Leitsatz (amtlich)
1. Eine unmittelbare Kriegseinwirkung liegt, unbeschadet der Fälle des BVG § 6, nur dann vor, wenn einer der Tatbestände des BVG § 5 verwirklicht ist.
2. Bei Bombenangriffen liegt eine unmittelbare Kriegseinwirkung iS des BVG § 5 Abs 1 Buchst a nur vor, wenn Kampfhandlungen so in der Nähe des Beschädigten erfolgen, daß sie auf ihn unmittelbar, und sei es auch nur psychisch, einwirken.
Normenkette
BVG § 5 Abs. 1 Buchst. a Fassung: 1953-08-07, § 6 Fassung: 1950-12-20
Verfahrensgang
LSG Berlin (Entscheidung vom 30.04.1954) |
Tenor
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts ... vom 30. April 1954 mit den ihm zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht ... zurückverwiesen.
Von Rechts wegen.
Gründe
Die Klägerin, Frau ... die Mutter der Revisionsbeklagten, beantragte am 30. August 1950 die Gewährung einer Rente, weil sie am 31. Dezember 1944 bei einem Fliegerangriff im Luftschutzkeller einen Nervenschock erlitten und dieser zu einer linksseitigen Lähmung geführt habe. Das Versorgungsamt ... lehnte den Antrag mit Bescheid vom 29. Oktober 1952 ab, da die Lähmung auf eine alters- und anlagebedingte Arterienverkalkung, nicht aber auf eine unmittelbare Kriegseinwirkung im Sinne des § 1 des ... Versorgungsgesetzes vom 24. Juli 1950 ... und des § 1 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) in Verbindung mit dem ... Gesetz über die Versorgung der Opfer des Krieges vom 12. April 1951 ... Übernahmegesetz) zurückzuführen sei. Ihr Einspruch gegen diesen Bescheid blieb erfolglos und ihre Klage wurde mit Urteil des Versorgungsgerichts ... vom 22. September 1953 abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin verurteilte das Landessozialgericht ... mit Urteil vom 30. April 1954 unter Abänderung des Urteils des Versorgungsgerichts ... vom 22. September 1953 und unter Aufhebung des Bescheides des Versorgungsamts vom 29. Oktober 1952 und der Einspruchsentscheidung vom 8. April 1953 den Beklagten dem Grunde nach, der Klägerin Versorgung zu gewähren. Die Revision wurde zugelassen. Das Landessozialgericht legte seiner Entscheidung hinsichtlich des Zeitpunktes der Luftangriffe die berichtigte Darstellung der Klägerin zugrunde, wonach bei ihr zum ersten Mal ein Nervenschock am 5. Dezember 1944 nach einem Luftangriff aufgetreten ist. Damals konnte sie noch aus dem Luftschutzkeller in ihre Wohnung gehen und das Mittagessen zubereiten, hatte aber die Sprache verloren. Nach einem weiteren Luftangriff am folgenden Abend konnte sie sich nicht mehr bewegen und mußte aus dem Luftschutzkeller in ihre Wohnung getragen werden. Im Dezember 1951 erlitt sie einen weiteren Schlaganfall und konnte seitdem nicht mehr laufen. Das Landessozialgericht stellte fest, daß die Klägerin als Folge dieser beiden Schlaganfälle eine Lähmung der linken Körperhälfte erlitten habe. Es führte diese Gesundheitsstörung auf die Bombenangriffe zurück, die als unmittelbare Kriegseinwirkung im Sinn des § 1 Abs. 2 Ziff. a BVG anzusehen seien.
Gegen dieses Urteil, das den Beteiligten am 19. Juni 1954 zugestellt worden war, hat der Beklagte mit Schriftsatz vom 12. Juli 1954, eingegangen am 13. Juli 1954, Revision eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 2. August 1954, eingegangen am 4. August 1954, begründet. Nach seiner Ansicht hätte das Landessozialgericht die Berufung der Klägerin zurückweisen müssen. Es habe den Begriff der unmittelbaren Kriegseinwirkung im Sinne des § 1 Abs. 1 Berliner KVG und des § 1 Abs. 2 Buchst. a BVG verkannt. Dieser sei eng auszulegen. Es könnten darunter nicht Zustände, wie Aufregung und Schrecken als Begleiterscheinungen bei Fliegerangriffen, verstanden werden, denen alle Bevölkerungskreise gleichmäßig ausgesetzt gewesen seien. Durch eine rein psychische Einwirkung könnte eine versorgungsrechtlich erhebliche Schädigung überhaupt nicht eintreten. Im übrigen hätte das Landessozialgericht weder den Zeitpunkt des maßgeblichen Bombenangriffs genügend aufgeklärt, noch eine ausreichende Begründung dafür gegeben, warum gegenüber der körperlichen Veranlagung der Klägerin als wesentliche Ursache für die Gesundheitsstörung die Erregung durch den Bombenangriff anzunehmen sei. Auch ein Grundurteil hätte nicht ergehen dürfen. Nach Ansicht des Beklagten erfordern diese Mängel zum mindesten eine nochmalige Verhandlung und Entscheidung des Berufungsgerichts. Er beantragt daher,
unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Berufung gegen die Entscheidung des Versorgungsgerichts Berlin vom 22. September 1953 zurückzuweisen,
hilfsweise, die Sache unter Aufhebung des angefochtenen Urteils zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuverweisen.
Für die Klägerin, die im Laufe des Revisionsverfahrens am 27. Dezember 1954 verstorben ist, hat die Revisionsbeklagte als Rechtsnachfolgerin, vom Beklagten als solche benannt, das Verfahren aufgenommen. Sie beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält die Auslegung des Begriffs der unmittelbaren Kriegseinwirkung durch das Landessozialgericht für zutreffend. Weder handele es sich bei den Begleiterscheinungen des Luftkrieges um eine allgemeine Gefahr, welche eine Haftung des Staates für die dadurch eingetretenen Gesundheitsschäden ausschlösse, noch könne zweifelhaft sein, daß grundsätzlich auch psychische Einwirkungen unmittelbare Einwirkungen seien, die bei der Klägerin, wie hierzu das Landessozialgericht bindend festgestellt habe, zu einer Lähmung geführt hätten. Diese Feststellung habe das Landessozialgericht ebenso wie die Feststellung über den Zeitpunkt des Luftangriffs, wenn auch mit knapper so doch mit ausreichender Begründung, getroffen.
Im übrigen wird zur Darstellung des Tatbestandes auf den Inhalt des Bescheides des Versorgungsamts ... vom 29. Oktober 1952, des Einspruchsbescheides des Landesversorgungsamts ... vom 8. April 1953, des Urteils des Versorgungsgerichts ... vom 22. September 1953, des Urteils des Landessozialgerichts ... vom 30. April 1954, des Rentenantrags der Klägerin vom 30. August 1950 sowie der Schriftsätze des Beklagten vom 12. Juli 1954, 2. August 1954 und 7. Februar 1955, der Revisionsbeklagten vom 28. März 1955 und 22. Juni 1955 Bezug genommen.
Die frist- und formgerecht eingelegte Revision ist statthaft, weil das Landessozialgericht sie ausdrücklich zugelassen hat (§ 162 Abs. 1 Nr. 1 SGG).
Sie ist auch begründet.
Das Landessozialgericht hat der Klägerin Versorgungsansprüche dem Grunde nach ohne zeitliche Begrenzung nach den Vorschriften des BVG zugesprochen. Da der Rentenantrag der Klägerin als Datum der Antragstellung den 30. August 1950 anführt, mußte das Landessozialgericht zu der Frage Stellung nehmen, ob der Klägerin auch für die Zeit vor dem 1. Oktober 1950, dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des BVG, Ansprüche zustehen, zumal auch im Bescheid des Versorgungsamts ... und in dem Einspruchsbescheid des Landesversorgungsamts ... auf § 1 Berliner KVG Bezug genommen und damit zum Ausdruck gekommen war, daß auch etwaige Ansprüche der Klägerin für die Zeit vor dem 1. Oktober 1950 abgelehnt werden sollten. Das Landessozialgericht hat die Ansprüche der Klägerin jedoch nicht nach den Vorschriften des Berliner KVG geprüft, jedenfalls ist dies aus dem Urteil nicht erkennbar. Wenn auch § 1 Berliner KVG ebenso wie § 1 BVG von Schädigungen durch unmittelbare Kriegseinwirkungen spricht, so hätte das Landessozialgericht wenigstens in irgendeiner Form zum Ausdruck bringen müssen, daß die Ansprüche der Klägerin in gleicher Weise nach dem Berliner KVG begründet sind. Sollte es aber der Ansicht gewesen sein, daß die Klägerin nach den Vorschriften des Berliner KVG keine Versorgungsansprüche hat, so hätte es seine Entscheidung über die Ansprüche der Klägerin auf die Zeit nach dem 1. Oktober 1950 begrenzen müssen. Nach der vorliegenden Urteilsbegründung muß jedenfalls angenommen werden, daß das Landessozialgericht die Ansprüche der Klägerin auch für die Zeit vor dem 1. Oktober 1950 nach den Vorschriften des BVG für begründet hält. Insoweit sind aber die Vorschriften des BVG, die gemäß § 84 dieses Gesetzes erst mit Wirkung vom 1. Oktober 1950 in Kraft getreten sind, unrichtig angewendet. Die Revision mußte daher insoweit Erfolg haben, als das Landessozialgericht über Ansprüche der Klägerin für die Zeit vor dem 1. Oktober 1950 entschieden hat.
Die Revision ist aber auch insoweit begründet, als das Landessozialgericht über die Ansprüche der Klägerin für die Zeit nach dem 1. Oktober 1950 unter Anwendung der Vorschriften des BVG entschieden hat. Es hat dabei § 1 Abs. 2 Buchst. a und § 5 Abs. 1 Buchst. a BVG unrichtig angewendet.
Das BVG führt im § 1 die Voraussetzungen auf, die vorliegen müssen, um einen Versorgungsanspruch zu begründen. Es führt zunächst Tatbestände an, die allein geeignet sind, eine Schädigung im Sinne des BVG herbeizuführen; es verlangt ferner, daß einer dieser Schädigungstatbestände ursächlich für eine Schädigung gewesen ist, und fordert endlich, daß diese Schädigung ursächlich für den gesundheitlichen und wirtschaftlichen Schaden gewesen ist, für den Versorgung beantragt wird. Unter den Schädigungstatbeständen führt der § 1 BVG im Abs. 2 Buchstabe a die unmittelbare Kriegseinwirkung an. Als solche gelten gemäß § 5 BVG die dort angeführten Tatbestände. Diese treten nicht als selbständige Schädigungstatbestände neben die unmittelbare Kriegseinwirkung. Es handelt sich vielmehr bei § 5 BVG um eine Aufzählung derjenigen Fälle, die jeweils die Annahme einer unmittelbaren Kriegseinwirkung rechtfertigen. Ein Sachverhalt ist daher, soweit ein Schädigungstatbestand in Frage kommt, danach zu beurteilen, ob einer der Tatbestände des § 5 BVG verwirklicht ist, da nur dann das Vorliegen einer unmittelbaren Kriegseinwirkung anzunehmen ist.
Nach dem Wortlaut des § 5 BVG könnte es allerdings den Anschein haben, als ob die dort angeführten Tatbestände neben die unmittelbare Kriegseinwirkung als selbständige Schädigungstatbestände treten sollen, da das Gesetz davon spricht, daß sie als unmittelbare Kriegseinwirkung "gelten". In der Gesetzessprache des bürgerlichen Rechts wird das Wort "gelten" gewöhnlich bei Fiktionen gebraucht, d. h. dann, wenn ein Rechtssatz für einen Tatbestand als maßgebend erklärt wird, der seiner Natur nach nicht unter den Rechtssatz paßt (Enneccerus-Nipperdey, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, 14. Auflage, § 30 II 1 b). Das würde bedeuten, daß zur unmittelbaren Kriegseinwirkung die Tatbestände des § 5 BVG kraft besonderer Fiktionen als selbständige Schädigungstatbestände hinzutreten, weil sie ihrer Natur nach keine unmittelbaren Kriegseinwirkungen sind. Der § 5 BVG zählt jedoch auch Tatbestände auf, die ihrer Natur nach unbedingt unmittelbare Kriegseinwirkungen sind, wie insbesondere Kampfhandlungen und Einwirkungen von Kampfmitteln. Werden aber im § 5 sowohl Tatbestände aufgezählt, die ihrer Natur nach unbedingt unmittelbare Kriegseinwirkungen sind, als auch Tatbestände, die ihrer Natur nach keine unmittelbaren Kriegseinwirkungen sind, - wie diejenigen, bei denen der Krieg erst mittelbar infolge besonderer kriegsbedingter Maßnahmen, Umstände oder Vorgänge Einwirkungen auf die Beschädigten ausgeübt hat - so kann es sich bei dieser Aufzählung nicht um Fiktionen für unmittelbare Kriegseinwirkungen handeln.
Andererseits kann es sich bei der Aufzählung im § 5 BVG auch nicht um eine lediglich beispielhafte Aufzählung von Fällen unmittelbarer Kriegseinwirkung handeln. Abgesehen davon, daß die Erläuterung eines vom Gesetz gebrauchten Begriffs durch Beispiele ungewöhnlich ist, würde das Gesetz bei einer nur beispielhaften Aufzählung von Fällen unmittelbarer Kriegseinwirkungen oder bei einer Anführung zusätzlicher Fälle unmittelbarer Kriegseinwirkungen seinem Sprachgebrauch nach im § 5 hinter das Wort "gelten" das Wort "insbesondere" oder "auch" eingeschoben haben (§§ 4 Abs. 1, 5 Abs. 1 Buchst. a, 20, 25, 28, 30 Abs. 2 Satz 1, 36 Abs. 2 Satz 2, 55 Abs. 1, 60 Abs. 2 Satz 2, 75 BVG). Es kann sich demnach nur um eine Aufzählung von Tatbeständen handeln, bei deren Vorliegen allein das Vorliegen einer unmittelbaren Kriegseinwirkung anzunehmen ist. Darauf deutet auch der § 6 BVG hin. Nach dieser Vorschrift kann in anderen als in den im § 5 bezeichneten Fällen das Vorliegen einer unmittelbaren Kriegseinwirkung anerkannt werden. Dem Wortlaut dieser Vorschrift nach muß angenommen werden, daß das Gesetz davon ausgegangen ist, im § 5 sämtliche Fälle der unmittelbaren Kriegseinwirkung aufgezählt zu haben, denn sonst hätte es im § 6 BVG entweder die Anführung des § 5 unterlassen oder neben dem § 5 auch den § 1 Abs. 2 Buchst. a erwähnen müssen. Wenn nämlich das BVG sowohl die unmittelbare Kriegseinwirkung gemäß § 1 Abs. 2 Buchst. a als auch die Tatbestände des § 5 als selbständige gleichgestellte Schädigungstatbestände nebeneinander angesehen hätte, dann wäre § 6 BVG unverständlich. Es könnte dann das Vorliegen einer unmittelbaren Kriegseinwirkung zwar abweichend von den Tatbeständen des § 5, nicht aber abweichend von dem eigentlichen Schädigungstatbestand der unmittelbaren Kriegseinwirkung anerkannt werden. Eine derart widerspruchsvolle Regelung ist aber dem Gesetz nicht zu unterstellen. Deshalb kann nur angenommen werden, daß die Fälle der unmittelbaren Kriegseinwirkung im Sinne des § 1 Abs. 2 Buchstabe a BVG im § 5 BVG aufgezählt sind und deshalb das Gesetz im § 6 nur den § 5 erwähnt hat.
Bestätigt wird diese Auffassung auch aus der Entstehungsgeschichte des § 5 BVG, dessen Tatbestände zu Abs. 1 Buchst. a bis c auf die Personenschädenverordnung vom 1. September 1939 in der Fassung vom 10. November 1940 (RGBl. I, S. 1479) zurückgehen (Bundestagsdrucksache Nr. 1333, Amtl. Begründung zum BVG zu § 5). Im § 1 dieser Verordnung war zwar anstelle der unmittelbaren Kriegseinwirkung als Schädigungstatbestand ein Angriff auf das Reich erwähnt, jedoch war im § 3 unter wörtlicher Anlehnung an die jetzt im § 5 Abs. 1 Buchst. a bis d BVG angeführten Tatbestände gesagt, daß "nur" durch derartige Tatbestände verursachte Schäden als durch Angriffe auf das Reichsgebiet verursachte Schäden anzusehen seien. Diese Gesetzestechnik, zunächst einen allgemeinen Schädigungstatbestand anzuführen und ihn dann in einer besonderen Vorschrift nach Einzeltatbeständen abzugrenzen, hat auch das BVG beibehalten. Zwar fehlt das eindeutig klarstellende "nur" im § 5 BVG, jedoch muß aus der bewußten Anlehnung an den früheren Rechtszustand angenommen werden, daß ebenfalls das BVG zur Abgrenzung des Begriffs der unmittelbaren Kriegseinwirkung im § 5 Tatbestände aufgezählt hat, bei deren Vorliegen allein das Vorliegen einer unmittelbaren Kriegseinwirkung anzunehmen ist.
Zur Begründung eines Versorgungsanspruchs auf Grund einer unmittelbaren Kriegseinwirkung genügt also nicht die Feststellung, daß eine unmittelbare Kriegseinwirkung vorgelegen habe, sondern erforderlich wie allein genügend ist, daß das Vorliegen einer der im § 5 BVG aufgeführten Tatbestände festgestellt wird, denn nur dann, wenn einer dieser Tatbestände vorliegt, liegt eine unmittelbare Kriegseinwirkung im Sinne des § 1 Abs. 2 Buchst. a BVG vor. Dies hat aber das Landessozialgericht verkannt, das sich für die Gewährung der Versorgungsansprüche an die Klägerin mit der Feststellung begnügt hat, daß Bombenangriffe stattfanden, und an Hand dieser Feststellung allein das Vorliegen einer unmittelbaren Kriegseinwirkung im Sinne des § 1 Abs. 2 Buchst. a BVG angenommen hat, ohne zu prüfen, ob einer der Tatbestände des § 5 BVG erfüllt war.
Allerdings erwähnt das Urteil an anderer Stelle beiläufig auch den § 5 Abs. 1 Buchst. a BVG und meint, Bombenangriffe seien Kampfhandlungen und damit unmittelbare Kriegseinwirkungen im Sinne des § 1 Abs. 2 Buchst. a BVG. Bei einer derartigen Gleichstellung von Bombenangriffen mit unmittelbaren Kriegseinwirkungen hat das Landessozialgericht aber den Begriff der unmittelbaren Kriegseinwirkung im Sinne des § 1 Abs. 2 Buchst. a in Verbindung mit § 5 Abs. 1 Buchst. a BVG verkannt.
Entsprechend dem Zweck des § 5 BVG müssen die dort angeführten Tatbestände, wenn der durch ihre Anführung verfolgte Zweck einer Abgrenzung des Begriffs der unmittelbaren Kriegseinwirkung nicht vereitelt werden soll, eng ausgelegt werden. In diesem Sinn sind auch die Verwaltungsvorschriften Nr. 1 zu § 5 Abs. 1 BVG aufzufassen, die zwar von einer engen Auslegung des Begriffs der unmittelbaren Kriegseinwirkung sprechen, jedoch in diesem Zusammenhang, zumal sie zu § 5 BVG ergangen sind, eine enge Auslegung der als unmittelbare Kriegseinwirkung erklärten Tatbestände meinen. Bei einer engen Auslegung des § 5 Abs. 1 Buchst. a BVG können aber Bombenangriffe allgemein nicht ohne weiteres als Kampfhandlungen oder - wie richtiger zu sagen ist - als unmittelbare Einwirkungen von Kampfhandlungen angesehen werden.
Losgelöst aus dem Zusammenhang mit § 1 Abs. 2 Buchst. a und § 5 Abs. 1 Buchst. a BVG könnten unter dem Begriff Kampfhandlungen auch Bombenangriffe zu verstehen sein, und zwar gleichgültig, wann, wo und wie sie stattgefunden und eingewirkt haben. Das BVG wollte jedoch nicht jede Kampfhandlung als unmittelbare Kriegseinwirkung ansehen, sondern nur solche Kampfhandlungen, die eine unmittelbare Einwirkung auf den Beschädigten ausgeübt haben. Wenn das BVG im § 5 Abs. 1 Buchst. a von Kampfhandlungen und nicht mehr ausdrücklich von unmittelbaren Einwirkungen von Kampfhandlungen spricht, so ergibt sich das Erfordernis der unmittelbaren Einwirkung bei Kampfhandlungen allein daraus, daß Kampfhandlungen als unmittelbare Kriegseinwirkungen zu gelten haben, d. h., daß als unmittelbare Einwirkungen des Krieges nur unmittelbare Einwirkungen von Kampfhandlungen gelten sollen. Eine Gleichstellung von unmittelbaren Kriegseinwirkungen mit den im § 5 erwähnten Kampfhandlungen, Maßnahmen oder Vorgängen, ohne daß von diesen eine Einwirkung ausgegangen zu sein brauchte, würde sinnwidrig sein. Das Gesetz kann in diesen Fällen immer nur die Einwirkungen von Kampfhandlungen, Maßnahmen oder Vorgängen den Einwirkungen des Krieges gleichgestellt haben. Aus der Fassung des § 5 Abs. 1 Buchst. a BVG darf deshalb nicht entnommen werden, daß bei den Kampfhandlungen keine unmittelbare Einwirkung zu fordern ist. Vielmehr muß aus dem Zusammenhang dieser Vorschrift mit § 1 Abs. 2 Buchst. a und aus dem Sinn einer Abgrenzung des Tatbestandsmerkmals der unmittelbaren Kriegseinwirkung geschlossen werden, daß aus dem weiten Kreis der unmittelbaren Einwirkungen des Krieges u. a. nur die unmittelbaren Einwirkungen von Kampfhandlungen für eine Schädigung im Sinne des Bundesversorgungsgesetzes bedeutsam sein sollen. Wenn der § 5 BVG bei Erwähnung der militärischen und behördlichen Maßnahmen deren unmittelbaren Zusammenhang mit Kampfhandlungen fordert (§ 5 Abs. 1 Buchst. a u. b BVG), so fordert er damit noch etwas anderes und Zusätzliches, nämlich zur unmittelbaren Einwirkung der Maßnahmen - insoweit der unmittelbaren Einwirkung der Kampfhandlungen gleichzusetzen - auch noch den unmittelbaren Zusammenhang der Maßnahmen mit den Kampfhandlungen. Das Gesetz hätte seinen Willen deutlicher zum Ausdruck gebracht, wenn es im § 5 BVG eingangs anstelle der Worte "als unmittelbare Kriegseinwirkungen gelten" die Worte "als unmittelbare Kriegseinwirkungen gelten unmittelbare Einwirkungen von" gebraucht und danach entsprechend die Tatbestände des § 5 aufgezählt hätte. Damit wäre auch nach dem Wortlaut des § 5 BVG klarer zum Ausdruck gekommen, daß die im § 1 Abs. 2 Buchst. a erwähnte unmittelbare Einwirkung auch für die Tatbestände des § 5 BVG zu fordern ist. Als unmittelbare Kriegseinwirkung im Sinne des § 5 Abs. 1 Buchst. a BVG gilt also nicht eine Kampfhandlung an sich, sondern die unmittelbare Einwirkung einer Kampfhandlung.
Das Erfordernis der Unmittelbarkeit der Einwirkung einer Kampfhandlung hat nichts mit dem Erfordernis des ursächlichen Zusammenhangs zwischen dem Schädigungstatbestand und der Schädigung zu tun. Dieser Ursachenzusammenhang wird vom Gesetz bereits mit dem Gebrauch des Wortes "durch" im § 1 Abs. 2 BVG eindeutig und klar gefordert. Es bestand für das BVG kein Anlaß, für Schädigungen durch Tatbestände gem. § 5 das Erfordernis des ursächlichen Zusammenhangs zwischen Schädigung und Schädigungstatbeständen besonders zu betonen oder für diesen Zusammenhang gar einen anderen, nämlich einen unmittelbaren Zusammenhang zu fordern im Gegensatz zu den Schädigungen durch andere Schädigungstatbestände der §§ 1, 3, 4 BVG, bei denen ein unmittelbarer ursächlicher Zusammenhang nicht ausdrücklich gefordert ist. Das Erfordernis der Unmittelbarkeit der Einwirkung gehört noch zum Schädigungstatbestand selbst. Erst wenn der Schädigungstatbestand, die unmittelbare Einwirkung einer Kampfhandlung, vorliegt, ist weiterhin deren Ursächlichkeit für die Schädigung zu prüfen, d. h., ob "durch" diesen Schädigungstatbestand eine Schädigung eingetreten ist, und zwar unbeschadet dessen, daß bei den Schädigungstatbeständen des § 5 BVG Einwirkung und Schädigung häufig zusammenfallen.
Andererseits genügt zur Unmittelbarkeit der Einwirkung einer Kampfhandlung nicht, daß die Kampfhandlung lediglich ursächlich für die Einwirkung gewesen ist. Wenn nur eine ursächliche Verbindung zwischen Kampfhandlung und Einwirkung erforderlich wäre, dann wäre der Gebrauch des Wortes "unmittelbar" überflüssig gewesen, oder das Gesetz hätte entsprechend seinem sonstigen Sprachgebrauch von Einwirkungen "durch" den Krieg gesprochen. Aus dem Gebrauch des Wortes "unmittelbar" muß geschlossen werden, daß die Kampfhandlungen und deren Einwirkung in engster Beziehung zueinander stehen müssen, d. h., daß Kampfhandlungen und Einwirkung ohne örtliche und zeitliche Zwischenglieder so eng verbunden sein müssen, daß sie örtlich und zeitlich sich nicht voneinander trennen lassen. Bei Bombenangriffen als Kampfhandlungen muß daher gefordert werden, daß Bomben so in die Nähe des Beschädigten gefallen sind, daß deren Explosionen örtlich noch eine unmittelbare Einwirkung ausgeübt haben, und daß die Einwirkung spontan erfolgt ist, um auch zeitlich von einer unmittelbaren Einwirkung sprechen zu können. Es werden sich dafür, wann örtlich noch Bombenexplosionen als unmittelbar auf die Beschädigten einwirkend angesehen werden können, allgemeingültige Grenzen oder gar meßbare Grenzen nicht ziehen lassen. Es wird stets auf die Umstände des Einzelfalls ankommen. Zu fordern ist aber, daß der Einwirkungsbereich der Kampfhandlungen, d. h. bei Bombenangriffen der Einwirkungsbereich der Bombenexplosionen, den Beschädigten mit umfaßt hat. Deswegen brauchen die Bomben nicht auf ihn gerichtet gewesen zu sein. Jedoch genügt es auf der anderen Seite nicht, daß die Bombenexplosionen sich für den Beschädigten nur als das Erleben eines allgemeinen Kampfgeschehens abzeichnen und bei ihm nur mehr die Vorstellung einer Einwirkung hervorgerufen wird, als tatsächlich eine unmittelbare Einwirkung stattgefunden hat.
Die unmittelbare Einwirkung braucht auch nicht physischer Art zu sein. Das Gesetz hat für die Art der Einwirkung der Kampfhandlungen keine derartige Beschränkung ausgesprochen. Deshalb müssen auch psychische Einwirkungen, falls sie spontan bei derartigen Bombenexplosionen eingetreten sind, zu den unmittelbaren Einwirkungen gerechnet werden. Insoweit ist dem Landessozialgericht durchaus beizutreten, wenn es ausführt, daß auch Schreck- und Schockwirkungen als unmittelbare Einwirkungen anzusehen sind. Hierzu hat bereits das frühere Reichsversorgungsgericht, wenn auch zu dem im Wortlaut anders gefaßten § 2 des Kriegspersonenschädengesetzes in der Fassung vom 22. Dezember 1927 anerkannt, daß eine Schädigung durch Schockwirkungen bei einem Fliegerangriff als eine durch kriegerische Unternehmungen entstandene Schädigung gelten kann. (RVG 9, S. 161). Demgegenüber ist die Ansicht des Beklagten abzulehnen, daß psychische Einwirkungen bei Bombenangriffen aus dem Grunde keine versorgungsrechtlich erheblichen Schädigungstatbestände bilden könnten, weil es sich dabei um Gefährdungen handele, denen weite Bevölkerungskreise für längere Zeit ausgesetzt waren, allgemeingefährdende Zustände könnten aber nach dem Willen des Gesetzes nicht als Schädigungstatbestände anerkannt werden. Ein solch allgemeingültiger Rechtssatz kann den Vorschriften des BVG schon deshalb nicht entnommen werden, weil von den Tatbeständen des § 5 BVG unzweifelhaft auch Einwirkungen durch solche gefährdenden Ereignisse oder Maßnahmen erfaßt werden, denen weite Bevölkerungskreise für längere Zeit ausgesetzt waren, um hier nur Einwirkungen durch die allgemeinen behördlichen Luftschutzmaßnahmen - ausgenommen Verdunkelungsmaßnahmen - bei Fliegerangriffen zu erwähnen. Zur Begründung dieser Ansicht kann auch nicht auf den Willen des Gesetzgebers und die Verwaltungsvorschriften zu § 5 Abs. 1 BVG hingewiesen werden, wonach die alle Bevölkerungskreise betreffenden Mangelzustände hinsichtlich der Ernährung und Versorgung mit Arzneimitteln nicht unter den Begriff der unmittelbaren Kriegseinwirkung fallen sollen. Die Einwirkungen durch derartige Mangelzustände der Ernährung und Versorgung sind nämlich nicht deshalb keine unmittelbaren Kriegseinwirkungen, weil ein allgemeingültiger Rechtssatz allgemeine Gefährdungen als Schädigungstatbestände ausschließt, sondern deshalb, weil Einwirkungen durch Mangelzustände der Ernährung und Versorgung keine unmittelbaren Einwirkungen durch Tatbestände des § 5 BVG darstellen, insbesondere keine unmittelbaren Einwirkungen von Maßnahmen, die selbst in unmittelbarem Zusammenhang mit Kampfhandlungen stehen.
Im vorliegenden Falle hätte daher bei den Bombenangriffen, welche die Klägerin erlebt hat, nur dann von einer unmittelbaren Einwirkung von Kampfhandlungen gesprochen werden können, wenn Bombenexplosionen so in der Nähe der Beschädigten stattgefunden hätten, daß noch eine unmittelbare Einwirkung auf die Beschädigte erfolgt wäre, wobei auch eine rein psychische Einwirkung genügt hätte. Das Landessozialgericht hätte nach der Richtung Feststellungen treffen müssen, um der Klägerin dem Grunde nach gemäß § 1 in Verbindung mit § 5 Abs. 1 Buchst. a BVG Versorgungsansprüche zusprechen zu können. Es hat diese Feststellungen offenbar deshalb nicht getroffen, weil seiner Auffassung nach, die aber nicht gebilligt werden kann, bereits Einwirkungen eines Flieger- oder Bombenangriffs allgemein unmittelbare Einwirkungen einer Kampfhandlung sind, obwohl die Klägerin, wenn auch erst auf den Einspruchsbescheid des Landesversorgungsamts hin, behauptet hat, durch psychische Einwirkung bei der Explosion in der Nähe fallender Bomben geschädigt worden zu sein. Da Feststellungen des Landessozialgerichts zu diesen rechtserheblichen Behauptungen der Klägerin fehlen, konnte der Senat in der Sache selbst nicht entscheiden, sondern mußte das angefochtene Urteil mit den ihm zugrundeliegenden Feststellungen gemäß § 170 Abs. 2 SGG aufheben und die Sache zur weiteren Feststellung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverweisen. Es erübrigte sich daher, auf das sonstige Vorbringen des Beklagten, das dieser in formeller und sachlicher Beziehung gegen das angefochtene Urteil vorgebracht hat, einzugehen.
Es war daher, wie geschehen, zu erkennen. Die Kostenentscheidung mußte dem abschließenden Urteil vorbehalten bleiben.
Fundstellen