Leitsatz (amtlich)

Zur Rückforderung von Unterhaltsgeld, das für Zeiten nach dem Abbruch der Teilnahme an einer Maßnahme der beruflichen Bildung gezahlt wurde, bei Fortdauer der Arbeitslosigkeit.

 

Orientierungssatz

Die Bewilligung von Unterhaltsgeld schließt auch bei einem deswegen ruhenden Anspruch auf Arbeitslosengeld nicht ohne weiteres die Aufhebung der Arbeitslosengeldbewilligung ein.

 

Normenkette

SGB 10 § 50 Abs 1 Fassung: 1980-08-18; AFG § 44 Abs 6 S 1 Fassung: 1969-06-25, § 151 Abs 2, § 118 Abs 1 Nr 1 Fassung: 1969-06-25

 

Verfahrensgang

Schleswig-Holsteinisches LSG (Entscheidung vom 30.09.1983; Aktenzeichen L 1 Ar 25/83)

SG Lübeck (Entscheidung vom 31.01.1983; Aktenzeichen S 8 Ar 230/81)

 

Tatbestand

Streitig ist die Aufhebung der Bewilligung einer Leistung und deren Rückforderung in Höhe von 8.131,32 DM.

Der Kläger bezog Arbeitslosengeld (Alg) ab Januar 1977, das ihm für 312 Wochentage bewilligt war. Im Hinblick auf eine am 1. März 1977 begonnene und bis zum 28. Februar 1979 durchzuführende Umschulung zum Friseur bezog er für die Folgezeit anstelle des Alg Unterhaltsgeld (Uhg). Wegen Abbruchs der Maßnahme am 27. September 1978 "ohne wichtigen Grund" hob die Beklagte die Uhg-Bewilligung für die Zeit ab 1. März 1977 auf und berechnete die Rückforderung auf 21.956,59 DM (Bescheid vom 10. März 1980). Auf den Widerspruch des Klägers erkannte die Beklagte einen wichtigen Grund an und beschränkte den Uhg-Entzug auf die Zeit ab 28. September 1978 und die Rückforderung auf 8.131,32 DM (Bescheid vom 14. September 1981); im übrigen wurde der Widerspruch zurückgewiesen (Bescheid vom 28. September 1981). Die Klage blieb in beiden Vorinstanzen erfolglos. Das Landessozialgericht (LSG) sah die Aufhebung der Uhg-Bewilligung für die Zeit ab Abbruch der Maßnahme am 27. September 1978 und die Rückforderung des geleisteten Uhg in Höhe von 8.131,32 DM als gerechtfertigt an. Entgegen der Auffassung des Klägers liege der besondere Rückforderungsausschließungsgrund des § 44 Abs 6 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) nicht vor. Dieser beziehe sich sowohl nach dem Wortsinn als auch Sinn und Zweck zufolge nur auf das vor dem Abbruch geleistete Uhg. Der Rückforderung stehe auch keine Aufrechnungslage entgegen. Der gemäß § 118 Abs 1 Nr 1 AFG wegen des Uhg ruhende Anspruch auf Alg sei dem Kläger entzogen worden. Das Alg hätte deswegen nach Abbruch der Maßnahme erneut beantragt werden müssen.

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger Verletzung der §§ 44 Abs 6, 118 und 151 AFG.

Der Kläger beantragt, die Urteile der Vorinstanzen sowie die Bescheide der Beklagten vom 10. März 1981, vom 14. September 1981 und vom 28. September 1981 insoweit aufzuheben, als damit Unterhaltsgeld vom 28. September 1978 bis 28. Februar 1979 entzogen und in Höhe geleisteter 8.131,32 DM zurückgefordert wird.

Die Beklagte beantragt, die Revision des Klägers zurückzuweisen.

Beide Beteiligten haben einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers hatte nur hinsichtlich der Rückforderung im Sinne einer Zurückverweisung des Rechtsstreits an das LSG Erfolg.

Hinsichtlich der Aufhebung der Uhg-Bewilligung für die Zeit vom 28. September 1978 bis zum 28. Februar 1979 war die Revision dagegen wegen fehlender Begründung zu verwerfen (§§ 164 Abs 2, 169 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-). Bei der Klage gegen die Aufhebung einer Leistungsbewilligung und die Rückforderung der bereits erbrachten Leistung handelt es sich um zwei verschiedene Klagebegehren (vgl Urteil des Senats vom 30. Mai 1985 - 11a RA 66/84 -, Urteil des 5b Senats vom 11. Juli 1985 - 5b RJ 80/84 - und Urteil des 7. Senats vom 21. Juli 1977 - SozR 4100 § 44 Nr 14 - zur Zulässigkeit der Berufung), so daß die Revision zu beiden Streitgegenständen gesondert zu begründen ist. Zur Aufhebung der Leistungsbewilligung fehlt es an einer Revisionsbegründung. Die Revision stellt nicht in Abrede, daß die Bewilligung von Uhg mit dem Abbruch der Maßnahme aufzuheben war; sie meint lediglich, bei der Berechnung des Rückforderungsbetrages sei ein Restanspruch auf Alg zu berücksichtigen.

Hinsichtlich der Rückforderung ist die Sache an das LSG zurückzuverweisen. Der streitige Rückforderungsanspruch ist zwar in der von der Beklagten festgestellten Höhe entstanden; der Senat kann aufgrund der bisher getroffenen Feststellungen aber nicht entscheiden, ob und inwieweit der Rückforderungsanspruch durch Aufrechnung mit einem Anspruch auf Alg erloschen ist.

Die Rechtmäßigkeit der Rückforderung richtet sich nach § 50 des Sozialgesetzbuches - Verwaltungsverfahren - (SGB X) und damit entgegen der Ansicht des LSG nicht nach den zuvor geltenden Vorschriften. Die Beklagte hat über die Aufhebung der Leistungsbewilligung zuletzt im Widerspruchsbescheid vom 28. September 1981 und damit nach Inkrafttreten des SGB X zum 1. Januar 1981 entschieden. Damit ist nach Art 2 § 40 SGB X vom 18. August 1980 nicht nur für die Aufhebung der Leistungsbewilligung, sondern auch für die Rückforderung das SGB X maßgebend. Nach § 50 Abs 1 SGB X ist die Rückforderung aber allein deshalb berechtigt, weil die Aufhebung der Leistungsbewilligung unanfechtbar geworden ist.

Dem steht § 44 Abs 6 AFG nicht entgegen, wie das LSG im Ergebnis zutreffend ausgeführt hat. Nach dieser Vorschrift kann die Beklagte von einem Uhg-Bezieher, der die Teilnahme an der Maßnahme ohne wichtigen Grund abbricht, das gewährte Uhg insoweit zurückfordern, als ihm für die gleiche Zeit weder Alg noch Arbeitslosenhilfe (Alhi) zugestanden hätte. Damit wird kein (besonderer oder allgemeiner) Rückforderungsausschlußgrund geschaffen, sondern eine zusätzliche Rückforderungsmöglichkeit für Zeiten vor dem Abbruch begründet (BSGE 44, 173, 179 = SozR 4100 § 44 Nr 14), für die der Abbruch eine Aufhebung der Leistungsbewilligung nicht rechtfertigen könnte. Da es sich hierbei um Zeiten der Teilnahme an der Maßnahme handelt, ist die Rückforderung nur unter den in § 44 Abs 6 AFG beschriebenen Einschränkungen zugelassen. Für Zeiten der Nichtteilnahme nach dem Abbruch, um die es im vorliegenden Falle geht, sind diese Einschränkungen dagegen nicht sinnvoll; für die Rückforderung der Leistungen für Zeiten nach dem Abbruch bildet allein die Nichtteilnahme (Nicht-mehr-Teilnahme) den ausreichenden Grund.

Nach den bisherigen Feststellungen des LSG vermag der Senat jedoch nicht zu entscheiden, ob und inwieweit der Rückforderungsanspruch durch Aufrechnung mit einem Anspruch auf Alg erloschen ist. Dem LSG ist darin zuzustimmen, daß bei einem noch nicht nach § 125 Abs 2 AFG erloschenen Anspruch das Alg neu beantragt werden mußte, wenn die Beklagte das Alg zuvor wegen der Gewährung von Uhg "entzogen" hatte (SozR 4100 § 125 Nr 2). Nicht zutreffend ist jedoch die Auffassung des LSG, "der gemäß § 118 Abs 1 Nr 1 AFG wegen des statt dessen bewilligten Uhg ruhende Anspruch auf Alg sei dem Kläger dadurch zugleich entzogen worden". Die Bewilligung von Uhg schließt auch bei einem deswegen ruhenden Anspruch auf Alg nicht ohne weiteres die Aufhebung der Leistungsbewilligung für das Alg ein; dazu bedarf es vielmehr eines Aufhebungsbescheides. Daß ein solcher erteilt worden sei, hat das LSG nicht festgestellt.

Hiernach bedarf es weiterer tatsächlicher Feststellungen, die der Senat nicht treffen darf. Für die neue Verhandlung und Entscheidung vor dem LSG weist der Senat jedoch darauf hin, daß die Beklagte auf Anfrage erklärt hat, daß sie einen Aufhebungsbescheid nicht nachweisen könne und daher mit einer Aufrechnung des Alg-Restanspruchs gegenüber der Uhg-Rückforderung einverstanden sei, wenn der Kläger für die entsprechende Zeit der Arbeitsvermittlung zur Verfügung gestanden haben sollte.

Die Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens bleibt dem abschließenden Urteil vorbehalten.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1661419

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