Beteiligte
Klägerin und Revisionsklägerin |
Beklagte und Revisionsbeklagte |
Tatbestand
I.
Die in der Bundesrepublik Deutschland wohnhafte, nicht berufstätige Klägerin ist Mutter mehrerer nichtehelicher Kinder, darunter des am 11. September 1963 geborenen Sohnes Leroy (L.), der, ebenso wie die Klägerin, die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt. Für dieses Kind wurde vom 1. Januar 1964 an (mit Unterbrechungen) Kindergeld gezahlt. Die Zahlung wurde eingestellt, weil sich die Mutter im Februar 1972 mit einem amerikanischen NATO-Soldaten verheiratet hatte. Seit März 1973 trägt L. dessen Familiennamen; er ist mit ihm aber weder verwandt noch ihm gegenüber unterhaltsberechtigt.
Den im Januar 1975 gestellten Antrag auf Kindergeld für L. lehnte das Arbeitsamt Karlsruhe mit der Begründung ab, die Klägerin habe keinen Kindergeldanspruch, da sie Ehegatte und damit Angehörige eines Mitglieds der NATO-Streitkräfte und selbst in der Bundesrepublik Deutschland nicht als Arbeitnehmerin tätig sei (Bescheid vom 31. Januar 1975). Widerspruch, Klage und Berufung hatten keinen Erfolg. Das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg führte im Urteil vom 17. Mai 1977 u.a. aus: Art. 13 Abs. 1 des Zusatzabkommens (ZA) zum NATO-Truppenstatut schließe einen Kindergeldanspruch aus. Danach seien die in der Bundesrepublik Deutschland geltenden Bestimmungen über die soziale Sicherheit auf Ehefrauen von Mitgliedern der NATO-Truppen nicht anzuwenden. Für die soziale Sicherheit der NATO-Truppenmitglieder und ihrer Angehörigen sollten nämlich grundsätzlich die Entsendestaaten verantwortlich sein, auf deren militärische Organisation die Zugehörigkeit dieser Personen zu den NATO-Streitkräften zurückgehe.
Die Klägerin hat die vom LSG zugelassene Revision eingelegt. Sie meint, da sie auch nach ihrer Heirat Deutsche geblieben sei, werde sie nicht von der sozialen Sicherung des Heimatlandes ihres Ehemannes erfaßt, so daß die vom LSG gegebene Begründung auf ihre Situation nicht zutreffe. Art. 13 des ZA gehe davon aus, daß es sich bei den Mitgliedern der NATO-Truppen und ebenso bei ihren Angehörigen um Ausländer mit enger rechtlicher und tatsächlicher Beziehung zum jeweiligen Entsendestaat handele. Dehne man die Bestimmung auf Fälle der vorliegenden Art aus, erweise sie sich wegen Diskriminierung der Eheschließung und Verstoßes gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz als verfassungswidrig.
Die Klägerin beantragt,die Urteile des LSG Baden-Württemberg vom 17. Mai 1977 und des Sozialgerichts Karlsruhe vom 21. Juli 1976 sowie den Bescheid des Arbeitsamtes Karlsruhe vom 31. Januar 1975 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 6. Mai 1975 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin ab 1. Januar 1975 Kindergeld für ihren Sohn Leroy zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,die Revision zurückzuweisen.
Sie sieht in Art. 13 des ZA keine Diskriminierung der darin genannten Personen, die von souveränen Staaten kraft deren Hoheitsgewalt in die Bundesrepublik Deutschland als "Gastland"' entsandt worden seien. Es würde einen Eingriff in die Souveränität der Entsendestaaten bedeuten, wenn diese Personen in den Sozialversicherungsbereich des "Gastlandes" einbezogen würden. Das gelte auch für eine Deutsche, die ein Mitglied der NATO-Truppen geheiratet habe, weil sie dadurch Angehörige eines nicht dem deutschen Sozialrecht unterworfenen Soldaten geworden sei.
Die Beigeladene schließt sich dem Revisionsvorbringen der Klägerin an.
Entscheidungsgründe
II.
Die zulässige Revision ist i.S. der Aufhebung des angefochtenen Urteils und der Zurückverweisung der Sache an das LSG begründet. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung ist der Anspruch der Klägerin auf das streitige Kindergeld nicht zu verneinen. Der Senat kann den Rechtsstreit aber nicht abschließend entscheiden, da es hierzu noch weiterer Feststellungen bedarf.
Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen kann die Klägerin für ihren Sohn L. grundsätzlich Kindergeldleistungen geltend machen. Sie gehört zu dem nach § 1 des Bundeskindergeldgesetzes (BKGG) anspruchsberechtigten Personenkreis. Nach dieser Bestimmung hat u.a. einen Kindergeldanspruch für seine Kinder, wer im Geltungsbereich des BKGG einen Wohnsitz hat. Das trifft auf die Klägerin zu.
Zutreffend geht das LSG zwar davon aus, daß zwischen- und überstaatliches Recht dem § 1 BKGG vorgeht (vgl. Wickenhagen/Krebs, BKGG, Stand: November 1976, Rdnr. 7 zu § 1). Daraus kann sich u.U. eine Einschränkung oder sogar Beseitigung des Kindergeldanspruchs ergeben. Der Auffassung, daß Art. 13 Abs. 1 des ZA vom 3. August 1959 (BGBl. II 1961, 1218) zum NATO-Truppenstatut vom 19. Juni 1951 (BGBl. II 1961, 1190 - beide am 1. Juli 1963 in Kraft getreten (BGBl. II, 1961, 1183, 1188 i.V.m. BGBl. II 1963, 745) - hier diese Wirkung habe, vermag der Senat jedoch nicht zuzustimmen. Der Wortlaut des Art. 13 ZA scheint zwar dafür zu sprechen, auch auf die Klägerin, die nach Art. 1 Abs. 1c des NATO-Truppenstatuts "Angehörige" des Mitglieds einer "Truppe" (Art. 1 Abs. 1a NATO-Truppenstatut ist, zwischenstaatliche Abkommen oder andere im Bundesgebiet geltende Bestimmungen über soziale Sicherheit und Fürsorge nicht anzuwenden. Eine derart eng am Wortlaut der Bestimmung orientierte Auslegung würde jedoch nicht mit dem aus Entstehung, Inhalt und Zweck des Vertrages zu erschließenden Willen der Vertragsparteien (vgl. hierzu BSG Urteil vom 7. September 1977 - 11 RA 42/76 -) zu vereinbaren sein. Sie würde auch zu Ergebnissen führen, die weder mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz noch mit dem verfassungsrechtlich zu beachtenden Schutz von Ehe und Familie vereinbar wären.
Das NATO-Truppenstatut ist als multilaterales Abkommen die rechtliche Grundlage dafür, daß die Truppen einer Vertragspartei "nach Vereinbarung" zur Ausübung des Dienstes in das Hoheitsgebiet einer anderen Vertragspartei entsandt werden können (vgl. Erläuterung zur Präambel in der Denkschrift zum NATO-Truppenstatut und den Zusatzvereinbarungen - BT-Drucks. III/2146 S. 223, 226). Dabei gilt im Bereich der Steuern, aus denen in der Bundesrepublik die Leistungen des Kindergeldes finanziert werden, gemäß Art. X Abs. 1 des NATO-Truppenstatuts der Grundsatz der Nichtbesteuerung der Mitglieder einer Truppe durch den Aufnahmestaat während ihres Aufenthalts in dieser Eigenschaft. Zu diesem Zweck wird u.a. fingiert, daß während solcher Aufenthalte ein steuerrechtlich verwertbarer Wohnsitz oder Aufenthalt nicht begründet wird. Dies gilt indes nach Art. X Abs. 4 des NATO-Truppenstatuts nicht für solche "Mitglieder einer Truppe", die Staatsangehörige des Aufnahmestaates sind, und schließt im übrigen auch die Besteuerung gewinnbringender Tätigkeiten im Aufnahmestaat außerhalb der Tätigkeit in der Eigenschaft als Mitglied der Truppe nicht aus (Art. X Abs. 2 des NATO-Truppenstatuts). Die Regelung läßt deutlich werden, daß selbst bei den ausländischen Mitgliedern einer Truppe nicht schlechthin, sondern nur in Bezug auf die Tätigkeit in dieser Eigenschaft das Abgabenrecht des Aufnahmestaates außer Anwendung bleiben soll (für die Angehörigen vgl. Art. 68 Abs. 4 ZA). In diesem Sinne ist auch Art. 13 ZA zu verstehen. Auch hier beschränkt sich die Nichtanwendung der zwischenstaatlichen Abkommen und der im Bundesgebiet, geltenden Bestimmungen über soziale Sicherheit und Fürsorge auf den von der Entsendung als Mitglied einer Truppe, eines zivilen Gefolges und als Angehöriger erfaßten Bereich. Das ergibt sich aus Art. 13 Abs. 1 Satz 2 und 3 sowie aus Abs. 2 ZA. Denn danach bleiben Rechte und Pflicht en aus einem früheren Aufenthalt im Bundesgebiet, die sich auf den Bereich der sozialen Sicherheit beziehen, unberührt; bestehende Versicherungsverhältnisse können fortgesetzt und Rechte daraus geltend gemacht werden; ferner bleiben auch die während der Entsendung aus einer Betätigung als Arbeitgeber entstehenden Pflichten unberührt. Eine Regelung des Inhalts, daß auf private Beschäftigungen neben der im Rahmen der Entsendung auszuübenden Tätigkeit die in der Bundesrepublik geltenden Bestimmungen über soziale Sicherheit anzuwenden sind, ist im ZA nur deshalb nicht enthalten, weil die Vertragspartner mit solchen Fällen in nennenswertem Umfang weder rechneten noch rechnen konnten. Die oben erwähnten Regelungen des ZA lassen gleichwohl aber deutlich erkennen, daß die Nichtanwendung der in der Bundesrepublik geltenden Bestimmungen über soziale Sicherheit und Fürsorge auf die Rechtsstellung und Tätigkeit als nach dem NATO-Truppenstatut entsandtes Mitglied einer Truppe, eines zivilen Gefolges und als Angehöriger beschränkt sein soll. Deshalb findet die hier von der Beklagten und den Vorinstanzen vertretene Auslegung des Art. 13 ZA nach dem Wortlaut im materiellen Gehalt der Bestimmung keine Stütze.
Der Anspruch der Klägerin auf Kindergeld für ihren nichtehelichen Sohn Leroy ist materiell eindeutig von ihrer durch Eheschließung mit einem NATO-Soldaten in Deutschland herbeigeführten Rechtsstellung und Tätigkeit als Angehörige eines in die Bundesrepublik entsandten Mitgliedes einer Truppe zu unterscheiden. Denn durch die Eheschließung ist weder eine in der Person der Klägerin noch eine in der Person des Kindes liegende Voraussetzung für den Anspruch auf Kindergeld verändert worden. Die Klägerin hat ihren Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt im Sinne der §§ 13 und 14 Abs. 1 des Steueranpassungsgesetzes im Geltungsbereich des BKGG (vgl. § 1 Nr. 1 BKGG) durch die Eheschließung nicht verloren, zumal ihr Ehemann einen in diesem Sinne rechtserheblichen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet nach Art. X Abs. 1 des NATO-Truppenstatuts nicht hat und auch nicht davon ausgegangen werden kann, daß die Eheschließung als solche den Verlust des Wohnsitzes zur Folge haben könnte. Auch die im familienrechtlichen Verhältnis der Klägerin zu ihrem Sohn liegende Voraussetzung des Kindergeldanspruchs, daß der Sohn der Klägerin ihr nichteheliches Kind ist (vgl. § 2 Abs. 1 Nr. 4 BKGG), blieb von der Eheschließung der Klägerin unberührt. Und endlich konnte die in der Person des Kindes geforderte negative Voraussetzung des Kindergeldanspruchs, daß eine M ahme an Kindes Statt durch eine andere Person als den Ehegatten eines leiblichen Elternteils nicht erfolgt ist (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 2 BKGG), durch die Eheschließung der Klägerin nicht berührt werden. Deshalb kam Art. 13 des ZA auf die Klägerin als nichteheliche Mutter ihres Sohnes Leroy nicht angewandt werden. Die Klägerin ist vielmehr insoweit im Anwendungsbereich des deutschen Rechts der sozialen Sicherheit verblieben.
Die vorstehend erläuterte einschränkende Auslegung des Art. 13 ZA erweist sich auch bei Beachtung des Gleichheitssatzes und des Schutzes der Ehe (Art. 3 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1 des Grundgesetzes -GG-) als geboten. Der Anspruch einer deutschen Frau als Mutter eines nichtehelichen Kindes auf Kindergeld darf nämlich, im Falle der späteren Eheschließung mit einem dem Kind nicht unterhaltspflichtigen Mann bei Fortbestand ihres Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthalts in der Bundesrepublik Deutschland weder davon abhängig gemacht werden, ob der Ehemann Deutscher ist oder nicht, noch davon, ob er als Ausländer selbständig oder bei einem ausländischen oder bei einem deutschen Arbeitgeber beschäftigt ist oder nicht. Denn der Kindergeldanspruch der nichtehelichen Mutter ist allein von ihrem Wohnsitz im Bundesgebiet, nicht aber vom Vorhandensein eines mit dem Kind nicht verwandten Ehemannes oder gar von dessen Beschäftigung oder Beschäftigungsart abhängig. Die Anwendung des Art. 13 ZA auf Fälle der vorliegenden Art wäre daher wegen sachfremder Differenzierung mit dem Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) nicht vereinbar. Sie würde aber auch dem verfassungsrechtlich gewährleisteten Schutz der Ehe (Art. 6 Abs. 1 GG) zuwiderlaufen, der nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts -BVerfG- (vgl. SozR Nr. 10 und 12 zu Art. 6 GG) für den Staat neben der positiven Aufgabe, Ehe und Familie durch geeignete Maßnahmen zu fördern und vor Beeinträchtigung durch andere zu bewahren, negativ das Verbot enthält, die Ehe zu schädigen oder sonst zu beeinträchtigen, gleichgültig ob dies durch Maßnahmen gegen bestehende Ehen geschieht oder ob die Bereitschaft zur Eheschließung gefährdet wird. Es darf nicht zu einer wirtschaftlichen Diskriminierung Verheirateter allein deshalb kommen, weil sie verheiratet sind. Gerade das würde aber bei wörtlicher Anwendung des Art. 13 ZA auf die Klägerin zutreffen. Denn sie würde dann allein wegen ihrer Eheschließung mit einem NATO-Soldaten den sonst gegebenen Anspruch auf Kindergeld für ihren Sohn Leroy verlieren, der seinerseits gegenüber dem Ehemann seiner Mutter nicht unterhaltsberechtigt ist. Aus diesen Gründen hat offenbar auch die Beklagte Bedenken gegen die Anwendung des Art. 13 ZA auf Fälle der vorliegenden Art gehabt, deren Klärung aber in ihrem Runderlaß 261/66.4 - vgl. dort Nr. 106b Abs. 1 Satz 4 - (in Loseblattsammlung Bundeskindergeldgesetz, herausgegeben vom Präsidenten der Bundesanstalt für Arbeit; ebenso Runderlaß 375/74.4 Nr. 191.4 Satz 4 der Loseblattsammlung Bundeskindergeldgesetz 1975 des gleichen Herausgebers) der Rechtsprechung überlassen.
Steht mithin der Klägerin für ihren Sohn Leroy ab Januar 1975 dem Grunde nach der Anspruch auf Kindergeld zu, so könnte der Anspruch auf Auszahlung des Kindergeldes jedenfalls dann auf die Hälfte herabgemindert sein oder gar entfallen, wenn der Ehemann der Klägerin etwa deshalb, weil er den Sohn seiner Frau in den gemeinsamen Haushalt aufgenommen hat, von seinem Dienstherrn dem Kindergeld vergleichbare Leistungen erhalten würde (vgl. § 8 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 6 BKGG). Denn so wenig die Klägerin wegen ihrer Eheschließung einen Verlust des Kindergeldanspruches erleiden soll, soll sie daraus - zusammen mit ihrem Ehemann - nach dem Willen des Gesetzgebers den Vorteil einer Doppelleistung herleiten können. Unter diesem Gesichtspunkt sind somit noch Feststellungen notwendig, die das Revisionsgericht nicht treffen kann. Die Sache muß daher unter Aufhebung des angefochtenen Urteils an die Vorinstanz zurückverwiesen werden (§§ 163, 170 Abs. 2 Satz 2 SGG).
Die Kostenentscheidung bleibt der in der Sache abschließenden Entscheidung vorbehalten.
Fundstellen