Orientierungssatz

Bergmannsrente aus der knappschaftlichen Rentenversicherung - Erfüllung der besonderen Wartezeit nach RKG § 49 Abs 2 - Anrechnung einer Tätigkeit als Elektriker und Elektrosteiger:

1. Zeiten einer Tätigkeit als Elektriker können der von der HaVO begünstigten Tätigkeit als Elektrohauer zur Erfüllung der besonderen Wartezeit für die Bergmannsrente nach RKG § 49 Abs 2, gleichgestellt werden, wenn sie hinsichtlich ihres Aufgabenbereiches gleichgelagert sind und die Tätigkeit als Elektriker im Gedinge oder zu besonders vereinbartem Lohn verrichtet wurde.

2. Auch eine Tätigkeit als Elektrosteiger kann der hinsichtlich der Erfüllung der besonderen Wartezeit nach RKG § 49 Abs 2 begünstigten Hauerarbeit gleichgestellt werden, wenn diese Tätigkeit die Beaufsichtigung von Personen umfaßt, die ihrerseits Hauerarbeiten oder diesen gleichgestellte Tätigkeiten verrichtet haben.

 

Normenkette

RKG § 45 Abs. 1 Nr. 2, § 49 Abs. 2; HaVO § 1 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2, § 5 Nr. 1

 

Verfahrensgang

LSG für das Saarland (Entscheidung vom 25.03.1964)

 

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts für das Saarland vom 25. März 1964 aufgehoben.

Der Rechtsstreit wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

 

Gründe

I

Die Beteiligten streiten darüber, ob dem im Jahre 1905 geborenen Kläger, der ua im Saarbergbau unter Tage von März 1931 bis September 1941 als Elektriker, anschließend bis Ende 1946 als Elektromeister und danach zumindest bis März 1964 (letzte mündliche Verhandlung) als Elektrosteiger tätig gewesen ist, die von ihm im Oktober 1958 beantragte Bergmannsrente wegen Vollendung des 50. Lebensjahres und Erfüllung der besonderen Wartezeit (§ 45 Abs. 1 Nr. 2 Reichsknappschaftsgesetz - RKG -) zusteht.

Der Antrag des Klägers wurde durch Bescheid und Widerspruchsbescheid mit der Begründung abgelehnt, er habe nur in der Zeit von Oktober 1941 bis Dezember 1946 als Elektromeister unter Tage eine der Hauerarbeit gleichgestellte Arbeit verrichtet. Als Elektriker habe er weder Gedingelohn noch besonders vereinbarten Lohn - ein Schichtlohn zuzüglich Prämien oder Zulagen könne nicht als solcher gelten - erhalten, so daß diese Tätigkeit, selbst wenn sie der eines Elektrohauers entsprochen habe, keine Hauerarbeit gewesen sei. Die Tätigkeit als Elektrosteiger sei der Hauerarbeit nicht gleichgestellt, weil er als solcher nur Grubenhandwerker, die nicht unter die §§ 1 - 4 der Hauerarbeitsverordnung (HaVO) fielen, beaufsichtigt habe. Das Sozialgericht (SG), vor dem der Kläger keine bis Ende September 1941 verrichteten Tätigkeiten als Hauerarbeiten im Sinne der HaVO in Anspruch genommen hat, hat die auf Gewährung der Bergmannsrente gerichtete Klage abgewiesen. Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Es hält den Anspruch auf Bergmannsrente nicht für begründet; zwar sei der Kläger 50 Jahre als und habe auch eine knappschaftliche Versicherungszeit von mehr als 300 Kalendermonaten zurückgelegt, jedoch habe er während dieser Zeit nicht - wie erforderlich - mindestens 180 Kalendermonate Hauerarbeiten unter Tage oder diesen gleichgestellte Arbeiten verrichtet. Seine Tätigkeit vom 1. Januar 1947 bis Mitte 1958 als Elektrosteiger unter Tage falle nicht unter § 5 Nr. 1 HaVO. Dem Kläger hätten nach seinen eigenen Angaben vor dem SG nur Elektriker unterstanden, auf die die Voraussetzungen nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 HaVO nicht zuträfen, weil sie nur im Schichtlohn beschäftigt worden wären; auf die Art ihrer Tätigkeit komme es hiernach nicht mehr an. Diese Elektriker fielen auch nicht unter § 3 Nr. 4 c HaVO, weil Handwerker - mit Ausnahme der in § 1 Abs. 1 Nr. 2 HaVO genannten - keine Hauerarbeiten verrichteten. Daß der Kläger während des überwiegenden Teils seiner täglichen Schicht Meister im Elektrobetrieb beaufsichtigt hätte, die im Abbau, beim Streckenvortrieb oder in der Aus- und Vorrichtung beschäftigt waren, sei weder ersichtlich noch dargetan. Mit Rücksicht auf die eigenen Angaben des Klägers sei auch nicht anzunehmen, daß er etwa Fahrer und Bediener von Gewinnungs-, Streckenvortriebs- und Lademaschinen beaufsichtigt habe.

Die Ansicht des Klägers, er werde als Elektrosteiger unter Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes anders behandelt als die Elektromeister und auch als die in anderen Bergbaugebieten tätigen Elektrosteiger, treffe nicht zu. Elektrosteiger und Elektromeister hätten nicht die gleichen Aufgaben und es sei nicht zu erkennen, daß die unterschiedliche Behandlung der beiden Gruppen in der HaVO willkürlich angeordnet worden sei. Im übrigen wurden die Elektromeister nur dann durch die HaVO begünstigt, wenn sie an den besonderen Betriebspunkten tätig seien, an denen auch die Aufsichtstätigkeit der Steiger ausgeübt werden müsse. Auch die Tätigkeit der Elektrosteiger in anderen Bergbaugebieten werde nur von der HaVO erfaßt, wenn sie die besonderen Voraussetzungen nach § 5 erfüllten. Ferner würden auch außerhalb des Saargebiets Elektriker und Elektrohauer grundsätzlich im Schichtlohn und nur in Ausnahmefällen anders entlohnt; andererseits seien im Saarbergbau unter entsprechenden Umständen auch früher schon Handwerker im Gedinge, meist im Hauerdurchschnittslohn, entlohnt worden.

Unzutreffend sei die Ansicht des Klägers, es komme nicht auf die Entlohnung der ihm unterstellten Arbeiter an, weil diese Entlohnung auf die Art seiner eigenen Tätigkeit ohne Einfluß und Bedeutung sei. Denn für die Anwendung der HaVO sei die Aufsichtstätigkeit mit der Arbeit der beaufsichtigten Personen verquickt worden. Könne aus deren minderer Entlohnung geschlossen werden, daß sie keine den Hauerarbeiten gleich zu bewertende Arbeiten verrichtet hätten, so könnten auch ihre Aufsichtspersonen keine Vergünstigung beanspruchen. Schließlich habe der Verordnungsgeber - entgegen der Auffassung des Klägers - auch die Besonderheiten des saarländischen Bergbaus berücksichtigt.

Habe der Kläger somit von 1947 bis Mitte 1958 keine den Hauerarbeiten gleichgestellte Tätigkeit verrichtet, so bedürfe es keiner Prüfung mehr, ob - was die Beklagte nunmehr bestreite - seine Tätigkeit von 1941 bis 1946 als Elektromeister unter die HaVO falle; denn auch unter Berücksichtigung der seit Mitte 1958 noch zurückgelegten Zeiten könne jene Zeit nicht zur Erfüllung der besonderen Wartezeit ausreichen.

Das LSG hat die Revision zugelassen. Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen und formellen Rechts, insbesondere der §§ 45 Abs. 1 Nr. 2, 49 Abs. 2 RKG, der §§ 1 und 3 HaVO, des Art. 3 Grundgesetz (GG) sowie der §§ 103, 106 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Zur Begründung trägt er im wesentlichen vor:

Das LSG habe zunächst nicht geprüft, ob er in der Zeit vom 16. März bis zum 30. September 1941 als Elektriker unter Tage Hauerarbeiten verrichtet habe. Die Anrechnung dieser Tätigkeit könne nicht allein wegen der Art seiner Entlohnung verweigert werden. Die Tätigkeit eines Elektrohauers sei nicht nur dann, wenn Gedingelohn oder ein besonders vereinbarter Lohn gezahlt werde, als Hauerarbeit anzusehen, sondern - in entsprechender Anwendung von § 1 Abs. 1 Nr. 2 HaVO - auch dann, wenn sie hinsichtlich der Schwere der Arbeit, der ungünstigen Arbeitsplatzbedingungen und der dadurch bedingten Folgen für die Gesundheit des Versicherten der Tätigkeit eines im Gedinge oder zu besonders vereinbartem Lohn beschäftigten Elektrohauers entspreche. Die im Saarbergbau beschäftigten Elektriker dürften gegenüber den im Ruhrbergbau Beschäftigten nicht deshalb benachteiligt werden, weil die Berufsbezeichnung Elektrohauer und die Entlohnung im Gedinge im Saargebiet erst später eingeführt worden seien. Eine Einschränkung des § 1 Abs. 1 Nr. 2 HaVO hinsichtlich der Lohnform verstoße gegen Art. 3 GG; die Lohnform sei als alleiniges und zwingendes Qualifikationsmerkmal sachfremd und ungeeignet. Zumindest hätte das LSG prüfen müssen, ob der Kläger als Elektriker unter Tage nicht eine der Hauerarbeit gleichgestellte Tätigkeit im Sinne des § 3 Nr. 4 c HaVO ausgeübt habe. Unter die in dieser Vorschrift genannten Instandsetzungsarbeiten an den besonderen Betriebspunkten falle ua auch die Tätigkeit der Elektriker an den dort befindlichen Geräten, Einrichtungen und Maschinen.

Der Kläger habe überdies allein in der Zeit nach dem 1. Januar 1947 die erforderlichen 180 Kalendermonate Hauerarbeit geleistet, indem er als Elektrosteiger die unter Tage tätigen Elektriker beaufsichtigte. Das LSG habe es zu Unrecht auf die Entlohnung der dem Kläger unterstellten Beschäftigten abgestellt. Da es für die Begünstigung durch die HaVO nach deren Sinn und Zweck nur auf die eigene Arbeit des Versicherten ankommen könne, dürfe man bei Aufsichtspersonen nicht ohne Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz einen Unterschied je nach der Entlohnung der unterstellten Arbeiter machen. Die Elektrosteiger im Saarbergbau dürften in dieser Beziehung nicht schlechter gestellt werden wie die Elektrosteiger des Ruhrbergbaus. Das LSG habe ferner nicht geprüft, ob die vom Kläger beaufsichtigten Personen unter § 3 Nr. 4 HaVO fielen. Schließlich hätte es noch Ermittlungen darüber anstellen müssen, ob der Kläger nicht auch andere Untertagearbeiter, insbesondere Bediener oder Fahrer von Gewinnung-, Streckenvortriebs- oder Lademaschinen, zumindest mitbeaufsichtigt habe. Eine solche Mitbeaufsichtigung müsse für die Anwendung des § 5 Nr. 1 HaVO auch dann ausreichen, wenn die betroffenen Arbeiter grundsätzlich der Aufsicht der zuständigen Grubensteiger unterstellt blieben.

Auf die vom Kläger in der Zeit von 1941 bis 1946 verrichtete Tätigkeit als Elektromeister sei § 4 Nr. 5 HaVO anzuwenden, wie die Beklagte auch in ihrem Widerspruchsbescheid anerkannt habe. Auf diese Zeit könne es notfalls in Verbindung mit der Zeit von 1931 bis 1941 ankommen.

Der Kläger beantragt,

das angefochtene Urteil aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab Antragstellung Bergmannsrente zu gewähren,

hilfsweise,

den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung an die Vorinstanz zurückzuverweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für richtig und führt im wesentlichen aus: Für die Tätigkeit des Klägers als Elektriker komme überhaupt nur § 1 Abs. 1 Nr. 2 HaVO in Betracht. Da der Kläger damals nur Schichtlohn bezogen habe, könne es dahinstehen, ob er an den besonderen Betriebspunkten die Arbeit eines Elektrohauers verrichtet habe. Sein Lohn sei weder besonders vereinbart worden, noch habe er den tariflichen Hauerdurchschnittslohn erreicht. In § 3 Nr. 4 c HaVO würden nur die rein bergmännischen Arbeiten, nicht die Arbeiten der Handwerker erfaßt; auch habe der Kläger nicht - wie dort vorausgesetzt werde - den höchsten tariflichen Schichtlohn erhalten. Als Elektromeister sei der Kläger nicht ausschließlich an den in § 4 Nr. 5 HaVO genannten, sondern auch an anderen Betriebspunkten eingesetzt worden; das genüge nicht zur Erfüllung der in der HaVO aufgestellten Voraussetzungen. Die Beteiligten sind mit Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden.

II

Die Revision des Klägers ist begründet. Die in dem angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen reichen nicht aus, die ablehnende Entscheidung zu begründen.

Das LSG hätte zunächst prüfen müssen, ob der Kläger nicht als Elektriker unter Tage in der Zeit von März 1931 bis September 1941 Hauerarbeit verrichtet hat. Weder SG noch LSG haben sich mit diesem Abschnitt seines Berufslebens befaßt. Die Erklärung seines Vertreters vor dem SG, Zeiten bis zum 30. September 1941 nicht als Hauerarbeitszeiten geltend zu machen, enthält keinen Verzicht auf einen Anspruch, sondern allenfalls eine Einschränkung seiner Anspruchsbegründung, an die die Gerichte nicht gebunden sind.

Die HaVO führt Elektriker unter Tage nicht besonders auf. Ein unter Tage tätiger Elektriker verrichtet aber nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 HaVO dann Hauerarbeit, wenn er mit gleicher Tätigkeit wie ein Elektrohauer an besonderen Betriebspunkten, nämlich im Abbau, beim Streckenvortrieb oder in der Aus- und Vorrichtung, beschäftigt ist, und zwar im Gedinge oder zu besonders vereinbartem Lohn. Die Gleichstellung einer Tätigkeit mit der eines Elektrohauers setzt allerdings voraus, daß es in dem betreffenden Bergbaugebiet diese Vergleichstätigkeit des Elektrohauers überhaupt gibt (vgl. hierzu SozR Nr. 2 zu HaVO § 1). Dabei kommt es grundsätzlich darauf an, ob bereits zur Zeit des Erlasses der HaVO die Tätigkeit des Elektrohauers in den Tarifvereinbarungen aufgeführt war. Wenn allerdings die betrieblichen Verhältnisse, die für die Aufnahme einer bestimmten Tätigkeit in die Lohnordnung ausschlaggebend sind, schon im Zeitpunkt des Erlasses der HaVO jedenfalls im wesentlichen denen derselben Bergbauart in einem anderen Bergbaugebiet gleichen, in welchem diese Tätigkeit bei Erlaß der HaVO bereits tariflich anerkannt war, so ist diese Tätigkeit auch in dem anderen Bergbaugebiet für dieselbe Bergbauart anzuerkennen, obwohl sie dort erst nach Erlaß der HaVO in die Lohnordnung aufgenommen worden ist (BSG in SozR Nr. 4 zu HaVO § 1). Ist demnach die Tätigkeit des Elektrohauers erst nach Erlaß der HaVO in die Lohnordnung für den Saarbergbau aufgenommen worden, so bedarf es der Prüfung, ob die für die Tätigkeit eines Elektrohauers maßgeblichen betrieblichen Verhältnisse im Saarbergbau damals doch schon im wesentlichen denen des Ruhrkohlenbergbaus oder anderer Bergbaugebiete, in denen diese Tätigkeit bereits tariflich anerkannt war, entsprachen. Sollte hiernach die Tätigkeit des Elektrohauers im Saarbergbau als begünstigte Tätigkeit nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 HaVO anzusehen sein, so ist auch die Tätigkeit eines Elektrikers in der Zeit, die vor der Aufnahme der Elektrohauertätigkeit in die Lohnordnung des Saarbergbaus liegt, eine begünstigte Tätigkeit im Sinne dieser Vorschrift, wenn sie der Tätigkeit eines Elektrohauers gleicht. Weitere Voraussetzung ist allerdings, daß diese Tätigkeit im wesentlichen an den oben bereits genannten besonderen Betriebspunkten verrichtet wurde; ein Elektrohauer, der in nicht nur unwesentlichem Umfang auch an anderen Betriebspunkten tätig ist, verrichtet keine Hauerarbeit nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 HaVO (vgl. BSG in SozR Nr. 3 zu HaVO § 1).

Darüber hinaus muß nach dieser Bestimmung die elektrohauergleiche Tätigkeit aber, um sie als Hauerarbeit werten zu können, noch im Gedinge oder zu besonders vereinbartem Lohn verrichtet werden. Nach Wortlaut, Sinn und Systematik der HaVO kann es nicht zweifelhaft sein, daß es sich dort, wo für die Anerkennung einer Tätigkeit als Hauerarbeit eine bestimmte Entlohnung verlangt wird, um eine zusätzliche zwingende Voraussetzung handelt. Die Auffassung der Revision, das Vorliegen der in der HaVO genannten besonderen Lohnformen sei nur als ein Indiz dafür anzusehen, daß es sich um eine körperlich besonders aufreibende Arbeit handele und dieses Indiz könne im Einzelfalle auch durch einen entsprechenden Nachweis ersetzt werden, übersieht, daß ein solcher Nachweis überhaupt nicht erforderlich ist. Die HaVO verzichtet bewußt auf ein so unbestimmtes und praktisch kaum nachweisbares Tatbestandsmerkmal und stellt es für die Bestimmung dessen, was als Hauerarbeit zu gelten hat, auf möglichst eindeutig und regelmäßig auch nachweisbare objektive Tatbestandsmerkmale ab, nämlich Tätigkeitsart, Betriebspunkt und Entlohnung. Liegt eine der in einer Einzelvorschrift der HaVO aufgestellten Voraussetzungen nicht vor, so handelt es sich nicht um eine Hauerarbeit im Sinne dieser Vorschrift.

Die Lohnform ist auch - entgegen der Ansicht des Klägers - als zwingendes Qualifikationsmerkmal für bestimmte Hauerarbeiten weder sachfremd noch ungeeignet. Nach dem erkennbaren Willen des Gesetzgebers sollen von der HaVO nur diejenigen Arbeiten erfaßt werden, die sich wegen ihrer Schwere und ihrer sonstigen Bedingungen nachteilig auf die Leistungsfähigkeit des Versicherten auswirken. Im Bergbau werden aber diese eigentlichen Hauerarbeiten im Gedinge oder zu besonders vereinbartem Lohn verrichtet. Soweit solche Arbeiten im normalen Schichtlohn verrichtet werden, sind sie erfahrungsgemäß wesentlich leichter und haben demgemäß nicht einen so erheblichen Verschleiß der Leistungsfähigkeit des Versicherten zur Folge. Der Verordnungsgeber hat sich also mit der Verwendung der Lohnform als Qualifikationsmerkmal für die Abgrenzung der Hauerarbeiten durchaus im Rahmen seines gesetzlichen Auftrags nach § 49 Abs. 6 RKG gehalten. Wieso unter diesen Umständen eine unterschiedliche Behandlung von Gedinge- und Schichtlohnarbeit gegen Art. 3 GG verstoßen soll, ist nicht ersichtlich. Insbesondere ergibt sich aus der HaVO keine Schlechterbehandlung der Saarbergleute, die - wie der Kläger meint - durch die Rechtsprechung auszugleichen wäre. Zunächst einmal sind, wie das LSG zutreffend feststellt, die Besonderheiten des Saarbergbaus bei Abfassung der HaVO mitberücksichtigt worden; das ergibt sich schon eindeutig aus der nur den Steinkohlenbergbau Saar betreffenden Vorschrift des § 4 Nr. 5 HaVO. Wie das LSG weiter festgestellt hat, gelten aber auch für Grubenhandwerker im Saarbergbau keine grundsätzlich unterschiedlichen Bedingungen im Vergleich zu anderen Bergbaugebieten, da hier wie dort je nach den Umständen Handwerker im Schichtlohn oder auch im Gedinge bezahlt worden sind.

Im Widerspruchsbescheid der Beklagten wird zwar die Anerkennung der Elektrikertätigkeit des Klägers als Hauerarbeit mit der Begründung abgelehnt, er habe damals N. Gedingelohn noch einen besonders vereinbarten Lohn erhalten; dabei wird aber ausdrücklich betont, ein tariflicher Schichtlohn zuzüglich etwaiger Prämien oder Zulagen gelte nicht als besonders vereinbarter Lohn. Wie der Senat jedoch in seinem Urteil vom 23. März 1965 (BSG 23, 22) ausgeführt hat, ist ein solcher aus Schichtlohn und Prämien oder Zulagen gebildeter Lohn als besonders vereinbarter Lohn im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 2 in Verbindung mit Abs. 2 HaVO anzusehen, wenn er den Hauermindestlohn übersteigt, deutlich über dem normalen Schichtlohn eines solchen Versicherten (dort eines Grubenschlossers) und nicht allzuweit unter dem Gedingerichtsatz liegt, wobei es einer ausdrücklichen oder gar schriftlichen Lohnvereinbarung nicht bedarf. Für die Entscheidung der Frage, ob der Schichtlohn, den der Kläger als Elektriker unter Tage erhalten hat, hiernach etwa als ein "besonders vereinbarter Lohn" anzusehen ist oder nicht, fehlen die erforderlichen tatsächlichen Feststellungen.

Es ist daher jedenfalls nicht auszuschließen, daß diese Tätigkeit des Klägers die Voraussetzungen nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 HaVO erfüllt. Zutreffend hat allerdings das LSG erkannt, daß die Tätigkeit der Elektriker unter Tage nicht unter § 3 Nr. 4 c HaVO fällt, weil die Berücksichtigung von handwerklichen Tätigkeiten dieser Art durch § 1 Abs. 1 Nr. 2 HaVO abschließend geregelt ist (vgl. BSG 23, 19).

Was in den vorstehenden Abschnitten für die Tätigkeit des Elektrikers unter Tage gesagt wurde, ist mittelbar auch für die Frage von Bedeutung, ob die spätere Tätigkeit des Klägers als Elektrosteiger unter § 5 Nr. 1 HaVO fällt. Nach dieser Bestimmung verrichtet den Hauerarbeiten gleichgestellte Arbeiten ua der Elektrosteiger, der die unter §§ 1 - 4 HaVO fallenden Beschäftigten täglich während des überwiegenden Teils der Schicht beaufsichtigt. Die Besonderheit dieser Regelung liegt darin, daß es hier nicht nur auf die eigene Tätigkeit der dort aufgeführten Aufsichtspersonen ankommt, sondern auch darauf, ob die von ihnen beaufsichtigten Beschäftigten ihrerseits Hauer- oder gleichgestellte Arbeiten im Sinne der §§ 1 - 4 HaVO verrichten. Das ist nur dann der Fall, wenn diese Arbeiter die Voraussetzungen der für sie maßgeblichen Vorschriften der HaVO in vollem Umfange, also auch hinsichtlich der lohnmäßigen Voraussetzungen, erfüllen. Der Kläger verkennt Sinn und Zweck des § 5 Nr. 1 HaVO, wenn er meint, es könne und dürfe für die Bewertung seiner eigenen Tätigkeit nicht darauf ankommen, ob die von ihm beaufsichtigten Beschäftigten "zufällig" im Schichtlohn oder im Gedinge arbeiteten. Es entspricht allgemeiner Erfahrung, daß die Beaufsichtigung körperlicher Arbeiten regelmäßig zumindest keinen stärkeren Kräfteverschleiß mit sich bringt als die Verrichtung der Arbeiten selbst. Wie oben bereits ausgeführt, stellt die Lohnform im Bergbau aber ein durchaus sachgerechtes Qualifikationsmerkmal für die Abgrenzung der Arbeiten dar, die regelmäßig mit einem besonderen Kräfteverschleiß verbunden sind; es ist daher keineswegs ein "Zufall", ob eine Arbeit im Gedinge oder im normalen Schichtlohn verrichtet wird. Wird unter diesem Gesichtspunkt aber eine Tätigkeit selbst nicht als Hauerarbeit anerkannt, so würde es eindeutig dem Sinn und Zweck der HaVO widersprechen, die Beaufsichtigung dieser Tätigkeit der Hauerarbeit gleichzustellen. Die unterschiedliche Behandlung der Aufsichtstätigkeit, je nachdem, ob sie sich auf Hauerarbeiten oder auf andere Tätigkeiten erstreckt, ist daher durchaus sachgerecht und verstößt auch nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz.

Das angefochtene Urteil läßt aber auch hierzu nicht hinreichend klar erkennen, ob das LSG den Begriff des besonders vereinbarten Lohnes richtig ausgelegt hat. Es ist daher nicht auszuschließen, daß die vom Kläger beaufsichtigten Elektriker unter Tage wenigstens zum Teil die Voraussetzungen des § 1 Nr. 2 HaVO doch erfüllt haben. Es wäre dann allerdings weiter erforderlich, daß der Kläger diese Elektriker, die Hauerarbeit verrichten, "täglich während des überwiegenden Teils der Schicht beaufsichtigt" hätte. Hierbei müßte auch gegebenenfalls die Zeit mitberücksichtigt werden, in welcher der Kläger etwa über andere unter §§ 1 - 4 HaVO fallende Bergleute, die ihm nicht unmittelbar unterstellt waren, die aber mit den elektrischen Anlagen und Geräten umzugehen hatten, eine fachliche Mitbeaufsichtigung praktisch ausgeübt hat. Für den erforderlichen Zeitraum der Beaufsichtigung kommt es dabei nicht darauf an, daß - wie das LSG offenbar meint - die einzelnen Beschäftigten jeweils täglich und während des überwiegenden Teils ihrer Schicht von dem Kläger beaufsichtigt worden sind, sondern daß er selbst täglich während des überwiegenden Teils seiner Schicht eine Aufsichtstätigkeit dieser Art ausgeübt hat.

Sollte sich unter Berücksichtigung dieser Auslegungsgrundsätze ergeben, daß der Kläger wenigstens zeitweise als Elektriker unter Tage nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 HaVO Hauerarbeiten oder als Elektrosteiger nach § 5 Nr. 1 HaVO der Hauerarbeit gleichgestellte Arbeiten verrichtet hätte, so wäre, falls diese Zeiten nicht ausreichen sollten, weiter zu prüfen, ob seine Tätigkeit als Elektromeister unter die HaVO fällt; der Widerspruchsbescheid enthält insoweit kein bindendes Anerkenntnis der Beklagten. Nach der speziell für den Steinkohlenbergbau Saar geschaffenen Vorschrift des § 4 Nr. 5 HaVO wird bei dem "Meister im Elektrobetrieb" keine bestimmte Entlohnung vorausgesetzt; da jedoch insoweit eine zeitliche Beschränkung fehlt, muß verlangt werden, daß die Tätigkeit - von unwesentlichen Verrichtungen abgesehen - ausschließlich an den dort genannten Betriebspunkten verrichtet wird (vgl. BSG 23, 267). Es wäre allerdings auch denkbar, daß der Kläger in den betreffenden Zeiträumen unter der Berufsbezeichnung Elektromeister tatsächlich ausschließlich und in vollem Umfang die Tätigkeit eines Elektrosteigers oder Elektrofahrhauers (vgl. BSG in SozR Nr. 6 zu HaVO § 5) verrichtet hätte und demgemäß auch für diese Zeit nach § 5 Nr. 1 HaVO zu beurteilen wäre. Notfalls müßte auch die Tätigkeit des Klägers nach Antragstellung noch in die Prüfung mit einbezogen werden, sofern sie zu einer Rentengewährung von einem späteren Zeitpunkt an führen könnte.

Demnach wird der Rechtsstreit an das Berufungsgericht zurückverwiesen, das auch über die Kosten der Revisionsinstanz zu befinden hat.

Im Einverständnis der Beteiligten konnte die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung ergehen (§ 124 Abs. 2 iVm §§ 153, 165 SGG).

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2297083

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