Orientierungssatz
Kindergeldanspruch für "Angehörige" iS von Art 13 NATOTrStatZAbk:
Eine deutsche Frau, die einen Angehörigen der US-Streitkräfte in der Bundesrepublik Deutschland geheiratet hat, diesem mit ihren nichtehelichen Kindern in die USA gefolgt und später mit ihrem Ehemann und den Kindern zurückgekehrt ist, hat als "Angehörige" iS von Art 13 des Zusatzabkommens zum Nato-Truppenstatut nach der Rückkehr in die Bundesrepublik Deutschland keinen Anspruch auf Kindergeld (Festhaltung BSG 1981-03-20 10/8b RKg 7/80 = SozR 5870 § 2 Nr 22).
Normenkette
BKGG §§ 1, 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 4; NATOTrStatZAbk Art. 13; NATOTrStat Art. 1 Abs. 1 Buchst. a, c
Verfahrensgang
SG Mainz (Entscheidung vom 14.02.1980; Aktenzeichen S 4 Kg 12/78) |
Tatbestand
Im Revisionsverfahren ist nur noch ein Kindergeldanspruch der Klägerin für ihren am 26. Oktober 1962 geborenen nichtehelichen Sohn Hans-Joachim Cross (H.J.) streitig. Die Klägerin war von Oktober 1953 bis Mai 1968 berufstätig. Seit dem 4. August 1967 ist sie mit einem amerikanischen Nato-Soldaten verheiratet. Aus dieser Ehe sind drei, 1968, 1970 und 1975 geborene Kinder hervorgegangen. H.J. trägt den Familiennamen des Ehemannes der Klägerin und ist deutscher Staatsangehöriger. Er ist mit ihm aber weder verwandt noch ihm gegenüber unterhaltsberechtigt.
Seit dem 23. Juli 1970 lebte die Klägerin mit ihrer Familie in den Vereinigten Staaten von Amerika. Am 16. September 1975 kehrten alle in die Bundesrepublik Deutschland zurück. Die Beklagte lehnte den ersten Antrag auf Zahlung von Kindergeld ab (Bescheid vom 6. Juli 1976). Die Klägerin beantragte am 28. August 1978 erneut, ihr Kindergeld für ihre vier Kinder zu gewähren. Auch diesen Antrag lehnte die Beklagte ab (Bescheid vom 6. Oktober 1978), weil der Ehemann der Klägerin Mitglied einer in der Bundesrepublik Deutschland stationierten Truppe der Nato-Streitkräfte sei und diese Mitglieder und ihre Angehörigen nicht den deutschen Rechtsvorschriften über soziale Sicherheit unterlägen. H.J. könne nicht berücksichtigt werden, weil die Klägerin nach ihrer Eheschließung ihren ständigen Wohnsitz nicht ununterbrochen in der Bundesrepublik Deutschland gehabt habe. Den Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte zurück (Widerspruchsbescheid vom 21. November 1978).
Das Sozialgericht Mainz (SG) hat auf die Klage den Bescheid der Beklagten vom 6. Oktober 1978 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. November 1978 geändert und die Beklagte verurteilt, der Klägerin für das Kind H.J. Kindergeld zu zahlen. Im übrigen hat es die Klage abgewiesen und die (Sprung-)Revision zugelassen (Urteil vom 14. Februar 1980).
Mit schriftlicher Zustimmung der Klägerin hat die Beklagte Revision eingelegt. Sie rügt die Verletzung des § 1 des Bundeskindergeldgesetzes (BKGG) iVm Art 13 des Zusatzabkommens zum Nato-Truppenstatut.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 14. Februar 1980,
soweit die Beklagte zur Kindergeldzahlung für das Kind H-J C
verpflichtet worden ist, aufzuheben und die Klage
abzuweisen.
Die Klägerin ist im Revisionsverfahren nicht vertreten.
Entscheidungsgründe
Die (Sprung-)Revision der Beklagten ist statthaft. Der hier allein noch streitige Kindergeldanspruch der Klägerin für ihr nichteheliches Kind H.J. betraf bereits bei der Urteilsverkündung am 14. Februar 1980 einen abgelaufenen Zeitraum. Denn die Klägerin erhält seit dem 1. Juni 1979, seit dem sie in der Bundesrepublik Deutschland berufstätig ist, auch für H.J. als ihr erstes Kind Kindergeld. Die Berufung gegen das Urteil des SG wäre daher nach § 27 Abs 2 BKGG ausgeschlossen gewesen. Da das SG jedoch die Sprungrevision zugelassen hat, bedurfte es keiner gleichzeitigen Zulassung der Berufung als Voraussetzung der Statthaftigkeit der Revision (BSG in SozR 1500 § 150 Nr 9).
Die Revision der Beklagten ist begründet. Das angefochtene Urteil des SG ist aufzuheben und die Klage auch insoweit abzuweisen, als sie den Kindergeldanspruch für H.J. betrifft. Die Klägerin hat für die streitige Zeit nicht nur, wie das SG rechtskräftig entschieden hat, keinen Kindergeldanspruch für ihre aus ihrer Ehe mit einem Angehörigen der Nato-Streitkräfte stammenden Kinder, sondern ebensowenig für ihr nichteheliches, mit ihrem Ehemann nicht verwandtes Kind.
Der erkennende Senat hat in seinem Urteil vom 20. März 1981 - 10/8b RKg 7/80 (sozR 5870 § 2 Nr 22) bereits entschieden, daß eine deutsche Frau, die einen Angehörigen der US-Streitkräfte in der Bundesrepublik Deutschland geheiratet hat, diesem mit ihren Kindern in die USA gefolgt und später mit ihrem Ehemann und den Kindern zurückgekehrt ist als "Angehörige" im Sinne von Art 13 des Zusatzabkommens zum Nato-Truppenstatut nach der Rückkehr in die Bundesrepublik Deutschland keinen Anspruch auf Kindergeld hat. An dieser Entscheidung hält der Senat fest.
Die Klägerin ist Angehörige eines Mitglieds einer Truppe im Sinne von Art 1 Abs 1 a und c des Nato-Truppenstatuts vom 19. Juni 1951 (BGBl II 1961, 1190). Nach Art 13 Abs 1 des Zusatzabkommens zum Nato-Truppenstatut vom 3. August 1959 (BGBl II 1961, 1218) finden zwischenstaatliche Abkommen oder andere im Bundesgebiet geltende Bestimmungen über soziale Sicherheit und Fürsorge, auf derartige Angehörige keine Anwendung. Art 13 des Zusatzabkommens ist allerdings auf Kindergeldansprüche einer deutschen Frau für ihre nichtehelichen Kinder nicht anzuwenden, wenn sie bei fortdauerndem Aufenthalt im Geltungsbereich des BKGG einen mit dem Kind weder verwandten noch ihm aus sonstigen Gründen unterhaltspflichtigen Nato-Soldaten heiratet (BSG SozR 6180 Art 13 Nr 1). Hiervon unterscheidet sich jedoch der vorliegende Sachverhalt dadurch, daß die Klägerin mit ihren Kindern nach der Eheschließung in der Bundesrepublik Deutschland ihrem Ehemann in die Vereinigten Staaten von Amerika gefolgt ist. Sie hat damit ihren Wohnsitz im Geltungsbereich des BKGG aufgegeben und auch hier keinen gewöhnlichen Aufenthalt mehr gehabt. Dasselbe gilt für ihre Kinder. Wenn die Klägerin in diesem Zusammenhang vorträgt, sie habe in der Bundesrepublik Deutschland während ihrer Abwesenheit eine gemietete Wohnung gehabt, so hat sie damit keinen Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland aufrechterhalten. Die Wohnung stand ihr nämlich nicht zur jederzeitigen Benutzung zur Verfügung, und sie hatte auch nicht die Absicht diese jederzeit zu benutzen. Sie teilte vielmehr den Wohnsitz ihres Ehemannes in den Vereinigten Staaten von Amerika. Die entscheidenden Anspruchsvoraussetzungen der §§ 1 Nr 1 und 2 Abs 5 BKGG waren damit weggefallen. Ihr Status hatte sich nämlich nicht nur dadurch geändert, daß sie geheiratet hatte, sondern auch dadurch, daß sie ihren Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland aufgegeben hatte (vgl SozR 5870 § 1 Nr 4).
Als die Klägerin mit ihren Kindern und ihrem Ehemann in die Bundesrepublik Deutschland zurückkehrte, erlangte sie ihre frühere Rechtsstellung in bezug auf den Kindergeldanspruch nicht wieder. Sie war jetzt "Angehörige" im Sinne von § 13 des Zusatzabkommens ebenso wie andere Angehörige von Soldaten der US-Streitkräfte, die mit diesen aus den Vereinigten Staaten von Amerika in die Bundesrepublik Deutschland kommen. Es ist dabei rechtlich unerheblich, daß sowohl die Klägerin als auch ihr Sohn H.J. weiterhin deutsche Staatsangehörige sind, weil das BKGG nach dem Territorialitätsgrundsatz den Kindergeldanspruch grundsätzlich nicht an die Staatsangehörigkeit knüpft und auch das Nato-Truppenstatut und das Zusatzabkommen insoweit keine Unterscheidung treffen. Mit der Aufgabe ihres Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthalts in der Bundesrepublik Deutschland hatte die Klägerin sich endgültig aus der Bindung an den Rechtsbereich des BKGG gelöst und war "nur noch" Angehörige im Sinne des § 13 des Zusatzabkommens. Eine wirtschaftliche Diskriminierung nur infolge einer Eheschließung wie sie das BSG (aaO) angenommen hat, ist nach der Rückkehr der Klägerin nicht mehr eingetreten, denn sie war schon verheiratet als sie erneut ihren Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland begründete. Wollte man der Klägerin erneut einen Kindergeldanspruch zubilligen, so wäre das eine ungerechtfertigte Besserstellung gegenüber anderen Angehörigen von US-Soldaten, die schon vor der Einreise in die Bundesrepublik Deutschland verheiratet waren, gleichgültig welche Staatsangehörigkeit sie haben und wo die Eheschließung stattgefunden hat.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.
Fundstellen