Leitsatz (amtlich)
Das Durchschnittseinkommen der Berufs- oder Wirtschaftsgruppe, der der Beschädigte ohne den Nachschaden angehören würde (BVG § 30 Abs 5), ist nicht in entsprechender Anwendung des BVG § 30 Abs 4 S 2 zu bestimmen. Maßgebend ist vielmehr grundsätzlich die der letzten vor Eintritt des Nachschadens ausgeübten Tätigkeit entsprechende Berufs- oder Wirtschaftsgruppe. Die Anrechnung eines höheren Durchschnittseinkommens ist nur unter den Voraussetzungen des BVG§30Abs3u4DV § 9 Abs 5 (Nichteinsatz der Arbeitskraft ohne verständigen Grund) möglich.
Orientierungssatz
Sind in der Urteilsbegründung einander widersprechende Feststellungen getroffen worden, so hat das Gericht die ihm gemäß SGG § 128 Abs 1 S 2 obliegende Pflicht verletzt, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesenen Gründe im Urteil anzugeben. Denn einander widersprechende Feststellungen müssen fehlenden Feststellungen im Ergebnis gleichgestellt werden.
Normenkette
BVG § 30 Abs. 3 Fassung: 1971-12-16, Abs. 4 S. 2 Fassung: 1971-12-16, Abs. 5 Fassung: 1975-12-18; BVG§30Abs3u4DV § 8 Fassung: 1974-04-11; BVG§30Abs3u4DV § 9 Abs. 5 Fassung: 1974-04-11; SGG § 128 Abs. 1 S. 2 Fassung: 1953-09-03
Verfahrensgang
LSG Nordrhein-Westfalen (Entscheidung vom 19.02.1976; Aktenzeichen L 11 V 125/74) |
SG Aachen (Entscheidung vom 27.06.1974; Aktenzeichen S 12 V 30/71) |
Tenor
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 19. Februar 1976 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.
Tatbestand
Der 1920 geborene Kläger erlernte das Fleischerhandwerk und schloß die Lehre im April 1937 mit der Gesellenprüfung (Ergebnis: "gut") ab. Bis zu seiner Einberufung zum Wehrdienst im März 1940 war er als Fleischer tätig. Wegen der im Wehrdienst erlittenen Gesundheitsstörungen bezog er ab 1. August 1947 Versorgung nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 40 vH. Ab 1946 arbeitete er als angelernter Arbeiter in der D Sargfabrik. Diese Tätigkeit gab er 1953 mit der Begründung auf, er habe immer öfter blutigen Auswurf und könne die Luft im Betrieb wegen Staub und Farbgeruch nicht mehr vertragen. Seither half er seiner Ehefrau, die inzwischen ein selbständiges Friseurgeschäft eröffnet hatte, in Haushalt und Geschäft. Im Dezember 1962 wurde ihm aus schädigungsunabhängigen Gründen die linke Niere entfernt. Seit Februar 1964 bezieht er Rente wegen Erwerbsunfähigkeit (EU) aus der Sozialversicherung.
Nachdem zunächst durch Bescheid vom 24. Juli 1969 der Antrag des Klägers auf Berufsschadensausgleich mit der Begründung abgelehnt worden war, es fehle an der Schwerbeschädigteneigenschaft als Grundvoraussetzung für diese Leistung, wurde die MdE durch Bescheid vom 21. Januar 1971 in Ausführung eines vor dem Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen am 1. Dezember 1970 abgeschlossenen Vergleichs rückwirkend ab 1. Juli 1966 auf 50 vH - für die Zeit vom 1. Mai 1967 bis 31. Januar 1968 vorübergehend auch höher - mit der Maßgabe festgestellt, daß eine besondere berufliche Betroffenheit im Beruf des Fleischers nicht gegeben sei. Im Anschluß an diesen Bescheid lehnte das Versorgungsamt (VA) Aachen durch Bescheid vom 15. März 1971 die Gewährung eines Berufsschadensausgleichs an den Kläger mit der Begründung ab, ein durch Schädigungsfolgen hervorgerufener Einkommensverlust bestehe nicht, weil der Kläger wegen des schädigungsunabhängigen Verlustes der linken Niere und der daraus resultierenden Dauerfolgen erwerbsunfähig geworden sei. Die Widersprüche des Klägers gegen beide Entscheidungen wies das Landesversorgungsamt (LVersorgA) Nordrhein-Westfalen durch die Bescheide vom 13. und 14. Mai 1971 zurück.
Im Klageverfahren hat das Sozialgericht (SG) Aachen nach Einholung eines Aktengutachtens des Medizinaloberrats Dr. B vom 15. Oktober 1973 und Anhörung des Klägers den Beklagten in Abänderung des Bescheides vom 21. Januar 1971 und des Widerspruchsbescheides vom 13. Mai 1971 verurteilt (Urteil vom 27. Juni 1974), dem Kläger für die Zeit vom 1. Januar 1971 an unter Berücksichtigung eines besonderen beruflichen Betroffenseins Versorgung nach einer MdE um 60 vH zu gewähren. Ferner hat es den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 15. März 1971 und des Widerspruchsbescheides vom 14. Mai 1971 verurteilt, dem Kläger ab 1. Juli 1966 Berufsschadensausgleich (BSA) unter Zugrundelegung der Besoldungsgruppe A 9 des Bundesbesoldungsgesetzes (BBesG) zu gewähren. Gegen dieses Urteil hat allein der Beklagte Berufung eingelegt, soweit es sich um die Verurteilung zur Gewährung des BSA handelte. Das LSG hat - wiederum nach Anhörung des Klägers - mit Urteil vom 19. Februar 1976 das Urteil des SG dahin abgeändert, daß der Beklagte unter Zurückweisung seiner Berufung im übrigen verurteilt wurde, dem Kläger für die Zeit vom 1. Juli 1966 bis zum 31. Dezember 1975 BSA unter Zugrundelegung eines Vergleichseinkommens von 75 vH des Endgrundgehaltes der Besoldungsgruppe A 9 des BBesG zu zahlen. Die weitergehende Klage wegen BSA - für die Zeit ab 1. Januar 1976 - hat es abgewiesen und die Revision zugelassen. Das LSG hat ausgeführt, durch die Zuerkennung der Schwerbeschädigteneigenschaft ab 1. Juli 1966 sei der Bescheid vom 24. Juli 1969 über die Ablehnung des BSA mangels der Schwerbeschädigteneigenschaft gegenstandslos geworden. Ob der Kläger ab 1. Juli 1966 ohne die Schädigungsfolgen nach seinen Lebensverhältnissen, Kenntnissen und Fähigkeiten sowie dem bisher betätigten Arbeits- und Ausbildungswillen wahrscheinlich unselbständig in der privaten Wirtschaft oder im öffentlichen Dienst oder selbständig tätig wäre, lasse sich nicht feststellen, weil er bereits seit 1964 überwiegend bzw allein aus schädigungsunabhängigen Gründen erwerbsunfähig sei. In diesen Fällen sei jedoch ein BSA nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) nicht schlechthin ausgeschlossen. Das Vergleichseinkommen sei hier in entsprechender Anwendung der für die Vollendung des 65. Lebensjahres getroffenen Regelung mit 75 vH der nach den §§ 3 bis 7 der Durchführungsverordnung - DVO - zu § 30 Abs 3 und 4 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) ermittelten Beträge anzusetzen. Unter diesem Gesichtspunkt ergebe die Prüfung, daß der Kläger wahrscheinlich selbständiger Metzgermeister geworden wäre und sein Vergleichseinkommen somit 75 vH des Endgrundgehalts der Besoldungsgruppe A 9 BBesG betragen hätte. Für dieses Ergebnis sprächen die vom Kläger vor dem Kriege erzielten guten Leistungen im Beruf des Fleischers, das von der Ehefrau des Klägers durch Errichtung eines eigenen Friseurgeschäfts gezeigte Streben nach Selbständigkeit und die Tatsache, daß die Mehrzahl aller Fleischermeister selbständig sei. Im Vergleich zu 75 vH des Endgrundgehalts der Besoldungsgruppe A 9 BBesG (in der streitigen Zeit Beträge zwischen 845 und 1.344 DM) sei die Erwerbsunfähigkeitsrente (319,20 bis 481,10 DM) deutlich niedriger. Da der Kläger zumindest von 1946 bis 1953 als Fleischer mehr hätte verdienen können, als von ihm als angelernter Arbeiter bei der D Sargfabrik erzielt worden sei, habe der schädigungsbedingte Einkommensverlust zu einer Verminderung der dem Kläger seit 1964 gezahlten Erwerbsunfähigkeitsrente geführt. Das gelte jedoch nur für die Zeit bis zum 31. Dezember 1975. Ab 1. Januar 1976 sei § 30 Abs 5 BVG idF des Haushaltsstrukturgesetzes (HStruktG) maßgebend. Danach gelte statt des Bruttoeinkommens nach Abs 4 als Einkommen das Durchschnittseinkommen der Berufs- oder Wirtschaftsgruppe, der der Beschädigte ohne den Nachschaden angehören würde. Beachte man den Zweck dieser Bestimmung, nachschadensbedingte Einkommensverluste versorgungsrechtlich auszuklammern, so müsse in analoger Anwendung des § 30 Abs 2 Buchst a BVG auch eine berufliche Entwicklung berücksichtigt werden, die dem Beschädigten trotz der Schädigungsfolgen zumutbar sei. Im vorliegenden Fall hätte der Kläger mit den für die Tätigkeit des Fleischermeisters und selbständigen Betriebsführers erforderlichen geistigen Fähigkeiten ohne den Nachschaden eine Tätigkeit als kaufmännischer Angestellter in der Leistungsgruppe III der Fleischwarenindustrie erreichen können. Damit hätte er jedoch einen höheren Durchschnittsverdienst erzielt, als ein selbständiger Metzgermeister. Die Zahlung von BSA entfalle daher ab 1. Januar 1976.
Gegen dieses Urteil hat allein der Beklagte Revision eingelegt und diese innerhalb der bis zum 28. Juni 1976 verlängerten Revisionsbegründungsfrist begründet. Er erachtet die Feststellung des LSG für widersprüchlich, der Kläger wäre ohne die Schädigung wahrscheinlich selbständiger Metzgermeister geworden, nachdem das LSG zuvor selbst ausgeführt habe, es könne nicht feststellen, ob der Kläger ohne die Schädigungsfolgen wahrscheinlich unselbständig in der Privatwirtschaft oder im öffentlichen Dienst oder selbständig tätig wäre. Im übrigen habe das LSG nicht berücksichtigt, daß der Kläger, dessen MdE nach dem Kriege zunächst nur 40 vH betragen habe, seit 1953 - seinem 33. Lebensjahr - überhaupt nicht mehr gearbeitet habe, während die EU wegen schädigungsunabhängiger Leiden erst 1962 eingetreten sei. Dies stehe der Folgerung des LSG entgegen, der Kläger hätte ohne die Schädigung wahrscheinlich den Beruf des selbständigen Metzgermeisters erreicht. Der Kläger wäre vielmehr Metzgergeselle geblieben, so daß es hier an dem erforderlichen Einkommensverlust fehle. Im übrigen müsse die vom LSG für die Zeit ab 1. Januar 1976 getroffene Feststellung, der Kläger hätte mit seinen beruflichen Fähigkeiten trotz der Schädigungsfolgen eine Stellung als kaufmännischer Angestellter der Leistungsgruppe III in der Fleischwarenindustrie erreicht, auch für die Zeit vor dem 1. Januar 1976 gelten.
Der Beklagte beantragt,
unter Abänderung des Urteils des LSG für das Land Nordrhein-Westfalen vom 12. Februar 1976 und des Urteils des SG Aachen vom 27. Juni 1974 die Klage insoweit abzuweisen, als der Kläger Berufsschadensausgleich begehrt.
Der Kläger beantragt,
die Revision des Beklagten zurückzuweisen.
Er hält das Urteil des LSG für zutreffend, den vom Beklagten in den Urteilsgründen beanstandeten Widerspruch für nicht erkennbar und eine schädigungsbedingte Minderung seiner Rente selbst bei Unterstellung der Anwendbarkeit des § 9 Abs 5 der DVO zu § 30 Abs 3 und 4 BVG für gegeben.
Entscheidungsgründe
Mit dem Einverständnis der Beteiligten entscheidet der Senat gemäß § 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ohne mündliche Verhandlung.
Die durch Zulassung statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte und begründete Revision ist zulässig (§§ 160, 164, 166 SGG). Sie erweist sich iS der Aufhebung des angefochtenen Urteils und der Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz auch als begründet.
Streitig ist unter den Beteiligten nur noch der Anspruch des Klägers auf Berufsschadensausgleich für die Zeit vom 1. Juli 1966 bis zum 31. Dezember 1975. Denn der Beklagte hat seine Verurteilung zur Erhöhung der MdE auf 60 vH wegen eines besonderen beruflichen Betroffenseins nicht mit der Berufung und der Kläger die Abweisung des Anspruchs auf Berufsschadensausgleich für die Zeit vom 1. Januar 1976 an nicht mit der Revision angefochten.
In der rechtlichen Beurteilung hat sich das LSG den Entscheidungen des BSG vom 16. und 17. Oktober 1974 (BSGE 38, 160 = SozR 3100 Nr 3 zu § 30 BVG; SozR 3100 Nr 4 zu § 30 BVG) angeschlossen und als Vergleichseinkommen des Klägers das auf 75 vH gekürzte Durchschnittseinkommen der Berufs- oder Wirtschaftsgruppe angenommen, der er ohne die Schädigung wahrscheinlich angehört hätte. Beiden Entscheidungen war jedoch eigentümlich, daß sich die Beschädigten beim Ausscheiden aus dem Erwerbsleben bereits im 6. Lebensjahrzehnt befunden oder es gar schon überschritten hatten. Deshalb bot sich hier die analoge Anwendung der für das Ausscheiden aus dem Erwerbsleben bei Erreichung der Altersgrenze vorgesehenen Regelung an. In beiden Entscheidungen ist jedoch ausdrücklich darauf hingewiesen worden, daß diese Regelung nicht ohne weiteres für "junge Bürger" und damit nicht für alle Altersgruppen von Frührentnern gelten könne. In Ergänzung der bereits zitierten Rechtsprechung des BSG hat der erkennende Senat im Urteil vom 29. September 1976 (SozR 3100 Nr 16 zu § 30 BVG) entschieden, daß ein aus schädigungsunabhängigen Gründen vor Beginn des 6. Lebensjahrzehnts aus dem Erwerbsleben ausgeschiedener Schwerbeschädigter auch für die Zeit vor dem 1. Januar 1976 den Berufsschadensausgleich nach den Grundsätzen des § 30 Abs 5 BVG idF des HStruktG erhält. In der Entscheidung hat der Senat näher begründet, daß sich für diese Fallgruppe die Fortschreibung des unmittelbar vor dem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben bezogenen derzeitigen Bruttoeinkommens iS von § 30 Abs 4 BVG als die den später eingetretenen schädigungsunabhängigen Einkommensverlust präzise ausklammernde Methode zur Feststellung des schädigungsbedingten Einkommensverlustes anbietet. Der erkennende Senat hat diese Methode zur Füllung der in seinem Urteil vom 16. Oktober 1974 festgestellten und durch die mit Wirkung ab 1. Januar 1976 eingeführte Fassung des § 30 Abs 5 BVG zeitlich nicht voll geschlossene Lücke der Regelung für Beschädigte herangezogen, die aus schädigungsunabhängigen Gründen Frührentner geworden sind. Sie muß auch für den vorliegenden Fall gelten, weil der 1920 geborene Kläger im Zeitpunkt der Aufgabe seiner letzten entgeltlichen Beschäftigung erst 33 Jahre und im Zeitpunkt der Bewilligung der Erwerbsunfähigkeitsrente erst 44 Jahre alt war. Für die Entscheidung in dieser Sache kommt es mithin auf die vom LSG für die Zeit vom 1. Juli 1966 bis zum 31. Dezember 1975 angestellten Erwägungen nicht an. Dem Kläger steht vielmehr ein Berufsschadensausgleich nur dann zu, wenn sein Einkommen aus früherer Tätigkeit durch die Schädigungsfolgen gemindert ist, wobei sich ein etwaiger Einkommensverlust aus der Gegenüberstellung des Vergleichseinkommens iS von § 30 Abs 4 Satz 2 BVG mit dem Durchschnittseinkommen der Berufs- oder Wirtschaftsgruppe ergibt, der der Kläger ohne den Nachschaden angehören würde (§ 30 Abs 5 Satz 1 BVG)
Schon zum Vergleichseinkommen iS von § 30 Abs 4 Satz 2 BVG erweisen sich die Feststellungen des LSG nicht als für eine abschließende Entscheidung tragfähig. Wie die Revision zutreffend beanstandet, sind diese Feststellungen nämlich widerspruchsvoll. Einerseits hat sich das LSG außerstande gesehen festzustellen, ob der Kläger ohne die Schädigungsfolgen nach seinen Lebensverhältnissen, Kenntnissen und Fähigkeiten sowie dem bisher betätigten Arbeits- und Ausbildungswillen wahrscheinlich unselbständig in der privaten Wirtschaft oder im öffentlichen Dienst oder selbständig tätig wäre (vgl § 2 DVO), weil er aus überwiegend schädigungsunabhängigen Gründen bereits seit 1964 erwerbsunfähig ist. Andererseits ist das LSG dann aber bei der Prüfung, welcher Berufsgruppe der Kläger ohne die Schädigung wahrscheinlich angehört hätte, zu dem Ergebnis gelangt, daß er wahrscheinlich selbständiger Metzgermeister geworden wäre. Beide Feststellungen sind nicht miteinander vereinbar. Mit diesen einander widersprechenden Feststellungen hat das LSG die ihm gemäß § 128 Abs 1 Satz 2 SGG obliegende Pflicht verletzt, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesenen Gründe im Urteil anzugeben. Denn einander widersprechende Feststellungen müssen fehlenden Feststellungen im Ergebnis gleichgestellt werden. Auf die weitere Verfahrensrüge, das LSG habe seine Feststellung über die vom Kläger ohne die Schädigung wahrscheinlich ausgeübte Tätigkeit nicht aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens getroffen, weil es die Untätigkeit des Klägers von seinem 33. Lebensjahr an unberücksichtigt gelassen und statt auf das berufliche Streben des Klägers auf dasjenige seiner Ehefrau abgestellt habe, kommt es somit für die Entscheidung des erkennenden Senats nicht mehr an. Der Rechtsstreit muß vielmehr schon aus dem genannten Grunde unter Aufhebung des angefochtenen Urteils zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückverwiesen werden, weil es an den für die Entscheidung erforderlichen Feststellungen fehlt, die das Revisionsgericht selbst nicht treffen kann (§ 163 SGG).
Bei der erneuten Verhandlung und Entscheidung wird das LSG davon ausgehen müssen, daß als dem Vergleichseinkommen gegenüberzustellendes Einkommen das Durchschnittseinkommen der Berufs- oder Wirtschaftsgruppe gilt, der der Kläger ohne den Nachschaden angehören würde. Die Frage, welcher Berufs- oder Wirtschaftsgruppe der Kläger ohne den Nachschaden angehören würde, kann entgegen der für die Zeit nach dem 1. Januar 1976 vom LSG vertretenen Auffassung nicht in analoger Anwendung des § 30 Abs 4 Satz 2 BVG, also nicht danach beantwortet werden, welcher Berufs- oder Wirtschaftsgruppe der Kläger ohne den Nachschaden nach seinen Lebensverhältnissen, Kenntnissen und Fähigkeiten und dem bisher betätigten Arbeits- und Ausbildungswillen wahrscheinlich angehört hätte. § 30 Abs 5 BVG knüpft nämlich an das Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger Tätigkeit an und setzt seine dauernde Minderung durch einen Nachschaden - durch nachträgliche schädigungsunabhängige Einwirkungen oder Ereignisse, insbesondere durch das Hinzutreten einer schädigungsunabhängigen Gesundheitsstörung - tatbestandsmäßig voraus. Im Unterschied zu § 30 Abs 4 Satz 1 BVG spricht § 30 Abs 5 Satz 1 auch nicht vom "derzeitigen Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit", sondern vom "Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger Tätigkeit". Nach dieser gesetzlichen Regelung ist mithin von dem vor Eintritt des Nachschadens tatsächlich bezogenen Einkommen - dem Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger Tätigkeit - auszugehen und zu prüfen, ob dieses schädigungsunabhängig gemindert oder in Wegfall gekommen ist. Trifft das zu und soll nach dem Zweck der Regelung des § 30 Abs 5 BVG der nachschadensbedingte Einkommensverlust unberücksichtigt bleiben, müßte an sich das zuletzt bezogene Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger Tätigkeit "festgeschrieben" werden. Dies würde jedoch wegen der mit fortschreitendem Zeitablauf eintretenden Einkommensverschiebungen, denen das Vergleichseinkommen folgt (vgl § 30 Abs 4 Satz 3 BVG), mehr und mehr zur Berücksichtigung einer schädigungsunabhängig eintretenden Einkommensdifferenz führen. Deshalb hat der Gesetzgeber auch für das Bruttoeinkommen des Beschädigten die Fortschreibung nach dem Durchschnittseinkommen der Berufs- oder Wirtschaftsgruppe angeordnet, der der Beschädigte ohne den Nachschaden angehören würde. Das bedeutet, daß als Bruttoeinkommen jeweils das Durchschnittseinkommen der Berufs- oder Wirtschaftsgruppe einzusetzen ist, in der der Beschädigte vor Eintritt des Nachschadens sein Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger Tätigkeit bezog. Auf diese Weise kann die versorgungsrechtliche Abgeltung des sogenannten Nachschadens vermieden werden.
Wollte man mit dem LSG als Einkommen des Beschädigten das Durchschnittseinkommen der Berufs- oder Wirtschaftsgruppe einsetzen, der der Beschädigte ohne den Nachschaden nach seinen Lebensverhältnissen, Kenntnissen und Fähigkeiten und dem bisher betätigten Arbeits- und Ausbildungswillen wahrscheinlich angehören würde, so würde diese Gruppe von Beschädigten ungünstiger behandelt als die Gruppe der Beschädigten ohne Nachschaden. Während es dann nämlich im Nachschadensfall grundsätzlich auch zu einer Einbeziehung der dem Beschädigten ohne den Nachschaden noch möglichen beruflichen Entwicklung kommen würde, ist bei den übrigen Beschädigten eine solche mögliche Entwicklung nach § 9 Abs 5 der DVO zu § 30 Abs 3 und 4 BVG nur dann mit einer das Bruttoeinkommen erhöhenden und somit den Schadensausgleich mindernden Wirkung möglich, wenn der Beschädigte ohne verständigen Grund seine Arbeitskraft nicht in zumutbarem Umfang einsetzt. Hier muß dem Beschädigten also nachgewiesen werden, daß ihm ein Mehreinsatz an Arbeitskraft zumutbar ist, daß damit ein höheres Bruttoeinkommen zu erzielen wäre und daß er dies ohne verständigen Grund nicht getan hat.
Zur Vermeidung der oben dargelegten Ungleichbehandlung von Beschädigten mit und ohne Nachschaden erscheint es dem Senat daher geboten, von der "gegenwärtigen Tätigkeit" auszugehen, die unmittelbar vor Eintritt des Nachschadens ausgeübt worden ist, und von dieser Tätigkeit das Durchschnittseinkommen der Berufs- oder Wirtschaftsgruppe abzuleiten, der der Beschädigte ohne den Nachschaden angehören würde. Der Einsatz einer anderen - dem Beschädigten für seinen Anspruch auf Schadensausgleich ungünstigeren - Berufs- oder Wirtschaftsgruppe erscheint nur dann vertretbar, wenn der Beschädigte ohne verständigen Grund seine Arbeitskraft nicht in zumutbarem Umfang eingesetzt hat (§ 9 Abs 5 der DVO zu § 30 Abs 3 und 4 BVG).
Das LSG wird somit zunächst feststellen müssen, durch welche nachträglichen schädigungsunabhängigen Einwirkungen oder Ereignisse das vom Kläger nach seiner Kriegsbeschädigung bezogene Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger Tätigkeit auf Dauer gemindert worden ist. Hierfür kommt zunächst sein Entschluß in Betracht, die entgeltliche Tätigkeit als angelernter Arbeiter bei der D Sargfabrik aufzugeben, sofern dieser Entschluß nicht wegen der Schädigungsfolgen gerechtfertigt war. Sodann kommt der weitere Entschluß des Klägers in Betracht, keine andere entgeltliche Tätigkeit aufzunehmen oder auszuüben, sondern seiner Ehefrau seit 1953 unentgeltlich in Haushalt und Geschäft zu helfen. Spätestens von diesem Zeitpunkt an wird die Frage zu beantworten sein, ob hier etwa der Beschädigte ohne verständigen Grund seine Arbeitskraft nicht in zumutbarem Umfang eingesetzt hat. Sollte das zutreffen und darauf die Minderung des zuvor bezogenen Bruttoeinkommens beruhen, so müßte sich der Kläger als Bruttoeinkommen das Durchschnittseinkommen derjenigen Berufs- oder Wirtschaftsgruppe anrechnen lassen, der er bei Einsatz seiner Arbeitskraft in zumutbarem Umfang ohne den Nachschaden angehören würde. Zur Beurteilung dieser Frage wird sich das LSG, was die körperliche Leistungsfähigkeit des Klägers angeht, namentlich wegen der im Jahre 1967 erfolgten schädigungsbedingten Lungenoperation der Hilfe eines medizinischen Sachverständigen bedienen müssen.
Von der Beurteilung dieser Fragen hängt es ab, von welchem Bruttoeinkommen des Klägers iS von § 30 Abs 4 und 5 BVG auszugehen ist. Bei Verneinung eines Nachschadens wäre es gemäß § 30 Abs 4 Satz 1 BVG sein derzeitiges Bruttoeinkommen aus früherer Tätigkeit, also seine Erwerbsunfähigkeitsrente. Bei Bejahung eines Nachschadens wäre es gemäß § 30 Abs 5 BVG das Durchschnittseinkommen der Berufs- oder Wirtschaftsgruppe, der er bei Eintritt des Nachschadens angehört hat und ohne den Nachschaden noch angehören würde. Endlich könnte als Bruttoeinkommen des Klägers gemäß § 30 Abs 5 BVG iVm § 9 Abs 5 der DVO zu § 30 Abs 3 und 4 BVG auch das Durchschnittseinkommen der Berufs- oder Wirtschaftsgruppe in Betracht kommen, der er ohne den Nachschaden bei zumutbarem, aber ohne verständigen Grund unterbliebenem Einsatz seiner Arbeitskraft angehören würde. Das LSG wird zu klären und festzustellen haben, welche der aufgezeigten Möglichkeiten auf den Kläger zutrifft, welches also sein dem Vergleichseinkommen (§ 30 Abs 4 Satz 2 BVG) gegenüberzustellendes Einkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit ist.
Für den Fall, daß das LSG zu dem Ergebnis gelangen sollte, das frühe Ausscheiden des Klägers aus dem Erwerbsleben sei schädigungsbedingt, weshalb von einer schädigungsbedingt geminderten Erwerbsunfähigkeitsrente als Bruttoeinkommen auszugehen sei, wird es zu beachten haben, daß der 9. Senat des BSG die in seinem Urteil vom 25. November 1976 - 9 RV 226/75 - (SozR 3100 Nr 19 zu § 30 BVG) vertretene Rechtsauffassung aufgegeben hat (Beschluß vom 23. November 1977 - 9 S 2/77 -), der aus schädigungsunabhängigen Gründen vorzeitig aus dem Erwerbsleben ausgeschiedene Beschädigte habe wegen verminderter Höhe seiner Versichertenrente keinen Anspruch auf Berufsschadensausgleich, wenn er in der Zeit seines Lohn- oder Gehaltsbezuges nicht Schwerbeschädigter war. Das bedeutet, daß die Gewährung eines Berufsschadensausgleichs auch dann in Betracht kommt, wenn der schädigungsbedingte Einkommensverlust (ganz oder teilweise) zu einer Zeit eingetreten ist, als die Schwerbeschädigteneigenschaft (§ 31 Abs 3 BVG) noch nicht bestand. Allerdings wird in Fällen dieser Art eine besonders sorgfältige Prüfung erforderlich sein, ob zwischen den Schädigungsfolgen und dem Einkommensverlust ein ursächlicher Zusammenhang besteht (vgl das zur Veröffentlichung bestimmte Urteil des Senats vom 15. Dezember 1977 - 10 RV 51/76 -).
Die Kostenentscheidung bleibt dem abschließenden Urteil vorbehalten.
Fundstellen