheiden. Das Landessozialgericht verurteilte die Beklagte, dem Kläger die Beitragsanteile für die Zeit vom 21. März 1949 bis 30. September 1951 im vollen Umfang in DM-West zu erstatten: Die Berufung des Klägers sei zulässig, weil der Beschwerdewert 50,- DM übersteige (§ 149 SGG). Der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit sei gegeben; § 74 G 131, auf den der Kläger seine Ansprüche stütze, sei eine sozialversicherungsrechtliche Vorschrift und der Streit zwischen den Beteiligten öffentlich-rechtlicher Natur; die Voraussetzungen des § 51 SGG lägen deshalb vor. Die Vorschriften über den Lohnausgleich könnten aber auf die Beitragserstattung nach § 74 G 131 keine Anwendung finden (Urteil vom 26.8.1958).

Das Landessozialgericht ließ die Revision zu. Die Beigeladene legte gegen das ihr am 15. September 1958 zugestellte Urteil am 25. September 1958 Revision ein mit dem Antrag,

das Urteil des Landessozialgerichts aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Sie begründete die Revision am 7. Oktober 1958: Zur selbständigen Einlegung der Revision sei sie deshalb befugt, weil ihre Beiladung den Charakter einer notwendigen Beiladung nach § 75 Abs. 2 SGG trage; gerügt werde die Verletzung des § 51 SGG; die Klage sei unzulässig, weil der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit nicht gegeben sei; der Streit der Beteiligten betreffe nicht eine Frage aus dem Gebiet der Sozialversicherung, sondern eine solche des Währungsrechts; zur Entscheidung hierüber seien aber die Gerichte der allgemeinen Verwaltungsgerichtsbarkeit berufen; auch die Entscheidung in der Sache selbst sei unzutreffend, sie verstoße gegen § 2 Abs. 1 der Fünften Durchführungsbestimmung zu den Vorschriften der Ziff. 9 WEV (5. LAKDB ) vom 21. Mai 1955 (GVBl. für Berlin S. 447).

Die Beklagte schloß sich der Auffassung der Beigeladenen an.

Der Kläger beantragte,

die Revision zurückzuweisen

und für den Fall, daß der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit für unzulässig erklärt würde, die Sache an das zuständige Verwaltungsgericht zu verweisen.

Die Revision ist in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und ordnungsgemäß begründet worden; sie ist durch Zulassung (§ 162 Abs. 1 Nr. 1 SGG) statthaft und zulässig; insbesondere bestehen in dieser Hinsicht keine rechtlichen Bedenken deshalb, weil die Revision allein von der Beigeladenen eingelegt wurde. Es braucht nicht geprüft zu werden, nach welcher Alternative in § 75 SGG die Beiladung erfolgt ist oder (richtigerweise) zu erfolgen hatte. Selbst wenn ein Fall der sogenannten einfachen Beiladung nach § 75 Abs.1 Satz 1 SGG vorliegt, der lediglich voraussetzt, daß durch die Entscheidung die berechtigten Interessen des Beigeladenen berührt werden, ist dieser befugt, selbständig Revision einzulegen; es ist ihm durch § 75 Abs. 4 Satz 2 SGG nur verwehrt, abweichende Sachanträge zu stellen. Dies ist hier nicht geschehen. Die Beigeladene bleibt mit ihrem Antrag, die Klage abzuweisen, innerhalb der Anträge, die auch die Beklagte in den Vorinstanzen gestellt hat. Die Beigeladene ist durch das angefochtene Urteil auch beschwert. Der rechtskraftfähige Inhalt dieses Urteils, an das sie nach § 141 Abs. 1 SGG gebunden wäre, weicht zu ihren Ungunsten von ihren Anträgen in der Berufungsinstanz ab und ist für ihren Rechtsstandpunkt nachteilig.

Die Revision ist auch begründet. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts war nicht zulässig.

Bei einer zulässigen Revision hat das Revisionsgericht zunächst von Amts wegen zu prüfen, ob diejenigen Voraussetzungen erfüllt sind, von denen die Rechtswirksamkeit des Verfahrens als Ganzes abhängt. Es hat die Mängel zu berücksichtigen, die sich aus dem Fehlen der Prozeßvoraussetzungen und der Zulässigkeitsvoraussetzungen der Berufung ergeben (BSG 2 S. 225). Dabei ist an erster Stelle die Zulässigkeit der Berufung zu prüfen, weil das Urteil erster Instanz, wenn die Berufung unzulässig ist, mit der Verkündung rechtskräftig geworden ist und nicht mehr überprüft werden kann. Die Frage, ob die Berufung als unzulässig zu verwerfen ist, geht deshalb der Frage, ob die Klage als unzulässig abzuweisen ist - was zu geschehen hätte, wenn das Fehlen einer unverzichtbaren Prozeßvoraussetzung festgestellt würde -, notwendig vor. Der Senat hat daher, obwohl die Beigeladene ausdrücklich die Verletzung des § 51 SGG, also den Mangel einer Prozeßvoraussetzung gerügt hat, zuerst zu prüfen, ob die Berufung zulässig war. Rechtsgrundlage für diese Prüfung sind die §§ 143 bis 150 SGG. Nach § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG ist die Berufung ausgeschlossen bei Ansprüchen auf einmalige Leistungen. Ein derartiger Anspruch wird vom Kläger geltend gemacht. Er verlangt die Erstattung von Beitragsanteilen nach § 74 G 131. Die Erstattung betrifft, wie der Senat in seinem Urteil vom 9. Juni 1960 (SozR. § 74 G 131 Bl. Aa 4 Nr. 9) entschieden hat, eine einmalige Leistung im Sinne des § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG. Die frühere Rechtsprechung, wonach diese Vorschrift in Streitigkeiten über Ansprüche der Versicherten auf Rückerstattung von Beiträgen nicht anwendbar sei, die Zulässigkeit der Berufung sich vielmehr allein nach § 149 SGG richte (BSG 5 S. 204), hat der Senat im Anschluß an die Rechtsprechung des 3. Senats des Bundessozialgerichts (BSG 10 S. 186) inzwischen aufgegeben. Er sieht die §§ 144 und 149 SGG nunmehr als von der Gesetzessystematik her in der Weise gegeneinander abgegrenzt an, daß unter § 149 SGG nur die Ansprüche auf Rückerstattung zu Unrecht entrichteter Beiträge, unter § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG dagegen die Ansprüche auf Erstattung zu Recht geleisteter Beiträge fallen. Die Beitragserstattungen nach § 74 G 131 sind aber - wie der Senat in seiner früheren Entscheidung näher ausgeführt hat - ihrem Wesen nach mehr den Erstattungen rechtswirksam geleisteter Beiträge zuzurechnen und - jedenfalls in verfahrensrechtlicher Hinsicht - wie Beitragserstattungen zu behandeln, die unmittelbar aus dem Versicherungsverhältnis entstehen. Sie fallen deshalb nicht unter § 149 SGG. Mit dieser Auffassung setzt sich der Senat nicht in Widerspruch zu den Gründen der Entscheidung des 4. Senats (BSG 10 S. 257), der diese Frage in anderem Zusammenhang geprüft hat, ohne zu der hier allein zu ziehenden verfahrensrechtlichen Folgerung Stellung zu nehmen. Deshalb besteht keine Notwendigkeit, die Entscheidung des Großen Senats nach § 42 SGG herbeizuführen.

Die nach § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG ausgeschlossene Berufung ist auch nicht nach § 150 Nr. 1 SGG zulässig. Das Sozialgericht hat die Berufung in seinem Urteil nicht zugelassen. In der (nach nunmehriger Auslegung) irrigen Rechtsmittelbelehrung, die Berufung sei nach §§ 143, 149 SGG zulässig, ist eine Zulassung nicht zu erblicken. Die Rechtsmittelbelehrung eröffnet keine Anfechtungsmöglichkeit gemäß ihrem unrichtigen Inhalt (SozR. Da 3 Nr. 10 und Da 4 Nr. 12 zu § 150 SGG). An dieser Beurteilung wird auch nichts geändert dadurch, daß das Sozialgericht auf Grund der früheren Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zu den §§ 144, 149 SGG davon ausgehen durfte, daß die Berufung ohne Zulassung statthaft sei. Nachdem sich die Auslegung dieser Verfahrensvorschriften geändert hat, unterliegen auch die zurückliegenden Verfahrenshandlungen der geänderten Beurteilung. Nur bei Änderung des Verfahrensrechts selbst, nicht seiner Auslegung, muß bei der Rechtsanwendung unterschieden werden zwischen Zeiten vor und Zeiten nach der Änderung.

Die Berufung war schließlich auch nicht nach § 150 Nr. 2 SGG statthaft. Zwar hat die Beigeladene schon im Verfahren vor dem Landessozialgericht beanstandet, nicht dieses Gericht, sondern die Gerichte der allgemeinen Verwaltungsgerichtsbarkeit seien zur Entscheidung berufen; dieses Vorbringen ist so auszulegen, daß damit die Unzulässigkeit des Rechtswegs zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit (Sozialgerichtsweg), also ein Mangel auch des Verfahrens im ersten Rechtszug behauptet wird. Dennoch erfüllt diese Rüge nicht die Voraussetzung des § 150 Abs. 1 Nr. 2 SGG. Es kann dahinstehen, ob es für die Zulässigkeit der Berufung nach § 150 Nr. 2 SGG überhaupt ausreicht, daß der Verfahrensmangel, dessen Rüge die Berufung des Klägers statthaft machen könnte, nur von der Beigeladenen geltend gemacht wurde, die selbst am Verfahren vor dem Sozialgericht nicht beteiligt war und auch keine Berufung eingelegt hat; ob nicht vielmehr Sinn und Zweck des § 150 Nr. 2 SGG - dessen Wortlaut hierüber allerdings nichts aussagt - verlangen, daß die Rüge vom Berufungskläger selbst im Rahmen der von ihm geführten Berufung erhoben wird. Selbst wenn man die Erklärungen der Beteiligten im Prozeß als Einheit ansieht und es für die Zulässigkeit der Berufung nach § 150 Nr. 2 SGG genügen läßt, daß irgendein Beteiligter des Berufungsverfahrens den Mangel gerügt hat, so reicht es jedoch nicht aus, wenn ein wesentlicher Mangel im Verfahren des Landessozialgerichts lediglich vorgetragen wird, selbst wenn dies in substantiierter Weise geschieht; der behauptete Mangel muß auch tatsächlich vorliegen (so die ständige Rechtsprechung des BSG zu der ähnlichen Vorschrift in § 162 Abs. 1 Nr. 2 SGG - BSG 1 S. 150 -; vgl. auch SozR. Db 3 Nr. 22, Db 4 Nr. 31 zu § 150 SGG). Dies trifft hier aber nicht zu. Für den Anspruch des Klägers ist - wie das Landessozialgericht zutreffend entschieden hat - der Sozialgerichtsweg gegeben.

Beitragserstattungen nach § 74 G 131 gehören, wie in der Rechtsprechung und in der Literatur unbestritten ist, zu den Angelegenheiten der Sozialversicherung, über die im Streitfall die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit entscheiden (§ 51 Abs. 1 SGG). Hiervon geht auch das Gesetz 131 selbst aus; es nimmt in § 79 Abs. 2 aus der Zuständigkeit der Sozialgerichte nur bestimmte beamtenrechtliche Vorfragen aus und weist sie anderen Gerichten zu (vgl. BSG 11 S. 63). Der vorliegende Rechtsstreit betrifft aber nicht eine solche Vorfrage aus dem Beamtenverhältnis, sondern den auf die Erstattung der Beiträge gerichteten Anspruch selbst. Für Streitfälle über solche Ansprüche sind die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit nicht nur insoweit zuständig, als die Beitragserstattung dem Grunde nach streitig ist, sondern auch, soweit es sich um die Höhe der Erstattungssumme oder um die Art und Weise handelt, in der die Erstattung durch den Versicherungsträger zu bewirken ist. Anderenfalls könnten die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit über eine Klage, die als Leistungsklage auf die Zahlung eines Erstattungsbetrages in bestimmter Höhe gerichtet ist, überhaupt nicht entscheiden. Die Beigeladene meint zwar, der Sozialgerichtsweg sei deshalb nicht gegeben, weil zwischen den Beteiligten des vorliegenden Rechtsstreits kein Streit über Grund, Höhe und Fälligkeit des versicherungsrechtlichen Erstattungsanspruchs bestehe und deshalb nicht eine Rechtsfrage aus dem Recht der Sozialversicherung, sondern allein eine solche aus dem Währungsrecht bzw. dem Berliner Lohnausgleichsrecht streitig sei. Diese Auffassung verkennt jedoch, daß die Angelegenheiten der Sozialversicherung im Sinne von § 51 SGG sich nicht in der Beurteilung der ausschließlich nach Vorschriften des Sozialversicherungsrechts zu entscheidenden Fragen erschöpfen, sie umfassen vielmehr alle Streitigkeiten öffentlich-rechtlicher Art, die ihrem Wesen nach das Gebiet der Sozialversicherung betreffen, auch wenn bei der Entscheidung Vorschriften anderer Rechtsgebiete mit heranzuziehen sind. So haben die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit stets darüber entschieden, in welchem Währungsverhältnis die Leistungen der Versicherungsträger zu bewirken sind, selbst wenn nur über diese - außerhalb des Sozialversicherungsrechts geregelte - Frage Streit bestanden hat (vgl. BSG 1 S. 239, 3 S. 83, 6 S. 19). Der Anspruch des Klägers kann keine andere Beurteilung erfahren. Eine Aufspaltung der Rechtsprechung über den einheitlichen Erstattungsanspruch nach der sozialversicherungsrechtlichen und nach der währungsrechtlichen Seite hin, wie sie der Beigeladenen im vorliegenden Rechtsstreit vorschwebt, würde nicht nur eine untragbare Einengung der Zuständigkeit der Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit bedeuten, sondern auch dem Berechtigten die Rechtsverfolgung unnötig erschweren.

Schließlich ist auch der Einwand der Beigeladenen unbegründet, die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit könnten mit bindender Wirkung nur im Verhältnis zwischen dem Versicherungsträger und dem Kläger, nicht auch im Verhältnis zwischen dem Versicherungsträger und der Beigeladenen entscheiden; die Beigeladene wäre durch ein rechtskräftiges Urteil des Sozialgerichts nicht gehindert, gegen die Beklagte einen Anforderungsbescheid nach § 10 der Fünften LAKDB zu erlassen. Abgesehen davon, daß dieses Vorbringen der Beigeladenen - wenn es zuträfe - geeignet ist, ihre Beschwer und damit ihre Befugnis, Revision einzulegen, in Zweifel zu ziehen, wird ihre Auffassung dem Wesen und der Bedeutung der Bindung, der die Beteiligten nach § 141 Abs. 1 SGG unterliegen, nicht gerecht. Zu den Beteiligten im Sinne dieser Vorschrift gehört auch der nach § 75 SGG Beigeladene; er wird durch ein rechtskräftiges Urteil den übrigen Beteiligten des Rechtsstreits gegenüber in gleicher Weise gebunden wie diese selbst. Hat daher ein Gericht der Sozialgerichtsbarkeit rechtskräftig entschieden, daß die vom Kläger beantragte Beitragserstattung nicht dem Lohnumtausch nach Ziff. 9 der WEV unterliegt, daß dem Kläger die Beitragsanteile vielmehr voll in DM-West auszuzahlen sind, so gilt diese Entscheidung auch gegenüber der beigeladenen Lohnausgleichskasse mit der Folge, daß sie an dieses Urteil und seine tragenden Gründe gebunden ist. Es ist ihr danach verwehrt, in bezug auf diese Beitragserstattung etwa der Beklagten gegenüber nachträglich eine andere Rechtsauffassung zu vertreten und an sie Ansprüche zu stellen, die von der Notwendigkeit eines Lohnumtausches ausgehen. Insoweit ist auch eine Anrufung der allgemeinen Verwaltungsgerichte nicht gegeben, weil über den Streitfall bereits die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit im Rahmen ihrer Zuständigkeit entschieden haben. Dabei ist zu beachten, daß auch die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit Verwaltungsgerichte sind (§ 1 SGG) und daß aus der Zuständigkeit der allgemeinen Verwaltungsgerichte solche Streitsachen ausgenommen sind, die der Zuständigkeit der besonderen Verwaltungsgerichte unterliegen. Für die Ansprüche auf Beitragserstattungen nach § 74 G 131 sind aber - soweit es sich nicht um die in § 79 Abs. 2 erwähnten Vorfragen handelt - die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit zuständig.

Daher hat das Sozialgericht, indem es über den Anspruch des Klägers sachlich entschieden hat, § 51 SGG nicht verletzt; der von der Beigeladenen im Berufungsverfahren gerügte Verfahrensmangel liegt nicht vor. Weil die Berufung des Klägers somit nicht zulässig war, muß die Rechtsfolge ausgesprochen werden, die sich aus dem Fehlen dieser Prozeßvoraussetzung notwendigerweise ergibt. Das angefochtene Urteil muß aufgehoben und die Berufung als unzulässig verworfen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2129554

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